Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

[20] • Jetzt und hier

»Du hast echt ein Faible für kuriose Orte«, kommentierte ich Jaspers Entscheidung, in einen schmalen Waldweg einzubiegen, nachdem wir zuvor von der Schnellstraße abgefahren waren. Wüsste ich es nicht besser, wäre jetzt der Zeitpunkt gekommen, freiwillig aus diesem Auto auszusteigen. Doch in mir pumpte mein Herz aus anderen Beweggründen. Wir hatten die angestaute Hitze zwischen uns mit ins Innere des Fahrzeugs genommen und sie pulsierte nun um uns herum, sodass man meinen könnte, der Dunstschleier hätte sich nur deswegen über die Fensterscheiben gelegt. Träumerisch zog ich wirre Striche durchs Kondenswasser.

»Das war dir doch von Anfang an klar.« Ich stimmte ihm lachend zu. »Für Alltägliches wäre ich auch nicht mit ins Auto gestiegen.« Was war nur heute Abend mit mir los? Seit wann war ich so versessen auf Abenteuer?

»Gut zu wissen.« Ein Stück meinerseits hoffte, dass das ein verstecktes Versprechen war. Eine kleine Hoffnung, dass auf diesen spontanen Ausflug noch weitere folgen würden.

»Ist es noch weit?«

Jasper schüttelte den Kopf. »Nein, nur noch ein paar Meter.« Der Weg wurde holpriger, weshalb er mit beiden Händen das Steuer umgriff. Ich hatte seine Hände während der Autofahrt schon zu oft betrachtet, was nicht bedeutete, dass ich jetzt damit aufhörte. Sie wurden immer verlockender, je mehr meine Haut mit ihnen in Berührung kam, und ich war heute bereits in einen ausgiebigen Genuss gekommen. Aber auch das reichte mir noch nicht.

Allmählich drosselte Jasper unser Schneckentempo und wir kamen auf einem kleinen Parkplatz zum Stehen. Vor uns strahlten die Scheinwerfer einen schmalen Steinpfad an, der zwischen hohen Fichten weiter hinauf in die Dunkelheit führte. Allein wäre ich hier niemals ins Freie getreten, doch mit Jasper war das anders. Ich wusste, dass er mich nicht hierhergebracht hätte, gäbe es hier keinen besonderen Ort. Die kühle Herbstluft schlug mir entgegen, als ich mich aus dem wohligwarmen Auto hievte. Sogleich schnürte ich mir den Mantel enger um meine Taille. Jasper war derweil mit seinem halben Oberkörper im Kofferraum verschwunden. Interessiert trat ich an ihn heran.

»Was suchst du?«

Ungelenk richtete er sich wieder auf. »Die hier«, sagte er und hielt triumphierend drei dicke Decken in die Höhe. »Man weiß ja nie, wo man sich hinlegen möchte«, fügte er hinzu, als er meinen abwartenden Gesichtsausdruck bemerkte. Aus jedem anderen Mund hätte diese Erklärung seltsam geklungen. Aber bei Jasper wunderte ich mich darüber nicht mehr.

»Wir müssen noch ein kleines Stück laufen. So zwei Minuten circa. Geht das?« Mit seiner Frage bezog er sich wohl auf meine heutige Schuhwahl. Aber wie hätte ich auch ahnen können, dass ich damit noch durch einen Wald marschieren würde? Wir schauten beide zu meinen Füßen hinunter. »Das wird schon«, probierte ich mich am Optimismus.

»Okay, dann los.« Er klemmte sich die Decken unter den Arm, verschloss das Auto und bot mir seine Hand an. Mit klarem Verstand und innerer Zufriedenheit griff ich nach ihr und unsere Finger legten sich wie automatisch um die des anderen. Auch wenn es zum kleinen Teil eine Sicherheitsvorkehrung war, damit ich mich nicht doch auf unserem kurzen Wanderweg blamierte, zählte einzig die Berührung an sich. Nur war mein Verlangen damit nicht gestillt, es wollte mehr. Ich wollte mehr.

Der schmale Pfad stellte sich glücklicherweise nicht als unüberwindbares Hindernis heraus, wie ich anfangs befürchtet hatte. Dennoch war Vorsicht geboten, weshalb ich es nicht wagte, mich von Jasper zu lösen. Auch er gab auf mich Acht, passte sich meiner Geschwindigkeit an und warnte mich gelegentlich vor herausragenden Wurzeln, die er durch das angeschaltete Handylicht rechtzeitig entdeckte. Jedoch bekam ich den Eindruck, dass er die Strecke auch so ziemlich gut kannte. Wenn ich mir vorstellte, hier allein herzugehen und das auch noch mitten in der Nacht, lief mir ein kleiner Schauer eisig den Rücken hinunter. Ich hatte kein Problem mit nächtlichen Spaziergängen an sich, aber ein Wald bei Nacht mit all seinen schaurigen Geräuschen und der Schwärze, die sich unter dem Blätterdach sammelte, war mir dann doch eine Nummer zu viel.

»Da vorne ist es«, murmelte Jasper und ich hob den Blick an, den ich bis jetzt starr auf den Boden vor mir gerichtet hatte, damit ich sah, wohin ich meine Füße setzte. Die Dunkelheit brach in naher Entfernung auf und ich vermutete ein Ende der dichtgedrängten Bäume und Büsche. Je näher wir kamen, desto mehr Lichtpunkte drängelten sich dazu und ich begriff schnell, dass wir gerade eine Aussichtsplattform ansteuerten. Der Wind nahm zu, was mich im Gegensatz zu vorhin nicht störte. Ich war gänzlich eingenommen von der Sicht, die ich nach nur wenigen weiteren Schritten in vollem Umfang zu fassen bekam.

»Wow«, war das Erste und zunächst Einzige, was ich dem entgegenbringen konnte.

Völlig fasziniert ließ ich Jasper hinter mir und trat an das Holzgeländer heran, das provisorisch vor dem Abhang schützte, der ein gutes Stück dahinter lag. Das Wetter war klar, man konnte so weit schauen, wie das Augenlicht bei Mondschein reichte. Überall glitzerten die Lichter, bewegten sich hin und her oder blieben stets auf derselben Stelle, und ich fragte mich, warum es immer so atemberaubend war, eine Stadt aus dieser Perspektive zu überblicken. Ich konnte mich nicht daran sattsehen. Jasper gesellte sich neben mich. Auch wenn mich dieses Panorama aus meinen nicht vorhandenen Socken haute, entgingen mir seine Bewegungen nicht. Er legte die Decken auf den obersten Holzbalken ab und stützte sich darauf. Ich verfolgte weiter das sich mir bietende Lichtspiel und fand nach geraumer Zeit dann endlich ein paar Worte mehr.

»Das muss ein ziemlich beliebter Ort sein.«

Jasper gab dem Windflüstern noch ein wenig Raum, bevor er mir antwortete.

»Das war früher mal. Seitdem die Schnellstraße hier entlangführt, ist dem nicht mehr so. Es macht die Idylle kaputt.« Mir schien es, als würde der Kontrast zwischen der Straße und der verschlafenen Stadt dort hinter erst den eigentlichen Reiz ausmachen. Eingekesselt von all den Bergen drumherum, die den Blick auf das lenkten, was sie in ihrer Mitte vereinten. Als wäre dieses Fleckchen Erde Drehpunkt allen Seins. Oder allen Übels, je nachdem, wie positiv eingestellt man war.

»Falls es mal Ewigkeiten regnen sollte, läuft das hier voll wie eine Schüssel.«

Jasper lachte leise. »Charmante Umschreibung für diese Aussicht.«

»Manchmal gebe ich mir Mühe, die richtigen Worte zu finden«, witzelte ich und ging dazu über, ihn zu betrachten. Er tat es mir gleich.

»Mir gefallen auch all deine unausgesprochenen Gedanken.«

»Ach, und woher willst du das wissen?«

Er rückte ein Stück näher an mich heran. Meine Augen hatten sich soweit an die Lichtverhältnisse gewöhnt, sodass ich seine Züge genau ausmachen konnte. Er hatte sein herausforderndes Grinsen aufgelegt.

»Unerklärliche Eingebung.« Ich schnaubte. Das war auch schon alles, was mir dazu einfiel. Er wusste genau, wie allergisch ich auf seine knapp formulierten, aber dafür eindringlichen, Aussagen reagierte, und ich glaubte, dass sich das für ihn zu einem amüsanten Zeitvertreib entwickelt hatte. Er hatte Gefallen daran gefunden, mich aus der Fassung zu bringen. Aber ich war meist diejenige, die ihn überhaupt dazu anstachelte. Er hielt meine Blutzirkulation ganz schön auf Trab. Konnte man das als gesundheitliche Vorsorge betrachten?

Jasper deutete mein Schweigen als seinen Sieg unseres kleinen Geplänkels. Als Ausgleich gönnte er mir eine kleine Verschnaufpause, indem er sich daraufhin wieder in Bewegung setzte. Mit den Decken im Schlepptau ging er um den Holzzaun herum und breitete sie direkt davor auf dem Erdboden aus.

»Ist der Zaun nicht eigentlich dafür erbaut worden, um dahinter zu bleiben?«, warf ich besserwisserisch ein und schaute zu ihm herab.

Es war ungewohnt, ihn von oben zu erfassen, da unser Größenverhältnis sonst immer genau umgekehrt war. Der Wunsch, meine Hand auszustrecken und seine Frisur zu zerstören, damit ihn wieder seine krausen Locken zierten, bestand immer noch. Doch ich hielt mich zurück, da er sowieso seinen Kopf im nächsten Moment anhob, um meinen Augen zu begegnen. Er war sich keinem Fehlverhalten bewusst.

»Aber wie soll man denn dahinter gemütlich die Aussicht genießen?«, stellte er unschuldig eine Gegenfrage.

Ich musterte unsere Umgebung, um irgendeine Sitzgelegenheit ausfindig zu machen. Doch so, wie ich das sah, war neben diesem maroden Zaun nichts außer Grünzeug und Kieselsteine.

»Stimmt auch wieder.« Somit begab ich mich ebenfalls auf die andere Seite, das Geländer dabei fest umklammert, damit ich mir nicht auf dem letzten Meter noch ein Malheur erlaubte und den Berg hinunter segelte. Obwohl Letzteres dem Abend wahrscheinlich die unbeholfene Note verpassen würde, die so gut zu mir passte. Jasper hatte es sich bereits auf dem Boden bequem gemacht, lehnte mit dem Rücken am Holz und hielt mir abermals die Hand hin.

»Warte kurz, ich zieh mir noch die Hacken aus.« Ein Aufatmen ging durch meinen Körper, als ich meine Füße von diesen Stelzen erlöste. Die Schuhe hatten sich im Laufe des Abends als absolut unbequem erwiesen. Darüber hinaus hielten sie natürlich auch nicht warm, weswegen es keinen Unterschied machte, ob ich nun barfuß war oder mich damit weiter herumquälte.

»Ist der Ort hier eigentlich allgemein bekannt oder wurde er dir auch irgendwann einmal gezeigt?«, versuchte ich das Gespräch aufrecht zu erhalten, während ich die Schuhe ordentlich neben der Decke drapierte und mich neben Jasper niederließ.

Ich verzichtete von vornherein auf einen größeren Abstand zwischen uns. Ich hätte es auf den Umstand unserer knapp bemessenen Unterlage geschoben, wenn mein Körper nicht selbst so erpicht auf Jaspers Nähe gewesen wäre. Aber ich hatte mir erlaubt, dieser Schwäche nachzugehen, und ich wollte die einzelnen Gelegenheiten nutzen, bevor ich das definite Ende am Horizont erahnen konnte. Meine Hand ließ ich somit in seiner verweilen und kurz darauf verschwand unsere unschuldige Berührung unter der dicken Wolle, die uns bis zu unseren Hälsen umwickelte.

»Marie und ich waren sehr oft mit unserer Tante hier, als wir beide noch ein wenig jünger waren. Das hier gehört zu ihren Lieblingsplätzen.«

»Lora, richtig?«, kam mir über die Lippen und ich realisierte erst im nächsten Moment, was ich da gerade von mir gegeben hatte. Ich gab damit zu, sie bereits mit Namen zu kennen, und lenkte das Gespräch auf ein Thema, das ich bis jetzt immer hartnäckig gemieden hatte. Dementsprechend irritiert wirkte Jasper. Er wusste nicht, woher ich diese Information nahm. »Am Dienstag habe ich noch gehört, wie du sie begrüßt hast, als sie nach Hause kam.«

Oder war das hier vielleicht eine gute Gelegenheit, ihn darauf anzusprechen? Ich wusste zwar absolut nicht, wie ich mich verhalten sollte, falls er sich mir öffnete, aber ich konnte genauso wenig weiterhin mein Interesse leugnen, was seine Familiensituation betraf. Würde ich unsere Leichtigkeit damit auf die Probe stellen?

»Ach so. Stimmt, sie kam gleich nach dir. Ja, Lora heißt sie.«

Er sagte das so normal, dass ich seine Stimmung schlicht nicht einschätzen konnte. Höchstens war er etwas nachdenklich, aber was bedeutete das jetzt für mich? Gott, warum ließ mich meine Empathie hier nur so im Stich? Ich entschied mich vorerst, das Thema doch wieder etwas aufzulockern.

»Ich kann absolut verstehen, warum sie den Ort hier liebt«, sagte ich also und verfolgte die Scheinwerfer eines Autos, das über die Straßen schnellte und von hier oben mit einem ferngesteuerten Spielzeug zu vergleichen war. Irgendwie vergaß ich in solchen Augenblicken immer vollkommen die Menschen, die dort in der Entfernung ihrem Alltag hinterher hetzten. Man sah das Leben pulsieren, doch spürte sich selbst so viel mehr, als dass man einen Gedanken an den Ursprung der Lichter versäumte. Dass ich damit nicht die Einzige war, bestätigte Jasper mir in der darauffolgenden Sekunde.

»Lora gefällt der Abstand, den sie von hier oben zu der Stadt nehmen kann. Das hier ist vielleicht keine so kleine Stadt, in der jeder jeden kennt, aber Neuigkeiten verbreiten sich dennoch wie ein Lauffeuer.«

Er ließ diesen Satz in mir wirken, bis sich ganz viele kleine Fragezeichen hinter meiner Stirn gebildet hatten. Welche Neuigkeiten meinte er wohl genau? Ich glaubte, ohne eine Antwort darauf leben zu müssen, doch Jasper war noch nicht fertig. Ich musste nicht nachhaken, er erzählte aus freien Stücken, was mich insgeheim berührte, da dorthinter schließlich der Wille stand, das mit mir zu teilen. Etwas, das er vielleicht nicht jedem beliebigen Menschen erzählte.

»Als Marie und ich damals bei ihr eingezogen sind, haben einige Zweifel geäußert, ob sie das denn als einzelne Frau überhaupt schafft. Kein Mann, keine große Erfahrung mit Kindern, ein zu kleines Haus.«

»Jasper, was ist-?« Mein Mund bewegte sich wie von selbst und Jasper wusste sofort, worauf ich hinauswollte. Er drückte meine Hand fester, als wollte er sie nicht nur halten, sondern sich daran festklammern.

»Sie ist gestorben. Meine Mutter. Vor etwa sieben Jahren.«

Mein Herz knackte laut. Jaspers Blick glitt in die Ferne, während sich seine schweren Worte mit vollem Gewicht auf meinen Brustkorb legten. Ich hatte eine Vorahnung gehabt, aber die Gewissheit war umso härter zu ertragen. Ich verstärkte unseren Händedruck, wollte ihm zeigen, dass er die Kraft nicht vollends allein aufbringen musste, dass ich ihn hielt. Gleichzeitig kämpfte ich gegen eine gewisse Hilflosigkeit an, weil ich nicht wusste, was ich ihm gerade geben konnte, ob ich überhaupt etwas für ihn tun konnte. Aber eins wusste ich genau.

»Wenn ich mir dich und Marie so anschaue, dann muss Lora eine unglaubliche Frau sein.«

Die Frage nach seinem Vater sperrte ich in eine der abgelegenen Ecken meines Kopfes. Den Schmerz, der sich auf Jaspers Gesicht gespiegelt hatte und nun durch den Gedanken an Lora und Marie davongezogen war, wollte ich nicht gewaltsam zurückbringen. Ich wollte nie wieder etwas anderes sehen als dieses sanfte Lächeln auf seinen Lippen, das so viel Liebe für seine Familie zeigte.

»Das ist sie.« Seine Antwort ließ keinen Zweifel zu. Auch meine Aussage war aus reiner Überzeugung entstanden. Ich hatte Marie kennengelernt, ich sah Jasper vor mir und wusste einfach, dass Lora ebenfalls ein so herzensguter Mensch sein musste. Die beiden hatten so früh ihre Mutter verloren und so, wie es den Anschein machte, hatte Lora sie allen Vorurteilen zum Trotz aus eigener Kraft großgezogen.

»Aber es tut weh, dass Marie unsere Mutter nicht so sehen konnte, wie ich es getan habe. Natürlich kennt sie die Geschichten, ihr Lachen von alten Bildern, aber ich wünschte so sehr, sie hätte ihre eignen Erinnerungen machen können.« Sein Blick kehrte zurück, verhakte sich mit meinem und nahm die gleiche Intensität an wie unsere verflochtenen Finger. »Ein bisschen mehr Zeit, nur ein bisschen. Das wäre alles, was wir gebraucht hätten.« In diesem Moment hätte ich alles getan, hätte ich ihm diesen Wunsch erfüllen können. Doch so sehr es auch schmerzte, solch eine Macht lag nicht in meiner Hand. Ich konnte nur meine Arme um seinen Hals legen und ihn an mich ziehen.

Die Decken rutschten zu unseren Hüften hinunter, doch bevor mich die kühle Luft erreichen konnte, schlang Jasper seine Arme fest um meinen Oberkörper und hüllte mich ein. Er vergrub sein Gesicht in meiner Halsbeuge. Er wollte es vor mir verbergen, doch ich spürte, wie unnachgiebig ihn seine Gedanken gerade eingenommen hatten. Dieser große Kerl in meinen Armen fühlte sich plötzlich so verletzlich an.

»Scheiße«, wisperte er in meine Haare. »Das hier sollte eigentlich ein schöner Abend werden. Kein Trauerspiel.«

Ich schwieg, schüttelte aber bestimmt mit dem Kopf. Er sollte sich zu nichts zwingen müssen. Ich wollte nicht, dass er Gefühle vorgab, die ihn gerade überhaupt nicht beherrschten. Seine Sehnsüchte zu formulieren, zeigte doch nur seine immense Stärke. Doch das, was ich bei mir dachte, schaffte ich nicht, ihm mit Worten mitzuteilen. Aber ich wollte es ihm zeigen.

Wir bewegten uns, zogen uns jeweils ein kleines Stück zurück, sodass unsere Gesichter voreinander schwebten. Meine Hände glitten über seine Schultern und legten sich auf seine Brust. Unsere Herzen schlugen um die Wette. Wir blieben beide still, wogen uns in den Augen des anderen, während Jaspers Finger über meine Arme immer weiter hinauf wanderten. Es kribbelte in jeder einzelnen Nervenfaser. Einen klaren Gedanken bekam ich nicht mehr zu fassen, sie entglitten mir allesamt. Jasper hatte jeden noch so kleinen Winkel erobert.

»Sie hat das Meer geliebt«, hauchte er plötzlich in die Dunkelheit hinein. Mein Blick huschte von seinen Augen zu seinem sich öffnenden Mund und wieder zurück. Schmerz, Sehnsucht und Wärme umfingen mich.

»Deine Augen sind ein bisschen wie das Meer.« Er ließ seinen Daumen über meinen Kieferknochen gleiten. Unzählige kleine Stromstöße zuckten durch meinen Körper. »Ein Mix aus Blau, an manchen Stellen hell und klar und an anderen so dunkel und undurchsichtig.«

Mein Herz flatterte, geriet aus dem Takt. »Jasper.« Langsam lehnte er sich vor, bis seine Stirn an meiner lag.

»Und ich gehe so gerne darin schwimmen.« Es war nur noch ein Flüstern. Wir atmeten die Luft des anderen, so nah waren wir uns. Wir kämpften nicht dagegen an, sondern ließen uns leiten. Da war nichts mehr zwischen uns, außer dem Verlangen, das mit einem Mal überhandnahm.

Jaspers Lippen suchten meine und als sie sie fanden, explodierte etwas in mir. Ich stöhnte auf. Der Kuss war nicht zärtlich, wie er vielleicht hätte sein sollen. Wir hatten uns so lange zurückgehalten, der Versuchung widerstanden. Der Drang nach mehr entlud sich schlagartig und mit voller Wucht. All meine unausgesprochenen Worte legte ich in diesen Kuss, mit der Hoffnung, sie würden ihn irgendwie erreichen.

Unablässig bewegten sich unsere Lippen gegeneinander, während ich ihn ungestüm berührte. Ich wollte ihn so nah bei mir haben, wie es nur ging. Jasper wiederum legte mir die Hand in den Nacken und gab dem Kuss noch mehr Tiefe, in der ich mich unaufhaltsam verlor.

Jetzt und hier hätte sich nichts so richtig angefühlt wie seine Lippen auf den meinen. Doch irgendwo weit weg mit klarem Verstand war es das Falscheste, was wir hätten tun können. Aber ich war hier. Ich war jetzt. Und als wir uns schweratmend voneinander trennten, kam uns nichts anderes in den Sinn, als uns weiter um den Verstand zu küssen.

■■■

Die ganze Rückfahrt über lag Jaspers Hand auf meinem Oberschenkel und entfachte dort immer wieder kleine Hitzefunken, wenn er seine Finger hin und her kreisen ließ. Wäre ich verantwortungsbewusst gewesen, dann hätte ich seine beiden Hände ans Steuer verwiesen. Doch bereits die kurzen Momente, in denen er in einen anderen Gang schalten musste, nahm ich nur widerwillig hin. Oftmals imitierte ich seine Berührungen auf seiner Haut. Ich wollte ihm zu verstehen geben, dass ich ihn genau hier haben wollte. Und ich glaube, das tat er, denn wir fanden uns immer wieder aufs Neue.

Gänzlich eingenommen von diesem Genuss, erreichten wir die Turnhalle viel zu schnell. Die Party war immer noch in vollem Gange, vielleicht jetzt noch ein wenig ausgelassener als zuvor. Auch vor dem Gebäude tummelten sich nun zahllose Menschen. Jasper hatte Mühe, beim Einparken keinen über den Haufen zu fahren. Auch Cleo musste hier irgendwo unter dieser feiernden Meute sein. Sie hatte uns vorhin eine Nachricht geschickt mit der subtilen Frage, wohin wir beiden denn verschwunden seien und ob man heute nochmal mit uns rechnen könnte. Die anzüglichen Smileys im Anschluss hatten dann ihren üblichen Charakter zum Vorschein gebracht, getränkt in ein wenig Alkohol. Letzteres hatte sie uns zudem versprochen, falls wir uns wieder der Gruppe anschließen würden. Jasper und ich hatten beide darüber nur lachend den Kopf geschüttelt, uns aber dennoch dazu entschieden, auf Cleos Angebot einzugehen. Jedoch erst nach ein paar weiteren Küssen. Und dann noch ein paar mehr. Meine Lippen waren leicht geschwollen, das spürte ich. Genauso, wie ich auch Jasper noch auf ihnen kosten konnte. Hätte ich gewusst, wie wahnsinnig gut sich das anfühlt, ich hätte es schon so viel früher getan. Auch standen seine Locken nun wieder kreuz und quer, was ich natürlich zu verantworten hatte. Allein wenn ich daran zurückdachte, schrie alles in mir nach mehr.

Auch als wir beide das Auto verließen und uns an den Leuten vorbeischlängelten, konnten wir die Hände nicht voneinander lassen. Während er auf meinem Schulterblatt wiederholt seine Runden drehte, fuhr ich seine Wirbelsäule auf und ab. Erst als wir die anderen entdeckten, wurden unsere Berührungen wieder etwas zurückhaltender.

»Huhu!«, rief Cleo über die Masse hinweg und wedelte mit ihrem Arm in der Luft herum. Das Glas Wein, das sie vor ihrer Brust schwenkte, war sicher nicht ihr erstes. Angeschwipst, so würde ich ihren Zustand beschreiben.

»Kommen wir noch rechtzeitig oder hast du bereits alles weggetrunken?«, zog ich sie auf und stellte mich neben sie in den Kreis. Jasper gesellte sich dazu. Die versammelte Gruppe bestand aus den üblichen Verdächtigen und ein paar Leuten aus Jaspers Riege.

»Pfh, übertreib mal nicht. Das ist erst mein Zweites.«

»Drittes«, mischte sich Lars von Gegenüber ein, worauf Cleo ihm demonstrativ die Zunge herausstreckte. »Hör nicht auf den Schwätzer«, betonte sie und hielt mir ihr Glas hin. »Federweißer?« Ich nickte, auch wenn ich mich bereits etwas betrunken fühlte. Nur hatte das rein gar nichts mit Alkohol zu tun.

Ich führte das Getränk zu meinem Mund und nahm einen großen Schluck. Es schmeckte nur halb so süß wie Jaspers Lippen.

»Darf ich?«, kam es plötzlich von links. Ohne abzuwarten, klaute Jasper mir den Wein aus den Fingern und nippte kurz daran. Mein Blick saugte sich an ihm fest. »Hm, irgendwie etwas fad, oder?« Ein wissendes Lächeln stahl sich auf mein Gesicht. »Ja, finde ich auch.«

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro