21.
Nach einer eher unruhigen Nacht, wachte mit unangenehmen Krämpfen am nächsten Morgen auf.
Nachdem all meine Sinne durch das Morphin am Vorabend betäubt waren, kam es mir so vor, als wären es Krämpfe, die ich zuvor nie gespürt hatte.
Ich blinzelte verschlafen, seufzte und legte eine Hand auf meinen Bauch.
Es stach und zog, schmerzte schlimmer als die Wunde an meinem Oberkörper.
Die Krämpfe saßen am selben Ort, wo ich am vorherigen Morgen ebenfalls leichtere Schmerzen gespürt hatte.
,,Eve, was ist mit deinem Körper los?" beschwerte sich Doll.
,,Ich weiß nicht." erwiderte ich und setzte mich mühsam auf.
Mein Körper fühlte sich noch benommen und zerschlagen an.
Getrocknetes Blut klebte an meinem Bauch, da ich mich nicht umgezogen und gewaschen hatte, bevor ich eingeschlafen war.
Mein Bett fühlte sich nass an.
Nass?
Ich riss die Augen.
Oh nein.
Nein, nein, nein.
Schnell warf ich die Decke nach hinten.
Verdammt!
Eine Blutlache leuchtete mir auf dem hellen Laken entgegen.
,,Meine Güte, bist du im Schlaf abgestochen worden?" fragte Doll.
So viel Blut!
Ein Wunder, dass ich überhaupt noch am Leben war, bei dieser Menge.
Ich stand in Windeseile auf, lief durch den Raum und ins Badezimmer.
Dort zog ich meine Sachen unterhalb meines Oberteils aus.
Ich blickte mit großen Augen auf die nasse rote Stelle.
Das konnte unmöglich wahr sein.
Ich hatte meine Periode bekommen.
Ganz plötzlich.
Ohne Vorwarnung.
Beziehungsweise schon mit einer kleinen Vorwarnung am Vortag, durch die leichten Schmerzen.
Dennoch war es unfassbar.
,,Ist das deine erste oder warum bist du so überrascht?" fragte Doll in meinem Kopf.
,,Nein, es ist nur-" stammelte ich, immer noch völlig verwirrt und zog die blutigen Stoffe aus.
,,-ich hatte meine Tage seit meinem Aufenthalt in der Klinik nicht mehr." erklärte ich.
Dolls feiner Umriss erschien vor mir.
,,Ist das denn nicht was gutes, wenn sie jetzt wieder da ist?" fragte sie.
Ich schwieg.
Es war schon etwas gutes.
Mein Körper produzierte nach jahrelanger Essstörung wieder die richtigen Hormone, sodass ich meine Menstruation bekam.
Allerdings wurde sie wahrscheinlich durch Stress ausgelöst, was wiederum weniger gesund war.
Sie war nun da.
Leuchtend rot auf dem zarten Weiß.
Ich seufzte wieder.
Ich brauchte eine Dusche und danach neues Bettzeug.
Ich fühlte mich, als wäre ich in einen großen Blutkessel gefallen, durch die Wunde und nun auch durch meine Tage.
Traumhaft.
So ging ich zurück in mein Zimmer, holte mir frische Anziehsachen und verschwand wieder im Badezimmer und unter der Dusche.
Es ging alles schnell.
Das Blut ließ sich leicht abwaschen und nachdem ich meinen Verband am Bein und das große Pflaster an meiner Brust gewechselt, sowie mich um das Desaster dort unten gekümmert hatte, fühlte ich mich wieder wie ein Mensch.
Mit neuen Klamotten am Körper verließ ich das Badezimmer wieder.
Meinem Geschmack entsprachen diese Sachen eher weniger, doch daran sollte ich bereits gewöhnt sein.
Woran ich definitiv nicht gewöhnt war, war es so zierliche Oberteile zutragen.
Es bedeckte war meinen Bauch, jedoch saß es ziemlich eng.
Definitiv nicht mein Geschmack, doch wirklich etwas anderes hatte ich im Schrank nicht gefunden.
Nur dieses schwarze Top, dessen dünne Träger kaum etwas verdeckten.
Es wirkte viel zu sommerlich und dünn für die Kälte des Herbsts.
Einen Moment fragte ich mich, wer auf die Idee gekommen war mir so etwas in den Schrank zu legen.
Ich würde es wahrscheinlich nie erfahren.
Etwas angespannt versuchte ich mein Unwohlsein zu unterdrücken und das neue ungewohnte Outfit zu akzeptieren, indem ich es ausblendete.
Auf meinem Nachttisch lag meine schwarze Haarbürste, nach der ich nun griff.
,,Wann ist Eyeless Jack gegangen?" fragte ich Doll, die als blasser Umriss neben mir erschien, hob die Bürste und kämmte mit langen Zügen durch meine Haare.
Er hatte meine Wunde versorgt und mich dann zu meinem Zimmer gebracht.
Ich erinnerte mich noch, wie er sich vor mein Bett gesetzt hatte, bevor ich eingeschlafen war.
Die Frau überlegte kurz.
,,Ich glaube 4:23 Uhr. Er saß die ganze Zeit auf dem Stuhl und hat dich beobachtet, bis er meinte, dass ihm der Geruch nach Blut zu Kopfe steigen würde und er sich besser entfernen sollte." erklärte sie.
Ich nickte schweigend.
Er war also die ganze Zeit bei mir gewesen?
Er musste sich sehr bemüht haben den Blutgeruch zu ignorieren.
Wahrscheinlich war er genau dann gegangenen, als das Chaos dort unten los ging.
,,Ich muss mich bei ihm entschuldigen. Ich war nicht wirklich nett zu ihm." meinte ich schuldbewusst, als mir wieder in den Sinn kam, was ich zu ihm gesagt hatte.
Auf der einen Seite waren meine Zweifel sicher berechtigt, doch ich hätte ihn nicht dazu bringen sollen mich zu verletzen.
Das war so dämlich von mir gewesen.
,,Eve, du hast heute Tischdienst." sagte Doll plötzlich.
Ich riss die Augen auf.
,,Was?!" fragte ich schockiert.
Warum hatte sie mir das nicht am Vortag gesagt?
Ich warf meinen Blick auf den Wecker, der auf meinem Nachttisch stand.
Die Creepypasta würden schon bald erwachen und zum Frühstück kommen!
Schnell warf ich meine Bürste auf mein Kopfkissen.
Ich würde das Laken später wechseln.
Ich sprang in meine Hausschuhe und machte mich eilig auf dem Weg in die Küche.
Slenderman würde es sicher nicht gefallen, wenn ich zu spät die Tafel decken würde.
Wer wusste schon, was er mir angetan hätte, hätte Doll mich nicht erinnert.
Ich malte mir die grausamsten Folterungen aus, während ich mit leicht zitterigen Beinen die Küche betrat.
Die Krämpfe in meinem Unterbauch zogen sich durch meine Oberschenkel und den unteren Rücken.
Sogar im Schienbein spürte ich ein unangenehmes Ziehen.
Ich fragte mich, ob die anderen Mädchen vielleicht Schmerzmittel für mich hatten, unterbrach den Gedanken jedoch, als ich bemerkte, dass die Teller nicht im Regal standen.
Jemand hatte sie mitgenommen.
Verwirrt zog ich eine Schublade zu mir und stellte fest, dass auch bereits das Besteck fehlte.
Ich beschloss in den Speisesaal zu gehen und nachzusehen, was dort vor sich ging.
Schließlich konnte ja wohl kaum jemand das Geschirr und das Besteck geklaut haben, oder?
Als ich den Raum betrat, leuchtete mir Licht entgegen und ich sah, dass die Plätze allesamt bereits gedeckt waren.
Und ich erblickte sofort, wer meinen Job übernommen hatte.
Ein wenig war ich überrascht, nach den gestrigen Ereignissen.
Doch auf der anderen Seite freute es mich, dass er mir geholfen hatte.
Eyeless Jack.
,,Guten Morgen." sprach ich ihn an und machte ihn somit auf mich aufmerksam.
Der braunhaarige drehte den Kopf zu mir und seine Miene schien sich ein wenig zu erhellen.
,,Du bist schon wach?" fragte er.
Ich nickte leicht.
,,Ich bin heute eigentlich mit Tischdienst dran." erwiderte ich.
Der Killer schmunzelte ein wenig.
,,Ich weiß. Ich dachte mir, ich übernehme das, da du gestern Abend ziemlich fertig warst." erklärte er.
Das war sehr nett von ihm.
,,Danke. Ich glaube ich sollte dir trotzdem helfen, sonst denkt Slenderman schlecht von mir." meinte ich und ging auf ihn zu.
Jedoch hob Eyeless Jack die Hand, als ich nur wenige Meter von ihm entfernt war und sofort hielt ich inne.
,,Du solltest lieber etwas Abstand halten. Ich bin noch nicht ganz ruhig." meinte er und wirkte tatsächlich ein wenig angespannt.
Ich nickte verstehend.
Er hatte wahrscheinlich vor wenigen Minuten oder Stunden jemanden getötet, um seinen blutrünstigen Trieb zu stillen und war noch nicht ganz runtergekommen.
Mein verstärkter Geruch nach Blut würde seine Mordlust wieder antreiben.
,,Ich wollte mich entschuldigen, wegen gestern. Was ich gesagt und getan habe, war nicht richtig." sagte ich schließlich.
Der Killer wirkte kurz überrascht.
,,Du musst dich nicht entschuldigen." meinte er.
Jetzt war ich verwirrt.
Ich hatte mich so aufgeführt und er selbst war gestern noch ziemlich sauer gewesen.
Und jetzt?
,,Aber-"
,,Ich kann dich verstehen. Es fällt einem schwer sich zu öffnen, wenn man nicht an das Leben hier gewöhnt ist. Misstrauen ist da vorprogrammiert." unterbrach er mich.
Ich blinzelte überrascht.
Er konnte es verstehen?
,,Als du dich gestern verletzt hast, wollte ich eigentlich nicht wütend werden. Aber der Geruch nach Blut und meine Angst haben wohl meine Reaktion beeinflusst." erklärte er noch.
Seine Angst?
Seine Angst wovor?
,,Tut mir leid."
,,Nochmal, du musst dich nicht entschuldigen."
,,Sorry."
,,Eve."
Ich schmunzelte, als der braunhaarige ebenfalls ein Lächeln nicht unterdrücken konnte.
,,Also, wie kann ich helfen?" fragte ich ihn, um das Thema zu wechseln.
Der braunhaarige deutete auf das Besteck.
,,Das müsste noch ausgeteilt werden." meinte er.
Ich nickte und machte mich direkt an meine Arbeit.
,,Was macht deine Verletzung?" fragte er weiter, um keine unangenehme Stille aufkommen zu lassen.
Er meinte die Wunde, in der ich Delight in mich gestoßen hatte.
Sie war sauber abgedeckt durch ein neues weißes Pflaster, auf das man durch das zierliche Oberteil einen guten Blick werfen konnte.
,,Sie blutet nicht mehr und der Schmerz ist auch beinahe verschwunden." erwiderte ich.
Der Killer schien mich einen Moment lang zu betrachten, was mich verunsicherte.
Wieso schien er mich so durchdringend anzusehen?
,,Kann es sein, dass du dich nicht ganz wohl fühlst?" fragte er plötzlich.
Einen Moment weiteten sich meine Augen.
Wie konnte er das wissen?
War meine Körpersprache so offensichtlich?
Oder hatte er geheime Kräfte, von denen ich bisher nichts wusste?
Ich legte das letzte Messer neben den letzten Teller.
,,Dieses Oberteil ist nicht so meins. Du weißt ja, ich hatte eine Essstörung und deswegen fühle ich mich in so knappen und luftigen Sachen nicht sonderlich wohl." erklärte ich und strich leicht über meinen Arm.
Wenn man den Arm hoch sah, konnte man deutlich den Knochen meiner Schulter sehen.
Ich hatte zwar das ideale Gewicht für mein Alter und meine Größe wieder erlangt, doch mein Körper trug immer noch Spuren dieser Krankheit.
Auf der einen Seite war es schön, wieder einen gesunden Körper zu haben, doch die zurückgebliebenen Stellen, würden mich immer an diese Schlacht erinnern.
Mein Blick fiel auf die Innenseite meines linken Arms , wo zahlreiche Nadeln entweder Blut aus meinem Körper gesaugt oder irgendwelche Stoffe in meinem Körper hineingepumpt hatten.
Leicht hellere Stellen, kleine runde Narben, beinahe Flecken.
Es war eine Qual auf sie zu sehen und so wandte ich den Blick ab.
,,Es war ein harter Kampf." murmelte ich und hatte das Gefühl wieder in die Endlosigkeit meiner Gedanken zu fallen.
Eyeless Jack schien etwas erwidern zu wollen, kam jedoch nicht dazu, als die Tür zum Speisesaal aufgerissen wurde.
Sofort erkannte ich Meis rote Haare und ihre hellen Augen.
,,Ich wusste, dass mir die Stimmen hier bekannt vorkommen." grinste sie.
,,Oh nein, nicht der Quälgeist schon wieder." murrte Doll und schnaubte leicht.
Ich ignorierte ihre Bemerkung.
,,Suchst du etwas?" fragte ich die rothaarige, die mich zurück in die Realität geholt hatte.
Diese schmunzelte und schloss die Tür hinter sich.
,,Ja, dich." erwiderte sie.
,,Mich?" fragte ich und deutete verwirrt mit den Finger auf mich.
Mei nickte.
,,Beziehungsweise euch beide. In den Nachrichten wurde über euch berichtet und über den Mord an Karl. Die Polizei hat seinen Hof abgesucht nach weiteren von uns und dabei vergrabene Kinderleichen unter dem Fenster zu seinem Schlafzimmer entdeckt. Gruselig oder?" berichtete sie.
Kinderleichen?
Ich erinnerte mich schlagartig an den widerlichen Geruch nach Verwesung und die weiche Erde unter meinen Schuhen, als mein Mentor und ich unter dem Fenster gewartet hatten.
Das hatte also so widerlich gerochen!
Leichen von Kindern.
,,Sieht so aus, als wäre Karl nach seiner Zeit im Knast erneut seinen widerlichen Vorlieben nachgegangen. Nur wollte er, dass man ihn dabei nicht noch einmal erwischt." meinte Mei und schmunzelte.
Ich wusste nicht, wie sie dabei nur annähernd lächeln konnte.
Dieser Mann war wegen Vergewaltigung an Kindern im Gefängnis gewesen, kamnnach 7 Jahren wieder frei und zog sich in einem Haus nahe des Waldes zurück, nur um wieder kleine Kinder zu entführen, zu misshandeln und schließlich sogar zu töten, um nicht aufzufallen.
Das war so widerwärtig.
,,Ihn umzubringen war also die richtige Entscheidung." meinte Eyeless Jack.
Ich stimmte ihm innerlich zu.
Es war das richtige gewesen.
Mei blickte mich mit ihren hellen Augen an.
,,Übrigens, du wirst vermisst." meinte sie.
Ich sah sie überrascht an.
,,Wirklich?"
Mei nickte.
,,Die Polizei hat deinen Vater aufgesucht, da er im Verdacht stand mit illegalen Substanzen zu experimentieren. Man hat seine Leiche gefunden und sofort erkannt, dass Jack ihn getötet haben muss. Bei der Durchsuchung seines Hauses hat man deine Sachen entdeckt und nun wird nach dir gesucht. Einige gehen davon aus, dass du irgendwo unter der Erde oder in einem Fluss liegst und vor dich hin verwest, doch andere vermuten, dass du von uns entführt wurdest. Und wieder andere denken, dass du freiwillig gegangen sein könntest." erklärte sie.
Es wurde also nach mir gesucht.
Dass das jemals geschehen würde, hätte ich nie gedacht.
Wer sollte mich bitte vermissen?
Meine Tante?
Niemals.
,,Aber müsste die Polizei nicht einen Anhaltspunkt haben. Schließlich wurden Eve und Jack beim Mord an Karl gesehen. Die Polizisten müssen sie doch irgendwie erkannt haben, oder nicht?" fragte Doll, die inzwischen in ihrer geisterhaften Gestalt neben mir stand.
Mei schüttelte den Kopf.
,,Die Polizisten wurden von uns umgebracht. Die letzte Durchsage eines Polizisten handelte nur von Karl und nicht von Jack oder Eve. Sie haben keine Blickzeugen und sind somit blind wie Maulwürfe." erwiderte sie und grinste.
Mir war das zu viel.
Erst die Sache mit diesem Karl und jetzt das.
Diese Leute hier hatten eindeutig Spaß am Töten.
Meis helle Augen fingen an zu leuchten.
,,Wisst ihr, was ich sehr interessant fand an diesem Bericht? Dass Eve gar nicht als Steves Tochter registriert ist." erwähnte sie.
Ich war nicht als die Tochter meines Vaters registriert?
Was sollte das denn?
Wie konnte das sein?
Ich bemerkte aus dem Augenwinkel eine kleine Bewegung an Eyeless Jack.
Spannung.
Sein Körper hatte sich angespannt und auch Doll wirkte plötzlich ernst und ein wenig beunruhigt.
Was war mit den beiden los?
Mei grinste teuflisch.
,,Sieht so aus, als hätte ich die Stimmung ein wenig verdorben." bemerkte sie.
Sie schien es kein bisschen zu bedauern.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Meine Eltern haben sich nach meiner Geburt nur gestritten, vielleicht auch schon vorher. Wahrscheinlich wollte meine Mutter einfach nicht, dass er als Vater eingetragen wird." vermutete ich, um die Stimmung etwas zu lockern.
Die Beiden neben mir schienen sich ein wenig zu entspannen.
,,Könnte sein." meinte Eyeless Jack.
Doll nickte zustimmend.
,,Sehr wahrscheinlich sogar."
Die Stimmung hatte sich etwas gehoben, doch an mir nagte ein unangenehmes Gefühl, wie eine Ratte an einem Stück Holz.
Die Beiden wussten eindeutig etwas.
Etwas, was ich nicht wissen sollte.
Etwas, was alles verändern könnte.
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