
15.
Die Zeit bis zur Nacht verging wie im Flug.
Ich hatte mich gemeinsam mit Doll in unserem Zimmer zurückgezogen und mich ein wenig ausgeruht, um nicht komplett ermüdet zur Mission aufbrechen zu müssen.
Dann, als es langsam Zeit wurde, hatte ich mich in die dunkelsten Klamotten geworfen, die mir mein Kleiderschrank bot.
Alles in schwarz.
Schwarze Hose, schwarzes Shirt, schwarze Schuhe.
Über meinem Shirt trug ich einen Kapuzenpullover, ebenfalls in schwarz, da es jetzt in der Nacht doch ein wenig frisch draußen war.
In der Tasche des Pullovers lag Delight in ihrer Pistolen-Form.
Ich sah aus, als würde ich zu einer Beerdigung gehen.
Perfekt für die Mission, um im Dunkeln nicht aufzufallen.
Als ich die Treppe nach unten nahm stellte ich fest, dass es vielleicht doch besser gewesen wäre noch eine Jacke anzuziehen.
Kalte Luft war durch die Ritzen der Tür gezogen und erfüllte das Erdgeschoss mit Kälte.
Als ich jedoch Eyeless Jack erblickte, der ebenfalls einen Kapuzenpullover trug, unterdrückte ich die aufsteigende Kälte.
Mir würde sicher noch warm werden.
,,Auf die Minute genau." stellte der braunhaarige Mörder fest, als er mich bemerkte.
,,Ist dir nicht kalt?" fragte er ergänzend.
Ich schüttelte schnell den Kopf.
,,Sobald wir losgehen wird mir noch warm genug werden." meinte ich.
Eyeless Jack wirkte etwas unsicher über meine Aussage, sagte dazu jedoch nichts weiter.
,,Dann lass uns losgehen. Hast du Delight?" fragte er weiter.
Ich nickte und deutete auf meine Tasche vorne am Kapuzenpullover.
,,Gut, dann los."
Er lief voran und ich hinterher.
Wie ein Küken seiner Mutter.
Draußen traf direkt ein kalter Windzug auf uns und ich musste mich bemühen meine Kälte zu verdrängen.
,,Wie sieht der Schlachtplan aus?" fragte ich den braunhaarigen und kam direkt neben ihn.
Dieser zuckte die Schultern.
,,Mal schauen. Ich denke aber, dass wir ihn umbringen werden." meinte er.
Ich weitete meine Augen.
Wie konnte er das so einfach sagen?
Dieser Mann fuhr doch sicher nicht absichtlich in den Wald, oder?
,,Warum?" brachte ich hervor, was mehr wie ein Keuchen klang, vor Überraschung und Verwirrung.
,,Er hat doch sicher nichts schlimmes getan." ergänzte ich noch.
Eyeless Jack wandte den Kopf zu mir.
Sein Gesichtsausdruck war ruhig aber auch ernst.
,,Karl, also der Mann den wir töten werden, mag zwar von Außen wie ein gewöhnlicher Mann, Ende 50 wirken, der gerne Rad fährt. Aber innerlich ist er ein widerliches pädophiles Schwein mit einem Fetisch für Grundschulkinder. Seine Familie und Freunde haben sich von ihm abgewandt, als sie erfahren haben, dass er zwei Kinder vergewaltigt hat. Leider bekam er dafür nur 7 Jahre Knast und wurde danach wieder frei gelassen. Bisher hat er sich nicht weiter auffällig verhalten aber denkst du diese 7 Jahre Gefängnis haben ihn geheilt? Ich glaube nicht." erklärte er.
Ich schwieg einen Moment.
So war das also.
Jetzt konnte ich verstehen, warum er diesem Mann nicht nur einen Denkzettel verpassen wollte.
Ich senkte leicht den Kopf.
,,Das ist heftig. Jetzt kann ich nachvollziehen, warum du ihn töten willst." erwiderte ich.
Zu meiner Überraschung wirkte er nicht verärgert.
Er setzte sogar ein leichtes Lächeln auf.
,,Es wird eine Erleichterung sein ihn endlich tot zu wissen." meinte er.
Ich schmunzelte ein wenig, angesichts seiner erhellten Laune.
,,Du scheinst schon ewig darauf zu warten." erwiderte ich.
Der braunhaarige nickte.
,,Ein Jahr, 3 Monate und 15 Tage. Ich denke diese Mission wird dir viele Dinge zeigen, die ich dir ohne Beispiel nicht beibringen könnte."
Durch seine Worte schien sich auch meine Stimmung ein wenig aufzuhellen.
Ich würde zwar zusehen müssen, wie er jemanden umbrachte.
Doch diese Person hatte es nicht anders verdient.
Er musste sterben.
Dieses Gespräch hier wirkte so leicht und unkompliziert.
Gar nicht, wie ein Gespräch zwischen Lehrer und Schüler.
Mehr, wie ein Gespräch unter Freunden.
Freunde.
Es war komisch einen Mörder als einen Freund zu betiteln.
Doch zu Eyeless Jack fühlte ich mich verbunden, wie zu einem Freund.
Das war so komisch.
,,Schau, dort ist das Haus."
Ich blickte auf und sah in die Richtung, in die Eyeless Jack deutete.
Tatsächlich erkannte ich ein Haus am Waldrand.
Dieser Karl lebte also auch in der Nähe des Waldes und außerhalb der Stadt wie mein Vater es getan hatte.
Ich sah zu Eyeless Jack und beobachtete, wie er sich seine Maske aufsetzte, die durch das schmale Mondlicht leicht leuchtete.
Auch seine Kapuze zog er über, um seine Haare zu verdecken.
Ich tat es ihm gleich und setzte meine Kapuze ebenfalls auf, auch wenn einige meiner blonden Strähnen trotzdem herausschauten.
Ich folgte dem Killer in die umliegenden Büsche, während wir uns dem Haus näherten.
Kein Licht brannte in den hölzernen Wänden.
,,Wir müssen jetzt vorsichtiger sein. Folge mir." flüsterte EyelessJack.
Mein Herz pochte vor Aufregung.
Und dennoch sagte mir meine innere Stimme, dass wir besser von hier verschwinden sollten.
Sogar Doll in meinem Kopf wirkte unruhig.
Eyeless Jack machte vorsichtig ein paar Schritte, ohne dass die Blätter unter ihm knisterten.
Ich folgte ihm, trotz meines unguten Gefühls.
Der braunhaarige Killer umfasste plötzlich meine Hand mit seiner und kurz dachte ich, ich würde einen Stromschlag von ihm bekommen, da sich ein kribbeliges Gefühl auf meiner Handfläche ausbreitete.
Doch da war kein Stromschlag.
Nur ein leichtes Kribbeln, als ich die Wärme seiner Hand auf meiner eigenen eisigen spürte.
,,Komm." flüsterte er und trat aus dem Wald und somit über die Grenze.
,,Ihr zwei, ich habe ein ungutes Gefühl." hörte ich Dolls Stimme.
Ich konnte ihr da nur zustimmen.
Diese Situation wirkte irgendwie zu perfekt.
Alles war dunkel, Karl schien zu schlafen und niemand sonst war hier unterwegs.
Das gefiel mir nicht.
Allerdings hatte ich noch keinerlei Erfahrung mit solchen Situationen, weshalb ich schlecht urteilen konnte.
Und so folgte ich Eyeless Jack weiter, über einen kleinen Holzzaun und in den Garten.
Er führte uns zu einer windgeschützten Stelle und gemeinsam kauerten wir uns unter ein Fenster.
Der Boden fühlte sich seltsam weich an.
,,Trottel." hörte ich die Stimme des Killers und sah, wie er hoch auf das Fenster deutete.
Es stand offen.
Das war wirklich dämlich.
Ich wollte gerade etwas sagen, als mir ein seltsamer Geruch in die Nase kam.
Unter dem Geruch nach frischer Erde verbarg sich noch ein anderer Geruch.
Ein widerlicher Gestank, beißend und moderig.
Widerlich.
,,Riechst du das auch?" fragte ich meinen Mentor und hielt eine Hand vor meinen Mund und meine Nase.
Eyeless Jack schien der Gestank nicht zu stören.
,,Es riecht nach Verwesung. Hier ist etwas oder jemand gestorben." meinte er.
Oder ermordet worden, dachte ich.
Ich rutschte kurz mit meinem Schuh auf dem weichen Boden umher und sah dann zu, wie der braunhaarige sich nach oben reckte, um durch das Fenster zu schauen.
Mein Herz schlug, wie bei einem Marathon.
Diese Situation und der Gestank waren einfach zu viel.
Eyeless Jack gab mir mit einer Handbewegung ein Zeichen, ebenfalls aufzustehen.
Ich kam neben ihm und blickte ebenfalls in das Zimmer, welches sich hinter dem Fenster verbarg.
Etwas traf auf meine Ohren, was auch Eyeless Jack nicht entging.
Eine Stimme.
,,Da telefoniert wer." flüsterte er.
Ich blickte weiter in den Raum und stutzte.
Leicht berührte ich den Arm von meinem Mentor und beugte mich zu ihm.
,,Wenn da wer telefoniert und dieser Karl eigentlich allein lebt, wer ist dann das?" fragte ich leise und deutete auf eine Person, die in einem Bett am Ende des Raumes lag.
Ein schlafender Körper.
Lebendig, die Brust hob und senkte sich leicht.
Eyeless Jack schien sich davon nicht beirren zu lassen.
,,Scheint so, als hätte unser Karl hier Besuch. Wir gehen trotzdem rein, töten ihn und verschwinden dann, sonst ist unsere Mission nicht erfüllt." erklärte er.
Ich wollte etwas dagegen sagen und ihn davon abhalten sich in unnötige Gefahr zu bringen, doch der Killer stieg bereits durch das Zimmer.
Das war doch Wahnsinn!
Missmutig kletterte ich ihm hinterher in den kühlen Raum und schlich zur Tür.
Wenn er das hier schon machen wollte, sollte ich besser darauf achten, dass keiner uns dabei erwischte.
Ich zitterte vor Anspannung und Aufregung, als ich sah, wie Eyeless Jack dem schlafenden Mann ein Stück Stoff in den Mund stopfte, damit er nicht schreien konnte, würde er aufwachen.
Kurz blieb mir die Luft weg, als ich das Aufblitzen einer Klinge bemerkte, die der Killer dem Mann direkt am Bauch ansetzte und anfing zu schneiden.
Blut sprudelte hervor.
Oh mein Gott, war das widerlich.
Ich drehte den Kopf weg und konzentrierte mich wieder auf die telefonierende Person und die Geräusche drum herum.
Die Person redete immer noch, jedoch konnte ich kein Wort verstehen.
Was mir jedoch nicht entging, war ein brummendes Geräusch, welches kurz darauf erstarb, sowie ein Klacken und Klappern.
Ich weitete die Augen, als ich realisierte, was das für ein Geräusch war.
Autos.
Nicht nur eins, sondern mehrere.
Drei, wenn ich mich nicht verhört hatte.
,,Ich höre Autos!" wisperte ich meinem Mentor zu, der inzwischen den ganzen Bauchraum der Person geöffnet hatte und ein Teil der Organe entfernte. Nicht gerade appetitlich.
Diese Person, Karl, hingegen war mit einem kurzen Gurgeln und einem verdrehen der Augen gestorben.
Blut klebte an dem Tuch in seinem Mund, ebenso Speichel.
Widerlich.
Eyeless Jack horchte jetzt ebenfalls.
Alarmiert sah ich ihn an, als wir beide das Öffnen der Haustür und weitere Stimmen hörten.
,,Ihr müsst hier sofort verschwinden!" befahl Doll.
,,Doll sagt-"
,,Ich weiß, was sie gesagt hat. Sie hat recht, lass und verschwinden." unterbrach mich Eyeless Jack.
Ich konnte meine Überraschung nicht verbergen, musste sie jedoch bei Seite schieben, um ihm zu folgen.
Der Killer zögerte keinen Moment und sprang aus dem Fenster.
Ich ihm direkt hinterher, als wir von einem Lichtkegel erfasst wurden.
Ich erkannte das blaue Licht und die blauen Uniformen sofort.
Polizisten!
,,Creepypasta!" rief einer von ihnen überrascht und zornig zugleich.
Ich war wie gelähmt.
Wir wurden erwischt!
Was jetzt?!
,,Lauf!" gab mir Eyeless Jack den Befehl, umfasste meine Hand und zog mich mit.
Ich erwachte aus meiner Lähmung und lief neben ihm, hinter uns drei oder vier bewaffnete Leute.
Die ersten Schüsse fielen hinter uns und Panik stieg in mir auf.
Ich hatte gewusst, dass das eine schlechte Idee war!
Ich keuchte vor Angst, als ich neben meinen Mentor kam, jedoch auch die Leute hinter mir hören konnte.
Was sollten wir jetzt tun?
Weiterrennen und hoffen, dass sie zuerst müde werden und aufgeben würden?
Ein lauter Knall ertönte und ich sah, wie Eyeless Jack neben mir strauchelte.
,,Scheiße!" fluchte er und hielt sich den Oberarm.
Ich sah, wie Blut aus einer Wunde floss.
Aufgeschossenes Fleisch.
Ein Streifschuss.
,,Du bist verletzt!" rief ich in meiner Panik.
,,Lauf weiter!" erwiderte er nur und blieb trotz dieser Wunde standhaft.
Mein Herz raste.
Er war verletzt und diese Leute waren immer noch hinter uns her!
Würden wir sterben?
Würden wir-
Unerträglicher Schmerz schoss durch mein Bein und ich ließ ein Schmerzenslaut ertönen, woraufhin ich ebenfalls strauchelte und auf meine Knie ging.
Rote, warme Flüssigkeit durchnässte meine Hose.
Ich wurde auch getroffen!
Ich blickte auf die Stelle und erkannte, dass meine Hose einen Spalt aufgerissen war.
Tiefrotes Blut quoll hervor.
Streifschuss.
Ich hatte keine Zeit den Schmerz zu realisieren, da Eyeless Jack mich auf die Beine zog.
,,Lauf weiter!" befahl er mir erneut und nahm gleichzeitig Delight aus der Tasche meines Kapuzenpullovers.
,,Was ist mit dir?" fragte ich panisch mit aufgerissene Augen.
Eyeless Jack schob mich mit einer Hand voran.
,,Egal, lauf einfach zum Haus und schau nicht zurück!"
Ich hatte keine andere Wahl als ihm zu gehorchen.
Also lief ich weiter, so schnell es mit meiner Verletzung ging, während Eyeless Jack zurück blieb.
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