13.
,,Ich hatte noch nie so einen fiesen Muskelkater."
Angespannt streckte ich meine schmerzenden Arme nach oben und spürte das ziehen und leichte Knacken meiner Gelenke.
Mehrere Sonnenaufgänge waren seit dem Beginn meines Trainings hier bei den Creepypasta vergangen und so langsam spürte ich die Härte der Übungen.
Es war Kräfte zerrend.
Während der drei Tage, die vergingen, hatte ich versucht, mich mit einigen der Mörder in diesem Haus gut zu stellen.
Was gar nicht so einfach war.
Entweder, weil die meisten von ihnen den ganzen Tag über beschäftigt waren, oder weil sie nicht wirklich die Lust und Absicht hatten mit mir irgendwie in Kontakt zu treten.
Es wäre deutlich angenehmer die Killer allesamt tagtäglich zu sehen und zu wissen, was sie vor hatten.
Denn mich beunruhigte der Fakt, die gefährlichen unter ihnen nicht sehen und nicht wissen zu können, was sie gerade anstellten.
Vor allem Jeff.
Ich sah ihn selten, oft nur beim Essen und wusste nie, wo er sich aufhielt.
Jeder Zeit rechnete ich mit einer Falle oder mit einer plötzlichen Begegnung mit ihm.
Beides könnte mein Leben kosten, das war mir bewusst.
Und so blieb ich vorsichtig und nahm das Training mit Eyeless Jack besonders ernst.
Würde ich mich wenigstens ein bisschen verteidigen können, hätte ich vielleicht noch eine Chance gegen diesen Jeff.
,,Wenn du eine Farbe wärst, welche wärst du dann?" hörte ich Dolls Stimme neben mir.
Ich saß auf meinem Bett und streckte mich, während die glühende Frau neben mir stand.
,,Du stellst immer so komische Fragen." fiel mir auf und drehte den Kopf zu ihr.
Doll blickte auf ein farbiges Stück Stoff in ihrer Hand.
,,Ich kann mich einfach nicht zwischen diesen beiden Farben für den Teppich entscheiden. Sie müssen haargenau zu dir und dem Zimmer passen, verstehst du?" meinte sie.
Nachdem Doll mein komplettes Zimmer umgeräumt und umgestaltet hatte, fand sie immer wieder Akzente, die ihr nicht gefielen und sofort ausgetauscht wurden.
Als wenn ein mörderisches Metawesen nichts besseres zu tun hätte, als die ganze Zeit ein Zimmer umzuräumen.
Ich blickte auf die Farben und musste feststellen, dass sie beide nicht wirklich meins waren.
,,Schwarz-weiß würde sich gut machen." meinte ich und erhob mich von meinem Bett, um erneut meinen Körper nach Oben zu strecken.
Doll seufzte und warf beide Stofffetzen in eine Kiste.
,,Na schön, dann eben schwarz-weiß. Dann sieht der Teppich zwar aus, wie ein Zebra oder wie eine Kuh, aber wenn du meinst." nörgelte sie.
Ich zuckte die schmerzenden Schultern.
,,Ich zwinge dich nicht dazu mein Zimmer umzuräumen."
Wer wusste schon, wie lange ich überhaupt hier bleiben würde.
Ich könnte jederzeit von jemanden hier umgebracht werden.
Da wäre mein Zimmer dann auch egal.
Der Bildschirm meines Handys leuchtete auf, als ich eine Nachricht bekam.
Ich nahm es hoch und blickte auf den Bildschirm.
Ich hatte es noch immer nicht geschafft alle Nummern einzuspeichern und war erleichtert, dass die Nachricht von einer Person kam, die ich kannte.
Evie-Bevie, du musst mir im Speisesaal helfen, bitte, bitte, bitte.
Auf diese Nachricht folgte ein GIF von einem Hund mit riesigen Kulleraugen.
Es war eine Nachricht von Mei.
Ja, Mei.
Die Mei, die ich so unfassbar seltsam fand.
Sie hatte mich am Vortag einfach übers Handy angeschrieben.
Seitdem schickte sie mir irgendwelche GIFs oder Emojies oder irgendwelche sinnfreien Nachrichten.
Oft antwortete ich nicht, doch dann kam der Spam.
Viele, viele Nachrichten hintereinander, sodass mein Handy dauerhaft leuchtete.
Ich seufzte leise.
,,Mei braucht uns im Speisesaal." meinte ich zu Doll.
Die glühende Frau faltete ein anderes Stück Stoff zusammen.
,,Geh nur, ich brauche hier noch ein Weilchen." erwiderte sie und ich fragte mich, ob sie beleidigt war.
Mich beunruhigte der Gedanke ohne sie zu gehen.
Ich war bei weitem noch nicht so stark, dass ich mich ohne sie richtig verteidigen könnte.
Was, wenn ich angegriffen werde würde?
Doll hätte die Kraft dazu den Angreifer schnell abzuwehren.
Doch ich?
,,Ich glaube, es ist nicht sicher allein zu gehen."
Doll deutete auf mein Handy.
,,Mei wird doch bei dir sein. Außerdem wäre ich schneller als ein Wimpernschlag bei dir, wenn dir jemand etwas antun wollen würde." erklärte sie.
Ich seufzte innerlich.
Ich würde sie nicht überzeugen können.
,,Na gut. Dann bis später." verabschiedete ich mich, auch wenn mir der Gedanken allein zu sein immer noch nicht gefiel.
Ich würde ganz allein durch den Flur gehen müssen.
Allerdings war ich auch so immer allein auf mich gestellt.
Ich musste hoffen, dass mir niemand begegnen würde, der mich gerne tot sehen würde.
Also verließ ich mein Zimmer und ließ Doll zurück in ihrem Wahn.
Der Flur war hell beleuchtet durch die Lampen, die von der Decke schienen.
Es würde alles gut werden.
Wie auch sonst schien sich der Flur in die Endlosigkeit zu erstrecken und ich war mehr als nur erleichtert, als ich ihn verließ und von der Anhöhe auf das Erdgeschoss des Gebäudes blicken konnte.
Nur noch die Treppe runter und dann links zum Speisesaal.
Innerlich fragte ich mich, ob es sich wirklich lohnen würde zu Mei zu gehen.
Sie schrieb oder sprach manchmal so seltsame Dinge, dass ich mir dachte:
Oh wow, dieser Beitrag war so unnötig.
Aber das schien nun einmal Mei zu sein.
Sie hatte ihren Spaß daran.
Während ich die Treppe runter lief, stellte ich fest, wie ruhig es im Gebäude war.
Die meisten der Creepypasta schienen unterwegs zu sein, um Slendermans Befehle auszuführen.
So auch Eyeless Jack.
Nach unserem Training war er zu einer erneuten Grenzkontrolle eingeteilt worden, weshalb wir uns wahrscheinlich erst später wiedersehen würden.
Und Mei?
Mei schien hier die wenigsten Aufgaben abzubekommen.
Sie war nicht so oft unterwegs, wie die anderen, weshalb sie ständig hinter einem her schlich und einen beobachtete.
Eine äußerst schlechte Angewohnheit von ihr.
Ich erblickte das rothaarige Mädchen sofort, als ich in den Speisesaal trat.
Sie stellte gerade ein paar Teller auf die Plätze, an denen die Creepypasta saßen.
,,Wobei brauchst du meine Hilfe?" fragte ich direkt.
Mei hob den Kopf und ihre Augen fingen an zu leuchten.
,,Du bist da! Um ehrlich zu sein, brauche ich deine Hilfe gar nicht. Ich wollte nur deine Gesellschaft." erwiderte sie und grinste.
Ich fühlte mich veralbert, doch ich war nicht sonderlich überrascht.
Es war Meis Taktik immer etwas zu behaupten, was sie am Ende gar nicht so meinte.
Ich seufzte.
,,Gut und warum genau?" fragte ich sie weiter, während die rothaarige die letzten Teller ordentlich hinstellte.
,,Ich wollte nur wissen, wie es so läuft, mehr nicht." meinte sie beiläufig.
Ich wusste sofort, dass das nicht das einzige war, was sie von mir wollte.
Zum ersten Mal wünschte ich mir, dass Doll an meiner Seite wäre, um mir wenigstens ein wenig beizustehen.
,,Es läuft gut." erwiderte ich nur, um ihr keine genauen Details zum Training zu geben.
Es ging sie nichts an, wie gut oder wie schlecht ich war.
Die rothaarige blickte mich aufgeregt mit ihren glühenden hellen Augen an.
,,Muss wohl stimmen. Ich habe nämlich Eyeless Jack und Slenderman vorhin über dich reden hören und erfahren, dass dein Mentor dich bald zu einer Mission mit nach Draußen nehmen soll. Aufregend, was?" sprudelte es aus ihr heraus.
Ich blickte sie stumm an.
Eine Mission Draußen?
Also außerhalb des Waldes?
Ich war doch noch gar nicht soweit, mich auch nur annähernd gut verteidigen, geschweige denn jemanden umbringen zu können.
Ich schüttelte leicht den Kopf.
,,Ich glaube, dass das alles viel zu schnell geht." meinte ich.
Wir waren erst soweit mir eine gewisse Ausdauer zu verpassen und meinen Körper fitter zu trainieren.
Ich konnte noch nicht einmal Dolls Pistole Delight kontrollieren oder mit ihr schießen.
Selbst die Bäume verfehlte ich ständig.
Ich war noch nicht so weit, um irgendwie irgendwas außerhalb des Waldes anzustellen.
Mei legte den Kopf schief.
,,Ich denke Slenderman wird beim Mittagessen mehr darüber erzählen. Keine Sorge, du wirst das schaffen, egal wie gut oder schlecht das Training läuft." ermutigte sie mich und lächelte.
Ich seufzte.
Das konnte unmöglich wahr sein.
Das Training lief so schlecht, dass ich innerlich schon aufgeben wollte.
Ich war kein Naturtalent, was den Umgang mit Waffen betraf.
Und schon gar nicht mit Delight!
Einer verhexten Pistole!
Es war doch Wahnsinn mich nun raus schicken zu wollen!
Ein Schauer lief über meinen ganzen Körper.
Diese Mission könnte mein Ende bedeuten.
Jedoch würde ich keine Wahl haben.
Ich sollte mich dem Slenderman nicht widersetzen und das tun, was er mir befahl.
,,Das wird eine Höllenfahrt werden." murmelte ich.
Mei schüttelte den Kopf.
,,Quatsch, das wird lustig werden. Ich war auch aufgeregt bei meiner ersten Mission und hinterher hatte ich den größten Spaß meines Lebens." erwiderte sie.
Sie vergaß anscheinend, dass sie eine kranke Psychopathin war, die eigentlich in eine Anstalt und hinter Gittern gehörte.
Für sie mochte Morden ein großer Spaß sein, doch für mich auf keinen Fall.
Ich würde niemals einen Menschen töten können.
Diese Leute hier waren doch alle verrückt.
Am Ende würde ich selbst noch komplett durchdrehen und den Verstand verlieren, wenn das so weitergehen würde.
Es war einfach nicht richtig für mich hier zu sein und zu lernen, wie man einen Menschen am besten den Gar ausmachte.
Es war verrückt.
Einfach alles hier war verrückt.
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