11.
,,Und dann! Und dann ist er in die Bärenfalle gelaufen und sein ganzes Bein wurde abgesäbelt! Sein Schrei war der beste, den ich jemals gehört habe."
Ich blickte verstört zu der beschwippsten Mei, die mit ihren glühenden Augen begeistert davon erzählte, wie sie einen älteren Mann in eine Falle im Wald gelockt hatte.
Ich konnte mich einfach nicht an diese Leute mit ihren mörderischen Vorlieben gewöhnen.
Vor allem nicht an Mei.
Ihre Gedanken waren mir ein großes Rätsel.
Manchmal wirkte sie nett und freundlich, doch zu anderen Zeiten zeigte sie ihre gefährliche Seite und ihren Spaß an Leid und Mord.
Das war etwas, was sie unberechenbar und gefährlich machte.
,,Wir müssen zusammen mal ein Haus anzünden, dann weißt du, was ich meine. Wenn die Leute darin lebendig gegrillt werden." meinte die rothaarige zu mir und ließ ein teuflisches Grinsen auf ihren Lippen erscheinen.
Meine Augen wurden groß.
Ein Haus anzünden?
Leute beim lebendigen Leibe grillen?!
Clockwork vor uns schnaubte leicht.
,,Nah, Eve ist sicher nicht so eine, die mit Feuer hantiert. Ich wette, du strangulierst lieber."
Bei dem Gedanken jemanden zu erwürgen, wurde mir schlecht.
Vor allem, weil das schon ziemlich bald Realität werden könnte.
Eyeless Jack würde sicher irgendwann sehen wollen, wie ich einen Menschen umbrachte.
Und Strangulieren wäre eine nicht all zu blutige Art.
,,Vielleicht überrascht sie uns auch mit einer völlig neuen Art. Wie ein Überraschungsei." mischte sich, zu meinem Erstaunen, Jeff ein.
Die eisblauen Augen des Mörders leuchteten kalt.
Seine stumpfen, schwarzen Haare wirkten matt im Licht der Lampen über uns.
Er hatte einen neutralen aber auch mystischen Ausdruck in seinem Gesicht.
Was dachte er in diesem Moment?
Nervös vollzog ich meinen nächsten Zug am Billardtisch, während die Playlist auf einen neuen Song umstieg.
Wie lange spielten wir schon?
Über einer Stunde, laut der Uhr meines Handys.
Während im Hintergrund das Lied A Match Into Water von Pierce The Veil startete, trank ich den letzten Schluck Alkohol aus meinem Glas.
Ich hatte mir immer Schlücke übrig gelassen, damit keiner auf die Idee kam, mir noch mehr einzufüllen.
Ich wollte bei halbwegs klarem Verstand bleiben.
Doll, Mei und Nina interessierte das herzlich wenig.
Sie waren schon bei ihrem vierten oder fünften Glas und kicherten vor sich hin.
Es würde also noch eine lange Nacht werden, wenn Doll so weiter trank und das sich dann auch später auf meinen Körper auswirkte.
Der Alkohol war so beißend, dass ich das Gefühl hatte, er würde meine Lippen austrocknete.
Doch ich wusste mir zu helfen, indem ich meinen Lippenpflegestift aus meiner Jackentasche nahm und ihn auftrug.
Ich mochte ihn.
Er war leicht, pflegend, duftete nach Kirsche und hatte zarte rote Farbpartikel in sich.
Während ich die pflegende Schicht auftrug, bemerkte ich, dass Jeff mich dabei ganz genau beobachtete.
Ein unangenehmes Gefühl beschlich mich.
Er konnte mich nicht ausstehen, das wurde mir beim Abendessen am Vortag schon deutlich gemacht.
Und ich verstand seine Gedankengänge nicht.
Plus er war einer der gefährlichsten Killer hier, die nur auf die richtige Gelegenheit warteten, um jemanden zu töten.
Da brauchte es nicht einmal einen Befehl von Slenderman.
Ich bezweifelte sogar, dass Jeff immer auf ihn hörte, wie ein kleiner Schoßhund.
Er war eine Bestie.
Eine mörderische Bestie, mit der Sucht, Blut fließen zu sehen.
Und das nur zum Spaß.
Schließlich hatte er seine gesamte Familie getötet.
Seine Mutter.
Seinen Vater.
Seinen Bruder.
Er hatte es ohne Hemmung getan.
Und er tat es weiterhin, Tag für Tag.
Jetzt beobachtete er mich, als wäre ich die nächste, deren Blut er fließen sehen wollte.
,,Weißt du, was dir hervorragend stehen würde?"
Ich blickte verwirrt zu dem schwarzhaarigen Killer.
Etwas sagte mir, dass er etwas verstörendes und unheimliches im Kopf hatte.
Das war gruselig.
Jedoch konnte ich nicht antworten und auch nichts dagegen unternehmen, als Jeff die Hände hob und beide Daumen an meine Lippen legte.
Sie Hände waren rau und kalt wie Eis.
Was sollte das werden?
Der spontane Gedanke, dass er mit diesen schon Menschen ermordet hatte, ließ mir einen Schauer über den Rücken laufen.
Die blauen Augen des Mörders wirkten hochkonzentriert, als er mit den Daumen meine Lippen entlang, über meine Mundwinkel hinaus und über meine Wangen strich.
Meine leicht rötliche Lippenpflege hinterließ Linien auf meinen Wangen und sofort bemerkte ich, was sie darstellen sollten.
Sein eigenes blutiges Grinsen.
Jeffs Augen leuchteten auf.
,,Genau das. Es ist perfekt." sagte er.
Alles in mir spannte sich an und ich hatte ein unwohles Gefühl im Bauch.
Jeff war dafür bekannt, seinen Opfern ein blutiges Lächeln ins Gesicht zu ritzen.
Hatte er das selbe mit mir vor?!
Schnell wandte ich meinen Blick von ihm ab und wischte die rötlichen Linien von meinen Wangen.
Ich dufte das auf keinen Fall zulassen.
Der schwarzhaarige Killer ließ seinen Blick nicht von mir ab.
,,Weißt du eigentlich, warum du hier bist?" fragte er.
Wieder so ein plötzlicher Gedankensprung.
Wie kam er nun wieder darauf?
Ich wischte den restlichen Lippenpflegestift von meiner Wange.
,,Um Doll als Gefäß zu dienen." lautete meine Antwort und kurz blickte ich zu der leuchtenden Frau, die gerade mit Mei zu ihrem siebten Glas anstieß.
Das würde noch lustig werden.
Auf meiner Haut bildete sich Gänsehaut, als der Killer neben mir ein heiseres Lachen ertönen ließ.
,,Das glaubst du wirklich? Närrin." erwiderte er.
Ich warf ihm einen verständnislosen Blick zu.
Was sollte dieses Verhalten?
Ich schüttelte leicht den Kopf.
Sollte er mich doch als Närrin betiteln.
Ich würde nie aus ihm schlau werden.
Das ungute Gefühl in meinem Bauch stieg an, als der Mörder näher an mich rückte.
Zu dicht.
Viel zu dicht.
Ich konnte seinen heißen Atem an meiner Wange fühlen.
Es roch nach Rauch und nach Alkohol.
Nach getrocknetem Blut.
Mir wurde leicht schlecht.
,,Doll ist nur der eine Grund, warum du hier bist, meine Schöne. Der wahre Grund ist so viel dreckiger und verkorkster, als diese Situation es jetzt schon ist." flüsterte er mit einer kratzigen Stimme, die leicht zu rasseln schien.
Unangenehm, doch ich konnte mich nicht bewegen.
Mein Körper schien wie zu Eis erstarrt.
Der schwarzhaarige hob eine seiner kalten Hände und strich eine meiner blonden Strähnen über meine Schulter nach hinten.
,,Ich rate dir, hier niemanden zu vertrauen. Egal, wie sehr Leute hier auf Wahrheit schwören, sie werden dir alle die selbe Lüge erzählen. Keiner von uns hier, ist ein Engel. An unserer aller Hände klebt das Blut anderer Menschen, vergiss das nicht." meinte er weiter.
Ich öffnete den Mund, um etwas zu erwidern.
Doch Jeff griff mit seiner Hand an meinen Arm.
Es war ein fester, unangenehmer Griff.
Panik stieg in mir auf und ich versuchte mein Arm zu befreien, doch der Mörder zog mich mit einem Ruck näher an sich.
Seine Stimme nun genau an meinem Ohr.
,,Und dein Blut, wird an meinen Händen kleben."
Mit diesen Worten ließ er mich los, wandte sich ab und entfernte sich.
Ich blickte ihm mit großen, ängstlichen Augen hinterher.
Ich hatte die absolute Bestätigung.
Jeff wollte mich umbringen.
Zu 100%.
Er würde lauern und warten, auf den richtigen Moment.
Ich sah zu, wie Jeff den Raum ohne ein weiteres Wort verließ.
Ich verstand ihn nicht.
Warum sollte er mich überhaupt umbringen wollen?
Ich hatte ihm nichts getan.
Spaß.
Einfach zum Spaß, das musste es sein.
,,Eve." hörte ich, wie mein Name genannt wurde.
Ich wandte den Kopf und blickte zu Eyeless Jack, der mich angesprochen hatte.
Er hatte die ganze Zeit kein Wort mit mir gewechselt, weshalb es irgendwie angenehm war, dass er nun doch reden wollte.
,,Was gibt's?" fragte ich und versuchte meine Aufregung und Nervosität zu unterdrücken.
Der braunhaarige sah genau auf meine Augenhöhe, was das Gespräch seltsam vertraut wirken ließ.
Es war ein Gespräch zwischen Gleichgestellten und nicht zwischen Mentor und Schülerin.
,,Du wirkst beunruhigt." meinte er.
Meine Augen wurden kurz groß und ich schwieg.
Meine Nervosität war so schnell aufgeflogen?
Ich atmete innerlich durch.
,,Ich habe den leisen Verdacht, dass ein paar Leute hier einen großen Spaß daran hätten, mich zu töten." erwiderte ich schließlich.
Vor allem Jeff, dachte ich nochdazu.
Ich blickte zu Eyeless Jack, der ein wenig beunruhigt schien.
Auch, wenn er versuchte, es sich nicht anmerken zu lassen.
Er hatte einen leicht angespannten Gesichtsausdruck.
Gerade seine dunkle Augenbrauen zeigten, dass er sich zu sorgen schien, auch, wenn sie fast von seinen dunklen, braunen Haaren versteckt wurden.
Seine Haare schienen in dem Licht der Lampen so weich gezeichnet.
Etwas an ihm war anders.
Hatte er nicht vor einigen Stunden nich glatte Haare gehabt?
Seine Haare zeigten nun weiche Wellen, sogar Locken.
Ich war sogar so fasziniert davon, dass ich den braunhaarigen etwas zu lange anstarrte.
,,Alles in Ordnung?" fragte er.
Ich nickte leicht und wurde etwas verlegen.
Es war nicht nett, jemanden die ganze Zeit anzustarren.
,,Hattest du nicht eigentlich glatte Haare?" fragte ich schließlich.
Der brauhaarige Killer fasste sich kurz an den Kopf, als hätte er seine Haarstruktur gar nicht bemerkt.
Dann schmunzelte er etwas.
,,Ich habe meine Haare nach dem Training gewaschen. Eigentlich habe ich Locken, aber Föhnen und Kämmen machen sie glatt." erklärte er.
Mir schlich ein Lächeln auf die Lippen.
Es sah anders aus, doch es stand ihm gut.
,,Sie passen irgendwie zu dir." sprach ich ohne Hemmung.
Es war einfach die Wahrheit.
Eyeless Jack schien überrascht und schien etwas sagen zu wollen, doch ein schweres Gewicht warf sich von Hinten gegen mich und lenkte uns voneinander ab.
,,Evie-Bevie, dein Glas ist leer. Das schreit nach mehr Alk!" rief Mei, die sehr angeheitert schien und wollte nach meinem Glas schnappen, doch ich steckte den Arm nach oben, sodass sie nicht heran kam.
Die Nacht würde mit der beschwippsten Doll schon anstrengend genug werden, da musste ich selbst nicht auch noch die Kontrolle verlieren.
Ich erhaschte einen Blick auf die leuchtende Frau, die gemeinsam mit Clockwork neben der Musikbox stand und den Kopf im Beat zu dem Song nickte, der gerade lief.
,,It's going down, I'm yelling timber!" sangen beide laut den Text mit.
Es wäre sicher besser, wenn wir uns langsam wieder auf den weg in unser Zimmer machen würden.
Alleine konnte ich nicht gehen.
Die Gefahr, dass Jeff auf mich lauern könnte, war zu groß und ohne Doll war ich nicht stark genug, um mich ihm entgegen zu stellen.
Ich schüttelte Mei ab, die immer noch versuchte an mein Glas zu kommen und lief auf die beiden Frauen zu.
,,Doll, wir sollten vielleicht wieder nach Oben gehen." sprach ich zu ihr.
Sie ließ ein Lächeln auf ihren Lippen erscheinen und ihre Augen fingen an zu glühen.
,,Ach, Eve, sei nicht so verklemmt. Trink noch was und singe mit." meinte sie.
Ich seufzte leicht.
Ich war weder verklemmt, noch wollte ich die Kontrolle verlieren.
Doll schien zu vergessen, dass ich für jeden hier immer noch leichte Beute war.
Würde ich nun loslassen und trinken, würden diese Leute mit mir machen können, was sie wollten.
Und dazu durfte es auf keinen Fall kommen.
Ich versuchte meine Angst mit einen Lächeln zu überspielen.
,,Komm schon, du darfst die Flasche auch mitnehmen und Musik kann ich auch über mein Handy spielen." schlug ich vor.
Doll warf ihren glühenden Blick kurz auf die Flasche und dachte kurz nach.
Wobei.
Konnte sie in diesem Zustand überhaupt richtig denken?
Scharf blickte sie nun zu mir und in meine Augen.
Ich war mir sicher, dass sie in ihnen genau meine Angst und Sorgen lesen konnte.
Jedenfalls schien mein Blick sie zu überzeugen.
,,Na gut, wir gehen. Du solltest dich sowieso ausruhen, wenn du morgen wieder mit Jack trainierst." meinte sie schließlich.
Ich atmete innerlich auf vor Erleichterung.
Die glühende Frau verabschiedete sich lautstark in der Runde, während ich es etwas leiser tat.
Einige wünschten eine gute Nacht, andere bekamen es nicht einmal mit.
Mei zwang sich murrend ein weiteres Glas hinter und Clockwork stellte die Playlist um.
Ich hingegen öffnete die Tür, die hinaus in den kalten Gang führte.
Es war schon irgendwie ein guter Abend gewesen, wenn man die Sache mit Meis Mord-Geschichten und Jeffs Drohung wegließ.
Es war spaßig.
Kurz blickte ich noch einmal zurück in die Runde von Leuten.
Sie alle wirkten in jenem Moment, wie normale Teenager.
Teenager, die nur spielen und feiern wollten.
Mein Blick fiel zum vorerst letzten Mal auf Eyeless Jack, der sich mit diesem blonden Ben unterhielt.
Es war, als würde er meinen Blick immer wieder auf sich ziehen.
Wie ein Magnet.
Ein Magnet, der nicht von ihm lassen konnte und jedes Mal neue Details an ihm erkannte.
Seine ausgeprägte Jawline.
Die spitzen Zähne, wenn er für einen Bruchteil einer Sekunde lächelte.
Dieser Magnet in mir, ließ sich nicht abstellen und richtete meinen Blick immer und immer wieder auf ihn.
Und immer wieder, kam er mir vertraut vor.
Immer wieder, war ich ein wenig erleichtert ihn zu sehen.
Mit einem merkwürdigem Gefühl in meiner Brust, schloss ich die schwere Tür hinter mir und folgte Dolls leuchtender Gestalt durch die Dunkelheit.
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