4. Kapitel
Wir hatten Professor Turner gleich in unserer ersten Stunde am Montagmorgen und es war ein Reinfall. Nicht komplett zwar, die Bücher waren sehr gut und wir würden das ganze Schuljahr mit ihnen arbeiten, aber es stellte sich heraus, dass Professor Turner nur die Herausgeberin nicht aber die Verfasserin des Werks war und sich ihre Kenntnis über Verteidigung gegen die dunklen Künste auf ihre theoretische Seite beschränkte. Sie hatte sich ihr ganzes Wissen angelesen und keinerlei praktische Erfahrung. Also kein Vergleich zu Professor Otkins, der uns letztes Jahr in Verteidigung gegen die dunklen Künste unterrichtete hatte.
Bei den anderen Lehrern ging der Unterricht wie gewohnt weiter und bald hatte uns der Schulalltag wieder fest im Griff – Unterricht, Hausaufgaben, etwas Freizeit, .... Um den langweiligen Schulalltag etwas aufzufrischen, hatte ich mit den Weasley-Zwillingen und Lee Jordan im Gemeinschaftsraum die Köpfe zusammengesteckt. Wir beratschlagten darüber, was wir denn mit den ganzen Stinkbomben und Feuerwerkskörpern und den ganzen Süssigkeiten mit Spezialeffekt anfangen könnten, die die Zwillinge in der Winkelgasse erstanden hatten.
«Wir könnten mal wieder die Slytherins ausräuchern», schlug Lee vor. Die Zwillinge hatten nichts dagegen.
«Aber Jessie ist auch eine Slytherin!», verteidigte ich das Haus meiner Freundin.
Lee verdrehte die Augen. «Wenn wir darauf Rücksicht nehmen, dann bleibt ja gar kein Haus mehr übrig.»
«Doch, die Ravenclaws.»
Fred machte ein nachdenkliches Gesicht. «Ist nicht diese Melanie Cole, die dich die ganze Zeit beschimpft, eine Ravenclaw?»
Ich nickte.
«Aber es sind doch nicht alle Ravenclaws so. Die meisten sind total in Ordnung», verteidigte Lee.
«Wir könnten Cole doch das Haarfärbe-Shampoo und die Mäusestimmen-Bonbons unterjubeln», überlegte George. «Was meint ihr, steht ihr pink? Oder vielleicht doch lieber grün?»
So ging es noch eine ganze Weile hin und her, bis wir uns darauf einigten, die Slytherins auszuräuchern und Cole möglichst viele Jux-Süssigkeiten unterzujubeln. Wie genau wir das anstellen wollte, wussten wir noch nicht, doch es war erst die erste Schulwoche und noch massig Zeit, uns etwas einfallen zu lassen.
Eliza Tylor, die Vertrauensschülerin aus der sechsten Klasse, liess sich in einem Sessel unweit von uns nieder. Schnell wechselten wir das Thema und kamen auf den Aufsatz über Unkenblut zu sprechen, den Snape uns aufgebrummt hatte. Ganze eineinhalb Rollen Pergament und das in der ersten Schulwoche! Sogar McGonagall hatte uns für die erste Woche nicht so viel aufgegeben wie sonst. Aber was konnte man von Snape auch anderes erwarten.
«Ich hab' gefühlt die ganze Bibliothek durchforstet und nirgends stand auch nur ein winzig kleines Wort über eine fünfte Hogwarts-Gründerin», regte sich Eliza auf.
«Ich hab' dir doch gesagt, dass der Hut sich wahrscheinlich versprochen hat. Es ist immerhin ein sehr alter Hut, nicht?», entgegnete ihre Freundin.
Genervt liess sich Eliza in ihrem Sessel zurücksinken.
«Was haltet ihr davon?», fragte ich meine Freunde.
«Victoria hat Recht», sagte Fred. «Es ist ein sehr alter Hut. Vielleicht wird er langsam senil. Ich meine, tausend Jahre sind schon ein ziemlich hohes Alter.»
«Aber das macht doch keinen Sinn. Wieso sollte der Hut erst nach tausend Jahren senil werden? Und ist es nicht komisch, dass der Hut von einer Gründerin singt, von der noch nie jemand etwas gehört zu haben scheint?»
«Vielleicht weiss Dumbledore davon», warf Lee ein.
«Ja, vielleicht», entgegnete ich, «aber es ist trotzdem ziemlich seltsam.»
«Du könntest ja versuchen, dass rauszubekommen», schlug George vor und fügte dann grinsend hinzu: «Dafür müsstest du auch nicht in den Verbotenen Wald. Charlie wäre sicher überglücklich.»
Das wäre er sicher. Auch wenn Charlie meine Freunde und mich einige Male in den Wald begleitet hatte, um nach dem Grimm zu suchen, hatte er es uns gegen Ende des Schuljahrs verboten und war auch nicht dabei gewesen, als es uns tatsächlich gelungen war, denn Grimm zu fangen. Allerdings waren es wahrscheinlich genau diese Ausflüge, die dafür gesorgt hatten, dass Charlie nicht Schulsprecher geworden war, wie Mrs Weasley uns mehrfach vorgeworfen hatte. Den restlichen Abend dachte ich über Georges Idee nach. Wie nur könnte ich es schaffen, mehr über diese fünfte Gründerin herauszubekommen, respektive herauszufinden, ob es sie überhaupt gab. Die Überlegungen liessen mich nicht los, bis ich schliesslich einschlief.
Eine Tür knarzte laut und ich drehte mich um. Es war nichts zu sehen, es war stockdunkel. Nur eine letzte Glut glomm noch im Kamin, doch ihr Lichtschein reichte nicht weiter als bis zu dem Sessel, der davorstand. Leise Schritte und ein leichtes Rascheln kamen von draussen.
«Wer ist da? Hallo? Ist da jemand?», fragte ich laut in die stille Dunkelheit.
Keine Antwort, nur ein weiteres Rascheln.
«Hallo? Wer sind Sie? Zeigen Sie sich!»
Ich trat auf die Tür zu und sah blickte hinaus in den Korridor. Ich konnte nichts erkennen. Ich machte einen Schritt nach draussen und tastete nach dem Lichtschalter und auf einmal spürte ich etwas Kaltes und Spitzes in meinem Nacken. Wie versteinert hielt ich inne. Dann, als sich der Schock etwas gelegt hatte, drehte ich mich ganz langsam um. Im schwachen Lichtschein war sie kaum zu erkennen. Ihr Gesicht war mehr Schatten als etwas anderes, doch es reichte, um die roten Flecken zu erkennen, das verschmierte Blut. Ich blickte in grüne, leicht schrägstehende Raubkatzenaugen, die mich eiskalt anfunkelten. Auf den Lippen meiner Mutter breitete sich ein gefährliches Lächeln aus und sie drückte mir die blutbespritzte Schwertspitze schmerzhaft in den Hals.
«Schwöre mir, dass du niemandem jemals etwas von dem erzählen wirst, was du heute Nacht gesehen hast», hörte ich ihre Stimme.
Ein Schrei riss mich aus dem Traum und ich sass hellwach in meinem Himmelbett im Gryffindorturm. Alles war gut, es war nicht echt gewesen. Nur ein Traum, nur ein blöder Albtraum, versuchte ich mich zu beruhigen und umklammerte das rote Bettlaken. Rot wie Gryffindor, nicht rot wie Blut, schärfte ich mir ein. Die Vorhänge des Himmelbetts wurden zur Seite gerissen und die ängstlichen Gesichter von Alicia und Angelina kamen zum Vorschein.
«Adrienne, was ist los?»
«Wieso hast du geschrien?», fragten die beiden nervös.
Ich sah sie bloss an. Einen Moment lang einfach nur unglaublich gerührt von ihrer Führsorge. Wir waren nicht eng befreundet, gingen einfach zusammen in den Unterricht, waren im gleichen Haus, schliefen im gleichen Schlafsaal. Und trotzdem sorgten sie sich um mich.
«Vielleicht sollten wir Professor McGonagall holen», sagte Angelina an Alicia gewandt.
«Nein, nein, schon gut. Es war nur ein Albtraum.»
«Was hast du denn geträumt?», fragte Alicia.
«Ach, ich ... es war ...», druckste ich herum. Das Bild meiner Ma, die mir das Schwert an die Kehle hielt, spukte immer noch in meinem Kopf herum. Genau wie ihre Worte: Schwöre mir, dass du niemandem jemals etwas von dem erzählen wirst, was du heute Nacht gesehen hast.
«Es war nichts. Nur so ein dummer, völlig absurder Albtraum.»
Angelina und Alicia schienen sich damit zufrieden zu geben und gingen zurück ins Bett. Ich blieb noch lange wach liegen und starrte an die Decke meines Himmelbetts, wo kleine weisse Sterne auf blauem Grund prangten.
Am nächsten Nachmittag verschanzte ich mich nach dem Unterricht in der Bibliothek und zog wahllos ein Geschichtsbuch nach dem anderen aus dem Regal. Ich hatte beschlossen mit der Suche nach der fünften Gründerin in der Bibliothek anzufangen – auch wenn Eliza meinte, sie hätte hier nichts gefunden. Allerdings war ich nicht ganz bei der Sache, wie den ganzen Tag schon. Während Verwandlung hatte ich von McGonagall einen Rüffel bekommen, weil ich zu sehr in Gedanken war und mich nicht genügend darauf konzentrierte, meine Maus in einen Trinkpokal zu verwandeln. Auch in den anderen Stunden, war ich nicht ausreichend konzentriert gewesen und so hatte ich es bei Professor Snape auch gleich geschafft, meinen Zaubertrank zu vermasseln, was mir einen Punkt Abzug und eine Schimpftirade von Snape eingebracht hatte – «Wenn Sie hier in meinem Unterricht sitzen, haben Sie sich gefälligst auch darauf zu konzentrieren, Miss Seanorth. Oder haben Sie es in den Ferien geschafft, sich unheilbare Dummheit einzufangen und sind deshalb zu nichts mehr zu gebrauchen?» – Auch wenn Snape die Gryffindors grundsätzlich immer beschimpfte und benachteiligte, hatte mich das doch sehr getroffen, denn normalerweise hatte er an meiner Arbeit nichts auszusetzten. Das ein oder andere Mal hatte er mir sogar ziemlich hilfreiche Tipps gegeben. Melanie Cole von den Ravenclaws, mit denen zusammen wir Zaubertränke hatten, hatte mich Schadenfroh angegrinst. Sie war schon immer eifersüchtig auf mich gewesen, weil ich besser in Zaubertränke war wie sie, obwohl doch ihre Mutter eine Tränkemeisterin war.
Auch in den folgenden Tagen verbrachte ich so viel Zeit wie möglich in der Bibliothek und suchte nach irgendeinem Hinweis, egal wie klein er war. Jessie und Cedric halfen mir und gemeinsam kämpften wir uns durch gefühlt tausende Bücher über die Geschichte der Hexen und Zauberer um die letzte Jahrtausendwende: Bücher über die Geschichte von Hogwarts, angefangen mit Eine Geschichte Hogwarts, und unzählige andere Bücher, in denen wir vielleicht etwas finden würden. Aber nein. Da war nichts. In der ganzen Bibliothek rein gar nichts. Nicht einmal Madam Pince hatte uns etwas dazu sagen können.
Wir sassen in Geschichte der Zauberei und wieder einmal döste die ganze Klasse vor sich hin, während Professor Binns Jahrzahl um Jahrzahl und Ereignis um Ereignis herunterleierte, ohne auch nur darauf zu achten, ob es überhaupt jemanden interessierte. Und plötzlich kam mir eine Idee. Vielleicht ...?
Ich hob meine Hand und Binns unterbrach ganz irritiert seinen Monolog.
«Ja, bitte, Miss ...»
«Adrienne Seanorth, Sir. Ich habe eine Frage: Der Sprechende Hut hat in seinem Lied bei der Eröffnungsfeier von der Gründung von Hogwarts erzählt und dabei hat er von einer fünften Gründerin gesprochen. Können Sie mir etwas dazu sagen?»
Binns sah mich ausdruckslos an. «Eine fünfte Gründerin, sagen Sie. Da müssen Sie sich wohl verhört haben. Also, im September des Jahres 1289 hat ein Unterausschuss zyprischer Zauberer –»
Binns verhaspelte sich, als jetzt Angelina die Hand hob.
«Miss Jones? Haben Sie eine Frage?»
«Johnson, Sir», korrigierte Angelina. «Ich habe die gleiche Frage wie Adrienne. Sie hat sich nämlich nicht verhört, der Sprechende Hut hat wirklich von einer fünften Gründerin geredet.»
«Es gibt keinerlei Grund anzunehmen, dass es eine fünfte Gründerin von Hogwarts gab. Wenn dem so wäre, dann wäre das bekannt. Und jetzt lassen sie diese hanebüchenen Behauptungen ruhen und uns zu den Tatsachen und Fakten der Geschichte zurückkehren.» Wieder vertiefte sich Binns in seinen Monolog, wurde aber abermals unterbrochen, als jetzt George seine Hand hob.
«Was ist denn jetzt, Mr Weatherby?»
«Nun, wenn es keine fünfte Gründerin gab, wieso hat dann der Sprechende Hut davon erzählt? Wenn ich mich recht erinnere, dann war er doch früher der Hut von Godric Gryffindor, jedenfalls hat er das in seinem Lied letztes Jahr erwähnt. Müsste der Hut dann wohl nicht am besten Bescheid wissen?»
Fasziniert starrte ich George an und überhörte dabei Binns Antwort. George hatte Recht, das hatte der Hut letztes Jahr gesagt.
«Es war vor langer Zeit gewesen, da konnten sie noch selbst verlesen, doch was sollte später dann geschehen, denn sie würden ja nicht ewig leben. S'war Gryffindor, des Rates gewiss, der mich sogleich vom Kopfe riss.»
Das war der Wortlaut gewesen. Ich war ehrlich überrascht, dass George sich daran noch erinnern konnte. Jetzt wusste ich, was ich zu tun hatte: Ich musste mit einem Zeitzeugen sprechen. Ich musste es irgendwie schaffen, den Sprechenden Hut direkt nach dieser fünften Gründerin zu fragen. Das war der einzige Weg.
Fred und George waren überhaupt nicht begeistert, als ich sie an diesem Abend darum bat, mir zu helfen, in Dumbledores Büro zu kommen.
«Aber wie soll ich sonst dort reinkommen? McGonagall lässt mich bestimmt nicht, nur weil ich mit dem Sprechenden Hut sprechen möchte», entgegnete ich ihren langen Ausführungen darüber, weshalb das unter keinen Umständen eine gute Idee war. Um ehrlich zu sein hatte ich erwartet, dass sie die Herausforderung sofort annehmen würden. Und ausserdem hatten sie ja diese tolle Karte, die Karte der Rumtreiber, und wussten deshalb schon über alle möglichen Wege ins Büro des Schulleiters Bescheid.
«Ach, kommt schon, Jungs. Ihr müsst mir auch nur dabei helfen, einen Plan auszutüfteln. Dann zieh ich es allein durch und niemand wir je davon erfahren, dass ihr auch daran beteiligt wart.»
Widerstrebend stimmten die Zwillinge schliesslich zu und wir schlichen in einer Nacht-und-Nebel-Aktion durch die Korridore zum Eingang zu Dumbledores Büro. Ein steinerner Wasserspeier bewachte den Zugang und fragte uns nach dem Passwort. Wir wussten es nicht und egal wie sehr wir bettelten, ohne Passwort wollte er uns nicht einlassen. Nicht mal, als Fred es mit einem Zauber probierte, der alle Arten von Schlössern öffnen konnte.
«Alohomora!», sagte er und tippte mit demZauberstab gegen den Wasserspeier, doch der lachte nur und riet uns, lieber zurückin unsere Betten zu gehen, bevor wir nachts auf den Korridoren erwischt wurden.Widerstrebend folgten wir schliesslich seinem Vorschlag.
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