14. Kapitel
Diese Nacht war der Beginn einer neuen Ära für uns in Hogwarts gewesen. Ab sofort hatten wir einen Ort, an dem wir tun und lassen konnten, was wir wollten, ohne dass irgendein Lehrer oder Vertrauensschüler uns auf die Schliche kam. Wir verbrachten den grössten Teil unserer freien Zeit im Gemeinschaftsraum der Finjarelles. Cedric, Jessie und ich widmeten uns weiter unseren Nachforschungen. Wir lasen über das Haus Finjarelle und versuchten mehr über Finëa herauszufinden. Sie selbst war in diesem Punkt nicht sehr gesprächig. Allerdings hatten wir bereits eine Verbindung zu einem der anderen Themen gefunden, das uns brennend interessierte: zu den Fey. Und die Verbindung war simpel: Finëa war eine Fey. Aber leider war sie auch bei diesem Thema nicht sehr gesprächig, allerdings gab es viele Bücher über Fey und allerlei anderen magischen Kreaturen in den Bücherregalen im Gemeinschaftsraum der Finjarelles. Das einzige Thema, über das Finjarelle äusserst gerne mit uns sprach, war theoretische Magie. Ich hatte ihr Buch zu diesem Thema aus der Verbotenen Abteilung mitgenommen und Finëa war hellauf begeistert gewesen, als sie es gesehen hatte. Mittlerweile war mir aber klar geworden, weshalb das Buch – und wohl auch alle anderen Bücher über dieses Thema – in der Verbotenen Abteilung gestanden hatte: Es war einfach viel zu kompliziert und ich gab es schnell auf, Finëas Ausführungen folgen zu wollen. Jessie schien dagegen geradezu unersättlich und fragte Finëa bei jeder Gelegenheit danach.
«Es ist einfach ein unglaublich spannendes Thema», erklärte sie mir, als ich sie fragte, wieso sie nicht versuchte, etwas anderes aus Finëa herauszukitzeln. «Es erklärt die Prinzipien, die hinter unseren Zaubern liegen, wie unsere Zauber aufgebaut sind. Ich denke, wenn man genug über theoretische Magie weiss, kann man damit eigene Zauber erfinden. Denk mal daran, wie praktisch das wäre, wenn du deine eigenen Zauber erfinden könntest, Adrienne.»
Fred und George schätzten den Finjarelle-Gemeinschaftsraum besonders deshalb, weil ihr Bruder Percy ihnen nicht hierher folgen konnte. Scheinbar hatte er immer ein wachsames Auge auf die Zwillinge, damit sie keinen Unfug trieben. Sehr erfolgreich war er damit noch nie gewesen, doch jetzt konnte er ihre Zimmer filzen so oft er wollte, ihren Vorrat an Stinkbomben, Säuredrops, Haarfärbebonbons, Schluckaufkeksen und was nicht noch alles würde er nie mehr finden. Den hatten die Zwillinge nämlich hierher verlagert. Und zudem noch einige seltsame Gerätschaften, bei denen es sich laut den Zwillingen um den Weg zu den bahnbrechendsten Scherzartikeln der Zukunft handelte. Der ganze Krempel lagerte jetzt auf einem Tisch in der Ecke des Gemeinschaftsraums, wo er niemanden störte. Auch nicht Finëa, die den Zwillingen immer wieder neugierig über die Schultern blickte und einige Anmerkungen fallen liess. Was da aber genau vor sich ging, wusste ich nicht und die Zwillinge wollten es mir auch nicht verraten. Übrigens hatten sie einmal Lee Jordan mitgebracht. Er kam problemlos mit ihnen zusammen in den Gemeinschaftsraum. Als die Zwillinge ihm dann aber dauerhaften Zugang verschaffen wollten, stellte sich heraus, dass der Dolch, mit dem wir uns in die Daumen geschnitten hatten, doch nur eine Zeichnung auf der Wand war.
An einem Nachmittag im Advent brachte ich auch Charlie hierher. Immerhin wusste er sehr viel über magische Geschöpfe und vielleicht konnte er uns mit diesem Wissen weiterhelfen, und wusste etwas über all die anderen Kreaturen, die in den Büchern im Finjarelle-Gemeinschaftsraum erwähnt wurden. Tatsächlich konnte er einiges beitragen und, nachdem er mehr über Fey gelesen hatte, stellte Charlie eine Theorie darüber auf, weshalb kein Tierwesen jemals einer Fey etwas zu leide tun würde. «Zum einen sind sie sehr mächtige Wesen. Wenn ich das richtig verstanden habe, verfügen sie über sehr starke Magie und können jeden Angriff auf sie dreifach vergelten. Und zum anderen: selbst wenn irgendetwas eine Fey verletzt oder sogar tötet, werden höchst wahrscheinlich andere Fey kommen und sie rächen. In der Vergangenheit ist das oft vorgekommen. Doch im Allgemeinen liegt es wohl daran, dass die Fey, wenn sie nicht angegriffen werden, äusserst nett und zuvorkommend gegenüber anderen Wesen sind. Sie können mit allen Tierwesen sprechen und halten sogar mit den gefährlichsten Monstern gerne mal ein Pläuschchen – irgendwie wie Hagrid also.» Was blieb war aber immer noch die Frage, weshalb ich überhaupt nach Fey roch? Unnötig zu sagen, dass Finëa auch in diesem Punkt jegliche Auskunft verweigerte.
«Seanorth!» Snapes scharfe Stimme hielt mich auf, als ich am Ende der Doppelstunde Zaubertränke den Kerker verlassen wollte. Die Zwillinge, Lee, Angelina und Alicia warfen mir einen fragenden Blick zu, doch ich zuckte nur mit den Schultern. Keine Ahnung was ich jetzt schon wieder ausgefressen haben sollte.
«Ich habe festgestellt, dass Sie und Ihre Freunde sich in letzter Zeit kaum mehr in der Bibliothek herumtreiben», sagte er, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war.
«Ja», antwortete ich. Worauf wollte er hinaus? «Warum?»
«Nun, ich hoffe doch, Sie hecken nicht wieder etwas aus.» Diese kalten, schwarzen Augen bohrten sich in meine. Ich hielt dem Blick stand.
«Nein», entgegnete ich und konnte mir dann nicht verkneifen anzufügen: «Ausnahmsweise einmal nicht.»
«Ah, dann geniessen Sie also für einmal die Adventszeit und lehnen sich etwas zurück», sagte er. Ich nickte, aber daraufhin lächelte Snape nur spöttisch und fuhr fort: «Oder aber, Sie haben bereits herausgefunden, was Sie wissen wollten.»
«Professor Snape, weshalb fragen Sie mich über meine Beweggründe darüber aus, weshalb ich nicht mehr so viel in der Bibliothek bin. Ist das nicht eher Professor McGonagalls Aufgabe? Schliesslich ist sie als Hauslehrerin von Gryffindor dafür zuständig auf die Gryffindor-Schüler zu achten.»
Ein leises Lächeln huschte über Snapes Gesicht, doch es verschwand so schnell, wie es gekommen war. «Nun, in ihrer kleinen Bande befindet sich auch eine Slytherin.»
Ich runzelte die Stirn. «Weshalb reden Sie dann nicht mit Jessie, Sir?»
Snape sah mich durchdringend an. «Als Anführerin dieser kleinen Bande sind Sie dafür verantwortlich, wo Sie und Ihre Getreuen sich aufhalten und da Miss Silver nun mal ein Teil dieser Bande ist ...»
«Wieso fragen Sie nicht einfach, was Sie wissen wollen, Professor, und lassen mich dann zum Abendessen gehen?»
Snape zog eine Augenbraue in die Höhe, nickte dann aber und bedeutete mir, mir einen Stuhl zu holen und mich vor seinen Schreibtisch zu setzen. «Was haben Sie über Finëa di Finjarelle herausgefunden?», fragte er direkt. Darum ging es hier also.
«Sie ist die fünfte Hogwartsgründerin, von der der Hut gesungen hat», erwiderte ich ebenso direkt.
Snape nickte. «Und woher haben Sie diese Auskunft?»
Ich kam mir vor wie in einem Verhör, was es wohl auch war. «Sie hat es mir selbst gesagt.»
«Sie haben also nochmals mit ihr gesprochen?», fragte Snape und starrte mich durchdringend an.
Ich seufzte «Wieso wollen Sie das eigentlich alles wissen, Professor? Es kann Ihnen doch egal sein, ob wir uns mit staubigen Büchern oder alten Gespenstern abgeben, solange wir nicht nachts draussen herumschleichen oder im Wald herumstromern.»
«Oder in der Verbotenen Abteilung», fügte Snape hinzu und beobachtete mich genau. Ich versuchte keine Miene zu verziehen, wusste aber nicht, ob es mir gelang. Schliesslich liess Snapes stechender Blick nach und er seufzte. Das muss man sich mal vorstellen! Snape seufzte!
«Ich habe mit Ihrer Mutter gesprochen, Miss Seanorth. Sie macht sich sorgen um Sie. Sie sollten sich mal wieder bei Ihr melden», kam es dann von ihm.
Jetzt kam ich nicht mehr nach. Was hatte meine Mutter mit dem Ganzen zu tun?
«Melden Sie sich bei Ihr, Miss Seanorth, und versuchen Sie, sich aus Schwierigkeiten herauszuhalten, auch wenn das Ihnen als Gryffindor schwer fallen mag. Dann bekommt niemand von uns Scherereien und alle sind zufrieden.» Aha, meine Mutter war Snape also zu Leibe gerückt, weil ich mich nicht gemeldet hatte.
«Wieso schreibt sie dann nicht an McGonagall? Sie ist meine Hauslehrerin.»
«Schreiben Sie Kathleen einen Brief und fragen Sie sie selbst», gab Snape bissig zurück. «Und jetzt sehen Sie zu, dass Sie von hier loskommen. Sagten Sie nicht, Sie wollten zum Abendessen?»
Nach dem Abendessen fanden wir uns wieder im Gemeinschaftsraum der Finjarelles ein. Nebst den üblichen Verdächtigen – also Jessie, Cedric, Fred, George und mir – waren auch Lee, Charlie und, weil es unmöglich war auf Dauer etwas vor ihnen zu verbergen, Alicia und Angelina da. Wenn das so weiterging, würde es nicht mehr lange dauern, bis unser ganzer Jahrgang Bescheid wusste. Und danach ganz Hogwarts. Finëa hingegen schien sich darüber zu freuen, dass in ihrem Gemeinschaftsraum endlich wieder Leben eingekehrt war. Irgendwo hatte sie ein paar Kisten mit Weihnachts-, pardon, mit Jul-Dekoration aufgetrieben und nun machten wir uns daran, den Raum weihnachtlich herzurichten. Es macht übrigens keinen grossen Unterschied, ob es Jul- oder Weihnachtsdekoration ist, Tannenzweige und ein Tannenbaum sowie Kerzen – diese hier brannten mit einem magischen Feuer, das vollkommen sicher war und nichts entzünden konnte – gehörten bei beidem dazu. Der einzige Unterschied war, dass anstatt Christbaumkugeln Lebkuchenherzen und Äpfel aufgehängt wurden; beides mit einem Zauber gegen den Verfall geschützt.
«Was wollte Snape eigentlich heute nach Zaubertränke von dir?», fragte mich Angelina während sie einen grossen, runden, tiefroten Apfel in die Höhe schweben liess.
«Ihm ist aufgefallen, dass wir – also Cedric, Jessie und ich – uns nicht mehr so oft in der Bibliothek herumtreiben und er glaubt deshalb, dass wir etwas aushecken», erklärte ich. «Ausserdem hat er uns im Verdacht, nachts in die Verbotene Abteilung eingebrochen zu sein.»
«Hat er Beweise?», fragte Cedric leicht panisch.
«Natürlich nicht. Sonst würden wir Kessel schrubben und nicht den Finjarelle-Gemeinschaftsraum dekorieren.»
«Was sehr schade wäre», ergänzte Finëa, die ein altes Weihnachtslied vor sich hin summte und ein paar leere Jul-Schmuck-Kisten durch den Raum schweben liess. Ohne Zauberstab und obwohl sie schon tot war.
Auch Jessie war das aufgefallen und sie fragte Finëa zaghaft danach, doch wie immer blockte diese jede Frage, die mit ihrer Vergangenheit zu tun hatte, ab und forderte Jessie dafür auf, ihr Wissen über theoretische Magie zu nutzen und zu versuchen, selbst einen Apfel stablos in der Schwebe zu halten. Danach war der Apfel so verbeult, dass wir ihn fortwarfen.
«Wann genau seid ihr denn in die Verbotene Abteilung eingebrochen?», fragte Charlie und ich war mir nicht sicher, ob er dabei gut gelaunt oder verärgert klang. Jedenfalls kannte ich ihn gut genug, um zu wissen, dass er uns keine Punkte abziehen würde für etwas, dass jetzt doch schon länger her war und so erzählte ich ihm die Geschichte. Charlie schüttelte den Kopf und ärgerte sich, dass wir es waren, die ihn in dieser Nacht aus dem Bett gescheucht hatten. Als Vertrauensschüler war er ebenfalls aufgeboten worden, um die Korridore zu kontrollieren. «Aber hier hattet ihr natürlich das bestmögliche Versteck.»
«Das beste Versteck, dass es in Hogwarts überhaupt gibt, sagt jedenfalls Finëa», meinte Fred und summte vergnügt eine vollkommen schräge Version von Jingle Bells – wenn man das überhaupt noch so nennen konnte.
«Was macht ihr eigentlich über Weihnachten?», fragte Alicia in die Runde.
«Wir werden zu Hause im Fuchsbau feiern», erklärte George und versuchte einen Stoffstreifen in Lametta zu verwandeln, aber Finëa merkte es und funkelte ihn wütend an. Sie wolle keine geschmacklose, moderne Dekoration in ihrem Gemeinschaftsraum, sagte sie.
«Ich werde ebenfalls zu Hause feiern», erklärte Cedric.
«Ich auch», Jessie verdrehte genervt die Augen. «Wir wurden zum Weihnachtsball der Malfoys eingeladen. Eine seeehr grosse Ehre, sagt mein Vater. Leider besteht er darauf, dass ich da auch hingehe.»
«Du Arme, ich will nicht mit dir tauschen», erklärte Fred. «Obwohl, dann könnte ich die Party so richtig aufmischen und all die stolzen Reinblüter so richtig in den Hintern treten.» Wir lachten bei der Vorstellung, wie Fred, und natürlich auch George, eine steife, elitäre Abendveranstaltung aufmischten. Ich tippte, dass dabei mindestens eine grosse Kiste Filibuster-Feuerwerk eine Rolle spielen würden. Und sicher Unmengen an Stinkbomben. Schade, dass die Zwillinge wohl nicht die Gelegenheit dazu bekämen, aber Jessie versprach, es sich zu überlegen.
«Ich werde mit meiner Familie zu Verwandten fahren. Ein grosses Familientreffen. Dabei können Daddys Schwestern meine Ma nicht ausstehen. Das wird so richtig schrecklich werden», sagte Angelina.
«Wem sagst du das. Bei mir wird es genau das Gleiche sein», erklärte Lee.
«Hm», machte Alicia, «Ich feiere immer gern mit unserer Grossfamilie. Es ist das einzige Mal im Jahr, dass wir alle beisammen sind, sonst ist unsere Familie über die halbe Welt verstreut. Meine Tante lebt mit ihrer Familie in den USA und arbeitet dort beim MACUSA – beim Zaubereiministerium», fügte sie an, als sie unsere fragenden Blicke sah. «Einer meiner Onkel lebt in Russland und ... ich glaube er macht da irgendwelche illegalen Geschäfte, ich weiss nämlich nicht, was genau er arbeitet und er weicht solchen Fragen immer aus. Mein anderer Onkel lebt mit seiner Familie in Neuseeland und er findet es ganz schrecklich, dass sie dort an Weihnachten keinen Schnee haben. Trotzdem besteht er darauf, dass wir jedes Weihnachten im Garten meiner Grosseltern ein Barbecue veranstalten, weil darauf will er auch nicht verzichten», erklärte sie und wir mussten alle Lachen.
«Was ist mit dir, Adrienne?», fragte Lee.
Ich zuckte mit den Schultern. «Ich werde wahrscheinlich hierbleiben.»
«Du hast doch nicht etwa immer noch Streit mit deiner Ma», fragte Charlie und warf mir einen prüfenden Blick zu. «Du solltest dich wirklich langsam wieder mit ihr vertragen. So schlimm kann das doch nicht sein.» Das sagte er. Wie würde Charlie wohl reagieren, wenn er herausfand, dass seine Mutter ihn sein Leben lang belogen und in Wahrheit eine Assassine oder etwas in der Richtung war.
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