Chào các bạn! Vì nhiều lý do từ nay Truyen2U chính thức đổi tên là Truyen247.Pro. Mong các bạn tiếp tục ủng hộ truy cập tên miền mới này nhé! Mãi yêu... ♥

|56|

Wenn sich das unlösbare Puzzle endlich zusammenfügt ...
━━ ━━

»Was ist das?«, fragte ich, nachdem wir uns auf den langen, schmalen Teil der Wohnlandschaft gesetzt hatten und Joshua mir eine große graue Mappe entgegenstreckte.

Anstatt mir eine Antwort zu geben, verwies er einfach nur mit seiner offenen Hand darauf, was ich als Einladung ansah, sie zu öffnen. Mein Herz schlug kräftig in mir und ich schluckte mehrmals, um meinen trocken gewordenen Hals zu befeuchten. Was sich hier drin wohl befand? Das letzte Mal, als er mir was in die Hände gedrückt hatte, hatte ich massig Fotos von ihm und mir aus einem Umschlag gezogen. Auf eine Wiederholung dieser Art hatte ich nun wirklich keine Lust.

Allerdings war die Neugier zu groß und ich kippte kurz und schmerzlos den dünnen Karton von rechts nach links. Meine Augen weiteten sich, mein Herzschlag setzte kurz aus, als mein Blick geradewegs auf eine Grafik fiel.

Ich musterte das beeindruckende Meer an Strichen auf dem Blatt Papier. Rundherum waren unzählig viele mit einem weichen Bleistift neben- und übereinander gesetzt, um eine nahezu schwarze Fläche zu schaffen. Auch wenn sie teilweise kreuz und quer durch das Bild flogen, ließ sie der dominante Duktus zu einer Stelle im Bild hinführen, so als würden sie mit geballter Kraft darauf einschlagen. Ähnlich wie ein starker Platzregen, der auf den Asphalt prasselte. Doch hier kam der Angriff von allen Seiten und die Linien konzentrierten sich auf ein rundes, helles Zentrum im untersten Drittel des Bildes. In dessen Mitte stand jemand. Ein Junge mit gebückter Körperhaltung, der dabei seinen Kopf mit beiden Händen nach unten drückte.

Mein zuvor wild schlagendes Herz, sackte bei diesem Anblick genauso zusammen wie die Person auf dem Bild. Unweigerlich schossen mir die Tränen in die Augen, weil mich die hervorgerufenen Emotionen zu überrollen drohten.

Ich schluckte schwer und hob den Blick, um Joshua anzusehen. Seine Iriden fanden sofort meine und ich meinte darin so etwas wie Zweifel oder Unsicherheit zu entdecken.

»Ist das von dir?«

Joshua nickte, ohne meinen Blick dabei loszulassen. Eigentlich hatte ich die Antwort gewusst, aber irgendwie war ich gerade zu aufgewühlt, um klar denken zu können.

»Du hast gesagt, dass du nicht malst.«

Ein minimales Zucken war an seinen Mundwinkeln auszumachen, aber das verschmitzte Grinsen blieb aus. »Nun ja, streng genommen male ich auch nicht. Ich zeichne.«

Ich konnte mir auf diese Klarstellung hin jedoch kein Schmunzeln verkneifen, ehe ich ebenfalls stumm nickte und mich erneut der Zeichnung widmete. Nach dem Gewicht der Mappe zu urteilen, waren es sehr viele Bilder, die auf mich warteten, also blätterte ich langsam durch. Manchmal verharrte ich länger an einem, ließ es auf mich wirken. Aber insgesamt ähnelten sie sich alle sehr in der Wahl des Motivs und vermittelten eine traurige und zugleich düstere Stimmung. Der aggressiv wirkende Zeichenduktus stand dieser ausdrucksstarken Atmosphäre entgegen, während er in seiner Rhythmisierung ein wenig an den von van Gogh erinnerte.

»Die sind unglaublich ...«, flüsterte ich, als ich ungefähr ein Drittel gesichtet hatte.

»Unglaublich beängstigend?«

Mein Kopf schoss nach oben und ich schaute direkt in Joshuas Gesicht, in dem durch die gekräuselte Stirn deutlich der Zweifel stand. »Nein! Sie sind beeindruckend! Es liegt so viel Tiefe darin. So viel Gefühl. Und genau das berührt mich ... Wahnsinn ...«

Erneut blickte ich über die bisherigen Zeichnungen, wobei mir die Bewunderung dafür eine Gänsehaut bescherte. Sie waren unglaublich ausdrucksstark und zeugten von großem Talent.

Ich betrachtete das nächste Bild, in dem wieder einmal der Junge zu erkennen war. Hier wurde die Dunkelheit durch ein riesiges, schwarzes Monster hinter ihm dargestellt. Der einfachere Stil ließ vermuten, dass es sich um ein früheres Werk handeln musste. »Wann sind die denn entstanden?«

Joshua zog die Brauen nach oben und stieß hörbar seinen Atem aus. »Ich glaube, ich habe die ersten dieser Art mit neun gezeichnet. Es kamen ab da regelmäßig welche dazu. Aber während meiner Zeit des Entzugs und der Therapie sind mit Abstand die meisten entstanden. Auf der Rückseite müsste auf dem Großteil ein Datum vermerkt sein.«

Ein weiteres Mal lief mir ein Schauer über den gesamten Körper, als mir bewusst wurde, was mir Joshua hier gerade offenbarte. Er zeigte mir gerade Werke von sich, die seine Gefühle widerspiegelten. Die sein Innerstes zu nicht besonders rosigen Zeiten ausdrückten. In jedem einzelnen dieser Zeichnungen steckten seine tiefsten Emotionen. Und ich konnte sie deutlich nachempfinden, sodass es mir äußerst schwerfiel, nicht hier und jetzt in Tränen ausbrechen, weil mein Herz beim Blick auf den verzweifelten Jungens immer wieder abstürzte. Das war ... Mir fehlten die Worte. Ich wüsste nicht, ob ich es schaffen würde, ihm Bilder aus Zeiten meiner Tiefpunkte zu zeigen.

»Ich weiß, wie sehr Kunst in schwierigen Phasen helfen kann. Deswegen bedeutet es mir unendlich viel, dass du mir diesen Teil von dir zeigst.« Meine Stimme war leise, schwach. »Ich ... Ich kann richtig fühlen, welchen Schmerz du dabei empfunden haben musst.«

»Dass meine Bilder Schmerz widerspiegeln, war mir lange nicht bewusst. Denn alles, was ich vor und während des Zeichnens empfunden habe, war blanke Wut.« Sein Blick senkte sich auf seine verschränkten Hände, die sich daraufhin verkrampften. »Wut ... Sie war mein Schatten. Mein ständiger Begleiter. Ich wurde sie einfach nicht los. Aber ich wollte nicht mehr diese permanente Wut in mir spüren. Nach dem Zeichnen fühlte ich mich immer ein Stück befreiter. Ich hatte dadurch Macht und Kontrolle über sie.«

Ich nickte und dachte darüber nach, was mir Joshua auf der Exkursion von seinen Wutanfällen erzählt hatte. »Deswegen haben sich also dein Verhalten und deine Leistungen in der Schule gebessert ...«

»Richtig. Zum einen nutzte ich das Zeichnen als Mittel der Kontrolle, wenn ich die Wut akut bekämpfte. Zum anderen zeichnete ich aber auch präventiv. Das hier ist nur ein Bruchteil meiner Zeichnungen. Ich habe nahezu täglich gezeichnet. Heute tue ich das nicht mehr. Dagegen habe ich den Sport gefunden, der einen wertvollen Ausgleich für mich darstellt.«

Er blickte wieder auf und musterte mich mit ruhelosen Iriden. »Die Zeichnungen in dieser Mappe sind eben nur die, die ich als Instrument zur Kontrolle der Wut genutzt habe. Aber, wie du richtig erkannt hast, habe ich darin eher meinen Schmerz eingesperrt. Schmerz und Wut liegen oft nah beieinander und können kombiniert auftreten, vor allem wenn man die Veranlagung dazu hat. Die Wut hat mich geblendet, denn im Grunde hat sie nur versucht, den Schmerz zu verdrängen.«

Allmählich fügte sich das Puzzle, das bisher unlösbar zu sein schien, zusammen und Joshua wurde immer greifbarer für mich. Mir wurde aber auch klarer, wie viel wir tatsächlich gemeinsam hatten, auch wenn wir teils andere Mittel und Wege nutzten.

»Schmerz kann unerträglich sein und manchmal droht man daran zu zerbrechen. Verdrängung ist da ein ganz einfacher Schutzmechanismus. Ich ... Ich habe zehn Jahre lang nichts anderes getan als zu verdrängen«, entgegnete ich ihm mit brüchiger Stimme. Meine Hände begannen zu zittern und mein Herz schlug unkontrolliert. Ich spürte ein allzu bekanntes Gefühl in mir hochkriechen. Doch das konnte ich gerade überhaupt nicht gebrauchen, weshalb ich schnell weiter in Joshuas Zeichnungen stöberte.

Schließlich blieb ich an einem Bild hängen. Es unterschied sich deutlich von denen, die ich bisher gesehen hatte. Die traurig-aggressive Dunkelheit war zwar immer noch präsent, aber sie fiel hier viel geringer aus. Wie Ketten schlängelte sie sich um die Hände eines Mannes, der seine Arme kraftvoll nach oben streckte, um sich davon zu lösen, damit er seinen Weg in das vor ihm liegende Licht fortführen konnte. Ich blätterte still betrachtend weiter und begegnete immer mehr diesem Motiv, das wie ein Befreiungsschlag auf mich wirkte.

»Diese Zeichnungen sind anders. Hast du die während deiner Therapie gezeichnet?«

Ein leichtes Lächeln huschte über seine Lippen, als er nickte. »Um genau zu sein, entstanden sie ab dem Zeitpunkt, an dem meine Therapie griff. Die Wut wurde weniger, der Schmerz dafür umso stärker. Aber ich wollte lernen, damit umzugehen, damit er mich nicht mehr beherrschen konnte.«
Plötzlich schüttelte Joshua lächelnd seinen Kopf. »Du verstehst mich mehr, als ich zu hoffen gewagt habe.«

»Es ist einfach bewundernswert, dass du dich von diesem Schmerz lösen konntest.« Ich wünschte, ich könnte das auch ...

»Das konnte ich aber erst, nachdem ich herausgefunden habe, warum ich so wütend und verletzt gewesen bin. Ohne die Therapie würde ich es vermutlich immer noch nicht wissen.« Sein Blick war so eindringlich, dass er mir unter die Haut ging und ich erneut erzitterte.

Nachdenklich sah ich zu der Zeichnung in meinen Händen. »Dann hat dir die Therapie tatsächlich geholfen ...«, sagte ich mehr zu mir, als zu ihm. Da ich selbst so schlechte Erfahrungen damit gemacht hatte, fiel es mir schwer, das zu glauben. Aber Joshua und seine Bilder waren der Beweis, dass es eventuell doch noch Hoffnung geben konnte.

»Ich habe in meinem Leben einige abgebrochen. Aber meine letzte, die nach meinem glorreichen Drogenabsturz ... die hat mir in der Tat geholfen.«

»Was war der Unterschied? Lag es am Therapeuten oder ...?«

»Es lag ganz allein an mir. Ich habe zuvor keinen Sinn in diesen Therapien gesehen. Wie auch? Ich war schließlich noch ein Kind und hatte ganz andere Bedürfnisse, wie mir im Nachhinein klar geworden ist«, erklärte er mit ernster Stimme. »Aber nach der Sache mit den K.-o.-Tropfen wollte ich aktiv etwas ändern. Ich wollte an mir arbeiten, damit ich hoffentlich nie wieder in so eine missliche Lage geraten werde. Und mit dem richtigen Willen bin ich unter ganz anderen Voraussetzungen zum Therapeuten gegangen als die Male davor. Ich denke, man muss sich bereit fühlen, sonst ist eine Therapie im Vornherein zum Scheitern verurteilt.«

Wieder nickte ich. Er hatte wahrscheinlich recht. Vermutlich war das der Grund, warum meine Therapie damals nichts gebracht hatte: Ich war nicht dazu bereit gewesen. Aber vielleicht könnte ich es noch mal versuchen. So wie es auch gerade mein Vater wagte. Eventuell konnten wir uns dabei sogar eine Stütze sein, immerhin wollte er auch endlich über die vergangenen Ereignisse mit mir sprechen. Als Kind hatte ich unter anderem genau das vermisst.

»Hast du mit jemandem über die Therapie geredet?« Während ich fragte, sah ich wieder auf und musterte Joshuas markantes Profil. Ich wusste nicht, wo er gerade gedanklich war, aber irgendwie wirkte er etwas traurig.

»Ja, mit meinem Vater. Ich habe ihn ein paar Mal im Gefängnis angerufen und mit ihm darüber gesprochen. Es hat gut getan, nicht nur mit mir selbst ins Reine zu kommen, sondern auch ihm wieder näher zu kommen.« Obwohl er es gut durch seine raue, starke Stimme versteckte, konnte ich deutlich den unterschwelligen Schmerz heraushören. Er musste seinen Vater unglaublich vermissen ...

Vorsichtig legte ich meine rechte Hand auf Joshuas. Sofort wurde durch diese leichte Berührung ein Kribbeln in meinen Fingerspitzen ausgelöst. »Das kann ich gut verstehen. Es ist schrecklich, wenn plötzlich ein wichtiger Mensch aus dem Leben gerissen wird. Egal wie. Manchmal ... da werde ich richtig wütend, wenn ich daran denke, was ich verloren habe.«

Eine Stille breitete sich zwischen uns aus. Nicht unangenehm, sondern besinnend. Wir saßen einfach nur da und hingen gedanklich unserem Gespräch nach. Irgendwann zuckte Joshuas Hand und er verschränkte sie mit meiner. Die Wärme, die von ihm ausging, ergriff sofort Besitz von mir. Als dann auch noch unsere Augen zueinander fanden und wir uns dabei anlächelten, meinte ich, mein Herz müsste gleich vor Hitze explodieren.

»Darf ich dich etwas fragen?«

━━ ♡ ━━

Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro