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Wenn du dich mitreißen lässt ...
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Bei jedem Schritt, den ich die Treppe hinunterging, wurden die elektronischen Bässe lauter und der Geruch von Schweiß immer präsenter. Sandy zog mich voller Begeisterung mit ihrer rechten Hand hinter sich her, während sie die Linke nach oben streckte und sich im Takt der Musik bewegte. Mir wurde ja hin und wieder in der Schulzeit nachgesagt, ich sei ein Feierbiest, aber Sandy war noch mal eine andere Hausnummer. Selbst die ödeste Party auf Erden wurde mit ihr lustig. Einfach weil sie unglaublich darin war, ihr Umfeld mitzureißen. Und genau so erlebte ich sie gerade wieder, was mir ganz automatisch ein Lächeln verpasste.
Unten angekommen, wanderte mein Blick durch das hohe Kellergewölbe. Linkerhand eine überfüllte Bar, deren dunkles Holz nur vereinzelt hervorlugte und in ein angenehmes Blau getaucht war. Überall kahle Steinwände, die jegliche Lichter aus der Umgebung reflektierten. Vor mir, umgeben von leuchtenden Nebelschwaden, eine tanzende Meute, angestachelt von den Beats, die sich in ihren wilden Bewegungen widerspiegelten. Darüber zeigte sich ein Laserspektakel, bei dem ich hängenblieb. Nahezu gebannt verfolgte ich das Spiel der grellen Lichter. Wie sich die blau-pinken Laserstrahlen immer neu formierten und den Tönen der Musik entsprechend über die Menge tanzten und pulsierten. Für einen Moment verschwanden sie, nur um wieder mit voller Kraft den Raum zu erschüttern. Wie ein unaufhörliches Leuchtbeben.
Unweigerlich stellten sich alle meine Härchen auf und ich schlang die Arme um meinen Bauch. Doch ansonsten wollte mein Körper nicht auf die Musik reagieren, die auf ihn einwirkte. Dabei strömte jeder Ton in mich hinein. Aber ich blieb wie angewurzelt stehen. Irgendwie wusste ich nicht, wie ich mich bewegen sollte.
»Abgefahren, oder?«, brüllte mir Sandy ins Ohr.
Ich nickte und sah zu ihr. Sie strahlte mich an, streckte ausgelassen die Hände nach oben und hüpfte wie ein Flummi.
»Also ...« Erneut blickte ich zu den Lasern, die sich mehrfach teilten und wie ein Fächer wiederholend auf- und abschwangen. Sich vereinten, eine neue Farbe annahmen. Ich konnte den Blick kaum abwenden, bevor ich mich meine Freundin näherte. »Die Lasershow ist wirklich abgefahren. Das hat definitiv was. Aber die Musik ...«
»Ist nicht deins.«
Ertappt schaute ich in Sandys Gesicht, die mit den Achseln zuckte und zu lachen begann.
Noch immer über beide Ohren grinsend, beugte sie sich zu mir. »Hätte mich auch echt gewundert. Das hat dir ja noch nie gefallen. Aber es freut mich, dass du die Lasershow magst. Genau deswegen sind wir nämlich hier.« Sie zog mich ein Stück zurück Richtung Bar, an der wir Kira, Adrian und Sandro fanden.
»Was wollt ihr trinken?«, fragte Adrian und blickte in die Runde. »Cocktails? Longdrinks? Bier?«
»Ich würde allen Bier empfehlen. Haltet eure Flasche nah bei euch und lasst sie nicht allein. Man hört leider immer mal wieder, dass was in Getränke gekippt wird ...« Sandy beäugte uns nacheinander und runzelte ihre Stirn dabei.
Wir alle nickten zur Antwort, während mir ein eiskalter Schauder über den Rücken lief. Kira sah mit ihren weit aufgerissenen Augen fast so aus, als wollte sie am liebsten sofort wieder von hier verschwinden, aber ich hielt ihre Hand fest, um ihr etwas Sicherheit zu geben. Drogen oder K.-o.-Tropfen brauchten wir nun wirklich nicht, aber die gab es nun mal nicht nur in den Berliner Clubs. Egal, wo man war, man sollte immer auf sich achten.
»Wenn ihr rauchen wollt, dann geht dafür am besten nach oben und dann raus, außer ihr wollt in der Raucher-Lounge kiffen«, sagte Sandy und verwies mit dem Kopf hinter uns auf den durch eine Glasfront abgetrennten Bereich. Im dort schummrigen Licht und von dünnen Rauchschwaden umgeben, waren dort einige Leute auszumachen, die auf diversen Couchen und Sesseln herumlümmelten. »Ich hol dann mal eine Runde Bier für uns.«
Meine Freundin quetschte sich sogleich durch eine schmale Lücke zwischen zwei Männern an der Bar, die scheinbar ebenfalls darauf warteten, ein Getränk zu bestellen.
Während sich immer mehr Leute von unserer Kunstexkursion nach unten gesellten, stimmte der DJ ein neues Lied an. In längeren Abständen heulte ein Laut auf, bei dem die Laser kurz aufblitzten. Danach wurde es für einen Moment stockdunkel, ehe der nächste Bass erklang. Die Pausen zwischen den Tönen wurden immer kürzer, der Raum wurde zunehmend heller erleuchtet. Die Leute erwachten aus ihrer Starre und bewegten sich vermehrt ausgelassen. Diesmal wippte sogar ich ein wenig mit dem Kopf und meinem nicht lädierten Fuß mit. Als das Intro in den Hauptteil überging, reichte uns Sandy schon das Bier und deutete mit ihrer freien Hand Richtung Tanzfläche.
Langsam mischten wir uns unter die jungen Menschen. Dabei blickte ich nach oben und verfolgte die Strahlen, die wild über uns flirrten. Folgte ihnen zu ihrem Ursprung und beobachtete fasziniert, welche neuen Formationen passend zur Musik gezaubert wurden. Der Beat wummerte. Kroch in meine Glieder. Vermischte sich mit dem, was ich sah. Und urplötzlich erfasste mich eine Kraft. Sie setzte mich in Bewegung. Wenngleich ich nicht wusste, was ich hier machte, so tat ich es einfach. Berauscht vom Anblick der Lasershow und begleitet von den elektronischen Klängen, die meinen Körper fluteten. Gelegentlich erinnerte mich mein angeknackster Knöchel daran, das Ganze nicht zu übertreiben.
Ein weiteres Bier später tanzte unsere Gruppe genauso heiter wie der Rest um uns herum. Hin und wieder stieg eine neue Nebelwolke auf, die mein Umfeld kurzzeitig verschwimmen ließ. Doch wir standen derart eng beieinander, dass wir uns überhaupt nicht aus den Augen verlieren konnten. Sandy fand ich inzwischen rechts neben mir knutschend mit Sandro vor. Sie ließ echt nichts anbrennen. Ich lachte laut los, als mir bewusst wurde, dass sich streng genommen nur der letzte Buchstabe ihrer Namen unterschied.
Immer noch grinsend prostete ich Adrian zu. Aus den Augenwinkeln bemerkte ich, dass er mich etwas komisch musterte, als ich die letzten Schlucke aus meiner Flasche nahm. Allgemein war er in den letzten Stunden seltsam distanziert und verhältnismäßig ruhig gewesen. Genau genommen, seit er Joshua und mich allein in der Ausstellung vorgefunden hatte. Vielleicht bildete ich mir das nur ein. Aber was, wenn nicht? Allerdings hatten wir ja nichts Unangebrachtes gemacht ... Also wollte ich mir jetzt auch nicht den Kopf darüber zerbrechen, was mit ihm los war. Eher brauchte ich noch mal was zu trinken.
Zu meiner Linken tanzte Kira, die ich vorsichtig in die Seite stupste. »Ich bin kurz an der Bar noch eine Runde Bier für uns holen.«
Sie nickte kurz, schloss wieder ihre Augen und bewegte sich fließend zur Musik, als würde sie das schon ihr ganzes Leben tun.
Bevor ich mich umdrehen konnte, spürte ich jemanden unmittelbar hinter mir stehen. Ich nahm ganz deutlich die Körperwärme wahr. Ein süßlich-herber Geruch stieg mir in die Nase. Wer war das? Als ich mich umwandte, blickte ich geradewegs auf ein weißes T-Shirt mit einem Markenlogo, das sich über eine muskulöse Brust spannte. Meine Augen wanderten weiter nach oben und verloren sich in dunklen, undurchdringlichen Iriden. Er stand viel zu dicht vor mir. Augenblicklich stellten sich die Härchen meinem Rücken entlang auf und ich erstarrte.
Der Unbekannte grinste mich verschmitzt an, beugte sich zu meinem Ohr herunter, sodass sein Atem die Haut drumherum kitzelte. »Du bist nicht wegen der Musik hier, oder?«
Keine Ahnung, warum, aber ich nickte. Ich war wohl zu überrumpelt von der plötzlichen Nähe.
»Bin auch kein Fan von. Aber die Lasershow kann sich sehen lassen.«
Schnell senkte ich die Lider, in der Hoffnung, der Kerl würde mich dann in Ruhe lassen. Ich hatte so gar keine Lust, mich mit irgendeinem Wildfremden zu unterhalten. Daher zwängte ich mich an ihm vorbei und ging zielstrebig zur Bar, an der mittlerweile nicht mehr ganz so viel los war. So hatte ich die Gelegenheit, mir einen der Hocker zu schnappen. Erst beim Hinsetzen bemerkte ich, dass mein Fuß ganz schön schmerzte. So ein Scheiß! Dabei war ich eigentlich nur auf der Stelle hin- und hergetippelt.
Als der Barkeeper zu mir sah, hob ich die Hand und er nickte mir zu. »Fünf Bier, bi...«
»Und zwei Gin Tonic.«
Die bekannte Stimme ließ mich die Augen rollen, doch ich wandte mich nicht nach rechts zu ihr um. Stattdessen beobachtete ich, wie der Typ hinterm Tresen mit den Bierflaschen jonglierte und anschließend die Kronkorken mit einem Öffner entfernte. Nebenher bereitete er die beiden Mischgetränke zu. Dabei musste ich daran zurückdenken, wie Andi und ich zusammen Cocktails gemixt hatten. Mein bester Freund konnte sich ähnlich gut wie der Barmann hier bewegen. Allerdings hatte er immer ein Lächeln auf den Lippen, wohingegen der Kerl vor mir keinerlei Miene verzog. Obwohl jeder seiner Moves galant aussah, machte es nicht den Anschein, als würde ihm seine Arbeit Spaß machen. Oder er war schlicht und einfach ein Miesepeter?
Als er die Getränke vor meiner Nase platzierte, erwachte ich aus meiner gedanklichen Starre und kramte den Geldbeutel aus der Tasche.
»Nicht nötig, das geht alles auf mich.«
Jetzt kam ich doch nicht umhin und blickte nach rechts, wobei ich feststellen musste, dass mir der Typ von der Tanzfläche ziemlich nah auf die Pelle gerückt war. So nah, dass mein Knie gegen seinen Oberschenkel gepresst war. Diese Tatsache ließ mich erschaudern. Meinen kurzen Aussetzer nutzte er als Gelegenheit, um sich zu mir herunter zu beugen.
»Vielleicht magst du mir deinen Namen verraten, hübsche Frau«, raunte er in mein Ohr.
Ich schüttelte den Kopf, legte meine Hand auf seine Brust und schob ihn bestimmt von mir weg. »Ich kann selbst zahlen.«
Meine Abfuhr schien ihn wenig zu tangieren. Zumindest tauchte ein selbstgefälliges Grinsen in seinem Gesicht auf.
»Nice. Nicht nur 'ne hübsche, sondern auch 'ne starke Frau.« Er hob anerkennend die Brauen. »Was muss ich tun, damit du mir 'n paar Minuten mit dir schenkst?«
Sein Lächeln offenbarte ein Grübchen auf der rechten Seite, was seine dunklen Augen zum Funkeln brachte. Unweigerlich kribbelte es leicht im Bauch. Verdammt, der Kerl wusste genau, wie er seine Beute um den Finger wickeln konnte. Vor ein paar Monaten hätte ich zu einem Abenteuer mit ihm sicher nicht Nein gesagt.
»Da bist du bei mir an der falschen Adresse«, entgegnete ich ihm entschlossen, spitzte in meinen Geldbeutel und zog den Zwanziger daraus, um ihn auf den Tresen zu legen.
»Nicht leicht zu haben«, sagte er grinsend. Dann begegnete er erneut meinen Augen, wobei etwas in seinen aufflammte. »Gib mir wenigstens 'ne klitzekleine Chance.« Er nahm das Glas vor sich und streckte mir parallel seine Rechte entgegen. »Ich bin Finn.«
Ich beäugte die große Hand vor mir, doch anstatt sie zu ergreifen, fischte ich den Geldschein wieder vom leicht klebrigen Holz und wedelte damit, bis der Barkeeper ihn abnahm. »Stimmt so.«
Anschließend drehte ich mich leicht mit dem Barhocker, damit ich mich endlich seiner unmittelbaren Nähe entziehen konnte. Irgendwie war mir die ganze Situation absolut unangenehm. Vermutlich weil der Kerl so aufdringlich war. »Schön für dich, Finn. Ich bin nur leider so gar nicht interessiert und gehe dann mal wieder zu meinen Freunden. Schönen Abend noch.«
Gerade wollte ich nach unten rutschen, als er mir den Tumbler fast vor die Brust hielt. »Wirklich schade, aber ich versteh', wenn ich verloren hab'. Falls du Gin Tonic magst, nimm den Drink trotzdem gerne an ... Als Geschenk meiner Anerkennung.«
Ich verdrehte sichtlich die Augen, überlegte kurz und nahm ihn dann doch wortlos entgegen. Einfach, damit er mich hoffentlich endlich in Ruhe ließ. Aber ich kam damit nicht weit, denn in der nächsten Sekunde wurde mir das Glas entrissen.
Meine Lieben!
Ich hoffe, ihr hattet tolle und entspannte Feiertage im Kreise eurer Familie! Bitte entschuldigt, dass es hier in der letzten Zeit so ruhig gewesen ist ... Ich habe ein wenig Pause gebraucht. Als Entschädigung bekommt ihr schnellstmöglich das nächste Kapitel — ich muss es nämlich nur noch einmal überarbeiten und hoffe, dass ich das bis morgen schaffe. ❤️
Stresst euch aber nicht mit dem Lesen. 😉
Fühlt euch gedrückt ❤️
Eure Teresia ☀️
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