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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒊𝒄𝒉 𝒅𝒆𝒊𝒏 𝑲𝒐̈𝒓𝒑𝒆𝒓 𝒗𝒆𝒓𝒓𝒂̈𝒕 ...
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»Ich seh' halt jetzt schon eine Schnapsflasche fliegen.«
»Halt die Klappe«, murrte ich halblaut, während ich absolut konzentriert Tequila mit dem Becher abmaß. Ärgerlicherweise zitterte meine Hand dabei gefährlich und ich spürte Andis Augen auf mir, denen diese Tatsache sicher nicht verborgen blieb. »Wer kommt denn auch auf die Schnapsidee, nachmittags um drei Cocktails zu mixen?«
»Ein sehr vorausschauender Mensch, der sicherstellen möchte, dass du zu später Stunde nicht heillos überfordert bist, wenn die Bar gestürmt wird.«
Ich schüttete die Spirituose in den Shaker, stemmte meine Rechte in die Hüfte und sah meinen besten Freund mit hochgezogenen Augenbrauen an. »Ich möchte ja nichts sagen, aber ich arbeite in der Gastronomie und komme ständig in Situationen, die mich ein gewisses Stresslevel erreichen lassen. Und bisher bin ich dabei nie untergegangen.«
Ein schelmisches Grinsen legte sich auf seine Lippen. »Aber die Leute mussten bei deinem Mess-Perfektionismus sicher etwas länger als geplant auf ihre Drinks warten, oder? Oder müsst ihr alles bis aufs kleinste Tröpfchen gen...«
»Das Rezept gibts sicherlich nicht zum Spaß und deswegen muss man das auch so machen, wie es dasteht!«, entgegnete ich und zeigte auf das Cocktailrezept auf dem Tresen.
»Sagt wer?«
Ich reckte mein Kinn in die Höhe und trat mit erhobenem Finger einen Schritt an ihn heran, sodass wir unmittelbar voreinander standen. »Wenn man die Mischverhältnisse durcheinander bringt, dann ist doch der ganze Geschmack verfälscht.«
»Weißt du ...« Er senkte den Kopf und seine Bambiaugen blitzten mich frech an, ehe er mit einem amüsierten Ausdruck auf den Messbecher in meiner linken Hand deutete. »... in der Gastro macht man so was nach Gefühl. Und je mehr man mixt, desto mehr lässt sich das Gefühl dafür entwickeln.«
»Sagt der Cocktailprofi, oder wie?«, fragte ich und rollte die Augen.
Er lachte auf und warf dabei kurzzeitig seinen Kopf in den Nacken. »Korrekt! Deswegen werde ich dir heute etwas Unterricht erteilen.«
Ich drehte mich kopfschüttelnd von ihm weg, spitzte kurz auf das Rezept und griff dann zu den Limetten links von mir. »Ich glaube, ich schaffe das ganz gut ohne deine Fachsimpelei.«
»Hey, jetzt sei nicht so zickig. Das steht dir nicht. Ich weiß, du kannst es nicht leiden, wenn man dir hilft, aber ...«
»Dann lass es sein«, nuschelte ich beleidigt, während ich die Citrusfrucht mit einem Messer halbierte.
»Elli ...«
»Weißt du was?« Ich legte Besteck und Schürze ab und wandte mich ihm erneut zu. »Du mixt hier mal weiter und ich werde anfangen, die ...« Ich zeigte mit dem Finger auf die Sektflöten, die er vorhin fertig befüllt hatte. »... an die Gäste zu verteilen. Freddi könnte durchaus mehr Hilfe gebrauchen und du scheinst von Cocktails ja ohnehin sehr viel mehr Ahnung als ich zu haben.«
»Aber ...«
Seinen schmollenden Ausdruck ignorierend, schnappte ich mir das Tablett und rauschte erhobenen Hauptes davon. Mein Abgang war vielleicht ein wenig kindisch, musste ich mir eingestehen, aber meine Nerven lagen seit gestern blank. Sobald man mich auch nur minimal reizte, drohte ich zu explodieren. Und ich wollte nicht, dass Andi schon wieder meinen Frust abbekam.
Mein Blick fiel auf einen Stehtisch in unmittelbarer Nähe, zu dem sich gerade Angies Schwester Doris mit ihrem Mann und den beiden Töchtern gesellte. Zügig steuerte ich sie an. »Hallo zusammen! Wollt ihr auch gleich einen Sekt? Für euch Mädels gibts da drüben am Buffettisch Wasser und Limo.« Ich jonglierte das Tablett mit einer Hand und verwies mit der anderen in Richtung Treppe, die zur Terrasse hochführte. Dort waren rechterhand einige Tische aufgebaut, an denen alkoholfreie Getränke bereit standen und später allerlei leckere Häppchen angeboten werden sollten.
»Hallo Elli! Wie schön, dich wiederzusehen.« Doris' Augen strahlten, während sie mich zur Begrüßung leicht an der Schulter tätschelte. »Ich hatte ja meine Bedenken, ob das mit der Gartenparty zu der Jahreszeit was wird, aber das Wetter könnte nicht besser sein. Und das ganze Ambiente sieht zauberhaft aus. Ich bin begeistert!«
Kurz hob ich das Kinn an und bewunderte den blauen, wolkenlosen Himmel. Die Sonne schickte ihre Strahlen herab und wärmte mich überall dort, wo sie sanft auf meine Haut traf. Das Wetter nahm für Anfang April sommerliche Maße an, als hätte man es extra für Reiners Gartenparty gebucht. Mein Blick wanderte weiter zu den hohen Ästen der umliegenden Obstbäume. Allesamt waren nicht nur mit zahlreichen Blütenknospen geziert, sondern auch mit Lichterketten und unterschiedlich großen, pastellfarbenen Lampions behangen. Sie sollten in den späteren Stunden für angenehmes Licht sorgen.
»Das freut mich, ich werde die Komplimente dafür gerne weitergeben«, erwiderte ich lächelnd. »Heute ist wirklich ein traumhafter Tag, aber später wird es sicher kälter.« Damit verwies ich kurz mit meinem Kopf auf den riesigen Pavillon neben uns. »Momentan sind die Wände noch offen, aber abends werden sie zugezogen und die Heizstrahler angemacht, damit keiner frieren muss.«
»Wirklich toll!«, sagte Andis Onkel und ehe ich mich versah, nahm er zwei Gläser vom Tablett.
Mein Herz machte einen Satz und ich balancierte das Gewicht schnellstmöglich aus. Erleichtert atmete ich auf. Verdammt, das war knapp! Hoffentlich ging heute nichts wegen mir zu Bruch.
Er lächelte mich entschuldigend an, aber ich nickte nur und machte mich sogleich zum nächsten Tisch auf. Hier bewunderte eine ältere Frau – das war Reiners Großcousine, wenn ich mich richtig erinnerte – das Zusammenspiel von Öllämpchen und Blumengesteck darauf. »Sieh nur, Franz! Sind diese Pfingstrosen nicht herrlich? Bestimmt hat die gute Emilia wieder einmal für dieses atemberaubende Ambiente gesorgt.«
»Das hat sie in der Tat, aber den Blumenschmuck lässt sich Angie nicht nehmen. Emilia hat allerdings alles andere daran angepasst und sich um den Rest gekümmert. Darf es Sekt sein?« Mit einem freundlichen Lächeln auf den Lippen bot ich den beiden Herrschaften die prickelnde Flüssigkeit an und hoffte, sie würden meine kleine Einmischung in ihr Gespräch verzeihen. Obwohl ... eigentlich war mir das egal.
Den beiden scheinbar auch, denn sie nahmen sich dankend den Sekt und beachteten mich nicht weiter.
Während sich der Garten immer mehr füllte, kommunizierte ich über Blicke mit Freddi, damit wir die Leute an unterschiedlichen Stellen mit Getränken versorgen konnten. War das Tablett geleert, holten wir bei der Bar Nachschub, wo Andi inzwischen von Gabriel beim Ausschank unterstützt wurde.
Kaum war ich wieder einmal bei den Brüdern angekommen, ertönte auch schon eine bekannte Stimme hinter mir. »Hey ihr! Kann ich euch helfen?«
»Hey Jenni!« Ich wirbelte herum und begrüßte die Schwarzhaarige mit einer Umarmung. »Total lieb, dass du fragst, aber wir kommen schon zurecht. Stürz dich gerne ins Getümmel oder entspann ein bisschen. Wie ich gehört habe, hast du heute Vormittag genug geschuftet.«
»Ach, nach meiner Dusche daheim fühle ich mich wie neugeboren. Linda ist noch nicht da, deswegen würde ich mich in der Zwischenzeit gerne nützlich machen«, sagte sie und seufzte daraufhin kurz auf. »Stell dir vor, sie hatte heute ernsthaft noch ein Meeting bei dem Prof, bei dem sie am Lehrstuhl arbeitet. Joshi ist deswegen so lieb und nimmt sie von Eichstätt aus mit. Der steckt gerade ja auch in einem Berg voller Arbeit. Aber ich habe leider keine Ahnung, wann die beiden kommen ...«
Am besten gar nicht.
Ich probierte mich an einem Lächeln, wusste aber schon, dass es furchtbar gequält aussehen musste. Jennis verwunderter Ausdruck und ihr anschließendes Gekicher wertete ich mal als Bestätigung.
»Alles gut? Du wirkst etwas blass um die Nase«, erkundigte sie sich schließlich mit besorgter Miene.
»Der Laune nach zu urteilen, hat Elli ihre Tage«, warf Andi augenzwinkernd ein.
Mein Todesblick durchlöcherte ihn und ich wollte ihm über den Tresen eine Kopfnuss verpassen, der er gerade noch ausweichen konnte. »Du Depp! Das stimmt überhaupt nicht!«
»Warum sonst bist du heute so komisch? Kann doch nur an den Hormonen liegen.« Er grinste mich herausfordernd an, aber ich schüttelte nur den Kopf.
Daraufhin schenkte mir Jenni einen vielsagenden Blick. Super, ich wusste genau, was sie jetzt dachte. Aber nein, dieses Mal lag meine kurze Zündschnur nicht nur an meinem Ex-Dozenten, der heute noch hier aufschlagen würde. Schließlich hatte ich später auch noch das Vergnügen mit Reinhard und Kathrin. Absoluter Jackpot, dieser Abend!
Dann besah Jenni meinen besten Freund mit einer vorwurfsvollen Miene. »Lieber Möchtegern-Frauenexperte, ich denke, dafür kommt eine Vielzahl an Gründen infrage und ich finde, Elli ist heute wie immer ganz wunderbar. Vielleicht bist ja du das Problem?«
Andis Kinnlade klappte ein paar Stockwerke tiefer runter und Gabriel brüllte vor Lachen los.
»Ha, das hast du verdient«, sagte Letzterer und boxte dabei seinem Bruder leicht in den Oberarm.
Doch anstatt etwas zu erwidern, blieb Andi ungewöhnlich still und widmete sich dagegen voll und ganz dem Einschenken der Gläser. Meine bohrenden Blicke schien er dabei vollkommen zu ignorieren. Was war denn plötzlich mit ihm los?
Gerade legte ich mir eine Frage zurecht, mit der ich ihn aus der Reserve locken konnte, da packte er die leere Sektflasche weg, begegnete unverwandt meinen Augen und deutete auf die vollen Gläser vor sich. »Und weg damit. Lass nix fallen.«
Ich verdrehte die Augen und beschloss, mir die Schimpftirade für später aufzuheben. Dann hob ich das Tablett an und schlängelte mich mit höchster Vorsicht durch die Menschentrauben, die sich über die gesamte Wiese unter dem Pavillon tummelten. Stets auf der Suche nach Gästen, die noch oder wieder ohne Getränke dastanden. Im linken Augenwinkel konnte ich Freddi ausmachen, der gerade das Verteilen der Sektflöten pausierte, um mit seiner Angebeteten zu quatschen. Mein Blick wanderte nach rechts und traf auf einmal ein meerblaues Paar Augen.
Sofort ergriff mich eine Gänsehaut und ich blieb abrupt stehen. Ohne dass ich es verhindern konnte, wackelte das Tablett in meinen Händen und die Gläser darauf klirrten leicht.
Verflucht! Das darf doch nicht wahr sein!
Obwohl er so weit von mir entfernt war, konnte ich seine Anwesenheit allzu deutlich spüren. Sie schickte einen eiskalten Schauer über meinen Körper und brachte ihn unweigerlich zum Zittern. Dabei stand Joshua einfach nur lässig da. Sein Blick hielt mich fest, durchdrang mich. Und ich? Ich war wie erstarrt. Mein Organismus drehte minimal auf. Durch meine zittrigen Hände wackelte das Tablett derart gefährlich, sodass ich es womöglich jede Sekunde fallen lassen würde. Täuschte mich die Entfernung oder zuckten gerade Joshuas Mundwinkel, als müsste er sich ein Lachen verkneifen. Lachte er mich etwa aus? Verdammt!
Plötzlich spürte ich, dass jemand meine Hände umfasste. Ich riss mich von Joshuas Anblick los und richtete stattdessen meine Aufmerksamkeit auf die Person, die mich gerade beim Tragen des Tabletts unterstützte.
Grüne Iriden fixierten mich fragend. »Elli, ist alles in Ordnung?«
Ich nickte und schluckte kurz, um meine trockene Kehle zu befeuchten. »Alles bestens.«
Jenni grinste mich an. »Schon klar. Ich kenne den Blick. Und diese Reaktion.«
Was meint sie denn jetzt damit?
»Du schmachtest. So sehr, dass die Sektgläser gerade um ein Haar Bekanntschaft mit dem Boden gemacht hätten.«
Ich schüttelte energisch den Kopf, konnte allerdings nicht verhindern, dass mir die Röte in die Wangen schoss.
»Oh, doch! Mir kannst du nichts vormachen.« Ihr fester und amüsierter Ausdruck versicherte mir, dass sie mich durchschaut hatte und nicht von ihrer Meinung abrücken würde.
Warum spielt mein Körper auch ständig verrückt, wenn er in der Nähe ist? Das ist so unfair!
»Sollen wir gemeinsam rübergehen? Ich trage auch das Tablett.«
Jennis Vorschlag löste blanke Panik in mir aus. Ich wollte nicht zu ihm. Ich wollte nicht mit ihm reden. Ich wollte einfach nur weg.
Erneut machte ich die verneinende Kopfbewegung. »Bloß nicht! Ich muss hier arbeiten und kann kein Pläuschchen abhalten!«
»Aber Linda und Joshi haben auch noch nichts zu trinken, also ...«
Das war ein Albtraum. Ein wahr gewordener Albtraum, denn leider hatte ich nicht die Chance, aufzuwachen. Verzweifelt schaute ich mich um, wo es noch Leute gab, die sektlos waren. Ich musste fort von hier.
»Weißt du, Freddi ist da vorne zuständig und ich sehe gerade, dass da drüben Nachschub gebraucht wird«, redete ich mich heraus und signalisierte durch eine leichte Schwenkbewegung, dass mein Gegenüber das Tablett loslassen soll. »Geh ruhig allein rüber und amüsier dich schön.«
»Zu spät.«
Mein Blick schoss zu Jenni, die nun noch breiter als zuvor grinste. Dann verwies sie mit dem Kopf nach links. Ich drehte meinen ebenfalls dorthin und erstarrte ein weiteres Mal. Joshua und Linda waren auf geradem Weg zu uns. Scheiße, das durfte jetzt echt nicht wahr sein!
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