𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒆𝒓 𝑷𝒍𝒂𝒏 𝒂𝒏𝒅𝒆𝒓𝒔 𝒗𝒆𝒓𝒍𝒂̈𝒖𝒇𝒕 ...
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Als ich in die Einfahrt fuhr, sah ich dort schon das Auto meines Vaters stehen. Wie auf Knopfdruck keimte ein unbehagliches Gefühl in mir auf, das mich zu überreden versuchte, gleich wieder umzukehren.
Nein! Du drückst dich jetzt nicht! Irgendwann muss dieser Moment kommen, dann kannst du es jetzt auch gleich hinter dich bringen, bevor es dich wie mit Joshua eiskalt trifft.
Widerwillig parkte ich also direkt hinter dem dunkelblauen SUV, stellte den Motor ab und seufzte auf. Ich drängte meine aufflackernden Ängste zurück und schluckte die immer größer werdende Blockade in meinem Hals hinunter. Schließlich stieg ich aus, hievte meine Reisetasche aus dem Kofferraum und ging damit Richtung Eingang. Kurz bevor ich den Schlüssel in das Schloss steckte, atmete ich ein paar Mal tief ein und aus.
Augen zu und durch!
Schließlich stand ich im Gang und stierte in den Wohnbereich rechts von mir. Ich horchte auf, konnte aber keinerlei Geräusche ausmachen. Es war schon fast zu still. War mein Vater überhaupt da? Schulterzuckend streifte ich meine Schuhe ab und schlich die Treppe nach oben, um in meinem Zimmer das ganze Zeug abzuladen. Zügig ging ich den Gang entlang und war kurz vor dem Ziel, da hörte ich eine Klinke klacken und eine Tür hinter mir schwang auf.
»Hey ... Du bist ja schon da.« Er klang überrascht. Die Frage war nur, ob gut oder schlecht.
Plötzlich war ich wie versteinert. Mein Herz fuhr im Speedmodus hoch. Unweigerlich trat der Schweiß aus und meine Hände wurden nass. Der Kloß war präsenter denn je und hinderte mich daran, etwas zu erwidern.
»Schön, dass du da bist.«
Ich weiß nicht, was es war. Die Art, wie er diese Worte ausgesprochen hatte. Die Tatsache, dass er es überhaupt tat. Die Bedeutung, die dahinter steckte. Die Ehrlichkeit, die ich darin mitschwingen hörte. Aber dieser Satz ließ mich umdrehen.
Ich begegnete seinem Blick, der unsicherer nicht sein könnte. Er ging mitten in mein Herz, ließ es schwer werden. Aber nicht auf diese nur unangenehme Weise. Es fühlte sich schmerzhaft gut an. Meine Sicht verschleierte. Erneut stand ich wie angewurzelt da.
Dann wagte mein Vater einen Schritt auf mich zu. Ich blieb dagegen einfach stehen. Fühlte aber eine Sehnsucht in mir, die ich dachte, längst verloren zu haben.
Er ging weiter. Ich gab keinerlei Regung von mir. Schniefte nur kurz, während nasse Bahnen meine Wangen hinabrannen. Sich dabei genauso in die Haut brannten, wie diese bittersüße Sehnsucht in mein kaputtes Herz.
Ganz plötzlich überbrückte ich den letzten Abstand und warf mich in seine Arme. Ich inhalierte seinen Duft. Er roch immer noch wie früher. Nach Papa. Nach Zuhause. Wie damals. Als alles noch in Ordnung gewesen war. Mein Herz krampfte und mir entkam ein Wimmern, während ich mich in sein Hemd festkrallte.
Er umarmte mich, schenkte mir Halt. Den Halt, den ich gebraucht hätte. Damals.
Mein Körper bebte. Alles in mir zog sich zusammen. Mein Herz loderte lichterloh. Voller Hoffnung, dass vielleicht doch bald eine Besserung eintreten könnte. Denn ich fühlte. Wenngleich es mich innerlich zerriss. Aber ich fühlte. Den bittersüßen Schmerz von Hoffnung, die ich zuvor niemals gewagt hatte, in Betracht zu ziehen.
Dieser Moment ... Der war gerade alles für mich.
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Schweigend saßen wir uns am Esstisch gegenüber, mit jeweils einer Tasse Kaffee in den Händen. Ich starrte auf die schwarze Oberfläche, auf der sich das Licht der Lampe spiegelte und beobachtete, wie sie sich veränderte, sobald ich eine leichte Erschütterung durch meine klappernden Finger an der Seite auslöste.
Keine Ahnung, wie lange wir in Stille gehüllt unseren Gedanken hinterherhingen. Scheinbar vermochte keiner von uns, etwas zu sagen.
Irgendwann als mein Wunderelixier fast kalt geworden war, räusperte sich Reinhard und ergriff das Wort. »Möchtest du noch einen Kaffee?«
Wow, das war mal eine essenzielle Frage ...
Ich schüttelte lediglich den Kopf. Ob als Antwort oder über die Frage an sich, wusste ich nicht. Die Situation fühlte sich zunehmend unbehaglich an und der Trieb zur Flucht stieg immer mehr an.
Aber ich wollte doch nicht mehr davonlaufen ...
Wissen, was ich jetzt zum Besten geben konnte, tat ich aber auch nicht. Und mein Vater sah es lieber vor, weiterhin stumm dazusitzen. Super, so schlägt man Zeit sinnlos tot.
Kurz sah ich von meiner Tasse auf zu Reinhard hinüber. Ein Schluck Wasser in der Kurve machte einen besseren Eindruck als er.
»Ich kann das so nicht mehr.«
Er blickte auf und sein schmerzvoll verzogenes Gesicht signalisierte mir, dass es ihm ebenso erging. »Was schlägst du vor?«
»Ich weiß nicht ... Wir sollten reden, aber irgendwie weiß ich nicht ... wie ...« So fest es ging, umklammerte ich meine Tasse, um Halt daran zu finden. »Wo soll ich anfangen? Kann ich das überhaupt? Ich habe das Gefühl, sobald ich die düsteren Gedanken gewähren lasse, reißen sie mich gleich in die Tiefe und ich ertrinke.«
Er nickte lediglich, der Blick geistesabwesend.
»Möchtest du nichts wissen? Nach unserem ...« Ich schluckte schwer. »... letzten Gespräch?«
Immer noch sah er mich wortlos an. Es war zum Verrücktwerden und machte mich langsam rasend. Ich ließ kurzerhand von der Tasse ab, um meine verkrampften Finger auszustrecken und sie ein wenig zu entspannen. Ich holte mehrmals tief Luft. Doch es half nicht.
Unvermittelt sprang ich auf, sodass mein Stuhl durch den Schwung geräuschvoll umkippte. Reinhard zuckte kurz zusammen, hielt es jedoch nicht für nötig, zu reagieren. »Es geht also alles weiter wie bisher? Wir reden nicht? Machen einfach weiter? Als wäre nichts gewesen?«
Seine Augen weiteten sich, ehe er den Blick erneut auf die Tischplatte sinken ließ. So ein Feigling! Wie hatte ich hoffen können, dass es irgendwann wieder zwischen uns werden könnte?
»Warum hast du mich dann verdammt noch mal so oft angerufen?«, brüllte ich ihn an. »Was wolltest du? Dich kurz aus Mitleid oder schlechtem Gewissen erkundigen, wie's mir geht?«
Wieder diese Stille. Sie trieb mich sekündlich weiter in den Wahnsinn. Gleich drehte ich durch.
»Ich ...«, murmelte er unverständlich. Seine Hände umfassten seine Tasse derart stark, dass ich nicht ausschließen konnte, sie könnte im nächsten Augenblick zerspringen. »Es wäre einfacher für mich gewesen.«
»Was?«
Endlich sah er mich wieder an. Tränen standen in seinen Augen, bereit ihr Zuhause zu verlassen. »Es fällt mir schwer, darüber zu reden. Da haben wir wohl was gemeinsam.«
»Und übers Telefon hättest du mir dein Herz ausgeschüttet, oder was?« Meine Worte begleitete ein abfällig klingendes Zischen.
»Zumindest hatte ich die Hoffnung, dass wir irgendwie miteinander reden könnten. Ich ... Du ... Du siehst ihnen so ähnlich. Es ist fast so, als ... als wären sie ... nicht ... tot.« Seine Stimme brach und er schluchzte.
»Aber ich bin nicht sie. Und ich bin nicht ... tot. Obwohl ich mir das damals wirklich gewünscht hätte. Denn gewissermaßen bin ich wie tot gewesen. Ein Teil von mir ist an diesem Tag gestorben. Aber ich bin noch da. Ich habe gekämpft. Es verdrängt. Damit ich wieder atmen kann. Weitermachen kann. Aber momentan drohe ich wieder zu ersticken. Der totgeglaubte Teil holt mich ein und möchte mich ins Jenseits befördern, indem er mich langsam, aber sicher durchdrehen lässt.« Ich strich durch meine verstrubbelte Mähne und hielt mich am nächstgelegenen Stuhl fest, bevor ich wie ein Tiger von A nach B lief. »Ich möchte nicht wieder an den Punkt kommen. Ich möchte mich nicht mehr so fühlen. Ich möchte ... Frieden.« Nach dem letzten Wort entwich mir ein sarkastischer Lacher. Frieden und ich? Absolut unvereinbar.
Reinhard musterte mich entsetzt. »Bitte sag das nicht! Ich weiß nicht, was ich ohne dich machen soll!«
»Ist das so?« Misstrauisch beäugte ich ihn, ehe ich fortfuhr. »Vielleicht, um dein schlechtes Gewissen zu beruhigen? Es ein Stück wieder gutzumachen? Wow, für deine Leistung bekommst du einen Orden von mir verliehen. Sofern man einen fürs Versagen bekommt.«
Nun änderte sich sein Ausdruck zu Verwirrung. »Wie ... meinst du das?«
Scheiße, so war das nicht geplant!
Schnell unterbrach ich den Blickkontakt zu ihm, ließ von der Lehne ab und streifte nun doch wie ferngesteuert durch den Raum.
»Ich habe versagt, ja. Auf ganzer Linie. Ich war dir kein guter Vater. Aber ich möchte es wie...«
»Es wieder gutmachen? Ernsthaft? Wie willst du das denn anstellen? Möchtest du mal eben die Zeit zurückdrehen und den Typen gefälligst das geben, weshalb sie ...« Ich erstarrte, biss mir auf die Lippe und kniff sogleich die Augen zu. Das hatte ich jetzt nicht gesagt.
Stille.
Eins. Zwei.
Stille.
Ich zählte weiter, blieb wie angewurzelt stehen.
Stille.
Fünf. Sechs. Sie...
»Du weißt es.« Seinem Tonfall war anzumerken, wie ihn diese Tatsache mitnahm.
Plötzlich begannen meine Hände wieder zu schwitzen. Ich streifte sie an meiner Jeans ab, hielt die Augen weiterhin geschlossen. Mein Herz schlug mir bis zum Hals. Rüttelte und schüttelte dabei meinen gesamten Körper durch.
Warum hatte ich nicht die Klappe halten können?
»Glaub mir, es vergeht kein Tag, an dem ich nicht all das zutiefst bereue, was damals passiert ist.«
Bitte sprich nicht weiter ...
»Zu wissen, dass alles hätte anders ausgehen können, wenn ich früher da gewesen wäre ... Das bricht mich jeden Tag neu.« Seine Stimme zitterte. Dann schluchzte er. »Das war alles anders geplant gewesen. Und ich weiß, dass ich allein die Schuld dafür trage.«
Ich möchte es nicht wissen ...
»Aber Elli, ich habe nicht gewusst, dass sie mich beschatten.«
»Das ist ja auch der Sinn, dass man so was nicht bemerkt«, rutschte es mir wegen der plötzlich aufkeimenden Wut heraus.
»Ich hätte den Auftrag niemals annehmen dürfen. Aber es sollte mein letzter sein. Danach wollte ich aufhören.« Ich vernahm das Flehen in seinen Worten, dass ich ihm glauben sollte.
Aber ich wollte ihm nicht glauben.
»Ich weiß jetzt, dass ich es nicht hätte riskieren dürfen. Aber aufgrund meines Studiums lag es nahe, dass ich es erledige. Und es hat alles so wunderbar geklappt. Zu gut, wie mir im Nachhinein klar gewor...«
»Hör auf!«, schrie ich und ballte meine Fäuste derart stark, dass ich den Schmerz meiner Nägel an der Haut spürte. Gut so. Er lenkte mich ab.
Denn ich war noch nicht bereit. Ich konnte dieses Gespräch jetzt nicht führen.
»Bitte lass es mich erklä...«
»Hör auf!«
Mein Körper bebte und ich sank nieder. Ich blickte kurzzeitig an die Decke, wimmerte. Mein Sichtfeld verschwommen. Ich klammerte mich an den Stuhl vor mir, wimmerte. Es verging nicht. Wurde schlimmer.
Dann spürte ich einen Arm, der mich an sich ziehen wollte, aber ich riss mich energisch los.
»Hör auf! Hör auf! Hör einfach auf!«, flehte ich immer wieder, getränkt von Schluchzern. Es klang genauso jämmerlich, wie ich mich fühlte. Dabei wollte ich doch stark bleiben. »Ich will es nicht wissen!«
Dann stand ich auf und ging. Torkelte wie eine Betrunkene durch das Esszimmer zum Gang. Zur Treppe. Die Sicht nach wie vor unklar. Ich schluckte das anklingende Wimmern hinunter und schleppte mich mit letzten Kräften die Stufen hoch. Stolperte den Gang entlang in mein Zimmer und ließ mich dort aufs Bett fallen.
Ich habe versagt.
Ich war nicht bereit. Ich wusste auch nicht, ob ich es jemals sein würde. Ob ich es ertragen könnte, zu wissen, was er wusste. Ob ich ihn dafür hassen würde. Noch mehr als sowieso schon. Denn er war schuld. Er hätte es verhindern können. Ohne ihn wäre das alles nicht passiert.
Ich war nicht bereit. Was blieb mir denn sonst noch? Wenn ich ihn hasste? Er war doch der Einzige, der mir geblieben war. Und ich war zu schwach, um ihn endgültig aus meinem Herzen zu verbannen.
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Ihr Lieben!
Das Kapitel hat mir einiges abverlangt. Ich hoffe daher sehr, dass Ellis Gefühle für euch greifbar gewesen sind.
Außerdem bin ich sehr auf eure Vermutungen gespannt ... 👀
Ich wünsche euch einen wundervollen Sonntag!
Fühlt euch gedrückt
Eure Teresia ☀️
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