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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒆𝒊𝒏 𝑳𝒆𝒃𝒆𝒏 𝒏𝒐𝒓𝒎𝒂𝒍 𝒗𝒆𝒓𝒍𝒂̈𝒖𝒇𝒕 ...
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Tatsächlich konnte ich die nächsten Wochen einmal behaupten, ein klassisches Studentenleben zu führen: Ich besuchte meine Vorlesungen, traf mich mit Freunden, ging Feiern, flirtete mit gleichaltrigen Kerlen und ließ dem Leben seinen Lauf.

Alles war normal. Fast schon langweilig. Aber genauso war es perfekt. So hatte ich es mir gewünscht. Nichts konnte mich aus der Bahn werfen.

Meine Kunstkurse liefen zudem super. Allmählich begann ich, meinen eigenen Stil zu finden, auch wenn dies erst den Anfang darstellte — eine richtige künstlerische Handschrift mit einzigartigem Wiedererkennungswert war das nämlich noch lange nicht. Nachdem die Uni am Tag geschafft war, verabredete ich mich oft mit Kira und wir arbeiteten gemeinsam an unseren Werken, gaben uns dabei Hilfestellungen durch ehrlich-konstruktives Feedback. Manchmal brachte jemand von uns noch eine Flasche Wein oder eine weitere Kommilitonin mit.

Ich genoss es richtig, frei zu sein. Frei von Gedanken. Frei von undefinierbaren Gefühlen. Frei von Problemen. Denn meine Gabe, Dinge zu vergessen, hatte mich auch im Falle Joshua nicht enttäuscht. Er wurde in eine Kiste gesperrt, mit all den Erinnerungen, die nichts mit dem Seminar zu tun hatten. Dort wurde alles sicher verschlossen und in einer Ecke meines Gehirns verstaut, zu der ich nicht mehr bewusst finden konnte. Der Schlüssel, der Weg dorthin, war fort. Und ich wusste selbst nicht, wie ich wieder an ihn herankam. Unzugänglich und unwiderruflich.

Ich dachte nicht mehr an Joshua, sehnte mich nicht mehr nach Joshua, erinnerte mich nicht mehr an Joshua. Übrig blieb einfach nur Herr Degenhardt. Mein Dozent, der unsympathische Schnösel. Ein Dozent, der sein Handwerk bestens verstand. Der Dozent, der mein Lieblingsseminar führte.

Ja, ich ging weiterhin zu seinem Kurs. Warum auch nicht? Nachdem die Fronten geklärt waren, gab es keinen Grund mehr, dass ich dem Seminar fernblieb. Herr Degenhardt war einer meiner Dozenten und ich war irgendeine Studentin von ihm.

Zudem waren jegliche Inhalte, die durch ihn vermittelt wurden, einfach toll. Nach jeder Veranstaltung freute ich mich bereits auf die nächste. Verschlang regelrecht die Literatur, die wir vorbereiten mussten. Meldete mich, wenn ich etwas zu sagen hatte. Mein Referat, das ich demnächst halten musste, stand in den Startlöchern.

Alles war genau so, wie es sein sollte.

Dieses Wochenende fuhr ich tatsächlich mal wieder nach Hause. Für den Abend war geplant, dass Anna und ich auf den Ingolstädter Christkindlmarkt gingen, der heute begann. Solche Märkte zogen mich magisch an. Alles an ihnen war wundervoll: Die Stände mitsamt ihrem Angebot; die Stuben, die herrlich weihnachtlichen Duft versprühten; das herzhafte als auch süße Essen und nicht zu vergessen die Atmosphäre, die durch die zahlreichen Lichterketten sowie dem Schmuck, der alles zierte, ausgelöst wurde.

Auch Anna freute sich riesig auf unsere Verabredung, denn später wollten wir in einen Club oder eine Bar weiterziehen. Einfach feiern und die Seele baumeln lassen.

Für den Nachmittag hatte ich ebenfalls schon einen Plan, denn diesen wollte ich nutzen, um in unserem Zuhause sauber zu machen. Das stellte oftmals eine Art Therapie für mich dar. Einfach Musik hören, aufräumen und putzen. Bis jede einzelne Ecke blitzte und blankte.

Als ich in die Einfahrt bog, fand ich wider Erwarten kein dunkles Haus vor. Alle Rollläden waren nach oben gezogen und in der Küche brannte Licht. Vielleicht waren die Schönebergers gerade da, um die Post zu sortieren? Aber warum sollten sie dann das Haus derart erhellen? Das war eher untypisch ...

„Hallo?", rief ich, während ich die Haustür hinter mir schloss. Keine Antwort.

„Angie? Bist du das?" Ich wartete kurz ab, aber es kam immer noch keine Rückmeldung. Jedoch drang auf einmal aus der Küche ein lautes Geschepper, das mich unwillkürlich zusammenzucken ließ.

Langsam folgte ich dem Lärm, sah auf dem Weg dorthin, dass die gestapelten Zeitschriften und die ungeöffneten Briefe durchwühlt waren. Das alles kam mir mehr als seltsam vor. Eine Angst keimte in mir auf.

Vom Sideboard nahm ich einen schweren Kerzenhalter, denn ich konnte nicht wissen, was mich in der Küche erwartete, aus der stetig undefinierbare Geräusche drangen. Vorsichtig linste ich durch den Türspalt und fand eine fremde Frau vor, was mich zwar irritierte, aber zugleich ein wenig entspannte, sodass ich meine vermeintliche Waffe sinken ließ.

„Hallo? Was haben Sie hier zu suchen?", fragte ich mit fester Stimme, während ich den erhellten Raum betrat.

„Elli, Schatz! Wie schön, dass du da bist!", begrüßte mich plötzlich mein Vater voller Freude. Er schaute mit seinen himmelblauen Augen, deren Farbe ich zweifelsohne von ihm geerbt hatte, hinter der Kücheninsel auf und ein Topf kam in seiner Hand zum Vorschein. Vermutlich war er heruntergefallen, was den Krach vorhin verursacht hatte.

Kurz ließ ich meinen Blick über sein Gesicht schweifen. Tiefe Falten und dunkle Augenringe, die mir sagten, dass er durch den Stress in der Arbeit nicht besonders viel Schlaf abbekam. Seine grau melierten Haare waren vielleicht etwas lichter geworden, denn die Geheimratsecken kamen deutlicher als sonst zum Vorschein. Ich hatte ihn wirklich schon lange nicht mehr gesehen. Wenn ich es genau überlegte, dann fiel mir nicht einmal auf Anhieb ein, wie lange das letzte Mal zurücklag.

Was sollte daher seine überschwängliche Begrüßung? Elli, Schatz? Euphorie in der Stimme? War das mein Vater, der vor mir stand? Und wer zum Henker war diese Frau?

Dann kam er lächelnd auf mich zu. „Ich wusste gar nicht, dass du kommen würdest!" Woher auch? Wir haben schließlich keinerlei Kontakt.

„Tja, ich bin auch etwas verwundert, dich hier anzutreffen", merkte ich an. „Und dann noch mit einem Gast?" Mein skeptischer Blick fiel erneut auf die Frau, die nun ein breites Lächeln aufsetzte.

Der erste Eindruck: Blondes langes Haar, grüne Augen, groß und megaschlank, absolut auf ihr Äußeres bedacht und überteuerte Designerkleidung. Vermutlich eine Bekannte, die ebenfalls in einem der Unternehmen arbeitete, für das mein Vater tätig war.

„Hallo Elli! Es freut mich sehr, dich kennenzulernen. Reinhard hat mir schon unglaublich viel von dir erzählt. Ich bin übrigens Kathrin Häuser, eine Arbeitskollegin deines Vaters", erklärte mir die Blondine im übertrieben freundlichen Ton.

Volltreffer. Eine Kollegin also. Und sie hatte viel von mir gehört? Wohl kaum! Als würde mein Vater über mich sprechen. Das konnte ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, wenn man bedachte, wie oft er sich meldete — nämlich gleich null. Seine letzte Textnachricht beinhaltete die Worte: „Hab dir Geld für Gabriels Hochzeit überwiesen." Kein „Wie geht's dir?" oder „Wie läuft die Uni?". Wäre auch echt zu viel verlangt.

„Euer Haus ist traumhaft und diese ruhige Wohngegend ... Da lässt es sich bestimmt gut aushalten!", lobte Kathrin, als sie über das Holz der Küchenablage strich.

Irgendetwas an ihrer schrillen Stimme und diesem Lächeln passte mir ganz und gar nicht. Ich wusste nicht, ob sie mir einfach nur unsympathisch oder es etwas anderes war. Sie wirkte auf eine gewisse Art nicht authentisch. Mein Gefühl sagte mir, dass diese Frau mit Vorsicht zu genießen war. Und ihr wisst ja: Auf meine Intuition war Verlass ...

„Wir wollten gerade kochen. Du magst sicher auch was essen, oder?", fragte mein Vater und nun fielen mir die Tüten mit allerlei Lebensmittel ins Auge.

„Eigentlich wollte ich putzen", entgegnete ich kühl. Wunderbar, ich hinterlasse wirklich einen ganz tollen Eindruck. „Übrigens, es freut mich ..." — wenn auch nicht ganz der Wahrheit entsprechend — „... Sie kennenzulernen, Frau Häuser."

Ich streckte ihr der Höflichkeit halber meine rechte Hand hin. Als sie diese nahm und schüttelte, wurde das Lächeln auf ihrem Mund schlagartig breiter. „Oh bitte nenn mich Kathrin!"

Daraufhin zwang ich mir auf, ebenfalls zu lächeln, auch wenn dies mehr als schwer war, denn dieses negative Gefühl in Bezug auf Kathrin verstärkte sich weiter. Der Grund dafür war nicht die Tatsache, dass mein Vater sie mit hierher gebracht hatte und die beiden eventuell eine nicht reinkollegiale Verbindung zueinander haben könnten. Nein. Es lag schlicht an ihrem überbreiten Grinsen. Es war mindestens genauso falsch wie meines, allerdings war sie besser darin, es zu fälschen.

Ich fragte mich nur, warum Kathrin derart aufgesetzt war. War das ihre Art? Oder lag das an mir? Vielleicht war ich ihr ein Dorn im Auge? Weil ich ein potenzielles Hindernis für ihre Beziehung zu meinem Vater sein konnte? Nach dem Motto: Die Tochter geht stets über alles und jeden, weshalb ich immer die zweite Geige spielen muss. Da hatte Kathrin bei mir aber definitiv nichts zu befürchten, so rührend, wie sich mein Vater um mich kümmerte ...

„Schön, na dann! Wir kochen mal und richten alles her und du entspannst dich, liebe Elli. Geh nach oben, mach es dir gemütlich. Wir rufen dich, wenn wir fertig sind", sagte mein Vater und begann sogleich die Einkäufe auszupacken und auf der Arbeitsplatte zu verteilen.

Ehrlich gesagt wusste ich nicht, was ich von dieser ganzen Situation halten sollte. Da hatte ich ihn seit einer Ewigkeit weder gesehen noch gesprochen und dann kreuzte er hier mit einer wildfremden Frau auf und mimte die Topbeziehung zwischen Vater und Tochter. Als wäre es das Normalste auf der Welt, dass er hier war und kochte, während ich im Zimmer meinen Dingen nachgehen und warten sollte, bis das Essen am Tisch serviert wurde. Ich war derart perplex, dass ich lediglich nickte und wie automatisiert mit meinem Zeug nach oben ging.

Ein Blick in das Haus der Schönebergers verriet mir, dass Andi nicht da war, denn in seinem Zimmer brannte kein Licht. Schade, ich hätte jetzt tatsächlich einen Freund gebraucht, der meine Situation halbwegs nachvollziehen konnte beziehungsweise genauer darüber Bescheid wusste, was in meinem Leben bisher so gelaufen war.

Für diesen Schritt war mir bislang kaum eine Freundschaft tief genug gegangen. Meine Freundin Sandy war zwar in viele Prozesse eingeweiht, kannte dabei aber bei Weitem nicht die Menge an Details wie Andi. Außerdem hatten wir seit Semesterbeginn nur dieses eine Mal telefoniert und ansonsten belanglose Nachrichten ausgetauscht. Für mehr war schlicht keine Zeit bei dem ganzen Unistress gewesen.

Dann gab es da noch Anna. Vielleicht würde ich mich irgendwann ihr gegenüber etwas öffnen, aber das konnte ich momentan nicht mit Sicherheit sagen. Sie war mir inzwischen sehr ans Herz gewachsen. Dennoch reichte dieses starke Sympathieempfinden nicht aus, um ihr einige Hintergründe von mir anzuvertrauen. Außerdem konnte und wollte ich Anna ohnehin nicht alles erzählen und da hatte ich eher Angst, dass sich im Gespräch Fragen ergaben, denen ich mich gar nicht erst stellen wollte. Ich musste einfach immer alle Risiken ausschließen.

In der Schule hatte ich stets den Ruf der aufgeschlossenen, immer fröhlichen Elli genossen. Elli, die sich mit jedem verstand. Elli, die nicht auf den Mund gefallen war. Elli, die jeden Spaß mitmachte. Elli, die keine Party ausließ. Elli, die hemmungslos durch die Gegend flirtete. Wer machte sich da groß die Mühe, einmal hinter die Fassade zu blicken? Es war schließlich vollkommen offensichtlich, wie es mir ging und wie ich zu sein schien.

Meinen Gedanken hinterherhängend, packte ich einige Kleidungsstücke aus meiner Reisetasche, verstaute diese kurz, bis ich schließlich vor dem offenen Schrank verharrte, um zu entscheiden, was ich heute Abend tragen sollte.

Schlussendlich entschloss ich mich für eine enge schwarze Jeans, ein silbernes Glitzertop mit einer Bluse darüber, die einen schwarz-transparenten Stoff hatte. Danach verstärkte ich das Make-up, welches ich heute Morgen aufgetragen hatte, um das Blau meiner Augen etwas mehr hervorzuheben. Das braune Haar befreite ich von seinem Gummi, kämmte es und ließ es in undefinierbaren Wellen an mir hinabfallen. So mochte ich es fast am liebsten, aber bei den meisten Aktivitäten störten die langen Strähnen, die ins Gesicht fielen und mich der Sicht beraubten.

Unschlüssig, was ich mit dem Rest der Zeit anstellen sollte, schnappte ich mir den Staubwedel und machte sauber.

Das darauffolgende Abendessen mit meinem Vater und seiner Kollegin war eine Zumutung. Während er mich mit ungewöhnlich vielen Fragen bombardierte, hörte diese Schnepfe nicht auf, mich anzugrinsen. Es war absolut irritierend und unerträglich zugleich.

Hätte mein Vater dieses Gespräch unter vier Augen mit mir geführt, dann wäre ich zwar äußerst verwundert gewesen, dass er plötzlich unbedingt an meinem Leben teilhaben wollte, allerdings hätte dies zumindest positiv zu unserer verkorksten Beziehung beigetragen.

Aber das, was ich hier erlebte, war einfach nur lächerlich. Es glich einem schlechten Theaterspiel. Wenn ich zu knapp antwortete, hakte manchmal Kathrin nach, um ihr vermeintliches Interesse zum Besten zu geben. Dabei wollte sie lediglich einen guten Eindruck bei meinem Vater hinterlassen, so wie er bei ihr. Wie armselig das doch war.

Seine eigene Tochter als Mittel zum Zweck benutzen, nur um gut dazustehen. Ansonsten ging ihm mein Leben einen feuchten Dreck an und auf einmal heuchelte er rege Beteiligung daran.

Da ich mein Essen sowieso meistens in Rekordgeschwindigkeit verschlang, setzte ich in diesem Moment noch mal einen drauf. Obwohl mir überhaupt nicht danach zumute war. Im Gegenteil: Dieses ganze Auf-heile-Welt-Getue schlug mir derart auf den Magen, dass ich den beiden mein Steak samt den Kartoffeln am liebsten in ihre falschen Gesichter gespuckt hätte. Aber immerhin war das ständige Kauen die optimale Ausrede, um nicht noch mehr mit ihnen sprechen zu müssen.

So ließ ich das Ganze über mich ergehen. Blieb dabei freundlich, obwohl ich meinen Vater jede Sekunde zur Rede stellen wollte, was der plötzliche Wandel hier sollte. Aber ich musste jetzt stark bleiben. Denn bald würde ich mit Anna auf dem Weihnachtsmarkt umherschlendern und dieses Affentheater vergessen können.

Als ich mit dem Essen fertig war, räumte ich mein schmutziges Geschirr auf, murmelte eine Verabschiedung und stürmte auch schon ohne eine weitere Erklärung aus dem Haus, bevor mich jemand davon abhalten konnte.

Draußen rang ich nach Luft, versuchte das drückende Gefühl in der Brust zu ignorieren. Allmählich brach die aufgestaute Wut, die ich in der letzten halben Stunde zusammen mit dem Essen heruntergeschluckt haben musste, aus mir heraus. Denn sie kam mir gemeinsam mit der Galle hoch.

Gerade noch konnte ich den Drang, mich zu übergeben, unterdrücken. Indes rannen mir Tränen die Wangen hinab, welche ich sofort wegwischte. Die restlichen Flüssigkeitsanhäufungen in meinen Augen blinzelte ich weg. Ich atmete tief ein und aus, beruhigte mich, redete mir gut zu.

Warum sollte ich mich aufregen? Vielleicht gehörte dieses Abendessen mit meinem Vater und seiner neuen Bekanntschaft zu meinem momentan normal verlaufenden Leben dazu? Normal verlaufend in jeglichen Bereichen. Ich war eine ganz gewöhnliche Zwanzigjährige, die sich mit den alltäglichen Dingen und Problemen eines Jeden herumschlug. Ganz simpel.

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