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𝑾𝒆𝒏𝒏 𝒅𝒖 𝒂𝒏 𝒅𝒆𝒊𝒏𝒆 𝑽𝒆𝒓𝒏𝒖𝒏𝒇𝒕 𝒂𝒑𝒑𝒆𝒍𝒍𝒊𝒆𝒓𝒔𝒕 ...
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Natürlich war ich dermaßen neben der Spur gewesen, dass ich Adrian vollkommen vergessen hatte. Ich wollte einfach nur noch aus dem Saal, aus dem Gebäude, weg von ihm. Gedankenverloren hetzte ich zur Bibliothek, weil dort mein nächster Kurs stattfand.

Meine Lippen brannten wie die Hölle und ich konnte jede einzelne Berührung von gerade eben nachspüren. Dadurch lief es mir eiskalt den Rücken hinab.

Wie hat das nur passieren können? Schon wieder? Was will Degenhardt eigentlich von mir?

Meine Gedanken überschlugen sich und all die vergangenen Momente mit ihm prasselten auf mich ein. Das allererste Aufeinandertreffen in der Tankstelle, in der bereits so ein Feuer zwischen uns gebrannt hatte. Zugegeben, er hatte damals nicht besonders viele — also gar keine — Sympathiepunkte bei mir sammeln können, aber ich hatte ihn trotzdem verdammt heiß gefunden.

Tja, genau das war das ganze Problem an der Sache. Denn ich hatte meine kleine Schwäche für Degenhardt nicht ablegen können, obwohl ich ihn als meinen Dozenten im Seminar wiederbegegnet war.

Nichtsdestotrotz hätte das alles irgendwie ein gutes Ende nehmen können, wenn er nicht auf dem Polterabend gewesen wäre, auf dem ich eine noch anziehendere Version von ihm vorgefunden hatte. Dann das Kaffeemalheur. Die Vorbereitungen für die Hochzeit, bei denen ich Zeuge seines umwerfenden Lächelns geworden war. Degenhardt hatte damals schon mit mir geflirtet. So etwas bildete ich mir doch nicht ein, oder? Außerdem hätte er wohl kaum auf der Hochzeit so eng mit mir getanzt und so viele Fragen an mich gestellt, wenn er absolut kein Interesse an mir haben würde.

Derartige Dinge taten Dozenten in der Regel nicht mit ihren Studenten, oder? Und was sie erst recht nicht machen sollten, ist es, sie mit Küssen zum Schweigen zu bringen. Vor allem nicht mit dieser Art von Kuss ...

Und dann küsste er mich heute erneut aus heiterem Himmel. Im Seminarraum. In der Öffentlichkeit. Es hätte jederzeit jemand kommen, es sehen können. Das war mehr als leichtsinnig gewesen. War das nicht ein eindeutiger Beweis dafür, dass Degenhardt mich wohl auch in einem gewissen Maße anziehend finden musste? Sonst hätte er sich doch niemals dazu hinreißen lassen und wäre nicht dieses Risiko eingegangen.

Oder war er vielleicht so ein schmieriger, arroganter Dozent, der sich jedes Semester ein neues Opfer aussuchte, mit dem er diese Nummer abzog? Dabei empfand er schlichtweg nichts für mich, sondern wollte mich nur seiner Sammlung an Eroberungen hinzufügen? Das wäre ein perfekter Grund, um ihn wieder mehr abstoßend finden zu können.

Aber irgendwie klang das noch absurder. Da ergab die Annahme, dass Degenhardt auf unanständige Weise an mir interessiert war, mehr Sinn.

Denn hätte jemand den Kuss zwischen uns vorhin beobachtet, dann würde das weitreichende Folgen haben. Das könnte ihm seine Stelle kosten, seine Zukunft. Umso weniger konnte ich nachvollziehen, dass Degenhardt mich später in seinem Büro sprechen wollte. Das konnte doch nicht gut ausgehen ...

Selbst wenn ich mich wirklich bemühte und zusammennahm. Irgendwann brannte dennoch eine meiner Sicherungen durch und ich würde wieder einen Fehler begehen. Weitere Fehltritte konnten wir uns beide nicht leisten. Aber immerhin machten wir uns nicht strafbar.

Nichtsdestotrotz würde mich eine Affäre mit meinem Dozenten nicht gerade in ein gutes Licht rücken. Wenn das publik wurde, dann machte das sicherlich keinen guten Eindruck bei den Schulen. Hier verbreitete sich schließlich jegliches Gerücht wie ein Lauffeuer, sodass man diese Information sicher nicht unter Verschluss halten konnte. Das war es mir nicht wert. Weshalb es enden musste, was auch immer das zwischen ihm und mir war.

In diesem Augenblick wurde mir bewusst, was ich zu tun hatte.

_____

Da stand ich nun und starrte die dunkelbraune Holztür vor mir an. Noch eine Minute, dann war es achtzehn Uhr. Mein Puls raste und mir war speiübel. Aber ich war auch wildentschlossen. Gleich würde ich anklopfen, reingehen und Degenhardt das sagen, was ich zu sagen hatte. Dann würde ich wieder gehen. Denn das war das Beste und Vernünftigste. Bestimmt war er danach ebenso erleichtert.

Glockenschlagen. Achtzehn Uhr. Mein Einsatz. Ich schluckte ein letztes Mal die wiederaufkeimende Aufregung herunter, strich meine Bluse zurecht und klopfte. Nachdem ich ein „Herein" vernahm, drückte ich die Türklinke, atmete noch mal tief durch, um mir Kraft zu spenden, damit ich weiterhin einen klaren Kopf behielt.

Der erste Blick in sein Büro, auf ihn, traf mich wie ein Blitz. Dabei sollte es das eigentlich nicht.

Erwartet hatte ich ihn am Schreibtisch sitzend, durch seine Brille auf den PC starrend, auf dem er gerade etwas arbeitete. Aber nein. Degenhardt stand mit verschränkten Armen vor seinem Schreibtisch, an diesen leicht gelehnt. Er trug lediglich sein weißes Hemd und seine blaue Anzughose, welche durch einen braunen Gürtel gehalten wurde. Seine Beine waren ein wenig überkreuzt, sodass die eine Spitze seines Schuhs auf dem grauen Teppichboden abgestützt war. Der andere Fuß stand fest auf dem Boden. Diese Pose wirkte geradezu lässig. Die Brille hatte Degenhardt abgenommen, weshalb ich seinen tiefblauen Augen, seinem intensiven Blick ungehindert begegnen konnte.

Sein Anblick raubte mir zunächst den kompletten Verstand, ließ mich vollkommen vergessen, aus welchem Grund ich hergekommen war.

Durch das Zufallen der Tür zuckte ich auf, was mich zurück ins Hier und Jetzt beförderte. Ich räusperte mich kurz, um zum Sprechen anzusetzen. Doch Degenhardt hatte dasselbe vor, weshalb die Sätze gleichzeitig unsere Lippen verließen.

„Ich werde mich vom Kurs abmelden." — „Es tut mir leid."

Daraufhin trat eine Stille ein.

Hatte er soeben gesagt, dass es ihm leidtat?

Wie aus einem Munde folgte beiderseits ein „Was?" und wir fixierten uns überrascht.

Seine Position hatte sich schlagartig geändert, denn nun stand Degenhardt mit seinen Händen an den Seiten zu Fäusten geballt aufrecht vor seinem Schreibtisch.

„Du willst dich vom Kurs abmelden?", fragte er nach einer kurzen Pause ruhig nach.

„Ja, es ist das Beste. Das hätte ich von Anfang an tun sollen", antwortete ich und hoffte, dass ihm das Zittern dabei entging.

„Warum?" War das jetzt wirklich eine ernst gemeinte Frage? Er wusste doch ganz genau, warum.

„Was soll die Frage? Ist das ewige Hin und Her nicht Grund genug? Und ..." Ich stockte, denn meine Stimme brach. Verdammt, ich war so aufgeregt. War so um Fassung bemüht. „Und diese Küsse. So was darf nicht passieren." Unwillkürlich biss ich mir bei dem wiederkehrenden Gedanken daran, was die Küsse in mir ausgelöst hatten, auf die Lippe.

„Du hast recht. Es hätte tatsächlich nicht passieren dürfen. Deshalb tut es mir leid", erwiderte er im gleichgültigen Tonfall.

Das war mein Stichwort. Zweimal hatte Degenhardt mich geküsst und sich jeweils danach dafür entschuldigt. Nicht zu vergessen seine tolle Ausrede: Er wollte lediglich, dass ich schwieg oder dergleichen. Kompletter Bockmist war das doch!

Aber egal, ob dieser Schwachsinn sein Ernst gewesen war. Das Ganze war unumkehrbar und brachte mich zunehmend um den Verstand, weshalb es jetzt ein Ende haben musste.

„Dann sind wir uns einig," flüsterte ich schließlich, während ich den Kopf senkte und mich umdrehte, um sein Büro zu verlassen. Denn ich hatte alles gesagt, was es zu sagen gab.

Noch bevor ich die Tür erreichte, stand Degenhardt unmittelbar neben mir und hielt mich bestimmt am Handgelenk zurück.

Mein Gehirn rief mir zu, dass ich mich ihm keinesfalls erneut zuwenden durfte. Dass ich ihm unter keinen Umständen die Macht geben durfte, mich aufzuhalten. Aber der Schrei kam zu spät, denn da blickte ich bereits in seine ozeanblauen Augen und war darin gefangen.

Ohne ein Wort sahen wir uns an. Die Zeit schien wieder einmal stehen zu bleiben. Mein Herz klopfte wie wild bis zum Hals und brachte meinen gesamten Körper zum Hyperventilieren.

Sein Griff lockerte sich um mein Handgelenk, nur um meine Hand sanft zu umfassen. Inzwischen zitterte ich am ganzen Körper. Ich hatte keinerlei Kontrolle über mich. Denn ich ließ seine Berührung ohne Widerstand zu, obwohl ich wusste, dass dies nicht gut sein würde. Aber leider fühlte es sich unglaublich an ... Dieses Prickeln, das jeden Millimeter von mir erfasste, den er berührte. Wie eine Droge.

„Bleib ...", sagte er und ließ mich dabei keine Sekunde aus den Augen. „Bleib bitte im Kurs."

Seine Stimme klang geradezu verführerisch, sodass mir alle Zellen meines Körpers rieten, seiner Bitte nachzugehen, weil sie sich nach ihm verzehrten. Doch die Vernunft in mir rief dazu auf, mein Vorhaben rigoros durchzuziehen. Dadurch konnte ich tatsächlich die letzte verbleibende Kraft aufbringen, um den Kopf leicht zu schütteln.

Zu schnell löste er sich wieder von mir und schaffte so einen Abstand zwischen uns. Sofort vermisste ich seine Nähe — obwohl ich das ja wirklich nicht tun sollte!

„Es wird nicht wieder vorkommen. Ich verspreche es." Degenhardts entschlossene und zugleich verzweifelte Worte hingen in der Luft, bis ich sie langsam in mich aufnehmen konnte.

Ich verspreche es.

Der Satz hallte zunächst nur bedeutungslos in meinem Kopf wider und verwirrte mich.

Ich verspreche es.

Konnte ich es denn versprechen? Was, wenn ich mich nicht zurückhalten konnte? Wenn mein Temperament wieder mit mir durchging?

Ich verspreche es.

Und wer wusste schon, ob er sich selbst überhaupt daran hielt? Wenn dies vielleicht nur ein leeres Versprechen von ihm war? Vielleicht überschritt er erneut die Grenze? So wie er es bereits zweimal getan hatte?

Zudem gab es da eine Frage, die mich seit Samstagabend unterbewusst beschäftigte, welche ich partout nicht abschütteln konnte und jetzt natürlich geradeheraus aussprach: „Warum hast du mich eigentlich geküsst?" Mich sollte ich im selben Zuge fragen, warum ich mein loses Mundwerk nicht ein einziges Mal halten konnte.

Degenhardt fixierte mich mit seinem undurchdringlichen Blick und blieb stumm.

Als Aufforderung zur Antwort sah ich ihn streng an, hob meine Brauen abwartend und verschränkte die Arme vor der Brust. Jetzt kam er mir nicht davon. Ich wollte eine klare Ansage. Sonst war Degenhardt auch immer so wortgewandt in unseren Gefechten, weshalb ich ein Schweigen seinerseits nicht duldete. „Ich wiederhole: Warum hast du mich geküsst?"

In seinen Augen braute sich wieder etwas zusammen, sein Kiefer mahlte gefährlich vor sich hin und er strich sich mehrmals durch das schwarze Haar. Dann stemmte Degenhardt seine Hände in die Hüfte.

„Das habe ich dir doch am Samstag erklärt", entgegnete er schließlich eine Spur genervt, sodass ich die Augen verdrehte. Kam er tatsächlich wieder mit der alten Leier daher?

„Das mit dem — ich zitiere — Ich wollte dich lediglich zum Schweigen bringen kaufe ich dir nicht ab. Du hast mich am Samstag geküsst. Wer weiß, wann du aufgehört hättest, wenn ich nicht halbwegs bei Verstand gewesen wäre. Und heute schon wieder? Wenn ich nach so einem Vorfall noch in deinem Kurs bleiben soll, dann bist du mir eindeutig eine ehrliche Erklärung schuldig", wies ich ihn in die Schranken und hoffte inständig, dass er dieses Mal nicht wieder eine billige Ausrede servierte.

So schnell konnte ich gar nicht schauen, da drängte mich Degenhardt gegen die nächste Wand, seine Hände links und rechts neben meinem Gesicht, wodurch es kein Entrinnen gab. Er war kaum zehn Zentimeter von mir entfernt, sodass ich seinen heißen Atem auf mir spürte, seinen verboten guten Duft inhalierte, der mich regelrecht einlullte.

„Verdammt, Elli! Warum kannst du es nicht einmal gut sein lassen? Du bringst mich damit komplett um den Verstand!" Vollkommen außer sich schmetterte er mir bedrohlich flüsternd diese Worte entgegen. Nicht voller Wut, eher voller Verzweiflung. Eine Verzweiflung, die auch ich empfand und ganz und gar nachvollziehen konnte — zumindest, sofern er das fühlte, was ich fühlte.

„Da wären wir ja schon zu zweit! Du machst es mir auch nicht gerade einfach. Von deinen Launen wird mir nämlich jedes Mal schwindelig und ich frage mich, was dir wohl als Nächstes in den Sinn kommt, um mich noch mehr zu verwirren. Also könntest du mir jetzt diese simple Frage beantworten? Mir verflucht noch mal sagen, warum du mich geküsst hast?", zischte ich ihn möglichst leise an. Jedermann sollte dieses Gespräch nicht unbedingt mithören.

Degenhardt lachte einmal kurz auf, wobei er den Kopf schüttelte. Bei seinen nächsten Worten blickte er mir wieder direkt in die Augen. „Ich soll dir erklären, weshalb ich dich geküsst habe? Ehrlich?" Sein Blick fragt mich eindeutig, ob ich noch alle Tassen im Schrank habe. „Ich habe keinen blassen Schimmer! Wahrscheinlich liegt es schlicht an der Tatsache, dass du mich absolut verrückt machst. Verdammt, ich kann wegen dir gar nicht mehr klar denken, was mich wiederum verrückt werden lässt."

Dieses Mal offenbarte mir sein Gesichtsausdruck alles. Er meinte es ernst, was er da sagte.

Endlich nahm er seine Maske ab. Nicht Herr Degenhardt – dieser unerreichbare, arrogante Schnösel – stand vor mir, sondern Joshua. Ein Mann, der Tacheles sprach und nicht irgendwelche Floskeln als Wahrheit verkaufte. An diese Version konnte ich mich gewöhnen, vor allem, weil sie sich nicht weniger temperamentvoll, dafür aber eine menschliche Verletzlichkeit zeigte, die mir bisher verborgen geblieben war.

Wir sahen uns weiterhin in die Augen. Suchten darin gegenseitig nach einer Antwort. Einer Antwort darauf, was wir nicht wussten, insgeheim jedoch ahnten, aber nicht auszusprechen wagten. Ergab das überhaupt einen Sinn?

Der intensive Moment zwischen uns machte mich gerade unfassbar hibbelig. Herrgott, ich musste mich hochgradig zusammenreißen, dass nun ich nicht diejenige war, die ihn jetzt ohne Vorwarnung küsste.

„Wie schaffst du das nur?", murmelte Joshua nun kaum hörbar. In seiner Stimme meinte ich tiefe Verzweiflung sowie Verwirrung zu hören, sodass ich nicht zu mehr imstande war, als ihn fragend anzublicken.

Er schüttelte den Kopf, wodurch einige Strähnen der perfekt sitzenden Frisur in sein Gesicht fielen. Dann fixierte er mich mit seinen Augen, welche geradezu glühten, so enorm wütete wieder der Sturm darin. „Wie kannst du mich derart mich selbst vergessen lassen?"

Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er diese Fragen mehr sich selbst als mir stellte.

Unfähig, mich vom Fleck zu rühren, weil ich Angst davor hatte, was im nächsten Moment passieren konnte, starrte ich Joshua einfach an. Dieser schüttelte erneut seinen Kopf, bevor er fortfuhr. „Ich kann beziehungsweise sollte es dir nicht erklären. Was ich dir mit Sicherheit sagen kann, ist, dass ich dir nicht guttue, Elli. Und genau aus diesem Grund hätte das am Samstag nie passieren dürfen."

Dieser Kerl hatte ja keine Ahnung, wie verdammt gut seine Küsse mir getan hatten. Viel zu gut. Nach-mehreren-Wiederholungen-lechzend-gut!

Joshua runzelte die Stirn und ich meinte, ehrliche Reue in seinem Gesicht lesen zu können. „Und das heute tut mir wirklich leid. Sieh es als Unfähigkeit zu denken an. Als Aussetzer meines Verstandes sowie meiner Vernunft. Hiermit verspreche ich dir, dass es nicht mehr vorkommen wird."

Wo wir wieder beim Versprechen wären. Dieses Gespräch drehte sich im Kreis. Unsere Kommunikation war eindeutig defekt. Wenn wir uns nicht mit Gegenfragen bombardierten, dann küssten wir uns oder sprachen um den heißen Brei.

Nachdem ich endlich wieder meine Stimme gefunden hatte, stellte ich ihn zur Rede. „Warum willst du, dass ich bleibe?"

Ich musste den Grund wissen. Warum ging er dieses Risiko ein, dass ich weiter seinen Kurs besuchte? Damit widersprach sich Joshua oder Degenhardt — wer auch immer — doch nur selbst.

„Weil du klug bist. Weil du das Seminar durch deine Gedanken bereicherst. Weil du den Kurs wegen des Künstlers, aus reinem Interesse und nicht wegen der Credits gewählt hast", erklärte er mir nüchtern.

Doch ich spürte, dass das noch nicht alles war, weshalb ich ihn erwartungsvoll musterte und dabei versuchte, möglichst unbeeindruckt zu wirken.

Das ließ ihn tatsächlich einknicken, denn er ergänzte flüsternd: „Und weil du van Gogh ein Stück so verstehst, wie ich es tue."

Meine Gedanken kreisten wild in meinem Kopf, denn ich hatte keine Ahnung, was ich jetzt machen sollte. Was ich von dem halten sollte, was mir Joshua soeben alles offenbart oder eher nicht offenbart hatte. Es sprach vieles dagegen, dass ich weiterhin in seinem Seminar blieb. Viel zu viel. Nur um des Künstlers Willen zu bleiben, wäre da ganz schön fahrlässig.

„Ich überlege es mir." Ich verschränkte meine Arme und wich einem Schritt von ihm, um nicht länger seiner unmittelbaren Nähe ausgesetzt zu sein. „Aber ... Falls ich weiterhin an deinem Kurs teilnehmen sollte, dann erwarte ich, dass wir so tun, als wäre niemals etwas zwischen uns gewesen. Wir kennen uns nicht, sind komplett neutral dem anderen gegenüber. Wir reden außerhalb des Seminars nicht miteinander, ignorieren uns. Du bist der distanzierte Dozent, den ich nicht leiden kann, und ich bin irgendeine deiner Studentinnen. Und privat gehen wir uns komplett aus dem Weg, falls es noch mal zu unerwarteten Begegnungen kommen sollte."

Erneut brach eine Stille über uns herein. Eine Stille, die er wohl benötigte, um über meine Forderungen nachzudenken. Dabei entfernte sich Joshua weiter von mir, bis er an seinen Schreibtisch gelangte. Dann fasste er sich mit einer Hand über seine Kinnpartie und diese kleine Falte bildete sich auf seiner Stirn. Schließlich schien er zu einem Schluss gekommen zu sein, denn er strich sein Haar zurück, verschränkte die Arme ebenfalls vor seiner Brust und musterte mich mit einem undurchdringlichen Blick.

Da war er wieder: Degenhardt.

„Dann wäre alles geklärt, Frau Wiesinger. Ich erwarte Sie nächste Woche gut vorbereitet in meinem Seminar. Sie können gehen", entgegnete er mit eiskalter Miene und wandte sich von mir ab.

Somit verließ ich sein Büro und schloss die Akte Degenhardt.

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