
Zwölftes Kapitel
Meine Arme waren über mir an der Decke mit zwei Ketten befestigt. Ich hatte nicht viel Spielraum, nur wenn ich auf die Zehenspitzen stand, konnte ich meine Handgelenke ein wenig von meinem eigenen Gewicht entlasten. Es war anstrengend, so dazustehen, besonders das Atmen fiel einem mit der Zeit schwer. An meinen Handgelenken hatten sich rote Striemen gebildet und mein ganzer Oberkörper war mittlerweile blau. Anfangs hatte ich noch versucht, mich zu befreien. Ich habe gezappelt und gezerrt, habe sie angeschrien, sie sollen mich gehen lassen. Mittlerweile war ich ruhiger geworden. Ich versuchte einen resignierten Ausdruck aufzusetzen. Wenn sie kamen, um mir etwas zu trinken zu geben, verweigerte ich es, auch wenn ich zu gern etwas trinken wollte. Aber ich musste ihnen irgendwie vermitteln, dass ich aufgab und eins stand fest. Eine schlechte Schauspielerin war ich nicht. Jedes Mal, wenn sie mich losbanden, ließ ich mich extra zu Boden sinken, ich schwankte beim Laufen und ich zuckte bei jedem geringsten Laut oder Körperkontakt zusammen.
Seit drei Tagen hatten sie härtere Geschütze aufgefahren, als sie merkten, dass ich nicht klein beigab. Sie hatten begonnen, mich festzubinden, auf mich einzudreschen und mir die Luftzufuhr abzuschnüren, sei es nun durch eine Plastiktüte, oder direkt durch das würgen an meinem Hals. Es war nicht sonderlich schwer, die Panik zu schauspielern, doch dabei selbst nicht in Panik zu fallen, erforderte unfassbar viel Kontrolle und Willenskraft. Einmal hatte ich es nicht geschafft, und bin extrem in Panik geraten. Ich habe hyperventiliert und bin in Tränen ausgebrochen, danach konnte ich nichtmehr aufstehen und sie haben mich den ganzen Tag auf dem Boden liegen lassen. Ab diesem Zeitpunkt hatte ich gelernt, wie ich mich innerlich selbst beruhigen kann.
Nun hing ich hier, mal wieder und wartete auf den richtigen Moment um ‚aufzugeben'. Vor ein paar Stunden waren sie gegangen, nachdem ich ordentlich Schläge kassiert hatte. Natürlich hätte ich mich mit meinen Kräften einfach losmachen können, aber ich durfte ihnen nicht zeigen, wie gut ich sie mittlerweile kontrollieren konnte. Erst, wenn ich einen sicheren Ausweg von diesem Schiff fand, konnte ich es riskieren. Also lief ich den Kopf hängen und ging erneut meine Lieblings Songs im Kopf durch.
In der Mitte eines Songs öffnete sich die Tür. Ich zuckte wie auf Kommando zusammen, doch ich hob den Kopf nicht. Anhand der Schuhe konnte ich erkennen, dass es Agent Rumlow war, wie immer im Schlepptau mit Tick, Trick und Track, seinen Handlangern. Ich hatte sie so getauft, weil sie alle recht dümmlich aussahen und selbst die einfachsten Befehle nicht richtig ausführen konnten. Hinter ihnen trat auch Bucky ein. Zu ihm hatte ich mir mittlerweile viele Gedanken gemacht, wenn ich die Schnauze voll von meinen Liedern und Tagträumen hatte.
Er wurde einer Gehirnwäsche unterzogen, so viel stand fest. Genauso wie Steve, war er ein Supersoldat. Er hatte das Serum injiziert bekommen und verfügte nun über unmenschliche Kräfte. Ich hatte ein paar Mal schon versucht, ihm seine Erinnerungen zu zeigen, so wie bei Loki, in der Hoffnung, seine Freundschaft zu Steve könnte mir hier raushelfen, doch Fehlanzeige. Jedes Mal, wenn er mich zurück in mein Zimmer führte, versuchte ich in seinen Kopf zu kommen. Vielleicht hatte er selbst ja etwas mitbekommen, wie man ihn aus diesem Zustand befreien konnte, doch ich konnte nichts finden. Das Einzige, was mir wichtig erschien war, dass seine ‚Behandlung' auf dem Folterstuhl in regelmäßigen Abständen wiederholt werden musste. Bis jetzt hatte ich allerdings noch nicht herausgefunden, in welchem Abstand, wann seine letzte Gehirnwäsche war und wie genau ich es schaffte ihm seine Erinnerungen zu zeigen und nicht nur sie zu sehen.
Was, wenn es gar nicht funktionierte? Was wenn Loki eine Ausnahme war, weil er selbst solche Gedankenspielchen beherrschte. Nein ich durfte mich nicht verrückt machen. Es musste irgendwie funktionieren. Als ich damals mit Loki im Trainingsraum war, was hatte ich da anders gemacht, als mit Steve und mit Bucky. Ich war sauer gewesen auf Loki, aber ich glaube nicht, dass es daran lag. Meine Kräfte hatte ich auch gelernt zu kontrollieren, obwohl sie zu Beginn nur erschienen, als ich meine Gefühle nicht im Griff hatte. Ich wusste, wie ich meinen Kopf für die Erinnerungen der anderen bereitstellen musste. Auch war mir mittlerweile klar, dass ich mir bildlich vorstellen musste, wie ich nach ihren Gedanken griff aber dann kam der knifflige Teil. Man musste die Person in einem unachtsamen Moment erwischen und dann blitzschnell nach ihren Gedanken greifen. Es war wie ein Seil, dass an einem vorbei sauste. Wenn man zu früh danach griff, blockierten die Erinnerungen, griff man aber zu spät danach, dann rutschte man ab und bekam nur ein aufblitzen an Gefühlen mit. Das richtige Timing hatte ich schon fast gefunden, doch wie konnte ich sie ihm zeigen. Ob es etwas mit den Erinnerungen zu tun hat? Kann ich ihm nur seine schönen Erinnerungen zeigen? Nein das machte keinen Sinn, bei Loki war es ja auch gemischt gewesen.
Agent Rumlow griff unter mein Kinn und zog meinen Kopf nach oben, sodass ich sie ansehen musste. Ich vermied jedoch Blickkontakt, blinzelte häufig ließ meinen Atem schneller gehen. „Nun, haben wir uns eines Besseren besinnt?" Verächtlich schaute er auf mich herab und bewegte mein Gesicht in seinen Händen. Wenn der wüsste, doch ich ließ mir nichts anmerken. Ob der richtige Zeitpunkt schon gekommen war um einzulenken? So langsam musste ich mich auf jeden Fall darauf bereit machen.
Ich sagte nichts, zog meinen Kopf weg und bemühte mich um einen hoffnungslosen Ausdruck. Agent Rumlow nahm das als Antwort und Trick trat hervor, schlug mir ein paar Mal in den Magen und ging wieder zurück. Der Schmerz war nicht ganz so schlimm, wenn ich meine Bauchmuskeln anspannte, allerdings blieb mir doch jedes Mal die Luft weg. Die blauen Flecken, die sich gebildet hatten, ließen es nicht besser werden. Es war nicht stark genug, um ernsthafte Schäden anzurichten, aber sie waren definitiv nicht zimperlich in dem was sie taten.
Ich krümmte mich, soweit es möglich war und zwang mich einzuatmen. Der erste Atemzug war immer der Schlimmste, danach wurde es mit Jedem weniger Schmerz. „Nun?" Ich antwortete immer noch nicht. Erst als Tick erneut nach vorne trat begann ich zu reden. Ich musste bald einlenken, sonst würden sie mich so einer Gehirnwäsche aussetzen, um mich zu kontrollieren. „Nein bitte" Meine Stimme war ein heiseres Flüstern. Seit Tagen hatte ich nicht geredet, aber es passte zu dem verletzlichen kleinen Mädchen, was ich gerade zu spielen versuchte. „Bitte ich..." setzte ich erneut an, bevor meine Stimme versagte. Eine Träne quoll aus meinen Augen und ich war überrascht, dass ich sogar auf Kommando weinen konnte.
Agent Rumlow kam einen Schritt näher. Es war mir unangenehm, ihn direkt vor mir zu haben, was ich auch offensichtlich nicht schauspielern musste. Er hob eine Hand an sein Ohr, und tat so, als ob er mich nicht gehört hätte. Ich schluckte schwer. „Bitte, ich tue es." Er sah mich an. „Was genau tust du?" Er wusste ganz genau, dass ich für Hydra ‚arbeiten' würde, aber er wollte, dass ich es aussprach. Arrogantes Arschloch. „Ich werde für Hydra arbeiten" resigniert ließ ich den Kopf hängen. Hoffentlich hatte ich nicht zu schnell eingelenkt. Agent Rumlow sah mich mit forschendem Blick an, ich sah ihn zwar nicht, aber ich spürte, wie er mich musterte. Er war misstrauisch.
Ich kann nicht ohne weiteres einlenken. Ich muss einen Vorteil daraus ziehen, damit er weiß, dass ich nicht weglaufe. „Ich tue es, wenn ihr mir etwas über meine Eltern sagen könnt. Ich will wissen, was sie getan haben. Tony Stark meinte, sie seien bei Hydra gewesen aber ich glaube ihm nicht." Das war eine gute Forderung. Sie würde Hydra nicht schaden, wenn sie es mir erzählten, es wäre in ihrem machbaren Rahmen und ich wollte es sowieso wissen. Ein lächeln huschte über sein Gesicht, doch er ließ sich mit seiner Antwort Zeit. „Ich denke das lässt sich einrichten. Soldat, bringen sie die junge Dame jetzt bitte wieder auf ihr Zimmer." Mit diesen Worten drehte er sich um und verließ gefolgt von seinen Handlangern den Raum. Er hatte es mir abgekauft. Es hatte wirklich funktioniert, das hieß, dass ich vorerst so sicher war, wie ich es in der Situation sein konnte. Dennoch musste ich weiter auf der Hut sein.
Bucky löste die Ketten von meinen Handgelenken und ich sank zu Boden, als sie mein Gewicht nicht mehr trugen. Anders als sonst, war er dieses Mal nicht so forsch. Ich schätze, er hatte die Order, mich besser zu behandeln, wenn ich kooperierte. Er fasste mich unter der Schulter und zog mich auf die Beine. Sein Blick war immer noch eiskalt, doch nach ein paar stolpernden Schritten legte er sich meinen Arm um die Schulter und lief neben mir als Stütze her. So nah war ich ihm noch nie gekommen. Das war meine Chance, ihm seine Erinnerungen zu zeigen, aber wie. Ich war noch nicht so weit.
Ich zögerte den Weg nach unten so lange wie möglich, blieb immer wieder keuchend stehen und hielt mir die Rippen. Zeit, ich brauchte Zeit, aber wie bekam ich sie. Als wir vor der Treppe zu meinem Stockwerk standen, blieb ich erneut stehen. „Bitte, ich muss Luft holen. Könnten wir kurz nach draußen gehen, es ist so stickig hier." Ein wehleidiger Ausdruck machte sich auf meinem Gesicht breit, doch er verzog keine einzige Meine. Himmel, diese Gehirnwäsche war aber auch übernatürlich, doch nach kurzem Zögern machte er kehrt und lief mit mir wieder die Treppen nach oben. Ich lief wieder etwas aufrechter, ohne seine Stütze zu benötigen und er entfernte sich einen Schritt von mir.
Nebeneinander liefen wir die Treppen nach oben, bis wir vor der metallenen Tür standen. Er zog sie aus und ließ es so aussehen, als würde er eine Feder bewegen. Ich hatte die Tür einmal geöffnet, sie war definitiv nicht leicht zu bewegen. Als er die Tür aufgezogen hatte, blendete mir die Sonne ins Gesicht. Es musste später Nachmittag gewesen sein, denn die Sonne stand tief. Ein leichter Windzug streifte über das Deck und wehte den salzigen Geruch des Meeres in meine Nase.
Ich ging einen Schritt nach vorne, dann noch einen. Seit Tagen war ich schon nicht mehr draußen gewesen. Ich ging bis nach vorne an die Reling, Schritt auf Tritt von Bucky begleitet. An der Reling angekommen legte ich die Hände auf das Geländer. Es war kalt und feucht vom Meer. Das Wasser schwappte gegen das Schiff und ließ glucksende Geräusche zu uns heraufdringen. Über die Endlose Weite des Meers erstreckte sich ein fast wolkenloser Himmel. Nur vereinzelt hatte ich welche sehen können. An der Stelle wo das Wasser an den Rumpf des Schiffes traf bildeten sich kleine weiße Schaumkronen.
Ich konnte nicht anders und schloss die Augen. Es war ein so friedlicher Moment. Am liebsten würde ich nie wieder zurück in meine Welt gehen. Das Einzige, was den Moment vollkommen machen würde, wäre Steve. Ich vermisste ihn, die Gespräche mit ihm und seine Umarmung. Ich wollte wieder zurück zu dem Moment, als er mich vor dem Haus umarmt hatte. Ich weiß, dass ich niemanden brauchte der mich rettete, aber es hatte sich so schön angefühlt, gewollt zu sein, nicht alleine gegen die Welt kämpfen zu müssen. Ich hatte mich sicher gefühlt, seine Arme, die mich hielten und sein Herzschlag, der ruhig und gleichmäßig aus seiner Brust klang.
Ich riss die Augen auf. Sein Herzschlag, natürlich. Wieso war ich so dumm gewesen. Es war nicht die Psyche, sondern die Geste gewesen, die Loki die Erinnerungen gezeigt hat. Ich hatte seine Brust genau über dem Herzen berührt, als es passiert war. Bei Steve und Bucky hatte ich bis jetzt immer nur die Arme und Hände berührt. Das musste es sein, denn wenn es nicht so war, wusste ich nicht, wo ich noch weiter machen sollte. Innerlich gab ich mir eine Ohrfeige. Einmal, weil ich erst jetzt darauf gekommen war und noch einmal, weil ich vorhin die ultimative Chance verpasst hatte. Wäre ich doch nur vorher darauf gekommen.
Seis drum. Jetzt musste ich das Beste draus machen. Hoffentlich funktionierte es jetzt auch wirklich. Ich drehte mich um, hier konnte ich es nicht versuchen. Wir wurden von überall aus beobachtet. Ich musste es auf dem Weg nach unten versuchen. Als ich an Bucky vorbei zur Tür ging folgte er mir. Wir gingen den Weg zurück, den wir vorhin gekommen waren. Auf der Treppe schwankte ich absichtlich, in der Hoffnung, er würde mich wieder stützen, doch er fasste mich nur an der Schulter um mich vorm Stolpern zu schützen. Ich musste schwerere Geschütze auffahren und ich musste mich beeilen, wir waren gleich an meinem Zimmer angekommen.
Kurz vor meiner Tür blieb ich stehen und stützte mich mit einer Hand an der Wand ab. Ich kniff die Augen zusammen und fasste mir mit der anderen Hand an die Schläfe. Bucky kam vor mich und sah mich forschend an. „Ich fühle mich nicht gut, ich..." dann schloss ich die Augen und ließ mich fallen. Bucky fing mich auf, wie geplant und ich griff nach seiner Brust. Das war meine einzige Chance. Als meine Hand sein Shirt berührte spürte ich seinen Herzschlag in meinen Fingern, er ging schneller als der von Loki und Steve aber ich spürte ihn ganz deutlich.
Plötzlich passierte es. Ich musste mich nicht mal sonderlich anstrengen. Ich sah Buckys leben im Schnelldurchlauf und ich konzentrierte mich besonders auf Momente, in denen Steve und Buckys Freundschaft deutlich wurde. Als sie zusammen die Straßen entlangliefen, Bucky Steve verteidigte, als sie zusammen auf Mission waren und besonders Buckys spezielle ‚Behandlung' von Hydra. Dann zeigte ich ihm meine Erinnerungen mit Steve, nur einen Ausschnitt, aber genug, um die Sache deutlich zu machen. Wie wir zusammen einen Film schauten, wie er mich umarmte und wie wir zusammen auf dem Dach saßen.
Das Ganze dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, doch als ich meine Hand wegzog, hatte ich ihm alles gezeigt, was er sehen musste. Bucky starrte mich an, völlig verwundert und fragend. Das war die erste Emotion, die ich von ihm mitbekam. Ich wartete auf seine Reaktion, auf ein Anzeichen der Erkenntnis, doch es kam nichts. „Ich kenne Steve, wir sind Freunde und" Er zog mich hoch, öffnete meine Zimmertür und stieß mich hinein. Dann knallte er sie wieder zu und ließ mich allein. Nun war ich es, die perplex schaute. Hatte es funktioniert? Er hat fast gar nicht reagiert und wer weiß ob das nicht von meinem Schauspiel kam. Was wenn es nicht geklappt hatte oder schlimmer, wenn er es Agent Rumlow erzählte. Darüber hatte ich gar nicht nachgedacht. Verdammt, warum hatte ich nicht daran gedacht?
Ich schlug mir mit den Händen gegen die Stirn. „dumm, dumm, dumm. Wieso?" murmelte ich. Wieso hatte ich das getan. Wenn Bucky jetzt petzen ging, dann würde Hydra wissen, wie gut ich meine Kräfte kontrollieren konnte, dann wüssten sie, dass ich nicht so verletzlich war, wie ich vorgab. Ich atmete tief ein. Jetzt konnte ich auch nichts mehr ändern. Gegen die Wand gelehnt schloss ich die Augen, ballte die Hände zusammen und entspannte sie wieder. Es muss einfach funktioniert haben. Es gibt keinen anderen Ausweg. Wir waren immer noch mitten auf dem Meer. Alleine konnte ich es nicht schaffen.
Das Ganze Grübeln brachte mich auch nicht weiter. Ich ließ mich aufs Bett fallen und legte den Arm über meine Augen. Es war zwar nicht besonders hell in meinem Zimmer, aber es war noch ein Automatismus von den Nächten draußen. Meist hatte nachmittags bis in die frühe Nacht geschlafen. Zu den Zeitpunkt stand die Sonne schon recht tief, jedoch war es immer noch hell genug um die Umgebung zu erkennen. Ich hatte mir einen erhöhten Punkt gesucht, einen Baum mit dichter Krone oder eine Höhle auf einem Felsvorsprung. Letzteres war schwerer zu finden und fühlte sich nicht so sicher an wie der Baum. Von da oben hatte ich immer alles im Blick. Zusätzlich schützte ich mich mit einer Rettungsdecke gegen die Kälte und, was noch wichtiger war, gegen Wärmebildkameras. Die Decke isolierte meine Körpertemperatur gut, so dass man unter einer dichten Baumkrone kaum noch zu sehen war. Gegen Mitternacht war ich dann immer aufgestanden und weitergelaufen. Erfahrungsgemäß wurde man nachts nicht so exzessiv verfolgt wie tagsüber, einfach weil der Staat nicht so viel Nachtschichtzuschläge zahlen wollte. Auch sie waren knauserig, zu meinem Glück.
„Sei leise, sonst hören sie uns noch." Ich hielt mir den Finger an die Lippen und gab Bucky zu verstehen, er solle schweigen. Er schaute über meine Schulter, die Waffe im Anschlag. Wir sahen beide den dunklen Gang entlang, hin zu der alten Holztür, hinter der die Treppen nach oben führten. Bis jetzt war unser Verschwinden noch nicht aufgefallen, doch es konnte nicht mehr lange dauern. Bucky drängte „Wir müssen los." Er schob sich an mir vorbei und ging leisen Schrittes auf die Tür zu. Ich folgte ihm, die Glasscherbe fest in meiner Hand. Sie schnitt mir leicht in die Hand, doch ich wollte sie nicht loslassen. Ich hatte das Gefühl, dass ich sie noch brauchen würde. Als wir an der Tür angekommen waren, lauschten wir angespannt, ob etwas zu hören war. Als wir glaubten, sicher zu sein, stießen wir die Tür auf und da standen sie. Mit gezückten Waffen machten sie keinen Mucks, sondern starrten uns nur an. Den Bruchteil einer Sekunde musterten wir einander, dann Schossen sie. Bucky ging neben mir zu Boden und bevor ich aufschreien konnte, trafen mich mehrere Kugeln in die Brust. Ich spürte keinen Schmerz, meine Knie gaben nach und ich sank neben Bucky zu Boden. Als mein Kopf in seiner Blutlache aufschlug, traf mich die Erkenntnis. Seine halb geöffneten Augen, der Kopfschuss direkt zwischen den Augen, er war tot.
Eine Hand legte sich auf meinen Mund und ich schrak auf. Ich schwitzte stark und atmete schwer. Es war nur ein Traum. Es war nicht wirklich passiert. Ich griff nach der Hand auf meinem Mund um sie wegzuschieben, doch ich wurde aufgehalten. Als ich den Kopf drehte um zu erkennen, wer es war, sah ich Bucky im Dunkeln auf mich herabblicken. „Was zum Teufel..." Doch er unterbrach mich. „Was hast du vorhin mit mir gemacht?". Sein Flüstern klang energisch und er wirkte gehetzt. Ich verstand nicht sofort. „Vorhin, als ich dich zurück in dein Zimmer gebracht habe, was hast du da mit mir gemacht. Ich bekomme diese Bilder nicht mehr aus dem Kopf." Ich stützte mich auf die Ellenbogen. „Ich, also..." Wo sollte ich anfangen. „Ich habe dir deine Erinnerungen gezeigt." Er zog die Augenbrauen zusammen. „Was meinst du? Das waren nicht meine Erinnerungen." „Doch, du stehst unter der Gedankenmanipulation von Hydra, sie benutzen dich. Sie haben dir das Serum verabreicht und sie haben dich Konditioniert. Du wurdest gefoltert und..."
Er legte mir die Hand wieder auf den Mund. Von draußen waren Schritte zu hören. Ich griff nach seiner Hand um sie wegzuschieben, doch er packte nur fester zu. Er musste mir nicht den Mund zuhalten wie bei einem kleinen Kind. Ich wusste selbst, dass ich jetzt besser nichts sagte, doch er ließ nicht locker. Als die Schritte verklangen setzte ich mich richtig auf und warf die Beine über den Bettrand. Als er nichts sagte fuhr ich fort. „Sie haben dich gefoltert, um dich gefügig zu machen. Steve, ich kenne ihn. Ihr wart Freunde, bevor Hydra dich gefangen hat. Er dachte du bist tot." Er starrte mich an, ungläubig und verwirrt. „Ist da nichts, was dir bekannt vorkommt?" Er sagte nichts. Ich wartete kurz, dann hielt ich ihm die Hand hin. „Ich kann es dir nochmal zeigen" doch er wich zurück. Er stand jetzt ein paar Schritte von mir entfernt, unschlüssig, was er davon halten sollte.
„Bitte, du musst dich doch an irgendetwas erinnern. Hydra hat dich manipuliert, " In meinem Flüstern lag ein flehen, doch er ging nicht darauf ein. Bevor ich ihm nochmal etwas sagen konnte, öffnete er die Zimmertür und schloss sie lautlos hinter sich. Dann war er weg.
Es hatte funktioniert, war das Einzige, woran ich gerade denken konnte. Es hatte tatsächlich funktioniert. Ich hatte es geschafft und er hatte es nicht Agent Rumlow verraten. Das heißt, dass er dem Ganzen, wenn auch nur ein bisschen Glauben schenkt. Er ist skeptisch, sonst hätte er nicht nachgefragt. Wäre er unter der vollen Kontrolle von Hydra, dann hätte er es direkt seinen Vorgesetzten gesagt, doch das hat er nicht. Er war zu mir gekommen, weil er, zumindest ein wenig, seinen eigenen Willen zurückerlangt hat. Das hieß aber auch, dass seine letzte Behandlung auf dem Folterstuhl schon eine Weile her ist und Hydra es bestimmt bald wiederholen wird. Es musste also bald geschehen, bevor er wieder willenlos wurde.
Hoffentlich glaubte er mir und half mir, zu fliehen. Er konnte sich ja auch einfach alleine aus dem Staub machen, doch ich musste auf das Beste hoffen. Jetzt konnte ich erstmal nur abwarten, bis er wieder auf mich zukam. Bis dahin sollte ich mir überlegen, wie wir es am Besten anstellten. Ich überlegte kurz, ob ich es mir aufschreiben sollte, doch es war mir zu riskant. Hydra könnte einfach hereinspazieren und dann wüssten sie Alles. Nein, ich musste vorsichtig sein und weiter mitspielen.
Am nächsten Morgen wurde ich mit einem lauten Knall geweckt. Agent Rumlow hatte die Tür aufgestoßen und marschierte auf mich zu. „Auf geht's" war alles was er sagte, bevor er mich aus dem Bett zog und mir ein paar Klamotten ins Gesicht warf. „2 Minuten", dann trat er nach draußen und schloss die Tür hinter sich. Was für eine Begrüßung dachte ich murrend, dann musterte ich meine Kleindung. Es waren ein paar schwarze Hosen aus dehnbarem Stoff, ein schwarzes Baumwoll-Shirt und ein dunkelgrauer, viel zu großer Hoodie. Alles Kleidung, die ich mir auch selbst aussuchen würde, aber wahrscheinlich hatten sie den Hintergedanken, dass ich darin trainieren würde und was die Größe betraf, würde es bei einer rein männlichen Besatzung schwer sein Frauenkleider zu organisieren.
Als die Tür wieder aufging hatte ich gerade noch Zeit den Hoodie überzuziehen, bevor mich Agent Rumlow aus dem Zimmer zog. Nicht mal meine Haare hatte ich kämmen können, weshalb sie mir wirr ins Gesicht hingen. Draußen vor der Tür standen Tick, Trick und Track und nahmen mich in die Mitte ihrer Formation. Anders als sonst bekam ich keine Handschellen und wir liefen auch nicht in den Raum, in dem sie mich an die Decke banden. Wir gingen die Treppe hinauf nach draußen und dort weiter nach oben auf die Brücke. Agent Rumlow rannte fast und ich hatte Mühe schrittzuhalten. Oben angekommen stieß er die Tür auf. Das war der Raum, in dem ich ganz am Anfang hereingeplatzt war, doch wir blieben nicht hier. Er führte mich weiter, durch die verschiedensten Räume, wieder eine Treppe hinab, bis wir in einer Lagerhalle angekommen waren, zumindest sah es so aus. Am Boden befanden sich große Haken, um Transportware zu sichern, allerdings war der Raum bis auf ein paar Palletten und Kisten leer.
Agent Rumlow stieß mich in nach vorne. „Auf geht's" er machte eine Geste zu den Kisten. Ich verstand nicht, das hieß, ich verstand schon, allerdings tat ich so als verstand ich nicht. Es war eindeutig, dass er wissen wollte, wie stark meine Kräfte waren und was ich alles konnte. „Du sollst uns zeigen was du kannst" Ungeduldig verschränkte er die Arme vor dem Körper. Ich atmete tief ein, so als würde ich mich konzentrieren, dann hob ich die Hand in die Richtung der Kisten, kniff die Augen zusammen und zog die Schultern hoch. Nichts passierte, natürlich nicht, ich wollte ja auch nicht, dass etwas passierte. Ich öffnete ein Auge und schaute auf die Kisten, dann ließ ich die Hand und die Schultern sinken und blickte enttäuscht zu Boden.
Er zog die Augenbrauen hoch. „Was soll das? Willst du mich verarschen?" Ja das wollte ich. „Nein natürlich nicht, ich..." Er kam einen Schritt näher. „Hör auf so zu nuscheln und sag mir was los ist, sonst passiert was." „Ich, Ich habe doch gesagt, dass ich meine Kräfte nicht kontrollieren kann." Mit eingezogenem Kopf wartete ich darauf, Schläge zu kassieren, doch es kam nichts. Agent Rumlow trat noch näher heran, so nah, dass ich seinen Atem auf meiner Stirn spüren konnte. Ich widerstand dem Drang einen Schritt zurück zu gehen und hielt den Atem an. „Ich weiß, dass du deine Kräfte beeinflussen kannst" sagte er ganz ruhig. „Du hast es schon mal getan, als wir dich aufgesammelt haben, also hör auf mich zu verarschen" Den letzten Teil seines Satzes schrie er mir ins Gesicht, sodass ich zusammenzuckte. „Ich kann sie nicht kontrollieren, es passiert einfach" meine Stimme war leise und gebrochen.
„Es passiert einfach? ES PASSIERT EINFACH? Nun vielleicht müssen wir dich dann dazu bringen, dass es passiert" Er drehte sich zu Track um und schickte ihn mit einem Handwedeln davon. Dann fasste er sich genervt an die Nasenwurzel und atmete hörbar aus. Als Track zurückkam, trug er mit Hilfe von Bucky einen großen Bottich. Sie gingen in ein Nebenzimmer und begannen ihn mit Wasser zu füllen. Bucky würdigte mich keines Blickes. Mir schwante Böses. Das hatte nichts Gutes zu heißen, doch ich durfte ihnen keinen Zugang zu meinen Kräften gewähren. Agent Rumlow packte mich ohne Vorwarnung am Nacken und zog mich in das Nebenzimmer. Der Bottich war schon fast komplett mit Wasser gefüllt. „Bist du dir sicher, dass du es nicht doch noch einmal normal versuchen möchtest?" Er hob mein Gesicht über das Wasser und drückte es in Richtung Wasseroberfläche. „Nein bitte, bitte. Ich kann es, ich zeige es Ihnen" natürlich tat ich das nicht.
Nach einem weiteren erfolglosen Versuch, meine Kräfte zu präsentieren, packte er mich an den Haaren und drückte mein Gesicht unter Wasser. Ich spürte die Panik in mir aufsteigen und versuchte innerlich ruhig zu bleiben. Mein Körper jedoch strampelte und stützte sich am Rand des Bottichs ab, um aus dem Wasser zu kommen. Ruhig bleiben, sagte ich mir immer wieder. Sie wollen dich nicht töten, sie wollen dir nur Angst machen. Ich kniff die Augen zusammen, bleib ruhig, bleib ruhig. Dann endlich zog er mich an den Haaren aus dem Wasser. Ich schnappte nach Luft und hustete, so als hätte ich Wasser geschluckt. „Na, passiert es jetzt oder willst du noch eine Runde?" Als ich nichts sagte drückte er meinen Kopf wieder unter Wasser.
Okay, es ist alles gut. Ich konnte lange die Luft anhalten, das wusste ich, aber das Strampeln und Zappeln verbrauchte meinen Sauerstoff sehr viel schneller. Ein bisschen noch, nur noch ein bisschen. Das Wasser lief mir in meine Ohren und in meine Nase, dann in meinen Mund und in meinen Rachen. Ich versuchte, den Mund geschlossen zu halten, doch die Panik ergriff langsam Besitz von mir. Als ich es nicht mehr aushielt ließ ich meine Hände anfangen zu schimmern. Der Nebel bildete sich und schleuderte Agent Rumlow gegen die nächste Wand. Es war etwas härter, als ich es hätte tun müssen, doch er hatte es verdient. Keuchend zog ich meinen Kopf aus dem Wasser und ging neben dem Bottich auf die Knie.
Ich hustete und stützte mich mit meinen Händen auf dem Boden ab. Meine gesamte Kleidung war getränkt vom Wasser und meine Haare tropften mir ins Gesicht. Ich schloss die Augen und versuchte, die aufsteigende Panikattacke unter Kontrolle zu bringen. Langsam, ganz langsam gelang es mir, ruhiger zu atmen und meine Muskeln zu entspannen. Bucky stand reglos an der Wand und behielt den Raum im Blick. Nur einmal ganz kurz huschten seine Augen zu mir und unsere Blicke trafen sich. War das Bedauern gewesen oder hatten mir meine Sinne einen Streich gespielt? Ich konnte es nicht herausfinden, denn er sah mich nicht mehr an.
In der Zwischenzeit war Agent Rumlow wieder aufgestanden. Auf allen vieren wich ich zurück, bis zum Ende des Raums. Er machte keine Anstalten, auf mich zuzukommen, stattdessen lehnte er sich zu Bucky und flüsterte ihm etwas ins Ohr, dann gab er ein Zeichen an seine Handlanger und verließ mit ihm den Raum. Immer noch schwer atmend schaute ich ihnen nach, bis die Tür hinter ihnen zu viel. Dann schloss ich die Augen und lehnte meinen Kopf gegen die Wand. Es war ein schreckliches Gefühl, mit dem Kopf unter Wasser zu sein. Man weigert sich vehement einzuatmen, obwohl es sich so anfühlt, als würden die Lungen explodieren. Nein, Wasser war definitiv nicht mein liebstes Element.
Bucky kam auf mich zu und zog mich auf die Beine. „Eine Sekunde bitte" immer noch schnaufend wrang ich meine Kleider aus, doch Bucky wartete nicht. Er griff nach der Kapuze meines Pullovers und zog mich vorwärts. Verwirrt sah ich ihn an, doch er blickte stur gerade aus. Sein Blick war wie immer eiskalt. Hatte ich das von gestern missverstanden oder hatte er sich eines Besseren besinnt? Wurde er von Hydra vielleicht wieder einer Gehirnwäsche unterzogen? Es gab nur einen Weg das herauszufinden.
Ich griff nach seiner Hand, in der Absicht sie wegzustoßen. Als sie sich berührten, sah ich seine Erinnerung. Er wurde keiner Gehirnwäsche unterzogen. Das Gespräch gestern Abend hat ihn die ganze Nacht wachgehalten. Er war unruhig in seinem Zimmer auf und abgelaufen, bevor er wieder zum Dienst gegangen war. Er wusste also noch davon, aber warum ignorierte er mich jetzt so vehement. Es gab zwei logische Erklärungen für mich. Entweder hatte er sich des besseren besinnt oder hier war es zu gefährlich zum Reden. Ich tendierte zu Option zwei. Hydra hatte hier bestimmt Kameras aufgestellt und er spielte weiter die Rolle des hirnlosen Soldaten.
Ich stieß seine Hand weg und ging vor ihm her. Dann viel mir auf, dass ich ja immer noch das verletzliche Mädchen spielen musste und ließ den Kopf wieder hängen. Als wir an meinem Zimmer angekommen waren, öffnete er die Tür und deutete auf mein Bett. Dort lagen dieselben Kleider noch mal. Ich verstand, dass ich mich umziehen sollte und tat es. Meine Haare waren zwar immer noch nass, jedoch hatte ich jetzt kurz Zeit, um einmal durchzukämmen. Bucky öffnete die Tür erneut und führte mich zurück zur Brücke.
Oben angekommen ließ er mich herein, in den Raum, in dem ich anfangs eine blutige Nase kassiert hatte. Nun war der Raum aber nicht leer. Agent Rumlow saß dort, mit ein paar anderen Typen, alle in schwarzen Shirts und Cargo Hosen. Ich kannte sie nicht, aber sie sahen nicht aus wie hohe Tiere. Muskulös und stämmig waren sie, mit mehreren Narben und Tattoos über den ganzen Körper verteilt. Sie diskutierten über etwas, aber als ich eintrat, verstummten sie. Auf dem Tisch herrschte das reinste Chaos. Karten, Akten, lose Blätter und Schnipsel lagen queer verstreut. Agent Rumlow saß mit einem Bein auf dem Tisch und schaute mich an. „Über dich haben wir gerade gesprochen." Er deutete mir an, mich zu setzten. Ich tat wie mir geheißen, die Hände im Schoß verschränkt. Ich vermied Blickkontakt mit ihnen und versuchte stattdessen die Akten und Karten auf dem Tisch zu lesen.
„Nun, da wir wissen, wie wir dich zu deinen Fähigkeiten triggern können, werden wir daran weiterarbeiten." ‚Arbeiten' hieß in diesem Fall weitere Foltereinheiten, als könnte man mich nur so triggern, aber es war der einfachste Weg für sie. „Jetzt geht es allerdings darum" er schob eine Karte zu mir. Ich hatte sie schon einmal gesehen. Es war die Karte, auf der sie mich nach den Avengers gefragt hatten, allerdings ohne die eingezeichneten Kreise, wo sie sie vermuteten. Ich schluckte schwer. Jetzt kam es auf meine Lügen Künste an. „Wo sind sie?" Er tippte auf die Karte. Ich sah sie an. Ich wusste auf ein paar Kilometer genau, wo sie sich befanden. Im Norden von New York. Ich musste einen ihrer Kreise erwischen, wo sie sie sowieso vermuteten, sonst würden sie misstrauisch werden. Aber wo waren diese Kreise gewesen. Grob konnte ich noch sagen, wo ich sie gesehen hatte. Einer lag auf jeden Fall bei Harrisville, oder war es Hawkinsville gewesen? Shit. Ich musste mich erinnern und das schnell.
Bucky stieß mich von hinten mit dem Lauf seiner Waffe an, als ich nicht antwortete. „Ich möchte erst wissen, was mit meinen Eltern passiert ist." War ich zu weit gegangen? Dieses aufmüpfige Verhalten passte nicht zu dem eingeschüchterten, kleinen Mädchen, das ich versuchte zu spielen. Ich schaute auf, doch als ich bemerkte, dass mich alle anstarrten, sah ich schnell wieder auf meine Hände und knetete sie unsicher. Bucky drückte mir von hinten die Waffe in den Nacken und entsicherte sie. Ich erstarrte und traute mich nicht zu atmen. Okay, das war auch eine Antwort gewesen. Wenigstens hatte ich so ein wenig Zeit rausgeschlagen. „Wo sind die Avengers?" Rumlows Stimme klang bedrohlich und leise, wodurch mir eine Gänsehaut über den Rücken lief. Harrisville oder Hawkinsville. Ich entschied mich. Mein Finger zeigte zitternd auf die Karte, genau auf die kleine Stadt Harrisville. „Sie sind hier. Ein Stück außerhalb, aber ich habe das Ortsschild gesehen, als ich da abgehauen bin."
Rumlow beugte sich vor, dann drehte er sich zu den anderen. „Los" sagte er, und drei der Männer verließen den Raum. Es war richtig gewesen. In Gedanken rief ich ein kleines Stoßgebet gen Himmel. Durch die Fenster sah ich sie die Treppe hinunterlaufen. Kurz darauf startete ein Motor und ein kleines Beiboot fuhr davon. Ich wusste nicht genau, wo wir uns befanden, doch sie würden im besten Fall nach zwei Tagen Bericht erstatten, dass dort keine Avengers zu finden waren. Ich hatte also nicht mehr lange Zeit, um hier abzuhauen, sonst würde mein Schauspiel auffliegen. Agent Rumlow setzte sich auf einen der Stühle und lehnte sich zurück. „Wenn wir die Avengers gefunden haben, bekommst du die Infos über deine Eltern. Morgen früh werden wir meinen Bossen deine kleinen Zaubertricks vorführen. Die werden sich freuen, dass du wenigstens etwas kannst und jetzt verschwinde."
Das ließ ich mir nicht zwei Mal sagen. Ich musste unbedingt mit Bucky reden, vorausgesetzt er ließ mit sich reden. Auf dem Weg nach unten zu meinem Zimmer war ich angespannt. Es musste unbedingt jetzt sein. Je länger ich brauchte, desto höher war das Risiko erwischt zu werden. Immer wieder schaute ich zu Bucky, doch er starrte nur gerade aus. Ich weiß, dass ich mich gerade massiv auffällig verhielt, aber ich konnte mich nicht zügeln.
In meinem Zimmer angekommen machte Bucky Anstalten zu gehen, doch ich hielt ihn fest. Fast augenblicklich verpasste er mit eine ins Gesicht und stieß die Tür hinter mir zu. Ich hatte mich geirrt, er war nicht auf meiner Seite. Nun war es vorbei. Tränen stiegen mir in die Augen. Ich hatte es verbockt. Meine einzige Chance hier raus zu kommen war gerade davongelaufen. Wütend und enttäuscht lief ich in meinem Zimmer auf und ab. Meine Zähne hatte ich fest zusammengebissen und meine Kiefermuskulatur krampfte. Ich musste mir irgendwie Luft machen, ich konnte nicht anders. Als ich mein Spiegelbild sah schlug ich darauf ein. Ich hatte es verbockt. Es war meine Schuld gewesen. Jetzt würden sie mich einer Gehirnwäsche unterziehen und mich zur ultimativen Waffe gegen meine Freunde einsetzen. Immer und immer wieder drosch ich auf das Glas ein, bis der gesamte Spiegel in einem Scherbenhaufen vor mir lag.
Blut quoll aus mehreren Schnittwunden an meinen Knöcheln. Ich ließ mich fallen und hielt mir meine verletzte Hand. Was konnte ich jetzt noch tun. Ich musste es wohl oder übel ohne Bucky versuchen, und das am Besten noch bevor morgen früh einer der Bosse die Order gab, mich einer Gedankenkontrolle zu unterziehen. Aus meiner Zelle kam ich ja so raus und da wo es eines dieser kleinen Beiboote gegeben hat, muss es noch mehr geben. Dann musste ich nur noch den Weg zum nächsten Land finden, ohne unter zu gehen oder mich auf dem Wasser zu verirren, aber darum würde ich mich kümmern, wenn es soweit war.
Meine Hand blutete immer noch, weshalb ich das Shirt von vorhin nahm und es stramm um meine Hand wickelte. Ich hatte die Sachen achtlos in einem Knäul auf den Boden fallen lassen, jetzt hob ich sie jedoch auf, und hängte sie auf. Vielleicht waren sie bis heute Nacht ja schon trocken, dann konnte ich sie mitnehmen.
Als ich den Pullover über das Bettgestell hing, flog ein kleiner weißer Zettel zu Boden. Erst starrte ich ungläubig, dann trat ich schnell heran und hob ihn auf. Verstohlen huschte mein Blick an der Decke und an den Ecken entlang. Hoffentlich gab es hier keine Kameras. Zur Sicherheit erledigte ich meine Wäsche zu ende, zog meine Schuhe aus und schlüpfte ins Bett. Ich zog die Decke bis übers Kinn, um mein Gesicht und den Zettel zu verdecken. Als ich den Zettel las, fiel mir ein Stein vom Herzen. Er war von Bucky, zumindest konnte ich mir keinen anderen vorstellen, der mir so eine Nachricht schreiben sollte. „Heute Nacht, warte auf mich, ich hole dich" stand in winziger Schrift darauf gekritzelt. Schnell faltete ich den Zettel wieder zusammen. Es hatte doch funktioniert. Ich würde hier abhauen und heute Nacht würde es losgehen.
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