Fünfzehntes Kapitel
„Bucky können wir eine kurze Pause machen?" Ich blieb keuchend stehen und stützte die Hände auf die Oberschenkel um besser Luft zu bekommen. Heute Morgen hatte Bucky mich geweckt und wir waren weitergelaufen. Jetzt war es später Nachmittag, mir war abwechselnd kalt und heiß, und ich fühlte mich schlapp. Ein paar Stunden hatte ich es geschafft, meinen Zustand zu verstecken, aber es wurde mit jeder Stunde schlimmer. Die Wunde an meinem Bauch stach bei jedem Schritt und die Schwellung war größer geworden. Ich hatte nochmal zerriebene Brennnessel Blätter daraufgelegt, aber diese würden nicht helfen, dafür war die Entzündung zu groß. Nur noch zwei Tage und eine Nacht, sagte ich mir immer wieder. Nur noch zwei Tage und eine Nacht.
Bucky kam zu mir zurück und wollte meine Hand nehmen, doch ich zog sie weg. Ich wollte nicht, dass er mich anfasste, dann würde er sofort bemerken, dass meine Temperatur erhöht war. „Was ist los?" Er war misstrauisch und kam noch einen Schritt auf mich zu. Ich wich zurück, immer noch schnaufend. „Nichts ehrlich. Ich bin nur erschöpft." Er glaubte mir nicht. Wahrscheinlich sah ich nicht so aus, als wäre alles in Ordnung. Ich musste schrecklich aussehen. Blass, verschwitzt und zitternd, von meiner schweren Atmung mal ganz abgesehen. „Hey was ist los?" Er griff nach meinem Arm. „Nichts, Bucky, lass mich einfach in Ruhe." Ich wich weiter zurück. Eigentlich wollte ich ihn nicht so anfahren, aber ich konnte nicht rational denken und ich wollte nicht, dass er sich Sorgen machte.
Sein Gesichtsausdruck verriet mir, dass er verletzt war. Das wollte ich nicht. „Hey tut mir leid. Ich bin einfach nur erledigt." „Okay" Er zuckte mit den Schultern und drehte sich von mir weg, um weiter zu gehen. Ich fasste mir an den Bauch, streckte mich und lief ihm hinter her. Als ich los lief wurde mir schwindlig. „Okay was ist wirklich los?" Bucky hatte sich wieder umgedreht und sah, wie ich die Augen zusammenkniff. Ich antwortete ihm nicht, denn ich hatte das Gefühl, wenn ich mich jetzt irgendwie bewegte, würde ich zusammenklappen.
Er kam auf mich zu und griff nach meiner Hand. „Elly rede mit mir. Du kannst..." Er stockte, als sich unsere Hände berührten. „Du fühlst dich warm an" Seine Hand legte sich auf meine Stirn, dann auf meine Wange. „Du hast Fieber". „Es geht schon" presste ich hervor, die Augen immer noch fest geschlossen. Die Welt begann mittlerweile gefährlich zu schwanken. Ein kalter Schauer nach dem anderen lief mir den Rücken hinunter und in meinen Ohren konnte ich das pochen meines Herzens hören. Ich konzentrierte mich ruhig zu atmen. Jetzt bloß nicht ohnmächtig werden.
Bucky nahm meine Hand und zog mich ein Stück weiter, dann drückte er mich an den Schultern auf den Boden. Ich taumelte. Als ich die Augen öffnete drehte sich alles, also schloss ich sie schnell wieder. „Was ist los? Ich mach mir Sorgen" Bucky saß direkt vor mir und hielt mein Gesicht in seinen Händen. „Ich brauche nur eine kurze Pause" vorsichtig öffnete ich meine Augen wieder. Der Schwindel war verschwunden, Gott sei Dank. In Buckys Gesicht lag pure Sorge. Seine Augenbrauen waren hochgezogen und seine Augen weit geöffnet. „Es geht schon wieder, ehrlich" Als ich aufstehen wollte fuhr mir ein stechender Schmerz durch den Bauch und ich stöhnte auf. Meine rechte Hand lag auf meiner schmerzenden Seite und ich krümmte mich. Bucky hielt mich an den Schultern fest und drückte mich auf den Boden. Ich wehrte mich, doch der Schmerz zwang mich zur Kapitulation.
„Was ist los Elly? Was hast du?" Er musterte mich, als sein Blick an meiner Hand auf meinem Bauch hängen blieb, griff er nach meinem Pullover. Er wollt ihn hochziehen, doch ich hielt ihn ab. „Nein bitte, es geht mir gut ehrlich" Als ich versuchte mich aufzusetzen, drückte er mich an den Schultern wieder zu Boden. „Lass mich nachsehen. Was hast du da? Vielleicht kann ich helfen." Er hielt meine rechte Hand fest und schob mit der anderen meinen Pullover nach oben. Als er die entzündete Wunde sah, atmete er hörbar ein.
„Elly, warum hast du mir nichts gesagt?" Er flüsterte und sah mich an wie ein angeschossenes Reh. „Genau deshalb" stieß ich hervor. „Ich brauche kein Mitleid und was hätte es geändert? Wir müssen einfach nur zum Hauptquartier. Da kann Bruce mir Antibiotika geben und gut ist." Ich zog den Pullover wieder runter und versuchte erneut aufzustehen, doch Bucky hielt mich immer noch am Boden fest. „Wir brauchen noch über zwei Tage, bis wir dort sind aber du brauchst jetzt einen Arzt. Wir müssen dich ins Krankenhaus bringen oder zumindest zu einem Arzt"
Jetzt wurde ich laut. Er verstand offenbar nicht, dass das nicht ging. Hydra würde uns aufspüren und uns wieder einfangen. Wer weiß, was sie dann mit uns anstellen würden. „Hör auf. Wir gehen nicht zu einem Arzt, wir werden das nicht versorgen lassen. Wir werden weitergehen und in zwei Tagen im Hauptquartier sein." Er hatte nicht damit gerechnet, dass ich ihn anschreien würde. Geschockt sah er mich an und als er merkte, dass ich mich nicht aufhalten ließ, half er mir auf. „Okay, wir gehen weiter, aber wenn du merkst, dass du nicht mehr kannst, dann sag Bescheid." Er ließ keinen Raum für Diskussionen. Meine Hand fest umschlossen ging er voran. Wir liefen nicht mehr so schnell wie zuvor, aber immer hin waren wir unterwegs.
Jedes Mal, wenn ich fast nicht mehr konnte, schien Bucky es zu spüren und blieb für eine Pause stehen. Kein einziges Mal ließ er meine Hand los, nicht mal, als er mir die Wasserflasche hinhielt. Als die Sonne sich den Baumkronen näherte, waren wir schon fast aus dem Nationalpark raus und würden bald auf die nächste Straße treffen. Bucky merkte, dass ich am Ende meiner Kräfte war und suchte uns einen Platz zum Schlafen. „Vielleicht finden wir im nächsten Dorf einen Arzt" sagte Bucky, als er Feuerholz aufstapelte. „Das können wir nicht riskieren. Es sind nur noch zwei Tage. Das schaffe ich schon." Mit seinem Feuerzeug zündete Bucky das Holz an und pustete sachte rein, bis die ersten Flammen daraus hervor züngelten. Dann setzte er sich neben mich und legte mir die Decke um die Schultern.
„Ist dir warm genug?" Ich nickte und zog die Decke enger um mich. Bevor ich mich entspannte, zog ich die Karte aus meiner Tasche und faltete sie auf. „Hier". Ich zeigte auf einen Punkt nördlich von New York. Er verstand, zog mich an sich und legte die Arme um meinen Oberkörper. „Versuch ein wenig zu schlafen. Ich passe solang auf und morgen sehen wir weiter." An ihn gelehnt sah ich den Flamen zu, wie sie sich über das Holz hermachten. Gierig züngelten sie immer höher daran herauf, rot orange glühend. Schatten tanzten um das Feuer herum und kleine Funken erweckten die Dunkelheit zum Leben. Überall bewegten sie sich, sprangen über Äste und Blätter, flogen hoch in die Luft und ließen sich gleich wieder fallen. Wie kleine Glühwürmchen, dachte ich. Ich hätte Stundenlang dabei zusehen können, aber irgendwann fielen mir die Augen zu.
Als ich wieder aufwachte, war mir hundeelend. Mir war übel und kalt, ich war zittrig und konnte meine Umgebung nicht richtig fokussieren. „Hey du bist wach? Wie geht es dir?" Bucky legte mir eine Hand auf die Stirn. Ich war immer noch an ihn angelehnt, zum Glück, denn es war mittlerweile so kalt geworden, dass ich es nicht wagte die Decke wegzulegen. Oder war es die Entzündung? Wenn es in diesem Tempo weiter gehen würde, dann würde ich bald eine Blutvergiftung bekommen. Die beginnenden Symptome dafür hatte ich auf jeden Fall schon. „Es geht mir besser" Wow, ich hatte nicht mal mich selbst überzeugt mit dieser Antwort.
Er seufzte. „Lass mich mal sehen" Ich schüttelte leicht den Kopf und legte ihn wieder gegen seine Brust. Er sollte nicht aufstehen, ich fühlte mich in seinen Armen geborgen. Dennoch bewegte er sich unter mir, nahm meine Schultern und richtete mich auf. Ein leises Stöhnen entfuhr meinen Lippen. Die Schmerzen waren schlimmer geworden und sie breiteten sich aus. Mittlerweile zogen sie mir in die Beine und in den Oberbauch. Er befreite mich von der Decke und die kühle Luft fuhr mir in die Glieder. Ein noch stärkeres Zittern ersetzte das von vorher. Als Bucky meine Wunde musterte, versuchte er, sich nichts anmerken zu lassen, aber ich sah, wie seine Miene leicht verrutschte. „So schlimm?" fragte ich und sah an mir herunter. Die Entzündung war nicht mehr nur noch eine Entzündung. Von ihr gingen rote fadenartige Schwellungen aus. Kleine Zungen, die die Entzündung weitertrugen. Er hatte recht. Zwei Tage würde ich nicht mehr durchhalten.
„Brennnesselblätter wirken antibakteriell." Er musste ja nicht wissen, dass sie in diesem Stadium nicht mehr halfen. „Was?" „Brennnesselblätter wirken..." wiederholte ich, doch er unterbrach mich. „Ich habe schon verstanden. Hast du deshalb vor ein paar Tagen die Blätter gegessen? Hattest du es da schon?" Schuldbewusst schaute ich zu Boden. „Schau mich an!" Seine Stimme wurde laut. „Hey, ich habe gesagt, du sollst mich ansehen." Er griff nach meinem Kinn und zog es nach oben. Eine Spur zu fest, um nur besorgt zu sein. „Bucky du tust mir weh." Ich flüsterte nur und griff nach seiner Hand um sie wegzuziehen, aber er griff nur fester zu. Tränen stiegen mir in die Augen. Nicht nur weil er mir weh tat, sondern auch weil er mir Angst machte. Er benahm sich genau so ruppig wie bei Hydra, ich erkannte ihn gar nicht wieder. Das war nicht der liebenswerte, verspielte Kerl, der meinen Bauch zum kribbeln brachte. Zusätzlich dazu tat mir alles weh und ich fühlte mich hilflos und ausgeliefert.
Als mir eine Träne die Wange herunterlief ließ er mich los. Er starrte auf seine Hand, verwundert und über sich selbst erschrocken. Ich griff nach ihr. „Hey, es ist alles okay. Es hat nicht weh getan, mir geht es gut." Seine Reaktion hatte ihn selbst gekränkt. Wahrscheinlich hatte er nicht damit gerechnet, dass er manchmal zurück in alte Verhaltensmuster fallen würde. „Hey" ich zog ihn zu mir und küsste ihn auf seine Lippen. Es fühlte sich gut an. Am liebsten hätte ich nicht damit aufgehört, doch er war immer noch aufgebracht. „Ist schon okay. Das braucht Zeit" sagte ich, als ich mich von ihm löste. „Ich habe mich auch nicht immer unter Kontrolle. Das ist menschlich." Er sah zwar nicht wirklich überzeugt aus, doch als ich aufstand dachte er nicht weiter darüber nach.
„Lass mich dir helfen" Bevor ich ablehnen konnte legte er mir einen Arm um die Hüfte und half mir auf. Mit zusammengebissenen Zähnen ging ich los. Bucky löschte das Feuer hinter mir mit Erde und schloss dann auf. Ich konnte mein rechtes Bein nicht ganz ausstrecken, weil die Schmerzen doch zu stark waren, und humpelte so unauffällig es ging. Als Bucky bemerkte, dass es nicht ging, griff er wieder nach meiner Hüfte und legte meinen Arm um seine Schultern. Er war ein ganzes Stück größer als ich, wodurch ich mich strecken musste. Dabei zuckte ich im ersten Moment zusammen, jedoch tat die Dehnung ganz gut. So gingen wir also, nebeneinander, langsamer als Schritttempo und versuchten voranzukommen.
Nach gut einer Stunde konnte ich nicht mehr. Bucky war zwar eine große Hilfe, aber ich verlor den Kampf gegen mich selbst. Als meine Beine wegknickten fing er mich auf und setzte mich auf den Boden. „Kurze Pause?" Ich war ihm dankbar, dass er nicht fragte, wie es mir geht. Oder dass er auf mich einredete, dass wir einen Arzt aufsuchen sollten. Schwer atmend nickte ich. Mir war übel, meine Beine zuckten unwillkürlich und in meinem Kopf pochte und drehte es sich. Bucky reichte mir die Flasche mit Wasser doch ich lehnte ab. „Du musst was trinken" Er kniete neben mir und hielt mir die Flasche an die Lippen. Ich schüttelte den Kopf und wich zurück. Kein Durst wollte ich sagen, doch da lehnte ich mich schon zur Seite und übergab mich ins Gebüsch.
Bucky strich mir beruhigend über den Rücken, bis auch der letzte Rest Mageninhalt auf dem Boden gelandet war. Es war Hauptteils Galle gewesen, da ich heute Morgen schon nicht viel gegessen hatte. „Tut mir leid." Krächzte ich, während mein Körper immer wieder von Krämpfen geschüttelt wurde. „Bitte las mich allein" Es war mir unangenehm, dass er mich so sah. Verletzlich und abstoßend. „Hey, Ich lass dich nicht allein." Sagte er sanft. „Ich denke wir machen besser eine längere Pause." Dankbar lächelte ich matt. „Ich glaube, ich nehme jetzt doch einen Schluck von dem Wasser."
Nachdem ich meinen Mund ausgespült hatte, gingen wir ein kleines Stück weiter, weil ich nicht neben dem Erbrochenen sitzen wollte. An einen Baum gelehnt legte Bucky nochmal Brennnesselblätter auf meine Wunde und füllte dann unsere Flasche an einem Bach in der Nähe auf. „Du siehst ganz schön scheiße aus" sagte er, als er zurückkam. Ich war ihm dankbar, dass er trotz der Situation versuchte mich aufzuheitern. „Immer noch besser als du" rief ich ihm entgegen. „Du solltest Duschen gehen" Er verzog albern das Gesicht. „Ach ja? Gib mir eine Dusche, dann tue ich dir den Gefallen." Jetzt war er auch noch wählerisch. Warum wusch er sich nicht einfach im Bach? So wie es aus der Richtung rauschte, gab es dort sogar einen Wasserfall. Vielleicht war das Wasser auch einfach zu kalt, aber es war eine gute Vorlage, um ihn zu ärgern. „Prinzessin, soll ich dir das Wasser warm machen oder hast du Angst auszurutschen?" Er verstand nicht ganz. „Das Wasser ist nicht kalt und warum sollte ich ausrutschen?" Sein Lachen verrutschte ein Stück und er sah mich an, als wäre ich bescheuert. „Na die Seine sind doch rutschig" Er zog die Augenbrauen hoch. Wollte er mich verarschen, weil dann tat er seinen Job ganz gut? „Na die Steine am Wasserfall, ich schätze mal, dass da Steine sind. Ich habe noch nie einen Wasserfall ohne Steine gesehen oder..." Er unterbrach mich.
„Elly, da ist kein Wasserfall" Okay ich war mir sicher er wollte mich verarschen. Ich hörte ihn doch ganz deutlich, das Rauschen wurde mal lauter und mal leiser. „Haha sehr witzig" „Ich meine es ernst. Da ist kein Wasserfall. Wie kommst du denn..." dann hob er den Kopf und drehte sein Ohr in Richtung des Rauschens. Er hörte es also auch. Sein Gesicht legte einen ernsten Ausdruck auf. „Ich bin gleich wieder da." Er lief weg und ließ mich alleine sitzen. Ähm okay, lass mich einfach hier, unmittelbarer Gefahr ausgesetzt und ohne Waffe dachte ich mir und versuchte aufzustehen. Ich wollte nicht alleine hierbleiben, ich wollte auch wissen, was da war. Es brauchte ein paar Anläufe und unter Schmerzen schaffte ich. Von Baum zu Baum stützten lief ich voran, hinter Bucky her, mitten durchs Gestrüpp, auch wenn ich ihn nicht mehr sehen konnte.
Auf dem Weg ihm hinterher fragte ich mich, warum er losgelaufen war. Was hatte er erkannt, was ich noch nicht wusste. Es musste etwas mit dem Rauschen zu tun haben, aber was könnte es denn sein, wenn nicht ein Wasserfall. Das Meer war es nicht, davon waren wir zu weit entfernt. Vielleicht ein Kraftwerk? Aber wie hörten sich Kraftwerke an? Was es auch war, ich würde es gleich herausfinden. Mit jedem Schritt wurde das Rauschen lauter. Ich kämpfte mich voran, Schritt für Schritt. Meine Füße verhedderten sich immer wieder im Gestrüpp und brachten mich zunehmend zum Straucheln.
„Bucky?" ich rief in die Grobe Richtung des Rauschens, so ganz konnte ich es allerdings nicht mehr orten, da es in meinen Ohren wieder pochte und mein Atem schwer und schnell ging. Lief ich überhaupt noch in die richtige Richtung? Ich schloss die Augen und versuchte mich auf das Rauschen zu konzentrieren, doch es war verstummt. Ich hielt die Luft an, nichts. Da war kein Rauschen mehr. Ich drehte mich, um besser hören zu können. Immer noch nichts. Verdammt, wo musste ich hin? Wenn ich gerade gelaufen war, dann war ich von dort gekommen, also musste ich doch einfach weiter in die Entgegengesetzte Richtung. Oder war ich doch von hier gekommen? „Bucky?" rief ich erneut, doch er antwortete mir nicht. Meine Hände begannen zu zittern. Ich konnte mich doch nicht auf so kurzer Strecke verlaufen haben. Ruhig bleiben. Das ist bestimmt die Entzündung. Die vernebelt meine Gedanken. Ich musste mich einfach konzentrieren.
Ein Knall ließ mich zusammenfahren. Er fuhr mir durch jedes Körperteil und hallte auch danach noch in meinem Kopf. Das war doch ein Pistolenschuss gewesen oder? Es musste so sein, was sollte hier im Wald sonst so laut knallen und Bucky hatte schließlich auch eine Waffe dabei. Panisch schaute ich mich um. Der Schuss musste ganz in der Nähe abgegeben worden sein, doch ich sah nichts. „Bucky" flüsterte ich. „Bist du hier?" Wenn er es gewesen war, dann musste er mich ja hören. Als keine Antwort kam wurde ich unruhig. Was, wenn er angeschossen wurde. Was, wenn er schon tot war? Der Gedanke daran ließ mich erschaudern. Er konnte nicht tot sein, das durfte nicht sein.
Schreie rissen mich aus meinen Gedanken. War das Bucky gewesen? Ich horchte auf. Es klang genau wie Bucky, oder doch nicht? Ich musste etwas tun. Humpelnd lief ich in die Richtung der Stimmen. Das Adrenalin floss durch meine Adern und ließ mich den Schmerz vergessen. So schnell ich konnte näherte ich mich den Stimmen. Sie wurden immer lauter und kurz bevor ich deren Träger sah, erkannte ich was hier so gerauscht hatte. Eine Straße, wir waren an der Grenze des National Parks angekommen. Es waren Autos gewesen, die an uns vorbeigefahren waren und da war er.
Bucky stand mitten auf der Straße, die Waffe gezogen und auf ein Auto gerichtet. Nur ein paar Meter davon entfernt. In dem Auto saßen, soweit ich sehen konnte, mindestens drei Personen. Er schrie die Insassen an, sie sollen aussteigen doch sie taten es nicht. Es waren zwei Männer und eine Frau. Alle waren auf ihre eigene Weise panisch. Die Frau weinte schrecklich auf dem Rücksitzt, der Beifahrer schrie den Fahrer an, er solle wegfahren und der Fahrer war wie erstarrt. „Steigt aus dem Auto aus und zwar sofort!" Ein weiterer Schuss knallte. Bucky hatte in die Luft geschossen, um ihnen Angst zu machen. Offensichtlich funktionierte es.
Die Frau öffnete die Tür, und stolperte neben dem Auto auf die Knie, die Hände erhoben. Ihr Gesicht war ganz rot und verquollen vom Weinen. „Clara steig wieder ein! Der wird dich umbringen!" Der Beifahrer öffnete die Tür und wollte Clara wieder ins Auto setzten, doch bevor er auch nur einen Fuß auf die Straße setzten konnte war Bucky hinter die Frau getreten und hatte ihr den Arm um den Hals gelegt, die Waffe zeigte auf ihre Schläfe. Ich trat auf die Straße, so schnell es ging. Das war falsch, auch wenn er es für mich tat. Die armen Menschen waren völlig verstört und würden vielleicht noch etwas tun, was sie später bereuten.
„Bucky!" Ich war jetzt unmittelbar hinter ihm. Da erst erkannte ich, dass die Frau keine Frau war, sondern ein junges Mädchen, vielleicht gerade mal sechzehn Jahre alt. Er reagierte nicht. „Bucky hör auf!" Ich griff nach seinem Arm und drehte ihn zu mir. Er war völlig in Rage, außer Stande etwas außerhalb seines Tunnelblicks wahrzunehmen. Ich schlug ihm gegen den Arm, in der Hoffnung, ihn zurückzuholen. Es funktionierte nicht. „Hey sieh mich an" Mit einem Schwung schob ich mich in sein Sichtfeld und legte ihm die Hand an die Wange. Das Mädchen saß immer noch zwischen uns. „Hey, hey sieh mich an. Du machst mir Angst. Bucky, ist okay. Lass gut sein." Beruhigend redete ich auf ihn ein, bis er ein paar Mal blinzelte und dann aus seinem Tunnel auftauchte.
Ich griff nach seiner Hand mit der Waffe und senkte sie langsam, weg von dem Mädchen. „Bucky, das sind noch Kinder" nicht nur Clara war noch minderjährig. Auch die beiden anderen sahen nicht viel älter aus. Bucky musterte die Kids. Hecktisch und nervös zuckte sein Blick von einem zum anderen. „Wir brauchen das Auto." Presste er aus seinem zusammengebissenen Kiefer hervor. „Nein, Bucky es geht auch ohne." Er schüttelte den Kopf. „Hey wehe ihr bewegt euch" schrie er noch in der Bewegung den zwei Jungen zu. Sie hoben erschrocken die Hände und richteten sich auf.
„Bucky" flüsterte ich jetzt nur noch. „Bitte, leg die Waffe weg. Wir finden wo anders ein Auto. Dann sind wir genauso schnell" Mit viel ruhigem zureden würde ich es vielleicht schaffen, ihn zu beruhigen, sodass wir verschwinden konnten. Die Jungen hatten bestimmt schon die Polizei gerufen. „Bucky bitte, wir müssen hier weg!" Meine Stimme wurde drängender, obwohl ich es nicht wollte. Es war schwer in dieser Situation ruhig zu bleiben. „Nein!" er schrie mich an und stieß mich weg. „Nein nein nein. Wir brauchen das Auto. Raus aus dem Wagen, oder ich jage eurer Freundin eine Kugel in den Kopf." Ich taumelte rückwärts und viel der länge nach auf den Boden. Bucky hatte das Mädchen an den Haaren gepackt und zog sie nach oben. „Ist ja schon gut" der Beifahrer löste seinen Sicherheitsgurt und hob beschwichtigend die Hände. „Wir steigen ja schon aus. Marco, na los" Er gab dem Fahrer einen Befehl auch auszusteigen. Mit zitternder Hand löste auch er seinen Gurt und öffnete die Tür.
„Kommt hier rum!" Clara wimmerte jetzt nur noch vor sich hin und hatte die Augen fest zusammengekniffen, als würde es helfen, aus der Situation zu entkommen. „Handys her." Als sich keiner der drei bewegte wurde Bucky noch lauter und fuchtelte wild mit der Waffe rum. „Ich habe gesagt ich will eure Handys haben!" Die Kids zuckten zusammen und kramten dann langsam in ihren Taschen. „Auf den Boden werfen!" Bucky deutete auf eine Stelle vor sich, auf der nacheinander die drei Handys landeten. Dann holte er mit seinem Fuß aus und trat mehrmals auf sie ein, bis ihre Displays zersprangen und kleine Plastikteile davonflogen. „Jetzt geht in den Wald. Gerade aus und zählt bis zweihundert. Erst dann dürft ihr euch umdrehen. Wenn ihr es davor schon tut, dann schwöre ich, puste ich euch den Schädel weg!"
Völlig eingeschüchtert ging Marco voran. Der Beifahrer stützte Clara und sie alle vermieden Blickkontakt. Als sie über die Leitplanke geklettert waren und in den Wald liefen, ließ Bucky die Waffe langsam sinken und sicherte sie. Immer noch geschockt sah ich ihn an. Ich war sprachlos. Das waren nur Kinder gewesen. Sie würden ein unfassbares Trauma davontragen, ganz abgesehen davon, dass er sie ohne Kontaktmöglichkeiten in die Wildnis geschickt hatte. Wer wusste schon, wann hier das nächste Auto vorbeikommen würde. Vorhin hatten wir einige gehört, aber jetzt war es schon eine ganze Weile still. Bucky drehte sich von mir. Ich erkannte ihn kaum wieder. In seinen Augen lag ein unbändig wilder Ausdruck, wie an dem ersten Tag, als er mich fast erwürgt hatte.
„Elly steig ein" Er lief um den Wagen rum und setzte sich hinter das Steuer. Wie konnte er denn so tuen als sei nichts passiert. Ich rührte mich nicht vom Fleck, immer noch auf dem Boden vor dem Auto sitzend. Als er bemerkte, dass ich nicht aufstand sieg er wieder aus. „Was ist los? Du sollst einsteigen!" Er griff nach meinem Arm und zog mich auf die Beine. „Lass mich los" Ich versuchte mich von ihm loszureißen, aber sein Griff war zu fest. Um seine Finger bildeten sich rote Abdrücke. „Ist dir bewusst, was du gerade getan hast?" Ich konnte ihn nicht ansehen. In meinen Gedanken kreiste immer wieder das Bild des Mädchens, wie es auf dem Boden saß und panisch die Augen zusammengekniffen hatte.
Bucky antwortete mir nicht. „Steig jetzt ein!" war das Einzige, was er sagte. „Ich will nicht!" Jetzt sah ich ihn doch an. Mein Blick hielt seinen fest und ich merkte, dass das immer noch nicht der Bucky war, den ich so mochte. Er war zwar noch da, aber hinter einer eisernen Tür fest verschlossen. Seine Augen waren kalt und entschlossen. Er würde mich in dieses Auto setzten, egal um welchen Preis. Ich wich einen Schritt zurück, doch er zog mich gleich wieder an sich. „Lass mich los" Drohend hob ich meine andere Hand und ließ den orangenen Schimmer darum herum gleiten. Er lächelte nur matt. „Du wirst mir nicht weh tun." Er griff nach meiner freien Hand und hielt auch diese fest. Es stimmte. Ich würde ihm nicht weh tun können.
Mit zusammen gebissenem Kiefer ließ ich den Schimmer wieder verschwinden. „Wir werden nicht mit diesem Auto fahren." Ich versuchte überzeugend zu klingen, doch er nahm mich überhaupt nicht ernst. Was fiel ihm ein, mich zu bevormunden. „Lass mich los" sagte ich drohend. „Sonst was?" Er lächelte jetzt breiter. Er wusste, dass ich meine Kräfte nicht gegen ihn einsetzten würde, aus Angst ihn zu verletzten. Ich hatte nichts gegen ihn in der Hand. Mit meiner Verletzung war ich ihm um Welten körperlich unterlegen, selbst ohne Verletzung wäre es schwer gewesen, gegen ihn zu gewinnen.
Er kam meinem Gesicht ganz nahe, unsere Nasenspitzen berührten sich fast. „Steig in das Auto!" jetzt klang er nicht mehr laut und aufgebracht. Seine Stimme war ruhig, und bedacht, was sie noch sehr viel bedrohlicher machte. Ich versuchte entschlossen zu klingen, doch das Nein, das aus meinem Mund kam bebte leicht. Er zog einen Mundwinkel nach oben. „Na gut. Wie du willst." Er nahm meine Hände in eine und Zug seinen Gürtel aus. Dann band er ihn mir um die Handgelenke, und zog mich daran zur Tür. Natürlich wehrte ich mich, aber das Adrenalin in meinem Körper ließ langsam nach und die Auswirkungen meiner Entzündung machten sich langsam wieder bemerkbar.
„Lass mich los, das ist nicht richtig" Ich schrie ihn an. Ich warf ihm sogar die schlimmsten Ausdrücke an den Kopf, die ich kannte, doch er würdigte mich keines Blickes. Er wickelte das kleine Tuch von seinem Handgelenk und band es mir um den Bund. Als ob mich das davon abhalten würde, ihn weiter zu beschimpfen. Meine Worte kamen zwar nicht mehr so deutlich hervor, aber aussprechen konnte ich sie immer noch. Als er mich auf den Beifahrersitz stieß musste ich ein stöhnen unterdrücken. Ich war an der Tür hängen geblieben und mein Bauch hatte über den Türgriff geratscht. Bucky störte es nicht, ich glaube er hatte es nicht mal bemerkt, denn er stieß meinen Kopf in den Innenraum und knallte die Tür zu. Als ich sie wieder öffnen wollte, war er schon über die Motorhaube gesprungen und auf den Fahrersitz gestiegen. „Versuch es gar nicht erst." Er schloss die Tür Verriegelung und raste los. Natürlich hätte ich das Auto von innen einfach wieder öffnen können, aber als ich die Tür entriegelt hatte, waren wir schon mit gut sechzig Sachen unterwegs und wir wurden immer schneller.
Erst zog ich mir mit den Händen das Tuch vom Gesicht, dann entfernte ich mit dem Mund den Gürtel von meinen Handgelenken und warf ihn ihm jetzt ins Gesicht. „Sag mal hast du sie noch alle? Was fällt dir eigentlich ein Kinder zu beklauen und mich dann auch noch einfach mit zu nehmen. Ich glaube du spinnst wohl. Was ist nur in dich gefahren? Was denkst du machen die Kids jetzt alleine da draußen hm? Sie können ja nicht mal mehr jemanden anrufen. Hey hörst du mir überhaupt zu?" Ich schlug ihm gegen die Schulter, doch er ignorierte mich. Das kann doch jetzt nicht sein Ernst sein. Ich verstand ja, dass Hydra ihn verändert hatte. Er war dadurch sehr viel brutaler und gnadenloser geworden aber er hatte sich selbst so in Rage gebracht. Das Ganze hätte komplett anders verlaufen können, trotz seiner Vorgeschichte.
Auch nach mehrmaligem Auffordern schwieg er. Na gut, wenn er unbedingt so wollte, dann ignorierte ich ihn eben auch. In ein paar Stunden würden wir sowieso im Hauptquartier sein, dann konnte ich ihm aus dem Weg gehen. Ich schloss die Augen und versuchte mich zu entspannen. Die Wunde an meinem Bauch pochte stark und immer wieder überkam mich eine Woge der Übelkeit. Mit ruhigen Atemzügen versuchte ich, die Schmerzen und die Übelkeit weg zu atmen. An der Situation konnte ich jetzt nichts mehr ändern, das musste ich einsehen.
Ein paar Mal dämmerte ich ein, aber die kleinste Bewegung weckte mich sofort wieder. Die Bäume flogen an uns vorbei und kurz hatte ich das Gefühl, Clara am Straßenrand gesehen zu haben. Mir war bewusst, dass sie das nicht gewesen sein konnte und dass mein Gehirn mir Streiche spielte, aber unweigerlich musste ich an sie denken. Ob sie mittlerweile sicher zuhause waren? Was wenn sie immer noch am Straßenrand saßen oder noch schlimmer, wenn Hydra uns auf den Fersen gewesen war und die drei Kids eingesackt hatte. Ihre armen Eltern mussten sich unbeschreibliche Sorgen machen. Mein schlechtes Gewissen überrollte mich förmlich, ohne dass ich etwas dagegen tun konnte. Ich versuchte zwar mich zu entspannen, aber das Fieber, die schmerzen, das schlechte Gewissen und Buckys abweisende Haltung und Brutalität waren zu viel für mich. Ich begann zu zittern und mein Atem ging schneller. Zwanghaft versuchte ich die Gefühle zu unterdrücken, aber ohne erfolg. Wir waren gut zwei Stunden unterwegs gewesen, als ich Bucky bat anzuhalten. Ich wollte ihn zwar weiter ignorieren, aber ich hatte das Gefühl in diesem Auto keine Luft zu bekommen. Er ignorierte mich jedoch. „Bucky bitte halt an. Ich kann nicht..." meine Stimme brach. Ich begann zu hyperventilieren. Beruhige dich, tief einatmen, doch es ging nicht. Wenn ich tief einatmete, dann schmerzte mein gesamter Bauch bis hoch in die Brust. Ich zerrte an meinem Shirt Kragen. Er war so eng und er schnürte mir die Luft ab. Mit zittrigen Händen löste ich den Gurt, obwohl wir noch in voller Fahrt waren.
Bucky sah es und trat auf die Bremse, so stark, dass ich mit dem Oberkörper gegen das Armaturenbrett knallte. Für den Bruchteil einer Sekunde blieb mir die Luft weg. Es war wirklich nicht lange gewesen, aber in dieser kurzen Zeit hatte ich das Gefühl bekommen, als hätte sich ein Elefant auf meine Brust gesetzt. Natürlich war mir klar, dass es die Auswirkungen der Infektion und einer aufsteigenden Panikattacke waren, aber es war, als wäre der letzte Tropfen in ein Fass gefallen, was nun überlief. Ich schnappte nach Luft, und krallte mich in den Sitz. Man konnte schon das weiße an meinen Knöcheln sehen, wo das Blut nicht mehr durchfloss. Als Bucky den Wagen endlich zum Stehen gebracht hatte war mir schon ganz schwummrig vor Augen. Tränen liefen mir übers Gesicht und meine Nase machte dicht, was definitiv nicht hilfreich war.
Ich öffnete die Tür und ließ mich mehr aus dem Sitz gleiten, als dass ich aufstand. Als ich auf allen vieren auf dem Boden landete, war Bucky an meiner Seite und fasste mich am Arm. „Elly du glühst ja" sagte er, als er bemerkte, wie warm meine Haut war. Ich hob abwehrend die Hand und kroch ein Stückchen weg von ihm. Verzweifelt und immer schneller atmend versuchte ich die Kontrolle über mich zurück zu erlangen, aber Fehlanzeige. Erstickte Laute kamen aus meiner Kehle und meine Glieder begannen wegen des Sauerstoff Überschusses in meinem Blut zu Kribbeln. Bucky wollte mich in den Arm nehmen aber ich hatte das Gefühl, wenn er das tat, würde ich mich überhaupt nicht mehr beruhigen können.
An das Auto gelehnt wischte ich mir immer wieder die Tränen vom Gesicht, obwohl sie ja gleich wieder nachflossen. Ich sah nur noch verschwommen. Es war alles meine schuld dachte ich. Hätte ich diese Männer, die Tracy ermordet hatten, damals nicht getötet, dann wäre das alles nicht passiert. Hydra hätte mich niemals gefunden und niemandem wäre meinetwegen etwas passiert. Sogar an dem Tod meiner Eltern trug ich Schuld. Meinetwegen hatte Hydra sie getötet, da war ich mir sicher. Bucky legte mir die Hand auf die Schulter. „Elly du musst dich beruhigen. Du hyperventilierst" Ich schüttelte krächzend den Kopf. „Nein ich... ich kann... nicht, es geht nicht..." Meine Schluchzer erfüllten die ganze Umgebung. Wenn jemand nicht wusste, dass wir da waren, jetzt wusste er es.
Bucky stand auf und rannte um das Auto herum. Ich wusste nicht, was er tat, ich wusste nur, dass er jetzt gerade nicht mehr an meiner Seite war. Was mir vorhin noch nach einem guten Plan zum selbst beruhigen ausgesehen hatte, entpuppte sich jetzt als das genaue Gegenteil. Ich wollte ihn an meiner Seite. Er sollte nicht gehen, er sollte mich festhalten und mir sagen, dass alles wieder gut wird. Unfähig irgendetwas zu artikulieren saß ich da und heulte wie ein Schlosshund, immer wieder von hektischen Atemzügen und Krämpfen geschüttelt. Meine Nase lief unaufhörlich und mein Pullover Ärmel war schon ganz nass von den Tränen.
Als Bucky kurze Zeit später wieder um das Auto gerannt kam hatte er etwas weißes in der Hand. Ich konnte nicht genau erkennen, was es war. Er ließ mir keine Zeit, darüber nachzudenken und hielt mir das weiße etwas vor den Mund. Erst wurde ich noch panischer, weil ich dachte, er wollte mich erwürgen. Ich schlug nach ihm, aber er hielt mich fest. Meine beiden Handgelenke umfasste er mit nur einer Hand und drückte sie mir in den Schoß. Mit der anderen drückte er mir weiter das Weiße ding auf Mund und Nase. Ich versuchte zu atmen, doch es ging wesentlich schwerer als zuvor. Den Kopf nach links und rechts bewegend, versuchte ich mich seinem Manöver zu entziehen aber es funktionierte nicht. Er umschloss meinen Mund und meine Nase komplett mit den Fingern und schaffte es sogar noch mein Kinn zu fixieren. Das war es dachte ich mir. Er würde mich jetzt umbringen. Wie lange er das schon geplant hatte?
Doch er machte mich nicht um. Nach und nach bemerkte ich, dass mein Atem langsamer ging. Meine Tränen versiegten langsam und endlich konnte ich auch erkennen, was das weiße Ding vor meinem Gesicht war. Es war eine Tüte, in die mich Bucky atmen ließ. Natürlich, das erste Mittel der Wahl bei Hyperventilation. Als er merkte das ich mich beruhigte ließ er meine Hände los. Ich griff nach der Tüte und Bucky wollte sie mir geben, doch ich legte nur meine Hand auf seine. Eine ganze Weile lang ließ er mich immer wieder in die Tüte atmen. Er hatte sich neben mich gesetzt und meine Hand ergriffen. Mit dem Daumen strich er mir über den Handrücken und redete beruhigend auf mich ein. Immer wieder setzte er die Tüte für ein paar Atemzüge ab, dann setzte er sie mir wieder an den Mund.
Als ich mich weitestgehend beruhigt hatte nahm ich ihm die Tüte ab und legte sie auf den Boden. Ich sagte nichts, doch das war auch nicht nötig. Er zog mich an sich und hielt mich einfach nur fest. Mein Kopf sank gegen seine Brust und hörte auf seinen Herzschlag. Er war ruhig und kräftig, ein guter Taktgeber für meinen eigenen. Sein Kinn ruhte auf meinem Kopf. Nach einer Weile löste er sich ein kleines Stück von mir. „Es tut mir leid" flüsterte er. Er wollte noch mehr sagen, aber ich zog ihn wieder an mich. Ich wollte, dass uns nichts trennte. Er verstand und drückte mir einen leichten Kuss auf die Stirn. Ich vergrub mein Gesicht in seinem Shirt und blieb eine ganze Weile lang darin versteckt. Sein Geruch war besänftigend und ich wollte ihn im Moment einfach nur spüren. Mit geschlossenen Augen saß ich einfach nur da, an ihn gelehnt, die Welt um uns herum ausblendeten.
Ich weiß nicht genau, wann wir uns von einander lösten, aber Bucky stand irgendwann auf und hob mich hoch. Er legte mich auf den flach gestellten Beifahrersitz und deckte mich mit der Decke zu. Bevor er losfuhr legte er mir nochmal eine Hand auf die Stirn. An seinem Gesichtsausdruck konnte ich sehen, dass er ernsthaft besorgt war. „Es geht schon" sagte ich, bevor ich gähnen musste. Er ließ den Motor an und fuhr los. „Bucky? Fahr bitte vorsichtig. Das ist es nicht wert, jetzt noch einen Unfall zu bauen." Er streichelte mir über den Rücken und nickte. Nur zum Schalten nahm er seine Hand weg, legte sie jedoch gleich wieder zurück, wenn er fertig war. Ich schloss die Augen und entspannte mich langsam. Mir war zwar extrem kalt, aber es war okay. Buckys Berührung beruhigten mich, sodass ich bald einschlief.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro