Elftes Kapitel
Mein Weg in Richtung Küste verlief ereignislos. Keiner erkannte mich und schon nach ein paar Tagen war ich wieder in meinen alten Lauf Rhythmus verfallen. Seit 6 Tagen war ich nun unterwegs, zwischendurch habe ich immer wieder Rast machen müssen, doch jetzt schaffte ich es auch vier Stunden am Stück durchzulaufen. Ich hatte oft darüber nachgedacht einfach umzudrehen, doch ich hatte diesen Gedanken jedes Mal verworfen. Wenn ich jetzt zurückging, würden sie mich wieder einsperren und dann hatte ich keine Möglichkeit mehr an die Infos über meine Eltern zu kommen. Zudem wussten sie mittlerweile auch von meinen Kräften und waren deshalb wahrscheinlich noch skeptischer.
Ich lief die meiste Zeit auf den Wegen, eine Person, welche alleine querfeldein lief, war zu auffällig. Außerdem war mein Gesicht unter den Bürgern mittlerweile wieder in Vergessenheit geraten. Die Regierung musste die öffentliche Suche eingestellt haben. Vielleicht hatten sie auch gewusst, dass ich unter Obhut der Avengers gestanden hatte und hatten deshalb nicht weiter interveniert. Ich hatte nur noch vereinzelt an Tankstellen oder abgelegenen Dörfern alte Steckbriefe von mir gefunden. Wann immer ich die Möglichkeit dazu hatte, riss ich sie ab. Meistens jedoch mied ich die kleinen Gegenden, wo die Menschen sich alle kannten.
Ich hatte eigentlich gedacht, dass die Avengers hinter mir her sein würden, doch von ihnen fehlte bis jetzt jede Spur. Eigentlich hätte ich mich darüber freuen sollen, dass sie mir nicht auf den Fersen waren, aber irgendwie machte es mich traurig. Bedeutete ich ihnen wirklich so wenig, als dass sie sich nicht mal die Mühe gemacht hatten, mich zu suchen? Vielleicht war es besser so, für mich und für sie. Jetzt hatten sie nicht mehr die Verantwortung für mich und ich musste nichtmehr für sie kämpfen. Ich konnte meinen eigenen Weg gehen, wohin er mich auch immer führen mochte.
An einer gut besuchten Raststätte füllte ich gerade meine Wasserflasche auf, als ich ein Gespräch zweier Männer mithörte. Sie standen hinter mir und unterhielten sich lautstark über den schlechten Verkehr und die unerträgliche Hitze. Einer der beiden erzählte, dass er seine Fracht in Portland abladen würde, danach würde er endlich wieder zu seiner Frau und seinen Kindern fahren können. Er war die letzte Zeit viel unterwegs gewesen und hatte in zwei Tagen endlich Urlaub. Ich stutzte. Portland? Das lag doch direkt an der Küste. Eilig zog ich meine Landkarte aus dem Rucksack und suchte nach Portland. Es war noch gut einen drei Tagesmarsch von mir entfernt. Vielleicht konnte ich den Fahrer fragen, ob er mich mitnahm, doch ehrlich gesagt hatte ich dabei ein ungutes Gefühl. Ich war ihm zwar Kräftemäßig überlegen aber man weiß ja nie.
Stattdessen wartete ich, bis die beiden Männer ihren Kaffee zu ende getrunken hatten und sich voneinander verabschiedeten. Dann folgte ich dem einen unauffällig zu seinem LKW. Zu meinem Glück war es ein älteres Modell, ohne Container, sondern nur mit einer Plane hinten auf dem Aufbau. In einem unaufmerksamen Moment des Fahrers löste ich die eine Ecke der Plane, schlüpfte hindurch und machte sie, so gut es ging, von innen wieder fest. Gerade noch rechtzeitig, denn genau in diesem Moment startete der Motor und der Wagen setzte sich in Bewegung.
Hinten im LKW war nicht viel Platz. Er hatte große, hölzerne Kisten gelagert. Sie waren fein säuberlich aufeinandergestapelt und mit mehreren Spanngurten festgezurrt. Ich kletterte über die Kisten bis zum vorderen Ende des Anhängers, sprang dort wieder herunter und setzte mich in den schmalen Spalt dazwischen. Es war nicht sehr bequem, allerdings würde ich so sehr viel schneller vorankommen. Es würde sich ja auch nur um ein paar Stunden handeln. Ich musste nur aufpassen, den Absprung rechtzeitig zu erwischen, nicht dass der Fahrer anfing den LKW auszuladen und mich dann fand. Fürs erste allerdings konnte ich mich etwas ausruhen und entspannen.
Aus meinem Rucksack zog ich einen Apfel und ein paar Kirschen, welche ich von einem Obstgarten stibitzt hatte, und begann sie zu essen. Seit zwei Tagen hatte ich nur Obst gegessen, doch es war okay. Es würde ja nicht immer so bleiben. Vielleicht konnte ich auf dem Schiff, mit dem ich übersetzten wollte auch anheuern und mir so die Fahrt und die Verpflegung bezahlen. Falls es nicht klappen sollte, musste ich mir etwas anderes einfallen lassen, aber alles nach seiner Zeit.
Nachdem ich das Obst gegessen hatte, fühlte ich mich ein wenig besser. Ich war nicht ganz gesättigt aber hungrig war ich auch nicht mehr. Mit einem Blick auf die Uhr vergewisserte ich mich, wie lange wir unterwegs waren. Hoffentlich hielt der Fahrer nochmal an einer Raststätte bevor er sein Ziel erreichte. Jetzt konnte ich jedoch erstmal entspannen. Ich schloss die Augen und lehnte mich an eine der Kisten an. Nur einen kurzen Moment, dann würde ich wieder wachsam sein.
Ein Ruck ließ mich aufschrecken. Verdammt, wie spät war es? Es war dunkel und ich konnte meine Armbanduhr nicht richtig sehen. Ich kletterte über die Kisten zurück zur Laderampe, wobei ich mich eher blind voran tastete als dass ich kletterte. Der LKW fuhr noch, was schon mal ein gutes Zeichen war. Er war nicht mehr so schnell unterwegs wie am Anfang, jedoch fuhr er auch keine Schrittgeschwindigkeit.
Als ich am anderen Ende angekommen war, löste ich die Plane ein Stück, um raus schauen zu können. Eine salzige frische Brise wehte mir entgegen. Es roch nach Meer. Ein Blick auf die Uhr bestätigte mir, dass wir schon vier Stunden unterwegs waren. Zum Glück war ich noch rechtzeitig aufgewacht. Der LKW fuhr an verschiedenen Häusern vorbei. Das musste Portland sein und irgendwo hier musste ich jetzt aussteigen.
Ich öffnete die Plane noch ein Stück, um für meinen Absprung bereit zu sein. Als der LKW an der nächsten Ampel hielt, checkte ich noch einmal, ob ich alle meine Sachen hatte, dann schaute ich, ob mich jemand beobachtete und sprang aus dem LKW. Ich hatte gerade noch genug Zeit, die Plane ein wenig festzuklemmen, bevor der Wagen wieder anfuhr. Ich lief über die Straße in die nächste Gasse und beobachtete, wie der LKW davonfuhr. Zum Glück hatte mich der Fahrer nicht bemerkt. Als er außer Sicht war, trat ich aus der Gasse und begann den Hafen zu suchen. Ich brauchte einen Schlafplatz und vielleicht würde ich dort ja schon einen Frachter finden, der mich mitnehmen konnte.
Nach gut einer halben Stunde kam ich am Meer an. Endlich, dachte ich mir, schloss die Augen und atmete tief ein. Kleine Wellen schwappten an den Strand und rauschten als sie brachen. Es war ein leerer Strand, keine Touristen und fast keine Einwohner. Es war ein windiger Abend und man konnte den Horizont nicht sehen, die Sterne jedoch um so besser. Früher war ich im Urlaub mit meinen Eltern immer am Strand gesessen, bis die Sonne untergegangen war, dann hatten wir nach Sternenbildern und Satelliten geschaut.
Neben mir war eine kleine Strandpassage mir mehreren Touristenläden, unter anderem einem Bäcker. Die meisten waren schon geschlossen, doch ein paar der Läden waren noch dabei, ihre Läden zuzumachen. Ich lief zu dem kleinen Bäcker hinüber und klopfte an die Glasscheibe. Die Frau, etwas korpulent, blondes Haar und blaue Augen, blickte auf und tippte mit einer kleinen Geste auf ihre Armbanduhr. Sie gab mir zu verstehen, dass sie schon zu hatten. Ich klopfte erneut. Die Frau legte ihren Lappen beiseite und kam zur Tür. Sie öffnete sie nur einen Spalt breit und fragte, was ich wolle.
„Ich weiß es ist spät und das mag sehr unüblich sein, aber hätten sie vielleicht noch etwas Brot von heute übrig, was zu schade für die Mülltonne wäre?" Ich wollte nicht betteln, aber bevor die Frau das Brot wegwarf, konnte man ja mal nachfragen. Sie entspannte sich sichtlich und nickte. „Da haben sie Glück. Ich wollte es gerade wegwerfen." Sie schloss die Tür wieder, eilte in die Hinter Kammer und kam mit einer großen Tüte voll Brötchen zurück. Sie reichte Sie mir und sagte noch, dass sie sich darüber freute, das Brot nicht wegwerfen zu müssen, als ein junger Mann von hinten an geeilt kam.
„Entschuldigen Sie, haben Sie noch geöffnet?" Er sah gestresst aus und hatte sein Portemonnaie und eine Einkauftasche in der Hand. „Nein tut mir leid. Die Kasse ist schon leer und Brot haben wir heute auch keins mehr" Bevor der Mann etwas erwidern konnte, schloss sie die Tür und ließ den Laden herunter. „Mist" er fluchte und zog sein Handy aus der Tasche. Ich überlegte kurz zu gehen, entschied mich dann aber doch dagegen. „Wenn sie möchten, können sie von mir etwas haben. Die Dame hat mir gerade die Reste von heute gegeben" Er sah von seinem Handy auf und schaute auf die große Tüte.
Seine Haare waren braun und kurz und seine Augen leuchteten trotz der Dunkelheit braun. Er hatte eine Lederjacke und ein paar Handschuhe an. Ich wunderte mich ein wenig, denn das Wetter war zu warm für Handschuhe aber das war nicht meine Sache. Vielleicht war er ja gerade auf dem Weg, irgendwo einzubrechen, dachte ich. In seinem Gesicht wuchs ein brauner drei Tage Bart und er war gut eineinhalb Köpfe größer als ich. Irgendwie kam er mir bekannt vor, aber ich konnte mich nicht erinnern woher.
Ich hielt ihm die offene Tüte mit den Broten und Brötchen hin. „Nehmen Sie sich etwas. Das kann ich sowieso nicht alles essen." Er zögerte kurz, dann griff er in die Tüte, zog ein Brot heraus und steckte es zu seinem Gemüse in die Tasche. Er bedankte sich überschwänglich und machte sich auf. Ich sah ihm noch eine Weile nach, bevor ich auch loslief. Warum er wohl so spät noch Brot kaufen wollte? Vielleicht musste er für sein Date kochen und hatte es vergessen. Oder seine Eltern kamen zu Besuch und er hatte nur Bier und Dosen Ravioli im Kühlschrank. Ich schmunzelte. Was auch immer es war, ich würde es nicht erfahren.
Ich lief eine Weile am Strand entlang, bevor ich mich auf eine der Touristen Liegen setzte und eines meiner Brötchen aß. Es war ein wenig trocken, aber sehr viel besser, als nur Obst. Danach aß ich noch eins, bis ich voll gesättigt war und legte mich auf die Liege. Es war eine Sternklare Nacht. Man konnte den großen und kleinen Wagen sehen und ab und an flog eine Sternschnuppe vorbei. Früher hatte ich mir immer etwas gewünscht, aber mittlerweile hatte ich es aufgegeben, an Wunder zu glauben.
Ein Stück den Strand runter kam ein Mann angelaufen. Er telefonierte und war sichtlich aufgebracht. Seine laute Stimme konnte ich bis zu mir hören. Er schrie in sein Telefon, dass es nicht seine Schuld gewesen sei, dann nahm er es vom Ohr und warf es geradewegs ins Meer. Okay, dachte ich mir, das war radikal. Der Mann lief weiter den Strand entlang, in meine Richtung, als ich erkannte, wer es war. Es war der junge Kerl mit dem schulterlangen, braunen Haar vor der Bäckerei. Als er mich erblickte, blieb er kurz stehen, dann kam er auf mich zu und ließ sich auf der Liege neben mir nieder.
Es war mir unangenehm, alleine mit einem Fremden zu sein, weshalb ich ein Stück von ihm rückte. Er verstand und entschuldigte sich. „Tut mir leid, ich wollte dir keine Angst machen. Hier, das brauche ich jetzt doch nicht mehr." Er hielt mir das Brot hin, welches ich ihm vorhin gegeben hatte. „Ist schon gut, ich brauche es nicht." Ehrlich gesagt, hätte ich gegen dieses Brot nichts gehabt, wenn ich gewusst hätte, was damit schon passiert war. Wer weiß, vielleicht hatte er es ja fallen lassen, oder K.o. Tropfen reingemischt. Ich weiß es klang paranoid, aber ich musste vorsichtig sein. Als ich Nichts sagte, begann er von sich aus zu erzählen, was passiert war. Ich wollte es eigentlich gar nicht wissen, doch er schien es unbedingt loswerden zu wollen. Na toll. Ich hatte keinen Ort, zu dem ich gehen konnte und wurde von einem Fremden mit seinen Problemen vollgelabert.
Er erzählte, dass seine Freundin und er heute Jahrestag hatten und er bis vor kurzem Überstunden gemacht hatte. Dann hatten die Läden schon zugehabt und er hatte die Hälfte nicht mehr bekommen können. Seine Freundin habe daraufhin mit ihm Schluss gemacht und ich überlegte die ganze Zeit nur, wie ich jetzt möglichst höflich und sicher aus der Situation rauskam. Seine Geschichte klang plausibel, aber irgendetwas machte mich skeptisch. Seine Art, wie er es erzählte, klang nicht aufrichtig.
Übertrieben auffällig sah ich auf meine Armbanduhr und stand auf. „Tut mir leid, ich muss jetzt leider los. Mein Freund wartet auf mich." Es war eine schlechte Ausrede, doch ich wollte ihm klar machen, dass jemand mein Verschwinden bemerken würde. Natürlich konnte er auch einfach nur verzweifelt jemanden zum Reden suchen, doch ich hatte ein ungutes Gefühl. Er stand auf und kam einen Schritt auf mich zu. Als ich zurückwich, tat er es mir nach und hob abwehrend die Hände. „Vielleicht könnten wir ja noch ein wenig reden. Ich habe auch ein paar Snacks, die ich jetzt nicht mehr brauche." Er schüttelte seine Tasche mit dem Brot und dem Gemüse, doch ich wehrte ab. „Das ist sehr nett aber nein danke. Wie gesagt. Ich werde erwartet." Ich drehte mich um, um zu gehen, als er mich an der Hand festhielt. Das hatte ich nun von meiner Freundlichkeit.
Ich wirbelte herum, verdrehte ihm den Arm und trat ihm zwischen die Beine. Er ließ die Tasche fallen und das Brot und ein Paprika landeten im Sand. Es war schade um die Lebensmittel, doch darum konnte ich mich jetzt nicht kümmern. Der Mann hatte mich losgelassen und ich machte mich auf und davon. Ich rannte über die Dünen zurück zur Straße, durch ein paar kleine Gassen, weit weg von dem aufdringlichen Mann. Als ich in einer Sackgasse ankam versteckte ich mich hinter ein paar Mülltonnen und lauschte, ob ich verfolgt worden war. Es war nichts zu hören. Nur das leise Rauschen der Wellen und des Windes. Ein paar Minuten blieb ich noch sitzen, dann stand ich vorsichtig auf und spähte hinter dem Müllcontainer hervor. Es war keiner da. Langsam und auf Zehenspitzen machte ich mich auf dem Weg aus der Gasse heraus.
Ich hatte beschlossen, zum Hafen zu gehen und mir dort einen sicheren Platz bis morgen zu suchen. Am Ende der Gasse schaute ich noch einmal nach rechts und links, nur um sicherzugehen. Gerade, als ich sicher war, niemanden zu sehen, packte mich eine Hand um die Taille. Ich schlug nach ihr, doch sie hob mich hoch und drückte mich an sich. Ich roch den beißenden Geruch von Chloroform, noch bevor der Unbekannte das Tuch aus der Tasche zog. Er drückte es mir so schnell auf den Mund, dass ich nicht reagieren konnte. Ich wusste, dass ich nicht einatmen sollte, doch der Geruch war so beißend, dass es mir die Tränen in die Augen trieb und ich husten musste. Schon nach dem ersten Atemzug war in meinem Kopf alles so, als wäre ich zu oft Achterbahn gefahren. Ich zappelte und schlug um mich. Meine Kräfte, dachte ich. Ich muss meine Kräfte benutzen, doch zu spät. Mit dem nächsten Atemzug vielen mir die Augenlieder zu. Ich hörte noch, wie ein paar andere Menschen dazu kamen, dann war ich ausgeknockt.
Als ich langsam wieder wach wurde, waren meine Hände zusammengebunden. Ein raues Seil schnitt mir in meine Gelenke. In meinen Ohren rauschte es und mein Magen rumorte. Ich musste mich zwingen, ruhig zu atmen, um mich nicht zu übergeben. Zugegeben wusste ich nicht, was schlimmer war. Die Nebenwirkungen des Chloroforms oder meine unglaubliche Dummheit, so leichtsinnig gewesen zu sein. Jetzt konnte ich mal wieder nur versuchen, das Beste draus zu machen. Ich musste in Zukunft wirklich vorsichtiger sein, aber es ist ja auch irgendwie immer das Gleiche mit mir. In Gedanken gab ich mir eine Ohrfeige, bevor ich, mal wieder, eine Bestandsaufnahem meiner Situation machte.
Ich lag irgendwo, gefesselt an den Händen mit einer Art Strick. Zumindest fühlte es sich so an. Um mich herum waren immer wieder Schritte zu hören, doch sie klangen dumpf, als würden die Füße auf weichem Untergrund laufen. Vielleicht war es Erde oder Sand. Der Boden auf dem ich lag, war uneben und fiel zu meinen Füßen hin ab. Ich roch immer noch die salzige Briese des Meeres und ein leichter Wind pustete mir um die Nasenspitze. Das Rauschen in meinen Ohren war nur zum Teil eine Nebenwirkung des Chloroforms. Es vermischte sich mit dem Brechen von Wellen am Strand. Wir waren also am Meer, besser gesagt am Strand.
Ich wagte es nicht die Augen zu öffnen, bis ich etwas länger keine Schritte gehört hatte. Dann tat ich es, ich öffnete sie nur einen Spalt breit um mir einen kleinen Überblick zu verschaffen. Anders als erwartet, war es um mich herum Dunkel. Ich hatte gedacht, dass es schon wieder Tag war, aber dem war nicht so. Am Himmel leuchteten Sterne und der Mond stand still und voll über dem Meer.
Ich lag am Strand, neben ein paar Kisten und Taschen. Immer wieder kamen Männer vorbei und brachten sie weg. Jedes Mal, wenn sich mir jemand näherte, schloss ich meine Augen und versuchte ruhig zu atmen. Das Adrenalin in meinem Körper erschwerte es mir, doch ich erregte keine Aufmerksamkeit.
Bisher hatte ich sechs verschiedene Männer gezählt. Sie kamen in regelmäßigem Abstand, als würden sie die Kisten verladen. Wenn das stimmte, musste ich hier so schnell wie möglich weg., bevor sie mich irgendwo einschlossen. Ich zählte die Sekunden zwischen ihrer An- und Abwesenheit und machte mich bereit. Als einer der Männer gerade eine Kiste davontrug, sprang ich so leise es ging auf die Beine und rannte los. Meine gefesselten Hände machten mich zwar langsamer, doch ich hatte das Überraschungsmoment auf meiner Seite. Dieses Mal konnte ich die Fesseln leider nicht so leicht loswerden. Sie waren straff gebunden und aus einem festen Material. Ich musste irgendwo etwas finden, um sie aufzuschneiden.
Als die Männer bemerkten, dass ich verschwunden war, begannen sie laut zu rufen und jagten hinter mir her. Ich rannte so schnell ich konnte, doch ich hörte, wie sie näherkamen. Als ich eine scharfe rechts Kurve, die Dünen hinauf machte, konnte ich gerade noch rechtzeitig abbremsen, bevor ich mit einem jungen Mann mit den braunen Haaren zusammenstieß. Er hatte graue Augen und um seine Schulter war eine Waffe geschnallt. Wie konnte er so schnell hier gewesen sein. Ich wich zurück und wollte schon wieder losrennen, doch er packte mich an den Haaren mit einer Schnelligkeit, die ich sonst nur von Steve kannte. Er riss mich herum und zwang mich auf die Knie. Ich wollte nicht aufschreien, doch ich konnte es nicht unterdrücken. Mit meinen gefesselten Händen griff ich nach seinen und versuchte sie wegzuzerren. Vergeblich. Er hatte mich fest im Griff. Seine Miene war eiskalt und ausdruckslos, als er begann, mich an den Haaren zurück zu den Kisten zu ziehen. Ich strampelte und schlug nach ihm, ein paar Mal traf ich ihn an Stellen, an denen es eigentlich ganz schön weh getan haben musste, doch er verzog keine Miene. Als ich begann zu schreien, um fremde Menschen auf mich aufmerksam zu machen, zog er mich nach oben und packte mit der anderen Hand mein Kinn.
Mein Kiefer schmerzte unter seinem Griff und als ich erneut aufschrie, griff er nur noch fester zu. Ich verstummte, Tränen stiegen mir in die Augen. Jetzt fang bloß nicht an zu heulen. Ich schluckte schwer. „Lass mich los" Die Worte kamen gepresst aus mir hervor, da er mich immer noch festhielt. Keine Reaktion. „Ich habe gesagt, du sollst mich loslassen!" Meine Hände begannen orange zu schimmern. „Ich sage es nicht noch einmal!" Interessiert musterte er meine Hände, dann huschte ein Lächeln über sein Gesicht. Er musste nicht sagen, dass er völlig unbeeindruckt war, sein Blick verriet es mir.
Na schön, er hatte es nicht anders gewollt. Ich schleuderte ihn von mir. Er flog mindestens sieben Meter weit, doch er fing sich galant ab und landete auf den Beinen. Mit einem Handschwung stieß ich auch die anderen Männer zur Seite, dann schoss ich ein paar orangene Bälle nach ihm. Er wich allen so geschickt aus, dass ich mir sicher war, dass er nicht Menschlich sein konnte. Er besaß diese Stärke und Schnelligkeit, das konnte nicht normal sein. Gerade als ich die anderen Männer erneut zu Boden warf, sprang mich der junge Kerl mit den braunen, langen Haaren an und riss mich zu Boden. Wir rangen kurz miteinander, bevor er mich fixiert hatte. Seine eine Hand hielt meine Arme fest, seine andere legte sich um meine Kehle und drückte zu. Da erst bemerkte ich, dass sein kompletter linker Arm aus Metall war. Er schnürte mir die Luft ab, auf seinem Gesicht lag ein unbändig wütender Ausdruck. Ich japste nach Luft und strampelte unter seinen Händen, doch er drückte nur noch fester zu. Vor meinen Augen begann alles zu verschwimmen. Ich sah noch, wie die anderen Männer hinter ihn traten und versuchten, ihn wegzuziehen, doch er ließ nicht locker. Ein paar Mal konnte ich noch hilflos nach Luft ringen, dann drehte sich die Welt und der Sauerstoffmangel zog mich in die Bewusstlosigkeit.
Als ich wieder aufwachte, war ich allein. Ich lag auf einem Bett in einem kleinen Raum. Meine Hände waren nicht mehr gefesselt, weshalb ich stutzte. Mein Hals schmerzte an der Stelle, an der der junge Mann zugedrückt hatte. Ich sagte etwas, doch aus meinem Mund kam nur ein heiseres Krächzen. Das schlucken viel mir schwer, kein Wunder, bei der Schwellung. Ich schwang die Beine vom Bett und stand auf. Warum war ich nicht gefesselt? Vielleicht dachten sie es sei sinnlos, da ich mich sowieso losmachen würde.
Es gab keine Fenster in dem Raum und nur eine Tür, eine schwere metallene. Irgendwie weckte das ein paar Erinnerungen. Ich trat an die Tür und betätigte die Klinke. Als sie ohne irgendwelche Gewalt Einflüsse meinerseits aufging, war ich völlig perplex. Sie hatten nicht mal das Zimmer abgeschlossen? Dann musste aber mindestens eine halbe Armee vor der Tür warten. Vorsichtig lauschte ich, ob irgendetwas zu hören war. Nichts. War das eine Falle? Oder vielleicht ein Test? Auf jeden Fall war die gesamte Situation absurd. Erst wollten sie mich unbedingt fangen und dann ließen sie mich unbeaufsichtigt herumlaufen.
Mir sollte es recht sein. Ich öffnete die Tür ein wenig weiter und schaute hinaus. Links und rechts von mir erstreckte sich ein langer Gang mit noblem Laminatboden. Mehrere Räume gingen davon ab. Ein paar waren geöffnet, die meisten allerdings waren geschlossen. Am Ende des Ganges befand sich noch eine Tür, eine große Weiße und klischeehaft, wie ich war, befand ich diese als meinen Fluchtweg. Gerade, als ich loslaufen wollte, hörte ich Schritte näherkommen. Ich versteckte mich in meinem Raum und wartete, bis sie vorbei gegangen waren, dann schlüpfte ich aus meinem Zimmer und schlich den Gang entlang.
Die Räume, an denen ich vorbei kam sahen verlassen aus. Es wäre auch irgendwie dumm gewesen, jemanden in einem gut besuchten Gebäude gefangen zu halten. Die Tür am Ende des Ganges war nicht abgeschlossen. Mit einem kurzen Blick vergewisserte ich mich, dass sich auch hier, niemand dahinter befand. Zum Glück war alles frei. Ich schlüpfte hindurch und kam zu einer schmalen hölzernen Treppe. Oben angekommen konnte ich schon förmlich riechen, wie ich der frischen Luft näherkam. Es roch immer noch salzig. Waren wir etwa noch am Meer? Nach kurzem lauschen öffnete ich noch ein paar weitere Türen, versteckte mich vor Wachen und huschte vorbei, wenn sie weg waren.
Nachdem ich noch zwei Treppen hinauf gestiegen war stand ich vor einer metallenen Tür mit einem runden Fenster darin. Es war leider zu hoch, als dass ich hätte durchschauen können, aber von meiner Position aus konnte ich einen Teil des Himmels sehen. Es war mittlerweile hell geworden. Hinter mit hörte ich jemanden näherkommen. Ein paar Männer riefen die Gänge entlang. Sie mussten mein Verschwinden bemerkt haben. Zeit für mich zu gehen. Ich zog die Tür auf und rannte nach draußen ins Licht. Die Sonne blendete mich und für ein paar Sekunden konnte ich nichts sehen. Hinter mir trampelten Schritte die Treppen hinauf. Blind lief ich einfach gerade aus, bis sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, dann blieb ich mit einem Ruck stehen.
Jetzt verstand ich, warum sie mich nicht gefesselt oder bewacht hatten. Um mich herum war Wasser, nichts als Wasser. Kein Land zu sehen, egal in welche Richtung ich mich drehte. Ich stolperte nach vorne an die Reling, wir waren auf einer Yacht, nein der Größe nach zu urteilen, eher ein Schiff und es lag mitten im Meer. Hier gab es, abgesehen man konnte fliegen, kein entkommen. Resignation und Bewunderung machte sich in mir breit. Das war wirklich clever, mich auf einem Schiff gefangen zu halten, ich meine, wo sollte ich denn schon hin.
Das Wasser war ruhig und schwappte an den Bug des Schiffes. Man bemerkte das schwanken kaum. Ich schloss die Augen. Die Weite des Meeres machte mir Angst. Hier konnte etwas passieren und niemand würde es mitbekommen. Sollte das Schiff sinken, würde man es Jahre oder Jahrzehnte nicht finden, wenn überhaupt. Zudem ist ertrinken eine meiner schlimmsten Albträume. Man kämpft und versucht unter Wasser nicht einzuatmen. Es muss schrecklich sein, gegen seine Instinkte anzukämpfen, obwohl man weiß, dass man verlieren wird. Ich konnte schwimmen, allerdings nicht sonderlich gut und mit normaler Kleidung bekam ich Panik. Zumal es kein Ziel gab, wo ich hätte hinschwimmen können. Ein tiefer Atemzug fuhr durch meinen Körper. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich die Luft angehalten hatte. Die Erkenntnis kreiste in meinem Kopf umher. Sie hatten mich. Jetzt war ich wirklich gefangen. Das wars.
Hinter mir hatte sich eine Gruppe Männer versammelt. Ich hatte sie kommen hören, doch sie näherten sich nicht. Noch immer starrte ich aufs Wasser, die Reling fest umklammert. Man konnte die Linie des Horizonts sehen. Ich wusste, dass ich etwas tun musste, doch ich war wie erstarrt. Ich konnte nichts tun und diese Erkenntnis war fast schlimmer, als die Angs vor dem offenen Gewässer. Ich schluckte schwer und blinzelte ein paar Mal, damit mir nicht die Tränen übers Gesicht liefen.
Nach einer Weile drehte ich mich um. Eine Hand hielt immer noch das Geländer fest, die andere hatte ich zu einer Faust geballt, um mein Zittern zu verstecken. Die Männer hinter mir standen in einem Halbkreis, mit gezückten Waffen und circa fünf Meter Abstand um mich herum, als ob ich gleich übers Wasser davonlaufen würde. Nur einer hatte die Waffe auf den Boden gerichtet. Der Mann, der mich am Strand dumm angequatscht hatte. Er stand in der Mitte und einen Meter weiter vorne, als die anderen. So wie es aussah, hatte er das Kommando.
„Was wollt ihr von mir?" Die Worte waren nur ein Krächzen, wegen meiner geschwollenen Stimmbänder, doch er verstand. Er sicherte seine Waffe und hob die Hand, um den anderen ein Zeichen zu geben. „Mein Name ist Agent Rumlow" Er trat einen Schritt auf mich zu, doch ich wich so weit es ging zurück. Sein Gesicht, auch ihn hatte ich schon Mal gesehen. Er hatte braune kurze Haare und markante Wangenknochen. „Ihr Name interessiert mich nicht. Was wollt ihr von mir?" Ich versuchte hart zu klingen, doch mein Hals lies es nicht zu.
Er trat noch einen Schritt auf mich zu. Abwehrend hob ich eine Hand, drohend und zum Einsatzbereit. Meine Hüfte presste ich gegen das Geländer und meine andere Hand krallte sich immer noch daran fest. Er schaute amüsiert auf meine Hand und hob scherzend die Hände. Er machte sich lustig über mich. „Wir wollen dir nichts Böses" sagte er schmunzelnd. Dass ich nicht lache, sollten sie mir nichts Böses wollen, dann hätten sie mich nicht entführt und mich fast erwürgt. „Woher kenne ich Sie?" Diese Frage wollte mir nicht aus dem Kopf gehen und bevor ich sie aufhalten konnte, war sie ausgesprochen.
Er ließ die Hände sinken. „Erinnerst du dich nicht? Ich hatte dich gefragt, wie du es geschafft hattest zwei ausgewachsene Männer, ohne die kleinste Anstrengung zu töten." S.H.I.L.D, natürlich. Er war der Agent gewesen, der mich damals befragt hatte, als ich die Männer an der Tankstelle getötet hatte. Schon damals hatte ich das Gefühl gehabt, dass er mehr wusste. Nun hatte ich Gewissheit. Aber irgendetwas passte hier nicht. S.H.I.L.D würde so nicht vorgehen. Außerdem hatten sie keinerlei Pseudo- Polizeimarken um den Hals hängen. Sie waren eher wie Söldner gekleidet, schwarze Cargo Hosen und schwarze Shirts.
„Sie sehen nicht so aus, als ob Sie von S.H.I.L.D sind." Er lächelte kurz, dann wurde seine Meine wieder kalt. „Nein da hast du Recht. Soldat? Bring die Kleine wieder nach unten!" Einer der Männer löste sich aus der Formation. Es war der junge Mann, mit den braunen Haaren und dem Metallarm. Er packte mich an der Schulter und schob mich in Richtung der Tür. Als ich das Geländer nicht losließ Packte er mit der anderen Hand meinen Nacken und zog mich daran zurück zur Treppe. Ich wusste, Gegenwehr war jetzt zwecklos, doch ich wollte nicht kampflos mitgehen. Ich wollte keine Schwäche zeigen.
Als er merkte, dass ich mich immer noch nicht bewegte, drehte er mir den linken Arm auf den Rücken. Ich konnte mir einen kleinen Schmerzensschrei nicht verkneifen. Den Griff immer noch fest um meinen Nacken zog er mich jetzt mehr zur Tür, als dass er mich schob. Ich stolperte neben ihm her, bis wir zurück in dem Zimmer waren, in dem ich vorhin aufgewacht war. Anstatt mich an der Tür loszulassen, stieß er mich in den Raum und schloss geräuschvoll die Tür hinter sich. Hier war ich also, mitten auf dem Meer, in der Gewalt von Menschen, die es definitiv nicht gut mit mir meinten.
Das Schiff schaukelte leicht hin und her. Ich lag auf dem Boden, mit dem Gesicht zur Decke. Ich wollte gar nicht wissen, wie weit mein Zimmer unter dem Meeresspiegel lag. Sollte jetzt Wasser eindringen, würde ich es nicht mehr rechtzeitig schaffen, zu entkommen. Ich versuchte mich zu beruhigen und zu atmen. Ein und aus sagte ich mir immer wieder. Ein und aus. Es wird schon irgendwie alles wieder gut gehen. Und wenn nicht, konnte ich hier draußen im Nirgendwo wenigstens keinen Schaden anrichten.
Ich dachte an Steve, an sein Lachen und an seine Unbeholfenheit, technischen Dingen gegenüber. Was würde ich jetzt darum geben, wieder bei ihnen zu sein, bei ihm. Es hatte sich so gut angefühlt, mit ihnen Witze zu machen, Pläne zu schmieden, oder einfach nur, nicht alleine zu sein. Sogar Thor vermisste ich ein wenig, obwohl ich zu ihm nie mehr als eine geschäftliche Beziehung hatte. Trotz, dass sie mich verletzt hatten, wollte ich wieder zu ihnen zurück. Ich hatte überreagiert und jetzt bereute ich es zutiefst. Natürlich wusste ich, dass der Körper in Extremsituationen sich immer in unbeschwerte Zeiten zurückwünschte, aber dieses Gefühl war nicht nur der Angst geschuldet.
Ich gönnte mir noch eine Minute des Selbstmittleids, dann stand ich auf. Vielleicht konnte ich alles wieder geradebiegen, wenn ich mich entschuldigte, aber dafür musste ich hier erstmal raus. Ich ging meine Optionen durch. Schwimmen oder ein Rettungsboot kapern, war nicht möglich, beziehungsweise maximal riskant. Ich konnte nur darauf warten, dass sie wieder an Land anlegten, dann musste ich türmen. Bis dahin sollte ich gute Meine zum Bösen Spiel machen. Sie waren offensichtlich nicht von S.H.I.L.D., also war mein erster Schritt, herauszufinden, mit wem ich es zu tun hatte. Sehr wahrscheinlich war es Hydra. Steve hatte mir erzählt, dass sie viele Agenten aus verschiedenen Organisationen rekrutiert hatten, das könnte also passen.
Entschlossen verließ ich mein Zimmer und machte mich auf den Weg, um mit diesem Rumlow zu sprechen. Er scheint mir hier einer der Köpfe des ganzen zu sein. Ich lief die Treppe hinauf, dahin, wo ich vorhin eingefangen wurde. Auf dem Weg begegnete ich immer wieder ein paar Männern, sie zogen zwar die Waffen, doch ich lief geradewegs an ihnen vorbei, ohne aufzuschauen. Sie wussten, dass ich ihnen schaden konnte und entweder wollten sie es nicht riskieren, oder es war ihnen verboten.
Oben auf dem Deck vermied ich es, aufs offene Meer zu schauen. Stattdessen sah ich an der weißen Wand nach oben, welche meine Tür gefasst hatte. Wäre ich ein Bösewicht, würde ich ganz so weit wie möglich oben sein wollen, irgendwo, wo ich die Kontrolle hatte. Über mir befanden sich nochmal zwei Stockwerke. Das zweite hatte eine große Fensterfront. Das musste die Kommandobrücke sein und wahrscheinlich werde ich sie dort finden. Über die Treppen an der Seite des Schiffes gelangte ich nach oben, wo ich ohne zu zögern die Tür aufstieß, hinter der ich Stimmen hörte.
Ein paar Männer, Agent Rumlow und der Kerl mit dem Metallarm schauten mich an. Sie saßen alle um einen runden Tisch herum, alle bis auf dem Metallarm Kerl. Ich brauchte dringend einen Namen für ihn, dachte ich mir. Ich konnte ihn nicht jedes Mal Metallarm Kerl nennen. Er stand neben der Tür, die Hände hinter dem Rücken verschränkt „Nun wie ich sehe, hast du dich wieder gefangen" Agent Rumlow stand nicht auf. Er schlug seine Beine übereinander und legte sein Kinn auf seine Hand. „Was wollen sie von mir, warum bin ich hier?" fragte ich, doch er machte nur eine Geste auf einen der leeren Stühle. Ich betrachtete besagten Stuhl, unsicher, ob ich dem nachgehen sollte, dann setzte ich mich. Auf dem Tisch befanden sich verschiedene Karten und Akten, die meisten mit einem Top-Secret Stempel. Soweit ich es erkennen konnte, war auch eine Karte von New York dabei. Ein paar Kreise waren eingezeichnet, einen Umkreis von circa 40 Kilometern jeweils. Einer davon lag über dem Hauptquartier der Avengers. Wahrscheinlich suchten sie sie und sie waren schon sehr dicht dran.
Er bemerkte meinen Blick auf die Karte und räumte sie frei. „Weißt du wo sich die Avengers befinden?" Er zeigte nacheinander auf die eingezeichneten Kreise. Als wäre ich so dumm, mich durch meine Körpersprache zu verraten. Ungerührt schaute ich ihm ins Gesicht. „Wieso weiß denn Shield nicht, wo sich die Avengers befinden?" Spott lag in meiner Stimme und ein Grinsen konnte und wollte ich mir nicht verkneifen. Seine Mine verrutschte kurz, dann nahm sie wieder einen kühlen Ausdruck an. Wortlos faltete er die Karte zusammen. „Also was will Hydra von mir?" Ich war mir zuvor noch nicht ganz sicher gewesen, ob es Hydra war, doch anhand ihrer Reaktionen wusste ich es jetzt. Sie versuchten, nicht überrascht die Köpfe zu heben, ihr Atem wurde schneller und ihre Kiefermuskulatur spannte sich an. Alle außer Rumlow. Er war steif wie eine Statue, wahrscheinlich, weil er damit schon gerechnet hatte.
Er faltete seine Hände auf dem Tisch. „Hydra möchte dich rekrutieren." Ich lachte, doch als alle verwundert aufschauten hörte ich auf. „Ach ihr meint das ernst?" Das konnten sie nicht ernst meinen. Die verarschten mich doch. Das Einzige, was sie wollten, war meine Kräfte zu missbrauchen aber wenn ich hier wegwollte, musste ich wohl mitspielen. Vielleicht konnte ich als das kleine naive Mädchen überzeugen, nebenbei noch ein paar Infos über meine Eltern finden, die Basis zerstören und weglaufen. Wobei naiv wahrscheinlich nichts bringen wird. Sie hatten bestimmt Informationen über mich. Es war ein ziemlich bescheuerter Plan aber was Besseres viel mir nicht ein. „Ich werde euch aber nicht viel nützen" Ich klang so unschuldig ich nur konnte. „Ich kann meine Kräfte nicht wirklich kontrollieren." Agent Rumlow lehnte sich vor, die Hände immer noch auf dem Tisch gefaltet. „Soll das heißen, du bist bereit für Hydra zu arbeiten?" Zu kämpfen trifft es wohl eher, dachte ich mir.
Ich zuckte mit den Schultern. Wenn ich zu schnell einlenkte würden sie misstrauisch werden. Ich musste den richtigen Weg zwischen Skepsis und Unschuld finden. Vielleicht sollte ich es ihnen für den Anfang nicht so leicht machen. Wenn ich mich stur stellte, würden sie irgendwann auf härtere Methoden zurückgreifen und sie wären vorsichtig, weil sie denken würden, ich wolle fliehen. Würde ich zu schnell einwilligen, dann würden sie mich nicht aus den Augen lassen, weil sie mit dem Gleichen rechnen würden. Nein ich musste so überzeugend wirken, als wollte ich wirklich zu ihnen überlaufen. Ich darf jetzt erstmal noch nicht einlenken, schließlich habe ich das bei den Avengers auch nicht gemacht und es hat funktioniert.
Ich lehnte mich nach vorne und legte meine Arme auf den Tisch, ganz so wie Agent Rumlow. „Hören sie, ich verstehe nichts von ihrem Kindergarten hier und ich möchte ehrlich gesagt auch nichts damit zu tun haben. Sie müssen sich jemand anderen für ihre Racheaktionen und Weltherrschaftsspielchen suchen. Ich werde beim nächsten Anlegen aussteigen." Sie sahen mich forschend an. Nacheinander blickte ich jedem ins Gesicht und hielt ihrem Blick stand. Agent Rumlow lächelte, dann lehnte er sich zurück. Er hob zwei Finger und machte eine kleine, fast unmerkliche, winkende Geste. Noch bevor ich irgendwie reagieren konnte, spürte ich die kalte, metallene Hand im Nacken. Sie packte mich und schlug meinen Kopf auf den Tisch. Augenblicklich begann meine Nase zu bluten und vor meinen Augen begannen Sterne zu tanzen. Ich versuchte mich, mit den Armen abzustützen, doch er drückte mich immer noch auf den Tisch. Das Blut lief aus meiner Nase und sammelte sich in einer Pfütze neben meiner Hand.
„Nun ich glaube dir ist da etwas nicht bewusst." Agent Rumlow war mittlerweile aufgestanden und stand nun hinter mir. „Das war keine Frage. Du kannst froh sein, dass du noch am Leben bist. Wenn ich wollte, könnte ich dein Leben mit einem Finger Schnippen beenden". Ich versuchte mich aufzurichten. „Ach ja? Und warum tun sie es dann nicht?" Er beugte sich zu mir, ganz dicht an mein Ohr heran und sprach so leise, dass nur ich ihn hören konnte. „Wenn es nach mir ginge, dann wärst du bereits tot." Er richtete sich wieder auf und ging um den Tisch herum. „Zu deinem Glück glauben meine Bosse, dass du zu etwas gut bist. Du wirst dich uns also anschließen und solltest du nochmal so ein loses Mundwerk uns gegenüber haben, dann schwöre ich dir, wird als nächstes mehr als nur deine Nase bluten." Er wendete sich ab. „Agent, begleiten sie die junge Dame doch wieder nach unten."
Mit einem Ruck zog mich der Kerl, der mich festgehalten hatte, auf die Beine und schob mich in Richtung Tür. „Ich glaube, sie wollen mir nur Angst machen. Wenn sie mich töten wollten, hätten sie es schon getan" Ich konnte sehen, wie Agent Rumlow sich aufrichtete und sich seine Halsschlagadern füllten. Gut so, genau da wo ich ihn haben wollte. Es würde wahrscheinlich Prügel mit sich ziehen, doch ich musste mich genau so verhalten, wie sie es von mir erwarten würden. Dann würde der Musterbruch später überraschend kommen.
Wie zu erwarten kam Agent Rumlow näher, holte mit der Faust aus und schlug mir in die Magengrube. Die Luft blieb mir weg und ich ging in die Knie. Es war lang nicht so schlimm, wie die Schusswunde oder die Rippenserienfraktur, doch ich übertrieb. Nur ein wenig, damit sie dachten, ich sei leicht zu kontrollieren. Ich schnappte hörbar nach Luft, bevor mich der Kerl mit dem Metallarm wieder auf die Beine zog zur Tür hinaus schleifte. Er ließ mich nicht los, sodass ich mehr schlecht als recht neben ihm her stolperte, die eine Hand auf der immer noch blutenden Nase, die andere auf seinem festen Griff. Er zog mich die Treppen hinunter, zurück zu meinem Zimmer. Auf halbem Weg war es mir dann zu viel, so bescheuert rumzulaufen und ich entwand mich seinem Griff. „Ich kann auch alleine laufen." Trotzig stieß ich seinen Arm beiseite, doch er nahm seinen Befehl wohl sehr ernst.
Er griff nach meinem Handgelenk und zog mich an sich. Erst jetzt wurde mir bewusst, dass er bis jetzt noch nicht ein Wort gesagt hatte, seit ich ihn kannte. Mit der anderen Hand griff ich nach seiner und drehte sie so gut ich konnte. Er verzog nicht einmal einen Muskel. Zeit einen drauf zu legen. Ich kickte ihm zwischen die Beine, so fest ich konnte und zufrieden stellte ich fest, dass er nicht überall unverwundbar war. Er zeigte lang nicht so viel Reaktion, wie ich mir erhofft hatte, aber ein kleines Zucken konnte er sich nicht verkneifen. Sein Griff um mein Handgelenk wurde fester und in seinem Blick war nun Wut zu sehen. Seine Augen hatte er aufgerissen und sein Kiefer war angespannt. Ich hatte es zu weit getrieben und dieses Mal war niemand anderes da, um ihn zurück zu halten.
Er drehte mir den Arm auf den Rücken und legte mir eine Hand um die Kehle. Mit Schwung verdrehte ich ihm erneut den Arm, stieß ihn mit dem Fuß gegen den Knöchel und wollte weglaufen, doch er packte mich am Handgelenk. Als sich unsere Hände berührten, wusste ich plötzlich wie er hieß und woher ich ihn kannte.
Er rief einen Namen. „Steve lass es gut sein, sei froh, dass du nicht kämpfen musst. Denk an all die Single Ladys, die zurückbleiben." Er hatte die Hand auf die Schulter eines schmächtigen jungen Mannes gelegt, der vor einem Poster mit Uncle Sam stand. Der schmächtige Mann drehte sich um. Es war Steve Rodgers. Der Steve, den ich kannte, nur ohne die ganzen Muskeln. Da war er schon wieder, in einer anderen Erinnerung. Ich lag auf einem Labor Tisch gefesselt und er beugte sich über mich. „Bucky, geht es dir gut?" Ich kämpfte an seiner Seite, gegen Hydra. Ich sah Steve, wie er versuchte mich festzuhalten, doch er schaffte es nicht, dann viel ich hunderte Meter tief. Blutige Schneespuren und unfassbare Schmerzen, jemand zog mich weg, um mich danach mit einer Metall Maschine zu foltern und mir russische Worte aus einem roten kleinen Buch vorzulesen, bis ich den Verstand verlor.
Mit einem Ruck warf er mich über meine eigene Schulter und ich landete wieder in der Wirklichkeit. Ich hatte ihn schonmal gesehen, auf den Bildern in Steves Zimmer. Er hatte nie von ihm erzählt, doch ich hatte es in ein paar Artikeln gelesen. Sein Name war James Bucky Barnes. Er war mit Steve auf Mission gewesen, bevor Steve im Eis eingefroren war, doch er war in eine Schlucht gefallen und gestorben. Zumindest glaubte man das. Aber hier stand er nun in Fleisch und Blut, quicklebendig vor mir. Ich lag vor ihm auf dem Rücken und zog abwehrend die Hände nach oben. „Bucky, ich kenne dich und ich kenne Steve. Er ist ein Freund" Er starrte mich an. Ich sah, wie es in seinem Gehirn arbeitete. In seinem Blick lag pure Verwirrung, dann hörte ich ihn zum ersten Mal sprechen. „Wer zum Teufel ist Bucky?" Mit einem heftigen Tritt ins Gesicht, verlor ich das Bewusstsein.
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