Das Angebot
Auch wenn mittlerweile vier Monate vergangen sind, kann ich immer noch nicht ganz sagen, was das mit Viola und mir ist.
Im Sommer noch haben wir den Wind aus den Segeln genommen und bis auf die eine Nacht nach dem Geschäftsessen bei ihren Eltern, nicht miteinander geschlafen.
Zwar haben wir viel miteinander unternommen, aber uns dabei stets eher auf einer freundschaftlichen Ebene bewegt.
Zum Herbst hin kam dann der Umschwung in ihrem Handeln.
Sie bestand immer öfter darauf bei mir zu schlafen und unsere Art und Weise miteinander umzugehen wurde immer intimer.
Ich habe angefangen bei ihrer Familie ein- und auszugehen und sie bei meiner.
Ihre Brüder und ich haben viele Jungsabende miteinander verbracht und ich würde sie mittlerweile zu meinem engen Freundeskreis zählen. Viola und ich kennen uns mittlerweile ziemlich gut, fast blind würde ich sagen, allerdings herrscht zwischen uns zumindest zum jetzigen Zeitpunkt keine klassische Liebe.
Wenn wir uns betiteln müssen, dann sagen wir immer, dass wir Freunde mit gewissen Vorzügen sind und das trifft es tatsächlich am besten.
»Feierst du Weihnachten mit Viola zusammen?«, fragt Louis mich, als er mir ein Bier über den Tresen reicht.
»Ich weiß es noch nicht. Ihre Eltern haben mich eingeladen und auch meine Eltern haben sie zu uns eingeladen, aber Vio und ich sind da noch nicht weiter drauf eingegangen.«
»Ach Will.« Louis seufzt und setzt sich neben mich auf einen der Barhocker. »Wie lange geht das mit dir und Viola schon so? Warum könnt ihr es nicht endlich offiziell machen?!«
»Weil es da noch nichts zum offiziell machen gibt.« Ich zucke mit den Schultern und trinke einen großen Schluck Bier.
»Also Megan und ich haben nicht einmal zwei Monate gebraucht, um zu wissen, dass es zwischen uns verdammt gut passt.«
»Wir sind aber nicht Megan und du!«, presse ich etwas wütender als beabsichtigt hervor und bereue schon im selben Moment so reagiert zu haben.
»Ist ja schon gut - brauchst ja nicht gleich so laut werden«, sagt Louis verwundert und zieht sich mit erhobenen Händen wieder hinter den Tresen seines Pubs zurück.
»Entschuldige, das war nicht so gemeint«, rudere ich zurück und trinke lieber noch einen Schluck Bier. »Ich freue mich ja für Megan und dich, aber bei euch lief es von Anfang an... anders.«
»Ey Will, du musst dich doch nicht rechtfertigen - nicht vor mir!«
»Ich weiß doch, Louis. Ich bin heute einfach ein bisschen neben der Spur - entschuldige.«
»Vielleicht brauchst du mal was stärkeres - Whiskey?« Fragend hebt er eine seiner Flaschen und winkt mir damit zu.
»Nein, lass gut sein. Ich muss mich glaub ich einfach nur ausruhen.« Ich leere mein restliches Bier in einem Zug und stehe auf. »Wir sehen uns.«
Ich verlasse den Pub nach wie vor gereizt, denn auch wenn ich es Louis nicht erzählt habe, gibt es einen Grund für meine schlechte Laune.
Mister McCain hatte mich heute zu einem Gespräch in sein Büro gebeten und mich mit einer fast unmöglichen Bitte umgehauen.
»William«, sagte er mit ernster Miene und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. »Ich muss dich was fragen.«
In seiner Stimme merkte ich sofort, wie ernst ihm die Sache gewesen ist und nickte ihm zu.
»Ich weiß nicht, wie ich es dir erklären soll, aber meine Tochter, Rosalie, sie möchte noch diesen Monat eine lange Reise antreten.«
Fragend sah ich ihn an.
»Aber Mister McCain, was habe ich damit zu tun?«, fragte ich sichtlich irritiert, denn ich hatte schon lange rein gar nichts mehr mit ihr zu tun.
»Sie bedeutet alles für mich und ich als Vater kann sie nicht einfach ziehen lassen. Nach langer, kräftezehrender Diskussionen, konnte ich ihr ihren Herzenswunsch aber nicht mehr abschlagen und ich habe zugestimmt sie in die weite Welt zu entlassen. Eine Bedingung gibt es allerdings - sie wird nicht alleine reisen dürfen.«
Wieder suchte ich fragend die Antwort in der Miene meines Chefs.
»Ich verstehe immer noch nicht, Sir«, gab ich zu und wippte ungeduldig mit meinem Bein.
»William, sie hat mich angefleht alleine weg zu dürfen, als ich das aber nicht gestattete, gab sie sich selbst einen Ruck und fragte nach dir - du bist der einzige Mensch, den sie mitnehmen würde. Wieso? Das weiß ich auch nicht, aber tue einem alten Vater wie mir bitte einen Gefallen und geh mit ihr... Ich würde es nicht ertragen, wenn ihr etwas zustoßen würde.«
Fassungslos, wie ich also war, versuchte ich mich in Worte zufassen.
»Mister McCain... ich...«
Verständnisvoll sah mein Chef mir in die Augen.
»Ich verstehe dich, Will. Es ist kurz vor Weihnachten und du warst die ganzen letzten Jahre nicht in der Heimat. Jetzt hast du auch noch Viola und ich weiß auch, dass du die Arbeit hier über alles liebst. Es ist viel verlangt, ich weiß, aber du hast bis zum Ende der Woche Zeit dich zu entscheiden.« Angespannt massierte sich der grauhaarige Mann die Schläfen.
»Ich kann dich nur anflehen meiner Bitte nachzugehen und mit ihr zu gehen. Selbstverständlich wirst du dafür angemessen ausgezahlt und auch während deiner ganzen Abwesenheit, komme ich für alle Kosten auf. Es gibt keine Summe, die ich nicht zahlen würde - bring mir nur meine Tochter wieder nach Hause...«
»Ich fühle mich geehrt, auch wenn ich noch nicht ganz verstehe. Sie haben recht, es ist viel verlangt! Aber...« Ich brach meinen Satz ab und seufzte. »Ich verstehe Ihre Bedenken und ich würde meine Tochter wahrscheinlich auch nicht alleine in ferne Länder reisen lassen, aber ich brauche Zeit. Ich werde Ihnen in Laufe der Woche meine Entscheidung mitteilen.«
»Selbstverständlich! Wie gesagt, ich kann dir nicht genug danken, wenn du es tust, aber ich weiß auch, was ich da von dir, meinem jüngsten Angestellten, verlange.«
»Vielen Dank, Mister McCain. Wenn Sie mich jetzt aber entschuldigen, dann würde ich wieder zurück an meine Arbeit gehen...«
»Natürlich, Will. Geh nur.«
Selbstverständlich habe ich sofort Rosie eine Nachricht geschrieben und ihr gesagt, dass wir reden müssen.
Morgen um Mitternacht an unserem Platz
Mit dieser Antwort speiste sie mich ab, weswegen sich meine Gedanken ausschließlich nur noch um sie drehen.
Wieso ich?! Was hat sie vor?!
Im Sommer habe ich mich noch viel mit ihr abgegeben, weshalb ich immer mehr merkte, dass sie anfing mein ganzes Leben zu beeinflussen. Ich wollte sie auf freundschaftlicher Ebene haben, denn nach wie vor bewunderte ich dieses Mädchen.
Schnell wurde mir aber klar, dass ich nur Freundschaft mit ihr nicht konnte - ich wollte sie mehr als nur als stinknormale Freundin. Ich dachte immer mehr an sie und selbst während der Arbeit konnte ich meine Gedanken nicht von ihr lenken. Wenn sie mir eine Weile nicht geantwortet hat, dann wurde ich unzufrieden und meine gesamte Laune richtete sich nach ihr.
Auf Ethans Rat habe ich also den Kontakt gekappt und bis heute nicht mehr mit ihr geschrieben.
Heute ist mein erster Tag auf der Arbeit gewesen, an dem ich hoffte, dass er schnell zu Ende geht.
Mein ganzes Dasein heute ist einzig und allein von Rosie abhängig und ich kann nicht aufhören an sie zu denken.
Den ganzen Tag warte ich schon auf Mitternacht, um meinen ganzen Fragen eine Erklärung einzuholen. Sie schuldet es mir.
Während meine Uhr 21 Uhr anzeigt, überlege ich die ganze Zeit, wie ich Rosie gegenüber treten soll.
Zu allererst beschließe ich, dass ich duschen gehen und danach mir etwas ansehnliches anziehen sollte.
Schon nach einer Stunde bin ich fertig und obwohl ich noch Zeit habe bis zum Treffen, gehe ich schon los.
Ich halte es in meinem Haus nicht länger aus.
Es gehen mir so viele Gedanken durch den Kopf, als ich durch die dunklen Gassen meiner Heimatstadt schlendere.
Schnell liegen die Straßen hinter mir und ich gehe die Feldwege entlang.
An der bröckeligen Mauer angekommen, setze ich mich schon mal hin.
Was anderes als warten kann ich nicht tun.
Mein Handy habe ich beabsichtigt in meinem Haus gelassen, denn es würde sicherlich die Stimmung ruinieren.
Jetzt kann ich einfach die pure Stille um mich rum genießen und mit dem Blick in die Sterne noch einen Moment entspannen.
»Will.« Schlagartig wende ich den Blick von den Sternen ab und schaue zu Rosie, die gerade auf mich zu kommt. »Da hatten wir wohl die selbe Idee«, sagt sie schmunzelnd und setzt sich neben mich.
»Ich hab es zuhause nicht mehr ausgehalten«, gebe ich ehrlich zu.
»Ich auch nicht. Ehrlich gesagt habe ich es schon ein wenig bereut, das Gespräch nicht gestern schon geführt zu haben - ich konnte den ganzen Tag an nichts anderes denken...«
Sie seufzt und schaut verträumt in den Himmel.
Ich muss schmunzeln.
»Rosie, erklär es mir...«
Während ich meinen Blick nicht von ihr abwenden kann, braucht sie einen Moment bis sie den Blick mir widmen kann.
»Ich weiß wie das auf dich wirkt, aber du musst mir glauben, ich habe mir das auch irgendwie anders vorgestellt. Ja, ich akzeptiere nur dich als mein Reisepartner, aber, Will, es ist nur, weil du der Einzige bist, der mich in meinem Vorhaben bestärkt.« Verlegen schaut sie zu Boden und spielt an ihrem Ring am Mittelfinger.
»Ja, aber Rosie, ich verstehe es trotzdem nicht ganz. Wir haben gute vier Monate kein einziges Wort miteinander gewechselt - du musst doch verstehen!«
»Ich weiß, dass du jetzt Viola hast und ich glaube auch zu wissen, woher, oder besser gesagt von wem, der abrupte Kontaktabbruch kam, aber bitte, Will, ich brauche dich an meiner Seite...«
»Ich will dich nicht belügen, denn zwischen Viola und mir ist noch lange nicht alles geklärt - ich habe hier gerade keinen. Und ja, Ethan hat mir von dir erzählt und auch, wenn ich mir nur schwer vorstellen kann, dass du so bist, bin ich lieber auf Nummer sicher gegangen und habe den Abstand gewahrt.«
»Egal was Ethan dir über mich erzählt hat, wahrscheinlich habe ich es verdient, aber es geht hier nicht darum! Ich WILL meine Träume verwirklichen, so wie du es mir gesagt hast, aber ich kann nicht alleine ins Ausland, weil mein Vater mir dann definitiv sämtliche finanziellen Mittel streicht, ohne die ich nicht einmal eine Woche in Amerika überleben würde - das ist das Einzige, was zählt. Will, du musst verstehen, ich hab es mir nicht ausgesucht, aber ich brauche dich!«
»Du brauchst mich nicht so anflehen, denn eigentlich habe ich mich schon gestern entschieden. All deine Versuche mich zu überreden kannst du also getrost sein lassen - die können mich eh nicht mehr beeinflussen.« Kühl zucke ich mit den Schultern und muss mit ansehen, wie ihr Lächeln schwindet und sie enttäuscht in sich zusammensackt.
»Oh, ach so...«
»Lass mich doch erstmal ausreden, Rosalie.«
Ich verziehe meine Lippen zu einem breiten Grinsen, woraufhin auch ihre Augen wieder schimmern.
»Als dein Vater mir gestern davon erzählt hat, war ich zwar geschockt, aber in erster Linie wütend auf dich, denn ich habe mich gefragt, was für ein egoistisches Spielchen du mit mir spielst. Was für eine Masche das sein soll, damit du mich um den Finger wickeln und dann wieder fallen lassen kannst. Aber Rosie, auf dem zweiten Blick auf die Sache, war ich wütend auf mich selber, denn ich habe dich verurteilt und dir schlechtes unterstellt, ohne deine Beweggründe zu kennen - das tut mir wirklich leid.«
»Und das heißt?« Voller Aufregung und mit einem riesigen Lächeln auf den Lippen kann Rosie sich kaum auf der Mauer neben mir halten und platzte fast vor Vorfreude.
Ich schaue von meinen Händen auf und sehe sie lachend von der Seite an.
»Natürlich werde ich die ganze Sache erst mit Viola besprechen, aber das Gespräche gerade hat mir gezeigt, dass für dich einzig und alleine deine Träume zählen und du nichts Böses im Sinn hast. Wenn Viola also das Go gibt, dann werden wir beide in die USA fliegen...«
»Dein Ernst?!«, ruft Rosie aufgeregt und springt von der Mauer.
»Ja, Rosie. Ich bin dabei«, versichere ich ihr wieder und amüsiere mich an ihrer Freude.
Zuerst springt sie auf der Stelle auf und ab, danach springt sie mir direkt in die Arme und drückt mich fest, weshalb ich fast von der Mauer falle.
»Danke, Will. Du kannst dir gar nicht vorstellen, wie viel mir das bedeutet!«
Und wie ich mir das vorstellen kann! Als Mister McCain mir das Angebot machte, kam mir gleich Rosies Leidenschaft in den Sinn. Sie hat sich nichts mehr als diese Reise gewünscht und das konnte nicht an mir scheitern...
»Ich freue mich so sehr auf die Sterne in Amerika. Natürlich ist mir klar, dass wir nicht alles tun können, was ich mir wünsche, aber es wird traumhaft schön werden!«, schwärmt die schöne Rosie, während sie gegen mich lehnt und in den klaren Sternenhimmel blickt.
Der Himmel ist nur so klar, weil wir eine eisige Nacht haben. Es ist furchtbar kalt geworden und das ist auch der Grund, weshalb ich so langsam nach Hause will.
»So sehr ich die Zeit mit dir auch genieße, ich muss Heim. Ich muss in guten sechs Stunden aufstehen, denn die Arbeit in der Kanzlei wartet auf mich.«
»Ich kann mit meinem Vater reden und ihn bitten, dir bis zum Reiseantritt bezahlten Urlaub zu geben«, schlägt sie mit leuchtenden Augen vor.
Ich winke ab.
»Nein, Rosie. Ich liebe meinen Job und ich bin schon wehmütig, wenn ich nur dran denke, dass ich die nächsten Monate mit dir durch Amerika Reise und nicht in der Kanzlei sein kann - bitte lass mir meine letzten Tage noch.«
»Oh, verstehe... Ich hätte gerne noch die nächsten Tage mit dir verbracht...« Enttäuscht setzt Rosie sich auf und starrt zu Boden.
»Nein, Rosie. Ich will die nächsten Tage voll und ganz meiner Arbeit widmen und Viola noch ein bisschen Aufmerksamkeit schenken«, mache ich meinen Standpunkt klar, obwohl ich weiß, dass ich Rosie damit verletzte.
»Es tut mir leid, aber ich werde jetzt gehen.« Ich stehe auf und schaue nochmal zu ihr zurück.
»Rosie, es ist kalt und weit nach 1 Uhr. Ich kann nicht mit gutem Gewissen schlafen gehen, wenn ich weiß, dass du hier ganz alleine in der Dunkelheit sitzt und mit dir sonst was passieren kann. Du solltest auch nach Hause fahren...«, sage ich und knicke doch nochmal ein und zeige ihr so, dass sie mir wichtiger ist, als ich eben zugab.
»Ich kann auf mich selber aufpassen, aber wenn es dich beruhigt, dann werde ich dir schreiben, wenn ich sicher zuhause angekommen bin.«
»Ist gut«, gebe ich nach, denn ich weiß, dass ich an dieser Stelle gar nicht weiter diskutieren muss - sie wird sich nicht umstimmen lassen. Also gehe ich in Gedanken versunken meinen Weg zurück zu meinem Haus.
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro