7 | Robo-Cob
Lässig schüttelt er das Jackett aus, nachdem er seine Ärmel wieder heruntergekrempelt hat, und zieht es sich über. Bevor wir uns auf den Pfad machen – zu einem mir unbekannten Ziel –, hole ich mir schnell meine Tasche und Jacke aus dem Wagen. Es ist zwar nicht immens kalt, aber sobald die Sonne verschwunden ist, sinken die Temperaturen doch deutlich.
Mir scheint mittlerweile, dass Cobie nur mit mir spricht, wenn es etwas zu Besprechen gibt. Er ist offenbar kein Smalltalk-Typ. Das macht ihn ja beinahe sympathisch. Es könnte aber jedoch ebenso die Roboterthese stützen.
Nach nicht mal fünf Minuten, vielleicht waren es lediglich zwei, stoppt er. »Wir müssen hier entlang«, sagt er bestimmend und zeigt auf das weitere Unheil.
Das hat er jetzt nicht gesagt, oder? Fassungslos starre ich dorthin, wo sein Finger hindeutet. Ins dunkle – eher düstere – Wirrwarr. »Nee!«, rufe ich aus.
»Doch, meine Dame, sehr wohl.«
»Nein.«
»Uns bleibt nichts anderes übrig.« Fast schon ausdruckslos blickt er mir entgegen. »Unser Weg führt da entlang, aber wie ich schon sagte, ich werde Sie beschützen, falls nötig, meine Dame.« Vielleicht ist er doch ein Robo, da fällt mir ein neuer Spitzname für ihn ein: Robo-Cob.
»Warum können wir nicht einfach der Straße weiter folgen?«
»Dann würden wir länger brauchen. Um einiges länger.« Er bedeutet mir bereits, dass er sich lieber zügig weiter auf den Weg machen möchte.
»Na gut, wenn du das meinst, Ro–« Ich räuspere mich. »Ich meine Cobie, dann geh vor.«
Es musste ja so kommen, dass wir durch einen bescheuerten Wald laufen werden. Wohl bemerkt durch einen furchteinflößenden düsteren Wald. Mit einem sehnsuchtsvollen Blick nach hinten gebe ich mir einen Ruck und kehre der Straße den Rücken zu. Grummelnd begebe ich mich auf den vor mir liegenden neuen Weg.
Darauf bedacht, maximal drei Fußlängen von Robo-Cob entfernt zu sein, lausche ich ebenso sorgsam in unsere Umgebung. Anfangs war es sehr leise. Zu still. Geradezu unheilvoll still. Doch nach und nach – und dann beinahe mit jedem Schritt – wird sie durch Knacken und Rascheln unterbrochen, was mich zusammenzucken lässt. Jedes Mal. Unser Pfad erstreckt sich deutlich vor uns. Doch trotz der klaren Sicht – obwohl es finster ist und es scheint, als würde die Welt lediglich durch Sterne und Mond beleuchtet werden – erscheint es mir, dass sich etwas vor uns versteckt hält. Hinter einer unsichtbaren Nebelwand. Als würde mir jede kühle Brise eine Warnung schicken wollen.
Cobie wiederholt sich immer wieder. Er würde Acht geben und mich schützen. Aber habe ich Vertrauen zu ihm? Nein, gewiss nicht. Wie lange sind wir nun eigentlich schon unterwegs? Das kann unmöglich alles richtig sein? Wir haben uns bestimmt verlaufen. Oder schlimmer: Cobie will mir doch etwas antun ... Nein, ich halte mich lieber an Option A.
»Kann es eigentlich noch schlimmer werden? Nein, oder? Es kann nicht noch schlimmer werden, oder?«
Es kommt aus mir herausgebrochen; diese Fragen wollten nicht mehr in meinem Kopf hinter Verschluss bleiben. Offensichtlich nicht. Cobie dreht sich um, antwortet aber nicht.
»Ähm ... Gib mir eine Minute.«
Erschrocken wirbele ich herum. »Wer hat das gesagt?« Mein Brustkorb hebt und senkt sich viel zu hektisch.
Eine Antwort erfolgt nicht. Ich weiß nicht, was ich besser finden sollte: eine zu erhalten oder nicht.
War da gerade doch ein Geräusch? Ein Murmeln? Ein Seufzen vielleicht? Ich kann mich kaum konzentrieren. Mein Puls drängt sich enorm auf; lässt kaum anderes vollumfänglich zu mir durch.
Was ist eigentlich mit Cobie?
Erneut wirbele ich herum und ... erschrecke. Verdammt! Cobie steht direkt hinter – beziehungsweise jetzt vor – mir. Beziehungsweise ... das jetzt auch nicht mehr. Sein Brustkorb senkt und hebt sich wie meiner deutlich. Ist er unsicher oder eher überrumpelt? Eine saudämliche Frage, wer wäre das nicht in so einem Moment?! Doch Unsicherheit versprüht er ansonsten über seine Ausstrahlung gar nicht.
Als er nun direkt an mir vorbeistreift, um sich vor mich zu stellen – ganz dem Beschützer-Job-Anteil nach – spüre ich die Anspannung in ihm und dass er – wofür auch immer – bereit ist. Breitbeinig steht er vor mir, dabei sind seine Arme wie so ein typischer Gorilla nach außen gewölbt, seine Haltung stramm und achtsam.
»Cob–«
»Pscht«, macht er nur, wobei er seinen Kopf leicht neigt, als würde er in der Gegend etwas lauschen können. Keine Ahnung, was, denn ich höre nichts. Nichts, außer das Pochen in mir drin. Spüre nichts außer den Schweiß, der sich zäh wie warmgewordener Honig über meinem Körper verteilt.
»Zeige dich du Feigling oder bleibe fort!«, spricht Cobie ruhig und bedacht aus. Eine durchdringende Stimme; eine, die es vermag, den unsichtbaren Nebel zu durchschneiden. Ich würde sofort auf ihn hören und Nummer zwei wählen. Der Klang – obwohl er so ruhig gesprochen hat – jagt selbst mir einen Schauder über den Rücken und lässt mich zittern.
Im Gegensatz zu Cobie, der einem Roboter wirklich alle Ehre machen könnte. Nicht mal einen Muskel sehe ich zucken. Falls das möglich wäre durch Hemd und Jackett. Regungslos – jedoch nicht unter Schock stehend – verharrt er vor mir.
Ich jedoch bleibe wie versteinert – nicht bei vollen Sinnen – an Ort und Stelle stehen; verschmelze eher mit dem Fleckchen Erde unter mir. Warte hoffend auf ein Zeichen, dass alles vorüber ist.
Still. Kein einziger Laut um uns herum. Keine Stimme, keine Antwort, keine Schritte. Nichts.
Eins, zwei, drei Herzschläge. Nichts geschieht. Vier, fünf, sechs – immer noch nichts. Sieben, acht, neun. Wie lange sollen wir noch warten? Zehn, elf ... Aber was soll denn auch passieren? Ist es nicht besser, wenn es ruhig bleibt? Oh Gott, keine Ahnung. Was, wenn ... Ich bringe es nicht mal in Gedanken fertig, diesen Satz zu Ende zu denken. Tränen. Stumm. Ich spüre die feuchten Bahnen an meinen Wangen, die Kühle, die daran zupft. Vereinzelte Tropfen, die unbeirrt vom Kinn in die Freiheit hüpfen.
»Meine Dame«, flüstert Cobie geradeaus, immer noch mit dem Rücken zu mir gewandt, und schreckt mich aus meinem tranceartigen Zustand. Seine Stimmfarbe hat wieder einen helleren Ton angenommen. Sanft – wenn das möglich ist –, nicht mehr rau. »Wir können unseren Weg fortsetzen.«
»Sich-« Räuspernd unterbreche ich und schlucke den Kloß in meinem Hals herunter. »Sich-ch-ch-er?«, versuche ich es – dennoch stammelnd – noch einmal.
»Ja.«
Panisch bemerke ich, wie er schon losschreitet, doch er bleibt nach einem Anstandsabstand stehen. Ob er weiß, dass ich geweint habe? Er gewährt mir noch einen kurzen Moment, sodass ich die Spuren beseitigen kann.
Was ist nur momentan los? Werde ich vom Pech angezogen oder ziehe ich es an? Und was war das eben? Habe ich es mir doch nur eingebildet, dass dort jemand geantwortet hat? Aber warum hat sich Cobie dann vor mich gestellt und diese Drohung ausgesprochen? Aber es war niemand zu sehen und auch keiner mehr zu hören. Vielleicht hat er nur auf mich reagiert. Hat es etwas mit dem Unfall; mit meinem Kopf zu tun? Werde ich langsam verrückt?
Jetzt steht es fest: Es kann nicht noch schlimmer werden. Oder doch?
Mit ruckartigen Bewegungen, da mir mein Körper gerade nicht mehr gehorchen will, ziehe ich mir meine kakifarbene Jacke über und hänge mir meine Tasche wieder um. Dann schließe ich eilig zu Cobie auf. Wenn Robo-Cob – wie witzig, dass ich mich selbst gerade roboterartig fühle – meint, es sei dermaßen sicher ... So oder so, ich sollte in seiner Nähe bleiben. Denke ich zumindest. Bislang hat er mir nichts getan.
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