Kapitel 7
Das vertraute Geräusch der Türklingel ließ ihn so hastig auffahren, dass der Stuhl, auf dessen Kante er gekauert hatte, unter ihm wegrollte. Wie ein nasser Sack plumste er zu Boden und schlug mit dem Kopf an der zum Glück gepolsterten Stuhlkante an. Sein Kopf brummte trotzdem und dann klingelte es schon wieder. Gereizt brummte er und strich sich die langen Haare aus der Stirn. "Komme." blaffte er Richtung Tür und rappelte sich wieder auf. Kurz drehte sich alles, er musste sich an der Tischkante festhalten, woraufhin der Tisch bedrohlich knackte. Er ignorierte es und machte sich auf den Weg zur Haustür. Wer wollte jetzt schon wieder etwas von ihm? Ein zu motivierter Briefträger? Ein neuer Zeitungsjunge, der noch nicht wusste was er tat?
Als er die Haustür aufmachte, stellte er fest, dass es weder noch war. Stattdessen stand Sven vor der Tür, in der Hand eine Tüte aus der es nach asiatischen Essen roch. Automatisch griff Fabian nach seiner Maske und überprüfte, dass sie richtig saß. "Was machst du hier?" Fauchte er und war versucht, dem anderen die Tür vor der Nase zu zu schlagen. Sven hob die Tüte hoch, als würde das irgendetwas erklären. "Ich habe heute nur bis zwölf gearbeitet und dachte, ich komme zum Mittagessen vorbei. Du magst doch gebratene Nudeln, oder?" Sven wollte in die Wohnung kommen, doch Fabian hielt ihn auf. "Vorher Bescheid sagen ist wohl nicht drin gewesen, oder? Was, wenn ich nicht da gewesen wäre? Oder wenn ich keine Lust auf dich habe?" Sven musterte ihn sanft und Fabian wusste, dass der andere ihn lange durchschaut hatte. "Als was arbeitest du denn?" Fabian knallte ihm gereizt die Tür vor der Nase zu und lehnte sich von innen dagegen.
Hey Fabi, ich find's ein bisschen blöd, dass ich dir das jetzt so stumpf schreiben muss, aber mir fällt keine andere Möglichkeit ein, dich zu kontaktieren. Ich wollte dir nur sagen, dass ich dich vorhin nicht belästigen oder beleidigen wollte. Natürlich ist es okay, wenn du mal keinen Bock auf mich hast, ich bin deswegen nicht böse oder so. Ich kenn dich nur nicht gut genug um zu wissen, wie du die Situation einordnest, deswegen möchte ich dir sagen, dass von mir aus alles cool ist. Ich habe mir jetzt Discord auf dem Handy runter geladen, dann kann ich dir auch von unterwegs schreiben und nächstes Mal fragen ob es dir passt, bevor ich spontan vorbei komme. Ich hoffe zumindest, dass es ein nächstes Mal gibt. Wenn du das hier liest, kannst du dich ja einfach melden, wenn du dich danach fühlst. Ich bin heute Abend auf jeden Fall online und würde mich freuen, wenn wir unsere Base ein bisschen ausbauen können. Ich hab btw im Singleplayer geübt, wenn die Kannibalen noch einmal angreifen kann ich dir tapfer zur Seite stehen.
Alles Liebe,
Sven
Sven war die einzige Person, die Fabian kannte, die Nachrichten wie einen Brief aufbaute. Fehlte nur noch, dass er ihm Postkarten schickte. Fabian wusste nicht, was er von der Nachricht halten sollte, und dabei starrte er schon seit Stunden darauf. Es half ja nichts, deswegen rief er Sven direkt über Discord an. Er ging nach ein paar Momenten ran, doch obwohl er sicher darauf wartete, dass Fabian etwas sagte, schwieg er, bis Sven etwas sagte. "Hallo Fabi." Sven klang ganz ruhig und wie er geschrieben hatte überhaupt nicht wütend. "Hattest Du einen schönen Tag?" Wie? Das war es gewesen? Sven wollte sich nicht zu dem Streit äußern und ging einfach zur Tagesordnung über? Fabian schluckte irritiert und knabberte sich an den Fingernägeln herum, bis er sich zu einer Antwort durchringen konnte. "Naja. Hätte schlechter sein können, hätte besser sein können." Sven lachte leise, was Fabian eine Gänsehaut bescherte. "Möchtest du über vorhin reden oder weiter zocken? Oder möchtest du über etwas total unverbindliches reden?" Fabian biss sich auf die Unterlippe. "Warum machst du das? Warum bist du so darauf aus, dass wir machen was ich will?" Svens Lachen drang erneut an sein Ohr. "Weil ich möchte, dass du dich wohlfühlst. Ich kenne dich zu schlecht, um zu wissen womit du dich am wohlsten fühlst, deswegen biete ich dir alle Optionen, die mir einfallen und mit denen ich mich wohl fühle." Ohne es zu wollen war Fabian ein bisschen geschmeichelt. "Dann lass uns ein bisschen was zocken, ja?" während er das Spiel startete, sah er Svens Lächeln vor sich.
"Wegen vorhin nochmal." Fabian zog konzentriert die Augenbrauen zusammen und zielte mit einem brennenden Pfeil auf einen Hasen. Sein Charakter schoss, der Hase hoppelte brennend einige Meter und verendete dann. Sofort senkte sein Finger sich auf das W, kurz darauf hatte er ein neues Fell und einen rohen Hasen im Inventar. "Stopp." Sven pausierte das Spiel. "Du gehst dir erst ein Glas Wasser holen, deine Stimme ist schon wieder ganz rau, und dann können wir gerne über vorhin reden." Fabian widersprach nicht. Stattdessen erhob er sich, seine Knie knackten dabei vernehmlich, und setzte das Headset ab. Als er ein Glas Wasser getrunken hatte und mit einer gefüllten Flasche zurück kam, war Sven immer noch da. "Also wegen vorhin... Ich finde, du solltest wissen, dass ich auch nicht sauer auf dich bin. Ich hatte einen beschissen Vormittag und habe nicht damit gerechnet, dass du vorbei kommst. Ich mag es nicht so gerne, wenn ich mich auf einen Besuch nicht vorbereiten kann, aber wenn du dich ankündigst, dann ist das schon okay. Danke, dass du mir nicht sauer bist." Sven ließ sich einige Momente Zeit, bevor er ruhig antwortete. "Ist schon in Ordnung. Ich hätte dich nicht einfach so überfallen sollen, da hätte ich mir denken müssen, dass du das nicht magst. Wenn ich das nächste Mal plane vorbei zu kommen, dann melde ich mich vorher und frag, ob das für dich in Ordnung ist." Fabian musste unwillkürlich lächeln, dann startete er das Spiel wieder.
Die Flasche auf seinem Tisch war schon lange leer, als Sven das Spiel ein weiteres Mal pausierte. "Du Fabi, jetzt mal ganz kurz unter uns, ja? Ich weiß, sowas macht man eigentlich nicht online, aber bevor wieder etwas dazwischen kommt, mach ich das jetzt einfach schnell. Ich steh krass auf dich." Fabians Herz setzte einen Schlag aus. "Wie bitte?" krächzte er und schon lachte Sven sein vertrautes Lachen. "Das war kein Witz, ich meine das wirklich ernst. Nachdem du auf keine meiner Andeutungen eingegangen bist und auf meine Anmachen nicht reagiert hast, bin ich jetzt einfach mit der Tür ins Haus gefallen." Fabian wurde schlecht. "Was für Andeutungen? Und was für Anmachen?" Warum hatte er nicht mitbekommen, dass Sven ihn angeflirtet hatte? "Ich habe dich zum Beispiel gefragt, ob wir zusammen wichsen wollen und-" Fabian unterbrach Sven. "Das war Ernst gemeint?!" Seine Stimme war höher als sonst. "Ich bin nicht mit der Intention zu dir gekommen, dass da was läuft, aber ich hätte auch nicht nein gesagt." Als von Fabian keine Antwort darauf kam, redete Sven weiter. "Mein Trainingspartner hat mir in deinem Beisein gesagt, dass ich aufhören soll, mit dir zu flirten und ich habe mehrfach versucht, dich zum Essen einzuladen."
Fabian schwieg noch immer, bevor er endlich seine Gedanken sortiert bekam. "Du weißt nicht einmal, wie ich aussehe. Wie willst Du auf mich stehen?" Angespannt massakrierte er seine Fingernägel und Nagelhaut mit den Zähnen. "Das spricht ziemlich für deinen Charakter, nicht?" Fabian lachte hohl auf und wusste das Gefühl in seinem Bauch nicht zu deuten. "Wollen wir einfach weiter zocken und wann anders darüber reden?" fragte Sven behutsam, nachdem Fabian Minutenlang geschwiegen hatte. Fabian schüttelte seinen Kopf. "Nein." Seine Stimme klang seltsam hohl. "Ich gehe jetzt schlafen."
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