🦋Kapitel 12🦋
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Nachdem ich Nuala schließlich an diesem Samstagmorgen zu Phoebe gebracht habe, mache ich mich auf direktem Weg zu Leya auf, um sie abzuholen. Während ich um die Ecke zu Leyas Haus laufe, sehe ich, wie sie davor steht und sich angeregt mit Mrs Nolan unterhält. Meinen Blick über Leya schweifen lassend, gehe ich auf die beiden zu. An ihren Füßen trägt sie graue Sneaker, außerdem eine hellblaue Jeans und darüber einen grauen Wollmantel, der ihr bis knapp über die Knie geht. Ihre Haare hat sie zum Pferdeschwanz gebunden und auf ihrem Kopf trägt sie ein hellrosa Stirnband, das ihre Ohren wärmt. Um ihren Hals hat sie den farblich passenden Schal gewickelt und über ihrer Schulter trägt sie eine kleine schwarze Handtasche, die sie vorne an ihrem Oberkörper hat. Bis jetzt haben sie mich noch nicht bemerkt, weshalb ich mit einem auf mich aufmerksam machenden »Guten Morgen« näher auf die beiden Frauen zugehe. Als sie mich wahrnehmen, unterbrechen sie ihr Gespräch und schauen mich an.
»Ah, Matt, schön Sie zu sehen«, begrüßt mich Mrs Nolan, während ich mich neben Leya stelle.
»Guten Morgen, Mrs Nolan«, begrüße ich die ältere Dame, bevor ich mich an Leya wende und ein »Hi« flüstere. Dabei bemerke ich, dass sie das Geschenk trägt, das ich ihr gestern geschenkt habe. Es schaut unter ihrem Stirnband hervor.
»Hi«, flüstert sie mich anlächelnd zurück und mein Herz macht einen kleinen Satz, weil es das erste Mal ist, dass auch ihre Augen mitlächeln, und sie so noch viel bezaubernder aussieht.
Als wir uns dann wieder Mrs Nolan zuwenden, mustert sie uns aufmerksam und meint dann: »Sie beide sind wirklich ein ganz bezauberndes Paar. Und so wie Sie sich ansehen, sind Sie ganz schön verliebt ineinander. Halten Sie gut aneinander fest.«
Mit offenen Mündern stehen wir beide da und schauen sie an, weil wir mit dem, was sie gerade gesagt hat, absolut nicht gerechnet haben. Noch bevor wir etwas erwidern können, fährt Mrs Nolan fort: »Ich muss auch schon weiter, der Frisör wartet auf mich. Ich wünsche Ihnen beiden dann noch einen schönen Tag.« Dabei macht sie auf ihrem Absatz kehrt und geht davon.
Die Aussage von Mrs Nolan lassen wir beide unkommentiert und schauen ihr perplex nach. Ich räuspere mich schließlich und drehe mich zu Leya hin. Diese legt ihre Hände auf meine Taille und ihren Kopf an meine Brust. Dabei haucht sie: »Danke für die wunderschönen silbernen Schmetterlingsohrringe mit den blauen Steinen.« Nachdem ich vor lauter Überraschung wieder reagieren kann, weil dieses Mal sie mich umarmt und ich nicht darauf eingestellt gewesen bin, lege ich mit klopfendem Herzen meine Arme um sie. Dabei atme ich den Granatapfel-Duft ihrer Haare ein. So vertraut haben ihre Haare auch schon vor zehn Jahren gerochen. Manche Dinge ändern sich eben nie.
»Gern geschehen. Als ich sie gesehen habe, habe ich sofort an dich gedacht«, wispere ich und genieße ihre Nähe. Sie schaut mich nun direkt an und löst sich mit leicht roten Wangen von mir. Sie sieht echt niedlich aus. Was denke ich da nur? Sie ist niedlich, mehr als das sogar. Aber wir sind Freunde, mehr nicht. Wenn ich mir das nur immer wieder oft genug selber einrede, dann wird es bestimmt leichter, sich daran zu halten. Oder?
»Also, wollen wir los?«, möchte sie etwas verlegen wissen und reißt mich mit ihrer Frage aus meiner Grübelei.
Ich nicke, ohne etwas zu erwidern, und reiche ihr mutig meinen Arm. Ich möchte herausfinden, ob sie auch weitere körperliche Nähe zulässt. Als sie sich, ohne zu zögern, eingehakt hat, lächle ich in mich hinein, da mein Plan aufging, und wir schlendern los. Wir beschließen, zuerst zu dem Park zu gehen, in dem ich sie vor ein paar Tagen abends getroffen habe.
»Griffith Park«, liest sie das Schild am Eingang vom Park, als wir hineingehen.
»Ja, ganz genau. Er ist eigentlich ganz schön, am Tag zumindest«, sage ich zu ihr und blicke sie kurz an. Sie ist noch immer völlig entspannt bei mir untergehakt und hält meinen Arm fest. Auch wenn ein paar Lagen Stoff zwischen meiner Haut und ihrer sind, kann ich ganz deutlich ihre sanfte Berührung spüren. Und ich wünschte, sie würde mich gänzlich ohne Stoff dort und an noch anderen Stellen berühren. Nur wird das wohl leider nie wahr werden. Bevor ich vor Frustration noch aufseufze, richte ich meinen Blick wieder nach vorne und wir schlendern schweigend weiter durch den Park. Dabei kommen wir an Straßenlaternen, die am Abend den Weg in helles Licht tauchen, Bäumen, Sträuchern und Bänken, die den Weg ummanteln, und dem kleinen See in der Mitte des Parks vorbei.
»Zum Glück ist heute einigermaßen gutes Wetter«, durchbricht sie nach einer Weile unser Schweigen.
»Ja, das stimmt«, erwidere ich. Sie hat recht, wir haben wirklich Glück, da es letzte Nacht wie aus Eimern geregnet hat.
Wieder schweigend gehen wir weiter. Als wir am Ausgang sind, steht dort an der Haltestelle einer dieser roten Hop on, Hop off Busse. Sie fahren die Sehenswürdigkeiten an und man kann ein- und an einer der Sehenswürdigkeiten aussteigen und diese besichtigen. Danach kann man wieder in einen der Busse einsteigen und zu der nächsten Sehenswürdigkeit fahren.
»Wollen wir dort mitfahren?«, frage ich Leya und deute auf den roten Bus, der gerade an der Haltestelle steht, und bleibe stehen.
Sie nickt und möchte schon ihren Geldbeutel aus der Tasche holen, um das Ticket bezahlen zu können, doch ich winke ab.
»Ich übernehme das«, wende ich mich an sie.
»Aber Matt...«, erwidert sie. Doch ich höre gar nicht hin und gehe beim Fahrer des Busses zwei Tickets für uns kaufen. Sie kommt in der Zwischenzeit zu mir.
Als ich ihr ihr Ticket reiche, möchte sie mir allerdings doch das Geld dafür geben und hält es mir entgegen.
Mit hochgezogener Augenbraue schaue ich sie an. »Leya, ich nehme dein Geld nicht. Also stecke es wieder ein«, bitte ich sie und deute auf die Scheine in ihrer Hand.
»Ich möchte aber nicht, dass du heute alles bezahlst«, protestiert sie hingegen und schaut mich etwas sauer an. Doch sie sieht nicht sauer, sondern irgendwie süß aus. Aber das sage ich ihr natürlich nicht.
»Ich habe das mit heute vorgeschlagen, also werde ich auch bezahlen, und nun keine Widerrede mehr«, sage ich bestimmt zu ihr. Sie öffnet zwar ihren Mund, um etwas zu erwidern, schließt ihn aber, als ich meine Arme vor meiner Brust verschränke und ihr damit signalisiere, dass ich keine Widerrede dulde. Seufzend steckt sie deshalb ihr Geld wieder ein und schüttelt leicht mit ihrem hübschen Kopf. Natürlich könnte ich sie auch selbst bezahlen lassen, aber ich kann nicht über meinen Schatten springen und sie das tun lassen. Zudem kann ich sie wenigstens damit ein wenig verwöhnen, wenn es schon nicht auf andere Wege geht.
In der Zwischenzeit sind noch mehr Leute zu der Haltestelle gekommen, und nach einer Weile können wir in den Bus einsteigen. Wir entschließen uns, auf der oberen Etage vom Bus nebeneinander Platz zu nehmen. Dort ist alles offen und wir werden nur von einem Dach, das über uns ist, etwas geschützt. Nachdem der Bus schließlich losgefahren ist, holt Leya eine kleine Kamera aus ihrer Tasche und sie weiß gar nicht, wo sie zuerst hinschauen und fotografieren soll. So viel gibt es zu sehen - die typischen irischen Häuser mit den bunten Türen, diverse andere Parks, das berühmte Trinity College und einige Brücken, die sich über dem Liffey, dem größten Fluss in Dublin, erstrecken, als wir an ihm entlangfahren. Als wir bei der nächsten Haltestelle anhalten, beschließen wir auszusteigen.
Vor uns erstreckt sich die St. Patrick's Cathedral und Leya schaut ehrfürchtig an dem hohen Kirchturm empor. »Wow, die Kirche ist wirklich schön«, stellt sie fest und zückt ihre Kamera, um von dem aus grauen Steinen erbauten Gebäude ein Bild zu machen, als wir davorstehen.
»Ja, das ist sie. Sie ist die größte Kirche hier in Dublin und die größte Kirche in ganz Irland. Die interessantesten Merkmale befinden sich an der Außenseite der Kirche, diese geben sich in Gestalt der steinernen Wasserspeier zu erkennen. Außerdem finden sich am Mauerwerk Nachbildungen von Gesichtern, wie du sehen kannst«, erzähle ich ihr und wir gehen zum Eingang der Kirche. Als wir allerdings in die Kirche reinwollen, da sehen wir, dass sie heute leider zu ist. Deshalb steigen wir wieder in den nächsten Bus ein, der kommt, und fahren zum Guinness Storehouse. Dort entscheiden wir, uns eine Führung mitzumachen. Dabei erfahren wir, wie das Guinness entsteht, und dürfen natürlich auch etwas Guinness probieren. Das erinnert mich direkt wieder an unser zufälliges Zusammentreffen im Fotostudio, als wir zusammen ein Guinness getrunken haben. Nach der Führung fahren wir mit dem Aufzug nach ganz oben unter das Dach. Von dort hat man von der Gravity Bar, durch den Panoramablick der großen Fenster der Bar eine fantastische Aussicht über ganz Dublin. Leya steht ganz vorne an einer Scheibe und schaut in die Ferne.
»Ist alles ok?«, frage ich sie, als ich neben sie trete und ihr Gesicht mustere.
»Ja, ich kann es nur noch immer nicht fassen, dass ich wirklich hier lebe«, antwortet sie lächelnd und dreht ihren Kopf zu mir und sieht mich an.
»Das tust du aber, und ich bin froh darüber. Denn sonst wären wir uns nicht wieder begegnet«, erwidere ich leise und schaue sie ebenfalls an. Unsere Blicke treffen sich und alles um uns herum steht kurz still. Erst als plötzlich ein Kind zu weinen anfängt, lösen wir unsere Augen voneinander. Ich bemerke, wie ihre Wangen leicht rot geworden sind, und muss schmunzeln.
»Ja, das stimmt, und ich bin auch froh darüber. Komm, lass uns weiter gehen«, entgegnet sie etwas verlegen und gemeinsam verlassen wir das Guinness Storehouse, um ein Stück am Liffey entlangzuspazieren. Dabei bemerke ich, dass Leya zittert. Ich überlege hin und her, ob ich den Arm um sie legen soll oder nicht. Sie bemerkt meinen Zwiespalt und schaut mich an. »Matt, was ist? Du schaust so nachdenklich.«
»Wenn ich ehrlich bin, überlege ich gerade, ob ich den Arm um dich legen darf, weil du frierst«, gebe ich wahrheitsgemäß zur Antwort.
»Nun, du darfst«, erwidert sie schüchtern lächelnd. Ohne lange darüber nachzudenken, lege ich daraufhin den Arm um ihre Schultern und sie legt ihren Arm um meine Hüfte und schmiegt sich etwas an mich. Als wir ein Stück so gegangen sind, erreichen wir die Fußgängerzone, in der ein wildes Getümmel von Menschen herrscht. Diese laufen wir schweigend an Geschäften vorbei entlang.
»Nächste Woche ist dein Geburtstag, oder?«, fragt sie mich plötzlich und durchbricht die Stille.
Ich nicke. »Ja, am Samstag. Ich rechne fest mit deinem Kommen.«
»Nun, wenn du mich so fest eingeplant hast, komme ich natürlich«, erwidert sie schmunzelnd.
»Das freut mich, ich melde mich dann nochmal bei dir, um dir genauere Infos zu geben«, sage ich, drehe meinen Kopf zu ihr und lächle sie kurz an. Als sie dieses erwidert, setzt mein Herzschlag ganz unmännlich für einen kurzen Moment aus, ehe es danach doppelt so schnell weiterschlägt. Mich räuspernd wende ich allerdings den Blick von ihr ab und schaue wieder nach vorne. Verdammt, ihre wunderschönen blauen Augen und ihr Lächeln könnten mir echt noch gefährlich werden.
Während wir weiter die Fußgängerzone entlanglaufen, kommen wir an Konzertplakaten vorbei. Auf einmal bleibt Leya vor einem Plakat von Walking on Cars stehen. Weshalb ich, weil ich noch immer den Arm um sie gelegt habe, auch stehen bleibe.
»Oh, sie kommen im Mai hierher. Sogar an meinem Geburtstag, aber leider ist das Konzert schon ausverkauft«, flüstert sie traurig und schaut weiter das Bild der Musikgruppe an.
»Du magst ihre Musik sehr, oder?«, frage ich sie, ehe ich nachschiebe: »Aber gut zu wissen, wann du Geburtstag hast.«
»Ja, ihre Musik hat mir in den letzten zwei Jahren sehr geholfen«, sagt sie leise.
Als ich sie darauf fragend anschaue, fährt sie räuspernd fort: »Lass uns weiterlaufen«, und zieht mich an dem Ärmel meiner Jacke mit sich. Sie erwähnt immer wieder das mit den zwei Jahren. Was war da nur? Ich werde allerdings sanft aus meinen Gedanken gerissen, weil sie plötzlich, als wir an der berühmten Tempel Bar vorbeikommen, die mit ihrer roten Außenfassade, an der verschiedene Werbeschilder hängen – unter anderem von Guinness - und damit sehr auffällt, stehenbleibt. Sie löst sich von mir und schießt erst Bilder von der Bar. Dann tritt sie allerdings neben mich, zückt ihr Handy, um noch schnell ein gemeinsames Selfie von uns zu machen. Dabei drückt sie ihre Wange zaghaft an meine. Als sich unsere Haut berührt, ist da direkt wieder dieses Kribbeln, das immer dann auftaucht, sobald wir direkten Hautkontakt haben. Es rauscht in Lichtgeschwindigkeit durch meinen Körper und es breitet sich augenblicklich eine Wärme in ihm aus. Auch sie muss es gespürt haben, denn sie lächelt mich, nachdem das Foto im Kasten ist, mir in die Augen schauend, schüchtern an. Ich erwidere es und kann noch immer das warme Gefühl, das von der kurzen Berührung ausging, in meiner Wange spüren. Unsere Blicke haften gebannt aufeinander. Durch das Vibrieren ihres Handys in ihrer Hand wendet sie ihre Augen allerdings von meinen ab und schaut nach, wer ihr geschrieben hat. Ich räuspere mich und kratze mich verlegen am Hinterkopf. Scheiße, da war wieder dieses Feuer zwischen uns, wie schon so oft heute, und wir spüren es ganz eindeutig beide.
»Schickst du mir das Bild?«, frage ich sie, als sie mich wieder anschaut, um auf andere Gedanken zu kommen. Dabei gehen wir auf den Imbissstand zu, der schräg gegenüber von der Tempel Bar ist. Bei ihm wollen wir uns einen Yorkshire Pudding und eine heiße Schokolade holen, da wir so langsam Hunger haben.
»Schon passiert«, erwidert sie und steckt ihr Handy wieder ein.
»Sag mal, was machst du heute Abend?«, möchte ich von ihr wissen, als wir uns mit unseren gekauften Köstlichkeiten an einen der Stehtische neben dem Imbiss stellen.
»Heute Abend? Nichts, warum?«, fragt sie neugierig.
»Das trifft sich gut, ich werde dich dann um neunzehn Uhr abholen. Wohin es geht, ist eine Überraschung. Ziehe dich nur etwas schicker an«, gebe ich als Antwort.
»Na gut, dann frage ich mal nicht nach, was du vorhast, und bin gespannt, wo es heute Abend hingeht«, erwidert sie, ehe sie genüsslich in ihren Yorkshire Pudding beißt.
Dabei muss ich plötzlich lachen, weshalb sie mich verwirrt direkt ansieht. »Du hast da was«, flüstere ich schmunzelnd, hebe meine rechte Hand an und streiche ihr mit meinem Daumen etwas von dem Pudding, der sich in ihren linken Mundwinkel verirrt hat, weg. Sie schaut mich weiterhin, als ich meine Hand sinken lasse, mit nun großen Augen und leicht geöffneten Lippen an. Verdammt, sie sieht gerade so verführerisch aus, dass ich mich echt beherrschen muss, nicht mit meinem Daumen auch noch über ihre verlockende Unterlippe zu streifen. Da auf einmal ein Straßenmusiker, der sich neben dem Essensstand mit seiner Gitarre in der Hand hingestellt hat, auf dieser ein Lied anstimmt, löst sie ihren Blick von mir und schaut zu ihm.
Ich muss mich kurz sammeln aufgrund dieses intensiven Moments eben und räuspere mich. »Wollen wir noch ein Stück weitergehen? Mit dem Pudding sind wir ja fertig und den Kakao können wir in unseren Pappbechern mitnehmen«, schlage ich vor.
Als sie wieder zu mir sieht und mich anlächelt, muss ich hart schlucken. Ich räuspere mich nochmal kurz und schaue nun ebenfalls zu dem Straßenmusiker, ehe ich sie nicht doch noch an mich ziehe und küsse, denn das wäre gar nicht gut. Verflucht. Wie soll ich das mit dem Freundschaftsding nur durchhalten, wenn da so jemand Bezauberndes vor mir steht? Das wird eine echte Herausforderung werden. Aber ich muss sie mir und vor allem ihr zuliebe leider eingehen.
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