🦋Kapitel 10🦋
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Ich hätte vielleicht nicht so überstürzt aufbrechen sollen. Aber diese kurze Berührung hat mich wieder völlig aus dem Konzept gebracht. Und sie doch auch, das habe ich genau gesehen. Sie hat also keinen Freund, aber sie möchte nur Freundschaft mit mir, so wie ich ihr bedauerlicherweise auch nicht mehr geben kann. Eigentlich sollte ich ja damit zufrieden sein, aber warum bin ich's dann nicht? Warum fühlt es sich nicht richtig an? Und ich fühle mich so scheiße. Verdammt. Vielleicht sollte ich einfach Abstand von ihr nehmen. Aber das möchte ich nicht, gerade jetzt, wo ich sie wiedergefunden habe. Wäre sie doch nur vor ein paar Jahren in mein Leben getreten, da wäre das alles nicht so scheiß kompliziert gewesen, wie es jetzt ist. Ich sollte mich einfach nicht weiter darauf konzentrieren, wie anziehend ich sie finde. Vielmehr sollte ich mich auf unsere Freundschaft fokussieren und vor allem auf meinen Job. Ja, das sollte ich mir vornehmen. Das nehme ich mir ganz fest vor. Warum fällt es mir dann nur so schwer? Vielleicht weil mein Gefühl mir sagt, dass es ihr genauso schwerfällt wie mir, dass wir nur Freunde sind. Ich sollte ihre Entscheidung aber versuchen zu akzeptieren. Und ich sollte vor allem versuchen, noch etwas zu schlafen, morgen wird ein langer Tag. Mein Blick auf meinen Wecker zeigt an, dass es ein Uhr ist und dass ich in vier Stunden aufstehen muss, da ich um sechs Uhr am Flughafen sein sollte. Seufzend drehe ich mich auf die andere Seite und versuche, noch etwas zu schlafen.
Als mein Wecker schließlich um fünf Uhr klingelt, bin ich ziemlich müde. Ich habe kaum geschlafen, da ich natürlich weiterhin an Leya und an das, was sie gesagt hat, gedacht habe. Um ein wenig wacher zu werden, hüpfe ich unter die Dusche. Nachdem ich geduscht habe, ziehe ich mir eine helle Jeans, einen grauen Hoodie, meine weißen Sneakers und meine Lederjacke an. Danach schultere ich meinen Rucksack und hänge mir meine kleine Reisetasche um. Außerdem schnappe ich mir meinen Becher, in dem mein Kaffee, den ich mir vorher schnell gemacht habe, warmgehalten wird, zudem die kleine Box mit den Scones, die mir Leya mitgegeben hat. So vollbepackt fahre ich mit dem Aufzug von meiner Wohnung nach unten und sehe, dass mein bestelltes Taxi schon da ist.
Auf dem Weg zum Flughafen trinke ich meinen Kaffee und esse die Scones. Dabei schweifen meine Gedanken wieder automatisch zu Leya ab. Sie hat auch etwas darüber erzählt, dass irgendwas während ihres Studiums war, worüber sie nicht - noch nicht - reden kann. Was das wohl ist? Vielleicht erzählt sie es mir irgendwann mal, weil es mich schon interessieren würde, was da genau war. Und ob sie deshalb immer so traurig wirkt. Ihr Lächeln ist zwar bezaubernd, aber es erreicht nie ihre Augen und wirkt auch oft erzwungen. Zudem sieht sie nahezu immer so erschöpft aus.
»Ok, wir sind da, das macht dann fünfzig Euro«, reißt mich der Taxifahrer plötzlich aus meinen Gedanken. Als ich aus dem Fenster blicke, sehe ich, dass wir tatsächlich schon am Flughafen sind. Ich drücke ihm die fünfzig Euro, die er verlangt, in die Hand, murmele ein »Danke« und steige aus. Nachdem ich meine Sachen aus dem Kofferraum geholt habe, trete ich um Punkt sechs Uhr durch den Eingang meines Terminals, von wo ich abfliege. Von Weitem sehe ich schon Violet am Check-in-Schalter der Fluggesellschaft, mit der wir fliegen, stehen. »Guten Morgen«, brumme ich, als ich vor ihr stehe.
»Guten Morgen, Matt. Komm, lass uns einchecken, der Flieger geht in knappen zwei Stunden«, erwidert sie und dreht sich zum Check-in-Schalter um.
Da das Einchecken und die Sicherheitskontrolle relativ zügig verlaufen, haben wir vor unserem Abflug noch etwas Zeit, weshalb ich mich dazu entschließe, Leya eine Nachricht zu schreiben, nachdem wir vor unserem Gate in dem Wartebereich Platz genommen haben. Auch weil ich meinen Abgang von gestern im Nachhinein doch ganz schön blöd finde.
*Guten Morgen, ich hoffe, ich wecke dich nicht? Hat sich Nuala die Nacht benommen? Ich warte gerade im Flughafen auf meinen Abflug*, tippe ich ein und schicke die Message an sie.
Die Antwort von ihr lässt nicht lange auf sich warten und mein Handy vibriert schon nach kurzer Zeit in meiner Hand, wo ich es noch immer halte.
Ich entsperre den Bildschirm und direkt wird mir die Antwort von Leya angezeigt. *Guten Morgen, nein, du hast mich nicht geweckt. Ja, sie hat sich sehr gut benommen. Du hast mir nur vergessen zu sagen, dass sie gerne im Bett mitschläft. Musst du noch lange auf deinen Abflug warten?*
Shit, das mit Nuala hatte ich total vergessen zu erwähnen. *Oh Mist, stimmt. Ich hoffe, das hat kein Problem dargestellt? Nein, in circa dreißig Minuten geht es los.*
*Nein, es war kein Problem. Sie durfte natürlich bei mir im Bett schlafen. Ok, dann wünsche ich dir einen guten Flug. Ich muss mal mit Nuala raus*, tippt sie zurück und ich muss schmunzeln. Nuala hat Leya also schon um ihre Pfote gewickelt.
*Danke, ich melde mich dann nochmal, wenn ich gelandet bin. Bis später*, schreibe ich noch, ehe ich mein Handy ausschalte und in meinen Rucksack packe.
Während ich anschließend aufsehe, schaut mich Violet mit hochgezogener rechter Augenbraue und mit vor der Brust verschränkten Armen an. »Was gab es denn so Wichtiges, dass du schon so früh am Morgen mit jemandem schreibst? Das ist ungewöhnlich für dich, dass du dich derart zeitig deinem Handy dermaßen intensiv widmest«, sagt sie ziemlich schnippisch zu mir.
»Nuala hat einen neuen Hundesitter und mit dem habe ich geschrieben, und ansonsten wüsste ich nicht, was es dich angeht, mit wem ich schreibe«, entgegne ich etwas sauer, weil ich nicht wüsste, für was ich mich rechtfertigen sollte.
»Ist ja schon gut. Mich hat es nur gewundert«, erwidert sie und steht auf, da das Boarding beginnt.
Ich erhebe mich ebenfalls und folge ihr. Knappe zwei Stunden später sind wir nach einem ruhigen Flug in London gelandet. Ich hatte die meiste Zeit meine Kopfhörer im Ohr und habe Musik gehört, zudem habe ich ein wenig Schlaf nachgeholt. So hat mich Violet überwiegend in Ruhe gelassen. Ich hätte es nicht ertragen, wenn sie mich während des gesamten Fluges vollgetextet hätte. Als wir an der Gepäckausgabe stehen und auf das Gepäck warten, hole ich direkt mein Handy aus meinem Rucksack, schalte es an und schreibe unmittelbar Leya, dass ich gut gelandet bin. Als Violet mich darauf wiederholt komisch anschaut, packe ich mein Handy wieder weg. Ich habe keine Lust, mich erneut ihren blöden Fragen zu stellen.
Am Abend, als ich nach einem anstrengenden Fotoshooting für eine Unterwäsche-Kampagne in meinem Hotelzimmer bin, piept plötzlich mein Handy. Als ich darauf blicke, muss ich lächeln, da Leya sich endlich gemeldet hat. Mit einem Grinsen im Gesicht öffne ich ihre Nachricht und lese sie. Vielleicht werden die zwei folgenden Abende hier in London doch nicht so langweilig, wenn ich mit ihr abends texten kann.
Pünktlich gegen fünfzehn Uhr landen Violet und ich am Freitagnachmittag wieder in Dublin. Die letzten zwei Tage waren wirklich sehr anstrengend, durch Shootings und Meetings. Aber die Abende waren dafür immer ein Lichtblick. Nachdem sich Leya vorgestern gemeldet hatte, haben wir noch länger miteinander getextet. Wir haben uns von unserem Tag berichtet, und sie hat mir außerdem noch von Nuala erzählt. Gestern Abend haben wir auch wieder miteinander geschrieben. Noch vom Taxi aus, das mich zu meiner Wohnung fährt, schreibe ich Leya, dass ich gut gelandet bin. Violet fährt diesmal mit dem gleichen Taxi wie ich zurück, aber da sie vorne neben dem Fahrer sitzt, bekommt sie zum Glück davon nichts mit, weil sie mir sonst nur wieder einen komischen Blick zuwerfen würde.
Nachdem das Taxi erst Violet zu ihrem Apartment gebracht hat, bringt es mich nach Hause. In meiner Wohnung angekommen, öffne ich erstmal meine Fenster, um durchzulüften, und packe meine dreckige Wäsche in die Waschmaschine. Danach nehme ich eine Dusche und ziehe mich um. Als ich im Anschluss auf die Uhr schaue, ist es kurz vor achtzehn Uhr. Ich ziehe mir meine Jacke und Schuhe an, schnappe mir meine Wohnungsschlüssel und mache mich zu Fuß zu der Wohnung von Leya auf. Wir haben verabredet, dass ich zwischen achtzehn und achtzehn Uhr dreißig Nuala abhole. Somit stehe ich nach einem fünfzehnminütigen Fußmarsch vor ihrem Wohnhaus. Dabei fällt mir, als ich gerade klingeln möchte, eine ältere Dame auf, die sich mit ihren Einkaufstaschen abmüht.
»Mrs, kann ich Ihnen helfen?«, spreche ich sie freundlich an und deute auf ihre Taschen.
»Oh, das wäre wirklich sehr nett von Ihnen, junger Mann«, antwortet sie lächelnd und mustert mich.
Ich schnappe mir darauf ihre Taschen und bemerke, dass sie eindeutig zu schwer für eine ältere und zierliche Dame, wie sie eine ist, sind. Nachdem sie die Haustür aufgeschlossen und vor mir das Haus betreten hat, wende ich mich an sie: »In welchen Stock müssen Sie denn?«
»In den dritten. Und Sie?«, möchte sie neugierig wissen.
»Das trifft sich gut, ich auch«, erwidere ich lächelnd.
Sie schaut mich darauf mit hochgezogener Augenbraue an und geht vor. »Wollen Sie zu Miss Walsh?«, fragt sie mich, während wir die Treppe herauflaufen, hörbar interessiert.
»Ja, ganz genau«, gebe ich zur Antwort. Sie scheint Leya wohl zu kennen.
»Sie ist wirklich eine ganz bezaubernde junge Dame. Nur sieht sie ganz oft so traurig aus. Aber es freut mich, dass sie einen so netten und hilfsbereiten jungen Mann wie Sie kennt. Vielleicht findet sie durch Sie ja ihr Lächeln wieder?«, erwidert sie geradeheraus.
Aufgrund ihrer Aussage bin ich erstmal sprachlos, ehe ich mich räuspere. »Vielleicht«, sage ich kurz angebunden und gehe weiter hinter ihr her. Der Dame ist es also auch aufgefallen, dass Leya oft so traurig wirkt - somit bin ich nicht der Einzige, der das bemerkt hat.
Als wir im dritten Stock angekommen sind, bleibt die Frau vor der Tür genau gegenüber von Leyas Wohnung stehen und dreht sich zu mir um. »Vielen, vielen Dank, Sie haben mir wirklich sehr geholfen, junger Mann.«
»Kein Problem. Bitte nennen Sie mich Matt«, erwidere ich und stelle mich ihr vor.
»Ok, Matt, ich bin Mrs Nolan«, stellt sie sich mir ebenfalls vor. »Ich wünsche Ihnen beiden dann noch einen schönen Abend. Sie passen wirklich gut zu Miss Walsh«, sagt sie noch zwinkernd, ehe sie ihre Tür aufschließt, mir ihre Taschen abnimmt und in ihrer Wohnung verschwindet.
Etwas perplex stehe ich kurz da, denn mit der Aussage, dass ich gut zu Leya passe, habe ich nun nicht gerechnet. Nachdem ich mich gesammelt habe, drehe ich mich um und klopfe an Leyas Wohnung an.
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