Mittlerweile ist einige Zeit vergangen. Für die Aufgabe, die Tyler, Emilia und Zac vorgetragen hatten, erhielten sie mehr Punkte als gedacht. Es erfreute Tyler immens, denn es verbesserte seine Lage, dennoch blieb das Ziel es unter die besten Fünf aus der eigenen Klasse zu schaffen extrem schwierig. Es ist genau so, wie Professor Klant es zu anfangs gesagt hatte. Es unter die besten Fünf aus der eigenen Klasse zu schaffen stellt schon eine gewaltige Herausforderung dar, doch unter den Besten Fünf des gesamten Jahrgangs war schon utopisch. Doch die damit einhergehende Belohnung direkt in den Stand eines Magistas erhoben zu werden, war für alle jungen Magis ein ganz besonderer Reiz.

Tyler erfuhr immer mehr warum die Schule des Nordens als die beste Magista-Schule Urs galt. Es wimmelte regelrecht von begabten Magis und Magistas aus älteren Jahrgängen. Die meisten Punkte für ihren Vortrag erhielten Ken, Cynthia und Morgana. Die Drei, Zac und Emilia gelten aus seiner Sicht, als die Besten der Klasse. Seit dem Vortrag, hatte sich Emilia mehr von ihm und Zac distanziert. Sie sprachen nicht mehr so häufig mit einander, nur gelegentlich wechselten er und Emilia paar belanglose Sätze miteinander. In der vergangenen Zeit half er oft in der Schenke aus. Er schnappte das ein, oder andere Gerücht über verschiedene Dinge aus, jedoch nichts was seine Aufmerksamkeit stark erregte. Er lernte, dass viele Gäste, wenn sie gut betrunken waren gerne Geschichten erzählten, wovon die Meisten frei erfunden waren. Es half den Gästen wohl dabei sich zu entspannen und den Stress des Alltags loszuwerden.

Das anstehende Turnier der Schulen und die Himala waren jedoch weiterhin ein beständiges Thema in der Schenke der Freundschaft. Jedes Mal wenn Tyler Gäste darüber reden hörte, erinnerte es ihn an seine Vergangenheit. Seine Region Magnolia, die nicht mehr existierte, seine Eltern und Freunde, die er beim Wüten des Drachen verlor. Er ging oft zur Stadtbibliothek um im Buch „Führung der Ersten" zu lesen. Die Buchmeister wussten nun alle das Tyler würdig war dieses Buch lesen zu können. Auch sie waren von dem Mysterium fasziniert, das ein unspektakulärer junger Magi würdig war. Trotz allem Erstaunen und Rätselraten gehorchten sie der Order Odins nichts davon nach außen zu tragen. Bei seinen häufigen Besuchen lernte er auch weitere Buchmeister kennen, mit denen er einige nette Unterhaltungen führte. Die Stadtbibliothek wurde für ihn, nach der Schenke zu einem angenehmen Ort, ein Ort an dem er hoffte weitere Antworten darüber zu bekommen, wie man den Schwarzgeflügelten zu töten vermochte. Doch das Buch gewährte ihm in all dieser Zeit keine neuen Inhalte, die ihn wirklich interessierten. Es frustrierte ihn sehr. Doch er hatte den festen Glauben eines Tages die Antworten zu erhalten, die er so dringend suchte.

Auch an diesem Tag geht Tyler nach der Schule in die Stadtbibliothek. „Herein", bittet Odin, als Tyler an die Türe des Oberbuchmeisters klopft.

„Guten Tag, Tyler. Drängt es dich heute wieder dein Wissen zu vermehren?"

„Guten Tag, Oberbuchmeister. Ich kann mir vorstellen, dass Sie es satt haben mich zu sehen.", sagt er mit einem breiten Grinsen. Es ist deutlich zu spüren, dass die Beiden eine menge Zeit miteinander verbracht hatten. Ihr Umgang miteinander ist vertrauter geworden. „Nicht doch, nicht doch. Ich begrüße deinen Wissensdurst. Lass dich von mir nicht stören.", erwidert Odin.

Tyler macht es sich am Boden gemütlich und schlägt das Buch auf. „Sagen Sie mal. Sind die Buchmeister auch im Umgang mit dem Joud geschult?", fragt er nachdem er eine zeitlang gelesen hat.

„Wie kommst du denn auf die Frage? Hast du etwas über Buchmeister im Buch entdeckt?", fragt Odin scherzend.

„Nein, das nicht. Ich wollte das schon länger fragen, habe es aber dann immer wieder vergessen.", sagt Tyler und schlägt das Buch zu.

„Unsere primäre Aufgabe besteht wie du bestens weißt darin Dinge zu wissen. Und mit unserem Wissen dem Kaiser und dem Volk zu dienen. Das Joud ist eine komplexe Materie. Es werden noch viele Bücher dazu geschrieben werden und eine völliges Begreifen des Jouds ist noch in weiter ferne, falls dies überhaupt erreicht werden kann. Doch um ein besseres Verständnis zu gelangen müssen alle Buchmeister mit Magistralen Zaubern umgehen können. Sie müssen spüren wie das Joud in ihnen fließt, wie es sich an fühlt, wenn man an der Magistralen Grenze steht, welche Möglichkeiten es einem verleiht und noch viele Dinge mehr. Daher ist auch jeder Buchmeister kampferprobt.", antwortet Odin.

„Interessant. Das hätte ich jetzt so nicht gedacht."

„Wieso, weil wir so harmlos aussehen?

„Ja...so in der Art. Ich meine, wenn ich die Buchmeister sehe, wirken alle so in sich gekehrt. Wenn man mit ihnen spricht, merkt man das sie eine Menge wissen. Aber nichts deutet darauf hin, dass sie auch gute Magis sein könnten." Odin fängt an tief zu lachen.

„Magis? Lass mich deine Wissenslücke füllen. Um ein Buchmeister werden zu können, muss man im Stand eines Magistas sein. Es gibt keinen Buchmeister, der ein Magi ist." Tyler wirkt überrascht, damit hätte er nie und nimmer gerechnet.

„Tut mir Leid, aber dort wo ich herkomme waren Buchmeister auch im Stand eines Magi, nicht wirklich begabt im Umgang mit Magistralen Zaubern."

„Ich bin mir dessen bewusst. Die Region Magnolia, ist eine der wenigen Regionen in unserem Kaiserreich, die keinen großen Wert darauf legte, fähige Magistas, oder Magistrate auszubilden. Hier sind wir jedoch in Lumia, des Kaisers Stadt. Hier stehen die Dinge ganz anderes, müssen sie aber auch."sagt Odin. Tyler saugt jedes Wort das aus dem Munde des Buchmeisters strömt wissbegierig auf.

„Komm ich will dir etwas zeigen.", sagt Odin. Tyler folgt dem Oberbuchmeister hinaus aus dem Zimmer. Sie gehen eine Etage tiefer, dort wo sich die großen Bücherregale erstrecken. Odin führt Tyler zwischen zwei Regalen hindurch. Er denkt, dass ihm der Oberbuchmeister vielleicht seine Lieblingssammlung zeigen möchte, oder etwas in der Art. Er merkt, dass die Bibliothek noch größer ist als er anfangs angenommen hat. Sie erreichen eine Türe, eine steinerne Treppe führt nach unten. Es wird mulmig in Tylers Magengegend. „Wir sind gleich da.", sagt Odin und steigt die Treppe hinunter. Im unteren Stock führt ein schmaler Gang zu einer weiteren hölzernen Türe. „Hier wären wir.", sagt Odin und öffnet die Türe.

Was Tyler erblickt lässt seinen Atem kurz stocken. Ein Kampffeld, ähnlich wie in der Schule, doch deutlich größer. An den Seiten befinden sich Halterungen an denen verschiedene Kampfwerkzeuge stecken. Doch was seine Aufmerksamkeit am Meisten gefangen nimmt, sind die Buchmeister die dort am trainieren sind. Tyler wusste nicht einmal das es so viele von ihnen gibt. Auch das sich unterhalb der Bibliothek solch ein Kampffeld befindet wäre ihm niemals in den Sinn gekommen. Einige Buchmeister sitzen meditierend an einem Fleck, andere führen Sparringskämpfe aus, wiederum üben andere die Zielgenauigkeit ihrer Magistralen Zauber. Die Kräfte, die durch diesen Raum jagen, sind auf einem deutlich höheren Niveau. Dagegen ist das, was er und seine Klasse bis jetzt im Unterricht geliefert haben nichts. Dagegen ist selbst Emilia nichts. Auch Jorkin befindet sich dort. Mit nackten Oberkörper, an dem dicke Schweißperlen hinunter laufen. Tyler hätte nicht gedacht, dass sich unter dem weiten Gewand, sich solch athletischer Körper befindet, wie es bei Jorkin der Fall ist. Aber auch andere Buchmeister weisen einen muskulösen Körperbau auf. Jorkin sammelt seine Gedanken für einen Zauber. Er führt eine geschmeidige Bewegung mit der Hand aus und ein dunkler, sichelförmiger Bogen trennt, die Köpfe von Übungspuppen auf einen Schlag. Dies war definitiv ein unbasicher Zauber denkt sich Tyler. Aber ein für ihn ziemlich merkwürdiger.

Odin schaut Tyler im Augenwinkel an, der jedoch auf ihn verhältnismäßig unbeeindruckt wirkt. „Hier verbringen die Buchmeister ihre Zeit um magistral fit zu bleiben. Jeder Einzelne verfügt über Fähigkeiten, die einem Magista entsprechen.", sagt Odin und führt Tyler an der Seitenwand entlang. „Du musst wissen, alleine das Buch „Führung der Ersten" ist es Wert einen Krieg anzufangen. Das Wissen darin ist ein Goldschatz, wonach alle Reiche begierig lechzen. Aktuell herrscht Frieden zwischen den Reichen, doch auch das kann sich schnell ändern. Nicht nur die kaiserliche Garde, sondern auch wir Buchmeister, stehen unserem Reich nicht nur mit unserem Wissen, sondern auch mit unserer Stärke zur Seite.", sagt Odin.

„Aber wenn hier unten trainiert wird, müssten das die Besucher der Bibliothek nicht merken? Ich mein, die Kraft der Magistralen Zauber der Buchmeister hier ist gewaltig."

„Euer Trainingsraum in der Schule ist doch von einem Joud absorbierenden Zauber geschützt nicht wahr?"

„Genau, das ist er."

„Genau den selben Schutz haben wir hier auch."

„Verstehe. Ich muss schon sagen, dieser Zauber ist wirklich praktisch." Ein Schmunzeln umalt Odins Lippen.

„Das freut mich zu hören.", sagt er. Tyler schaut leicht verwirrt.

„Wieso freut sie das?", fragt er.

„Ich habe diesen Zauber erfunden!". Sagt. Odin.