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Band 1 - von Menschen und Dämonen

Kapitel 1:

Sam hetzt durch die dunklen Straßen. Erneut läuft dem jungen, zierlichen Mann ein Schauer über den Rücken und er schaut sich nervös um, doch da ist niemand. Trotzdem ist er sich sicher, dass er verfolgt wird, beobachtet. Er legt noch einen Zahn zu. Seine Lungen brennen und er weiß, dass er nicht mehr lang aushalten kann.

Endlich erreicht er sein Ziel, den sicheren Hafen. Keuchend und schnaubend zieht er die Schlüssel aus seiner Hosentasche um das Tor aufzuschließen und sich durch das eiserne Gitter zu drängen, sobald der Spalt groß genug ist um ihn hindurchzulassen. Erst als das Schloss mit einem metallenen Klicken verkündet, dass er in Sicherheit ist, erlaubt er sich eine kleine Pause.

Viele würden den Gang die Allee hinauf zum finsteren Haupthaus als ebenso furchteinflößend betrachten, doch Sam kann darüber nur lachen. Nirgendwo ist er so sicher, wie auf seinem eigenen Grundstück.

Kapitel 2:

Ich beobachte den jungen Mann, wie er durch die Straßen hetzt und auf seinem Grundstück verschwindet, auf dem er sich in Sicherheit wähnt. Ich verfolge ihn jetzt schon seit Tagen und muss fast darüber lachen, weil er die Gefahr für gebannt hält, nur weil sich das Tor hinter ihm fest verschließt.

Es überrascht mich nicht, dass meine harmlose menschliche Gestalt in dieser Welt für Angst und Schrecken sorgt, während der Dämon in der parallelen Dimension eher als harmlos eingestuft und gern übersehen wird. In der Menschenwelt besitze ich keine magischen Fähigkeiten oder übersinnlichen Kräfte. Um unbehelligt zu bleiben ist es daher wichtig, groß und gefährlich zu wirken. Ich bin ein riesiger, dunkler Muskelprotz, der in den Schatten steht und Menschen beobachtet. Man geht mir lieber aus dem Weg als sich mit mir anzulegen.

In der anderen Dimension hingegen besitze ich große Macht und noch größeren Einfluss. Beides Dinge, die jede finstere Gestalt anlocken würden. Mein unscheinbares Aussehen sorgt daher für die gleiche Reaktion. Ich beobachte, wie der Mann die Auffahrt hinauf verschwindet, dann konzentriere ich mich auf das verschlossene Tor.

Kapitel 3:

Der junge Mann streift seine Schuhe ab, greift nach der Tasche mit seinen letzten Einkäufen und begibt sich hinab in den Keller. Dort befindet sich bereits ein Pentagramm, das er mit roter Kreide auf den Boden gemalt hat. Teelichter sind an strategischen Punkten aufgestellt, bereit entzündet zu werden und ein kleiner Grill steht in der Mitte.

Sorgsam beschriebene Blätter warten zusammengeknüllt darauf, verbrannt zu werden. Vorsichtig darauf bedacht, die Linien auf dem Boden nicht zu zerstören, begibt er sich zu der provisorischen Opferschale, um die eingekauften Kräuter und Hölzer darüber zu schichten und alles mit einem Ofenstreichholz anzuzünden. Als das Feuer freundlich lodert und die Kräuter beginnen, ihren Duft zu verbreiten, lässt er noch ein Stück Stoff in die Flammen fallen, bevor er sich wieder außerhalb des Pentagramms begibt.

„Ich beschwöre dich, mein Liebster, komm zu mir zurück!", beginnt Sam zu murmeln.

Kapitel 4:

Ich brauche keine magischen Fähigkeiten, sondern nur das Werkzeug eines Schlüsseldienstes, um das Tor in Sekunden zu öffnen und dem Mann hinterher zu eilen. Auch die Haustür hält mich nicht auf. Durch die Verbindung zu meinem Dämon spüre ich, dass etwas an den Grenzen rüttelt, die diese beiden Dimensionen trennen soll. Daher weiß ich, wo ich suchen muss und schleiche mich die Treppe hinab. Eine Beschwörung ist ein deutliches Indiz, dass dieser Kerl ein Teil des Problems ist, das ich zu lösen habe. Aber ob er der Auslöser oder der Anker ist, muss ich noch herausfinden.

Im Keller angekommen, bleib ich im dunklen Türrahmen stehen und beobachte das Ritual. Es ist lächerlich und hat absolut keine Macht. Ein Spiel, das die Menschen spielen, eine Phantasie, die sie ausleben, ohne zu wissen, was sie tun.

Dennoch ist hier eine Macht am Werk, die von der anderen Seite wirkt und ein Loch in die Trennwand der Dimensionen brennt.

Kapitel 5:

Sam kann es spüren, er ist nicht mehr allein im Raum. Augen, die ihn beobachten, eine körperliche Präsenz, doch dies ist nicht sein erster Beschwörungsversuch und er weiß, wenn er seine Augen zu früh wieder öffnet, bricht der ganze Zauber zusammen. Heute wartet er geduldig auf das, was ihm in seinen Träumen mitgeteilt wurde.

„Ein Gefühl, als ob jemand dein Herz ergreift und es fest hält, eine innere Kälte, die dir eine Gänsehaut verpasst und Elektrizität, die dir die Haare zu Berge stehen lässt. Dies sind die Anzeichen dafür, dass ich wieder bei dir bin. Rufe mich und ich werde kommen und dich nie wieder verlassen."

Heute vor einem Jahr ist sein Ehemann verstorben und noch in derselben Nacht haben ihn die Träume zum ersten Mal heimgesucht. Heute muss es einfach klappen.

Kapitel 6:

Endlich, der Auslöser überwindet die trennende Mauer und zieht sich näher und näher an den Anker. Gleich werde ich sehen, wer es ist und dann kann ich endlich handeln und die Gefahr, die beiden Welten droht, vernichten. Die Luft beginnt zu flimmern, die Teelichter entzünden sich und im Rauch, der aus dem Grill empor steigt, erscheint das Antlitz eines singenden Engels. Wie theatralisch, doch die Show ist mir egal. Suchend wandern die Augen des Wesens durch den Raum, ohne Zweifel darauf wartend, dass der Beschwörer endlich seine eigenen öffnet und die Verbindung zwischen beiden Welten herstellt. Doch dies wird nicht geschehen, ich werde das zu verhindern wissen.

In wenigen Schritten bin ich bei dem jungen Mann und halte ihm mit einer Hand die Augen zu, während ich den anderen Arm um seinen zierlichen Körper schlinge, um ihn an jeglicher Gegenwehr zu hindern. „Scheiße, Thorne!" Die Stimme aus der anderen Dimension hat auf einmal nichts Engelhaftes mehr an sich. „Yehudiah, ich hatte also recht."

Kapitel 7:

Sam verspannt sich in dem festen, aber nicht schmerzhaften Halt des Mannes hinter ihm. Er ist größer, muskulöser, beeindruckender, als sein verstorbener Partner, aber darauf hatte man ihn in seinen Träumen ebenfalls vorbereitet. Natürlich, der Körper seines Partners wurde verbrannt und beerdigt. Nur in Filmen kommen die Seelen mit denselben Körpern wieder. Er schaudert, denn dieser Mann, der ihn hält, besitzt eindeutige körperliche Vorteile. Wenn er jetzt noch die süße Seele und die innige Liebe seines Seelenpartners enthält, kann er selbst endlich wieder glücklich werden. Er lehnt sich zurück, lässt sich in den festen Griff sinken und von ihm halten.

Yehudiah, hört er eine dunkle, raue Stimme sagen und ist endlich sicher, dass sein Vorhaben geglückt ist. Nur der Engel der Trauer, der die Menschen ins Jenseits und ins Paradies begleitet, ist fähig, sie von dort auch zurückzubringen. „Silvio", seufzt er. „Endlich habe ich dich wieder."

Kapitel 8:

Der Engel erkennt, dass er erwischt wurde und versucht, sich so schnell wie möglich in seine Dimension zurückzuziehen und zu verstecken. Ohne Augenkontakt mit dem Anker kann er nicht komplett in diese Welt und ohne Rückzug wird es ihm nicht gelingen, sich meinem Zorn als Wächter zu entziehen. Doch das Loch, durch das er den Übergang wagen wollte, ist nur winzig und in seiner Hektik hängt er schon bald ganz fest.

Ich schicke meinen Dämonenkörper in der anderen Dimension los und wende mich dann dem jungen Mann zu, beuge mich über ihn und küsse ihn leidenschaftlich, bevor ich ihn in meine Arme hebe und aus dem Keller trage. Sam klammert sich an mir fest. Als er seine Augen öffnet, schaue ich ihm tief hinein und fessele seine Blicke an mich. Mein Körper versperrt ihm jeden Blick zurück und kurz darauf sind wir in seinem Zimmer. Ich lasse den wimmernden Mann sanft auf dem Bett nieder und, als dieser nach mir greift, mich von ihm zu einem weiteren tiefen Kuss hinab ziehen.

Kapitel 9:

Dieser Mann ist heiß und weiß, wie er einen anderen Körper zum Schwingen bringt. Sam schließt die Augen und gibt sich der Lust hin, die ihn durchfährt. Die innere Kälte der Beschwörung wird durch Hitze ersetzt, der Herzschmerz gegen Schmetterlinge im Bauch eingetauscht. Heiße Küsse über seine Haut, Zungenspiele an seinen erogenen Zonen und schließlich purer, heißer, hemmungsloser Sex. Wie alles andere ist auch der harte Schaft, der ihn erobert, größer als gewohnt, doch kann sein Freund jetzt viel besser damit umgehen. Ausdauernd und intensiv ist das Erlebnis und als ihn der Höhepunkt in andere Sphären katapultiert, hört er eine Stimme, die wie die aus seinen Träumen klingt.

„Sam, es war schön dich noch einmal im Arm zu halten, aber du musst mich loslassen. Ich bin nicht mehr für diese Welt bestimmt und auf dich wartet neues Glück. Danke, dass du mich so liebst. Zeig mir deine Liebe nun, indem du mich loslässt. Es geht mir gut hier und ich will, dass du ebenfalls wieder glücklich wirst. Mit jemand anderem. Versprich es mir."

Sam ist zu müde, um sich zu wehren und er erkennt die Wahrheit. „Ich verspreche es!", murmelt er, dann sinkt er in tiefen Schlaf.

Kapitel 10:

Ich bringe meinen menschlichen Körper in das sichere Versteck. Es ist nicht ganz richtig, wenn ich behaupte, ein Mensch wie jeder andere zu sein. Super Agent Frank Throne hat ein paar ganz besondere Tricks auf Lager und einer davon ist die Fähigkeit, nicht zu altern. Da meine Seele mit beiden Körpern in den getrennten Dimensionen verbunden ist, altert keiner meiner Körper. Ich bin in beiden Welten unsterblich und ich bin der einzige, der zwischen den Welten hin und her springen kann.

Ich bin der Wächter der Dimensionsgrenze und dafür zuständig, Fehler auszumerzen und grenzübergreifende Verbrechen aufzudecken und zu ahnden.

Mit dem Wink meines kleinen Fingers ziehe ich in meiner dämonischen Form den Engel zurück in seine Welt und ein Augenblinzeln später liegt er in magischen Fesseln. Als er mich sieht, reißt er überrascht die Augen auf. „Du bist Charon, nur ein alter Fährmann, wie kannst du Thorne sein?" Ich lächle sanft, was hier die selben Auswirkungen hat wie ein sardonisches Lächeln in der Menschenwelt.

„Yehudiah, du wurdest überführt und verurteilt. Zur Strafe bekommst du, was du dir gewünscht hast." Er beginnt zu zittern, denn er weiß, was das zu bedeuten hat. „Ich schwinge das Zepter des Urteils, das mir verliehen wurde, um in dieser Dimension die gerechten Strafen zu überbringen, und der Engel sinkt leblos zu Boden. Er ist tot und sein Körper zerfällt, wie es hier üblich ist, vor meinen Augen zu Staub.

Wenn er in der Welt der Menschen wiedergeboren wird, werden alle Erinnerungen an seine früheren Leben vernichtet sein und er wird geboren und aufwachsen als einer von ihnen. Und erst, wenn er dort das Zeitliche segnet, wird er wieder hierher kommen, doch auch hier wird er dann ein Neugeborener sein.

Kapitel 11:

Als Sam am nächsten Morgen erwacht, fühlt er sich erholt und ausgeschlafen und glücklich. Er steht auf, wäscht sich, zieht sich an und erinnert sich nur langsam daran, dass er alleine ist. Dass sein Mann starb und ihn allein zurückgelassen hat. Doch zum ersten Mal bringt ihn der Gedanke daran nicht um. Dumpfe Erinnerungen an komische Träume kommen ihm in den Sinn, doch als er auf der Suche nach Erkenntnissen den Keller betritt, findet er nur die Kisten mit den eingelagerten Dingen seines Gatten vor. Der Grill steht kühl und verstaubt in einer Ecke.

Da er nichts zu Essen im Haus hat, macht er sich auf den Weg ins nächste Café für ein Frühstück. Alle Tische sind belegt und er will schon wieder umdrehen, als ihm ein Mann in der Ecke auffällt, der ihn anlächelt und dann freundlich herbei winkt. „Hier ist noch Platz", bietet er an und Sam lächelt zurück. „Das ist nett, vielen Dank. Ich heiße übrigens Sam."

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