Jungkook POV

Später am Abend hatte sich meine Rastlosigkeit, die ich seit Jimins Weggang aus der Bibliothek verspürte, wieder gelegt. Kaum war er aus meinem Sichtfeld verschwunden gewesen, konnte ich irgendwie keinen klaren Gedanken mehr fassen. Dass mein Herz bei jedem wiederkehrenden Gedanken an Jimins hübschen Lächeln angefangen hatte verräterisch schnell zu schlagen, hatte das Ganze auch nicht besser gemacht.

Mit einem entnervten Seufzen und mein Unizeugs wieder in die Tasche werfend, war ich schließlich wieder aus der Bibliothek nach Hause geflüchtet. Dort hatte ich erstmal alles von mir geworfen und war duschen gegangen. Das half in den meisten Fällen und ich konnte so meine Gedanken wieder ein bisschen sortieren.

Ich hatte Jimin zum ersten Mal am Montag im Café getroffen, und weil mich der Gedanke an ihn nicht losgelassen hatte, war ich gestern noch einmal dort gewesen. Wir hatten uns erneut gesehen, uns gegenseitig unsere Namen verraten und uns für heute, Mittwoch, verabredet. Zuerst war er nicht aufgetaucht, aber auch nur, weil er vergessen hatte, dass seine Schule heute zur Besichtigungswoche unserer Uni kommen würde. Zum Glück waren wir uns dann doch noch begegnet...

Er ist achtzehn, Du bist dreiundzwanzig... er kommt aus einer wohlhabenden Familie, Du aus der Mittelschicht...

Trotzdem hat Jimin nichts dagegen einzuwenden, Du auch nicht...

Und dann haben wir geredet, ein paar Witze über die Schule gemacht und nachdem der Vortag -den er geschwänzt hatte, um mich überhaupt erst in die Bibliothek begleiten zu können- beendet gewesen war, habe ich Jimin meine Handynummer gegeben.

Während meiner inneren, gedanklichen Auflistung räumte ich ein bisschen in meiner kleinen Wohnung auf und bereite meine Materialien für den morgigen Tag in der Uni vor. Danach ging es mir besser und das Chaos in meinem Kopf verschwand allmählich. Den letzten zu erledigenden Rest der schriftlichen Hausarbeit verschob ich auf morgen Nachmittag. Ein Tag vor Abgabe war das zwar sehr gewagt, aber nach dem heutigen Nachmittag war ich dazu einfach nicht mehr in der Lage.

Meine Noten waren gut und immer in einem sicheren Bereich, also konnte ich das auch mit meinem Gewissen vereinbaren. Zum Abendessen kochte ich mir schließlich Ramen und checkte mein Handy.

Ob Jimin mir schon geschrieben hatte?

Er hatte. Schnell öffnete ich die Nachricht.

° Hi Jungkook, hier schreibt Jimin!

Hey Jimin! Gab es Ärger wegen heute Nachmittag? °

° Nein, dank Tae hat der Lehrer gar nicht weiter gefragt :)

Welche Ausrede hat er denn benutzt? °

° Dass ich Probleme mit der Verdauung hätte ^^

Und, hast Du? °

° Zum Glück nicht, andernfalls wäre ich nicht so lange in der Bibliothek gewesen :D

Das stimmt. Bist Du dann gut nach Hause gekommen? °

° Ja, das schon. Meine Eltern haben gefragt, wie es war und diese Fragerei nervt manchmal.

Ich überlegte kurz, ob ich ihn nach seinen Eltern fragen sollte. Denn für mich klang es so, als sei er momentan nicht sonderlich gut auf diese zu sprechen.

Hat es was damit zu tun, dass sie so... fürsorglich sind, wie Du vorhin meintest? °

° Ja... sie achten auf jede Kleinigkeit. Ich darf mich nur mit Tae treffen, auf Partys schon gar nicht und den Großteil meiner Freizeit verbringe ich in meinem Zimmer.

Das klingt tatsächlich sehr einengend. Hast Du sie mal nach dem Grund gefragt? °

° Nein... ich habe es vor, aber mich bis jetzt noch nicht getraut.

Du wirst den richtigen Zeitpunkt finden. Vielleicht nicht gleich heute oder morgen, aber er wird kommen. Da bin ich mir sicher. °

° Danke, Jungkook.

Nicht dafür :) °

° ♥

Hatte er mir wirklich ein Herz geschickt? Mein Herz begann schon wieder zu rasen und ich überlegte fieberhaft, was ich antworten könnte. Da kam mir eine Idee.

Jimin, wann gehst Du morgens eigentlich immer zur Schule? °

° Um kurz nach halb acht, wieso fragst Du?

Wie wäre es, wenn ich Dich morgen ein bisschen begleite? °

° Das klingt gut. Normalerweise gehe ich mit Tae zur Schule, aber er schafft es sicher auch mal ohne mich ^^

Ich denke schon, er ist ja schon groß :D °

° Jaaa, das stimmt. Okay, dann treffen wir uns also morgen früh?

Ja °

° Und wo genau?

Am besten an der Kreuzung beim Café, den Weg sollten wir beide mittlerweile im Schlaf kennen ^^ °

° Alles klar, ich freue mich schon...

Ich mich auch, Jimin. Was machst Du noch Schönes? °

° Ich werde gleich mit meinen Eltern gemeinsam zu Abend essen und danach in mein Zimmer zurückgehen... Hausaufgaben habe ich zum Glück keine auf.

Bei seiner Antwort musste ich ein wenig schmunzeln. Er klang wie ich, wenn ich mal keine Schulaufgaben zu Hause zu erledigen hatte. Aber ob Schule oder Studium, irgendwie war es das Gleiche, also konnte ich seine Erleichterung nachvollziehen.

Das klingt doch nach einem entspannten Abend :) °

° Ja, denke schon. Und was machst Du noch?

Ich werde jetzt meine Ramen zu Ende essen und dann ins Bett gehen... ich bin ziemlich müde -.- °

° Wohnst Du allein?

Ja, in einer kleinen Wohnung in der Nähe des Campus. In einem der Hochhäuser. °

° Wow, das klingt toll. Ich war noch nie in Deinem Viertel...

Vielleicht ergibt sich ja irgendwann die Möglichkeit, dass Du mich mal besuchst ^^ °

° Das wäre toll ^^

° Du, Jungkook?

Ja? °

° Ich muss jetzt zum Abendessen...

Kein Problem. Du kannst Dich ja später nochmal melden, wenn Du magst. Aber dann kann es sein, dass ich vielleicht schon eingeschlafen bin :D °

° Okay, dann wünsche ich Dir schonmal eine gute Nacht, Jungkook.

Dir auch, Jimin. Wir sehen uns morgen früh! °

° Bis morgen!

Mit Jimin zu schreiben war genauso unkompliziert, wie mit ihm zu sprechen und das Lächeln wollte aus meinem Gesicht gar nicht mehr verschwinden... wie ein Idiot strahlte ich das Profilbild von Jimin in unserem Chat an. In meinem Inneren spürte ich, wie die Vorfreude sich bereits einen Weg in mein Herz bahnte.

Oder war Jimin derjenige auf dem Weg dahin?

~

Zur gleichen Zeit - bei Jimin zu Hause

Jimin POV

Nach dem Abendessen mit meinen Eltern war ich schnell auf mein Zimmer zurückgekehrt, um mir dann sofort wieder mein Handy zu schnappen. Ich las die Nachrichten von Jungkook noch einmal durch. Bei dem Gedanken daran, dass er mich morgen zur Schule begleiten würde, klopfte mein Herz wie verrückt und ein angenehmes Ziehen breitete sich in meinem Bauch aus.

Ich mochte ihn sehr... Erst hatte ich von ihm geträumt, dann die Umarmung von heute...

Es war, als könnte ich immer noch Jungkooks Duft wahrnehmen... Gedankenverloren starrte ich an meine Wand und stellte mir vor, wie er mich nochmal in den Arm nehmen würde, wie er mir etwas in Ohr flüsterte, so, dass ich eine Gänsehaut bekam...

Aber ehe ich mich allzu sehr in diesen Träumen verlor, musste ich unbedingt noch TaeTae anrufen und ihm von heute erzählen, und auch, dass er mich morgen früh nicht von Hause abholen müsse... Mum und Dad hatte ich davon natürlich nichts gesagt, das musste bis zum Wochenende warten, schließlich konnte ich auch mal selbst etwas entscheiden.

Und etwas in mir wollte, dass das mit Jungkook erstmal nur mein Geheimnis blieb... abgesehen von Tae, aber mit ihm teilte ich ja sowieso alles, da wir praktisch wie Brüder waren...

...

Schließlich rief ich ihn an und erzählte in gedämpfter Lautstärke, dass ich mit Jungkook zusammen in der Bibliothek war.

Ich war zwar mit Tae von der Uni wieder zurück zur Schule gelaufen, aber im Beisein der anderen wollte ich nicht reden, daher hatte Tae sämtliche Informationen per Telefonat angefordert. Die ich ihm pflichtschuldig auch lieferte, angefangen damit, dass Jungkook mir seine Nummer gegeben hatte, wir dann geschrieben und uns für morgen früh verabredet hatten.

Und so telefonierten wir noch eine ganze Weile lang, dann ging ich zu Bett.

Und konnte es kaum erwarten, morgen früh zur Schule zu gehen.

~

:)