Klausurenphase
Klausuren Phasen waren definitiv die Hölle. Ich hatte das Gefühl, dass ich die ganze Zeit nur rum saß und irgendeinen Schwachsinn in mein Hirn stopfte. Vielleicht war dies noch nicht einmal ein Gefühl - es war so. Mike und ich verbrachten Stunden um Stunden damit uns irgendeinen Dreck beizubringen. Er half mir bei Deutsch, Englisch und Schwedisch während ich ihm Mathe erklärte. Wir waren ein gutes, eingespieltes Team.
"Lass uns etwas zuessen bestellen!", schlug der braunhaarige Schwede vor und müde nickte ich. "Ich verhungere gleich und falle in ein tiefes Koma, der Müdigkeit!", teilte ich ihm gähnend mit. "Spenci, jetzt schon müde? Wir haben erst zehn Uhr Abends!", erinnerte er mich daran und schnappte sich sein Handy. "Es ist schon Zehn Uhr, Mike", verbesserte ich meinen besten Freund und ließ mich in seine Kissen fallen. "Spenci, zehn Uhr ist doch noch lange keine Uhrzeit", rief er da er gerade in den Flur gelaufen war, da dort die Nummer eines Lieferservice hing. Ich seufzte und drückte meine Nase in eines der Kissen. Es roch nach Mike und ich mochte diesen Geruch, weil es für mich ein Zeichen von Heimat war. Mein Zuhause war kein Zeichen der Heimat, weil ich mich dort rundum unwohl fühlte, aber Mike gab mir wie immer dieses Gefühl der Akzeptanz, die ich brauchte. Er war eben mein bester Freund, der mir alles gab was ich brauchte. Er war genauso meine Familie wie mein bester Freund.
"Spencer, schläfst du?", fragte er ruhig und setzte sich zu mir. Ich öffnete ein Auge und sah ihm ins Gesicht, weswegen er grinsen musste. "Bald stelle ich ein zweites Bett auf, wenn du immer fast in meinem einschläfst!", witzelte er und piekste mir in die Seite. "Aua", rief ich gespielt beleidigt und drehte mich auf den Rücken. "Das Essen kommt in einer halben Stunde, willst du noch-" Ich ließ ihn gar nicht aussprechen, da ich ihm dazwischen redete," wenn du jetzt fragst ob wir weiter lernen wollen, ist die Antwort definitiv nein!" "Ich wollte fragen ob du etwas trinken willst", erwiderte er lachend. "Achso, ja", antwortete ich grinsend. "Dann hole ich mal was", murmelte er und verließ das Zimmer.
Die Pizza hatte ich innerhalb fünfzehn Minuten verputzt, was bei Mike nicht der Fall war. Meistens aß er relativ wenig, was ich irgendwie komisch fand, weil er im Kindergarten so viel Essen konnte wie eine ganze Fußballmanschaft, aber Dinge änderten sich. "Ich bin einfach nur noch fertig", sagte ich, gähnte und ließ mich wieder in die Kissen fallen. "Dann sollten wir vielleicht für heute Schluss machen", meinte er und sah ein wenig niedergeschlagen aus. "Nein, ich kann auch noch bleiben, wenn du willst", erwiderte ich und setzte mich wieder auf. "Nein, Nein", erwiderte er mit einem sanften Lächeln auf den Lippen," du benötigst deinen Schönheitsschlaf, Spenci." Er setzte mir meine Brille auf und stellte die Pizzakartons vom Bett. "An der Schönheit ändert sich nichts", erwiderte ich gespielt eingebildet und lachte. "Eingebildeter Vollidiot", nuschelte mein bester Freund, weswegen ich ihn angrinste.
Erschöpft stand ich vom Bett auf und nahm meine Tasche, die ich mitgebracht hatte. "Dann sehen wir uns Morgen in der Schule!", sagte ich und öffnete seine Zimmertür. "Komm nicht wieder zu spät", erinnerte er mich daran, dass ich heute Morgen verschlafen hatte. "Ich hab verpennt", rechtfertigte ich mich ein drittes Mal. "Ich weiß", erwiderte er lächelnd. "Bis Morgen", flüsterte ich. "Bis Morgen", erwiderte er und ich verließ das Haus.
Es war nicht weit bis zu meinem Haus, was bereits zum Großteil im dunkeln lag. Übermüdet öffnete ich die Haustür und nahm den Parfüm Geruch meiner Mutter wahr. Ich zog mir die Schuhe von den Füßen und hing meine Jacke auf.
"Du bist spät", stellte meine Mutter verärgert fest. Sie lehnte am Türrahmen, der zum Wohnzimmer führte und hatte ihre Arme vor der Brust verschränkte. "Tut mir Leid. Mike und ich haben noch etwas gegessen", erklärte ich und fuhr mir durch die kurzen schwarzen Haare. Ich hatte mir überlegt sie wieder länger wachsen zu lassen. "Hoffentlich habt ihr auch wirklich gelernt, deine Noten müssen besser werden, Spencer!", sagte sie streng. "Ja, Mum", erwiderte ich nickend. "Hast du dir jetzt überlegt ob du lieber zur Apotheke oder zu deinen Vater willst?", wollte sie wissen, weswegen ich innerlich genervt aufstöhnte.
Verstand sie nicht, dass ich kein Interesse an dem Beruf meines Vaters hatte? Ich wollte keine verletzten Menschen behandeln. Ich wollte niemanden vor mir haben, der jeden Moment sterben konnte, weil ich etwas falsch gemacht hatte. Mein Vater steckte soetwas mit einer erschreckenden Leichtigkeit weg, dass es schon fast unheimlich war, aber ich war nicht er. Gefühlt war ich hier sowieso die einzige Person, die auch nur im Ansatz irgendwelche Gefühle hegte.
"Ich will kein Arzt werden!", zischte ich also wütend. Mich störte es, dass sie es nicht verstand. Ich hatte eigentlich einen guten Tag, aber nun musste sie mit ihrem Schwachsinn kommen und mir die Laune verderben. "Spencer!", zischte meine Mutter wütend," du wirst Medizin oder Jura studieren, du kannst froh sein, dass wir dir noch die Wahl lassen!" "Froh sein?", giftete ich sie an," ihr stellt mich vor keine Wahl - ihr habt mein Leben doch schon vollkommen durch geplannt!"
"Geh auf dein Zimmer!", zischte sie und deutete die Treppe herauf. "Liebend gern", murmelte ich und stampfte die Treppe herauf. Ich ließ die Tür laut ins Schloss fallen und schaute mich in meinem dunkelen Zimmer um. Wütend schmiss ich die Tasche in die Ecke und ließ mich aufs Bett fallen.
Es war schon schwierig genug etwas zu finden, was mir spaß machte, was glücklich machte, aber dann auch noch von meinen Eltern in irgendeine Richtung gezwungen zu werden, war einfach nur schrecklich. Überfordert traf meine Faust die Matratze und am liebsten wäre ich wie Hulk aus dem Fenster gesprungen und hätte die halbe Stadt zerlegt. Was eine scheiße!
Ich schnappte mir mein Handy und wählte Mikes Nummer. Ich wusste, dass er noch wach war, weil dies war er immer. Manchmal fragte ich mich ob er irgendwann auch mal schlief oder ob er wie Edward in Twilight einfach nie schlief. Vielleicht hatte er auch so einen Raum mut ganz vielen Büchern und einer Therapieliege auf der er gerne laß.
Meines bedauerns hob mein bester Freund nicht ab, weswegen ich mein Handy ein wenig deprimiert in die Ecke schmiss.
"Wir finden schon etwas für dich, was dir auch gefällt!"
Ich glaubte nicht daran, dass es irgendetwas gab, was ich gut konnte. Bestimmt gab es auch viele Menschen, die einfach kein Talent hatten - zu diesen gehörte ich einfach dazu. Früher hatte ich mich so angestrengt, dass meine Eltern auch nur irgendwie zufrieden mit waren, aber egal was ich tat - es reichte ihnen nicht. Ich interessierte mich nicht für die Medizin oder das Recht des Landes. Warum konnte ich nicht wie Mike schon alles geplant haben?
Er wusste bereits was er wollte - wie sein Leben in ein paar Jahren aussehen würde. Ich wusste dies nicht. Ich konnte nicht einmal sagen wie mein Tag morgen aussehen würde oder in einer Woche.
"Ich werde irgendwann meine eigene Werkstatt eröffnen. Du bekommst natürlich Rabatt - der Freund Bonus! Dann werde ich ein Haus kaufen, welches genug Platz für sieben Kinder hat und Nellie kann sich ihr eigenes Atelier machen und wegen mir stundenlang malen - ich liebe ihre gemalten Bilder."
Er hatte bereits einen Plan. Warum hatte er einen Plan und ich nicht? Warum unterstützte ihn seine Familie und meine nicht? Es war zum verzweifeln und ich wusste selber, dass meine Eifersucht vollkommen überflüssig war, weil er war mein bester Freund. War ich ein schlechter Kumpel, weil ich sowas auch wollte?
Am nächsten Morgen musste ich feststellen, dass Mike nicht da war, was meine Laune nicht besser stimmte. "Hey, Spencer!", begrüßte mich seine Freundin mit einer Umarmung," wie geht es dir?" "Ganz in Ordnung. Ich muss meine Schwester später von der Schule abholen", erklärte ich. "Schlag meinen Bruder von mir", erwiderte sie grinsend. "Wo ist Mike?", fragte ich, da ich gar nicht weiter auf ihren etwas komischen Bruder eingehen wollte.
"Der hat sich eine Erkältung eingefangen", antwortete sie und bekam leichte rosa Wangen. Eine Lüge - definitiv eine Lüge. "Dann kann ich ihn ja trotzdem besuchen kommen. Eine Erkältung macht mir gar nicht's aus", erwiderte ich und achtete auf ihre Gesichtszüge. Sie lief neben mir her und schaute panisch nach links und rechts. Was verschwiegen die beiden mir? Was hatte Mike, was ich nicht wissen durfte?
"Nein, er muss zum Arzt deswegen", antwortete sie zügig. "Was verschweigt ihr mir?", fragte ich, da es mich maßlos störte, dass sie mir nichts sagten. Irgendwas war da, was sie vor mir Geheim hielten. "Es ist nicht's, Spencer", versicherte sie mir, aber ich bemerkte den Schwung der Frustration in ihrer Stimme. Es war als wollte sie es mir sagen, aber durfte es nicht. Wollte Mike, dass ich - was auch immer mit ihm war - nicht wusste? Ich senkte meinen Blick und schaute demprimiert zu Boden. Ich konnte ihn nicht zwingen mir etwas zusagen, weswegen ich es einfach dabei beließ. Vielleicht würde er es mir irgendwann sagen.
Am Mittag fuhr ich mit dem Bus zur Grundschule meiner kleinen Schwester. Es regnete und ich schaute unzufrieden aus dem Busfenster. Auf den Straßen liefen Menschen mit Regenschirmen und hetzten von hier nach da. Manchmal würde ich gerne wissen was ihre Stärken sind, um vielleicht endlich die richtige Stärke für mich selber zu finden. Ich hatte damals sogar Fußball, Basketball und Tennis versucht - all dies war in keinster Weise auch nur irgendwie ein Talent von mir. Es war schon fast traurig, dass ich einfach gar nicht's gut konnte.
"Spencer!", rief Bonnie, als ich über den Schulhof lief. Sie hatte ihren pinken Rucksack, auf dem ein Pferd war auf dem Rücken und lief auf mich zu. Ich musste lächeln, weil der Rucksack viel zu groß für die kleine war. Da sie mir in die Arme sprang musste ich sie hoch heben und ich musste feststellen, dass sie um einiges schwerer war als Selena. "Hey, wie war die Schule?", fragte ich die siebenjährige. Ihr Geburtstag war vor einer Woche gewesen und nun betitelte sie sich schon als eine stolze siebenjährige. "Ganz okay. Eddie hat mich geärgert", teilte sie mir mit. "Kennst ihn ja", nuschelte ich und lächelte sie glücklich an. Eddie war Nellies Bruder. Er war scho immer ein wenig komisch - immerhkn hatte er die Urne seines Opas aus Absicht durch den Ram gefegt. Die Frage an der Stelle, warum stellte man sich eine Urne ins Haus? Ich bekam eine Gänsehaut, wenn ich drüber nachdachte, dass ich die Überreste von Nellies Opa aus meinen Haaren waschen musste.
"Wir haben heute über unsere Traumberuf gesprochen!", erzählte sie mir euphorisch, während ich sie trug. Sie hielt meinen Regenschirm und somit konnten wir trocken durch die Gegend laufen. "Wirklich?", fragte ich und schaute lächelnd zu ihr herauf," was hast du dir vorgestellt?" Begeistert schaute sie zu mir herunter. "Ich möchte Ärztin werden - wie Papa!", sagte sie und nickte stolz. Ein flaues Gefühl breitete sich in meiner Magengegend aus, aber ich lächelte trotzdem weiter. "Ich werde so erfolgreich wie er werden!", fügte sie bezeugt hinzu. "Weißt du, es gibt auch nlch andere Berufe, die du machen kannst", erwiderte ich. Ich wollte nicht, dass sie hinterher das Gedühl bekommen sollte, dass ihr keine anderen Wege zur Verfügung standen. Natürlich, sie war gerade mal sieben Jahre da konnte sich noch alles ändern, aber ich wollte, dass sie glücklich wird. Am besten ihre eigenen Stärken in der Zukunft findet und ihren eigenen Traum verwirklicht. Dasselbe ging auch für Selena.
"Ich weiß, aber ich will das!", antwortete sie fröhlich. Sie spielte mit dem Kragen meines Hemds und lächelte verzräumt. "Bonnie, ich bin stolz auf dich", sagte ich ihr ehrlich, weswegen sie inne hielt und zu mir schaute. "Ich auch auf dich", flüsterte sie, brachte so mein Herz zum aussetzen und drückte mir einen Kuss auf die Wange. Niemand außer Mike hatte gesagt, dass er stolz auf mich sei, was mein Herz schneller schlagen ließ. War es nicht irgendwie traurig, dass mich diese Worte so sehr berührten?
Glücklich betrat ich unseren Vorgarten. Es goss immer noch wie aus Eimern, weswegen Bonnie ihre Hand fest an den Regenschirm klammerte. Ich schloss die Tür auf und ließ sie im Flur herunter. "Es ist schön warm", sagte sie und zog ihre Gummistiefel von den Füßen. "Hey, ihr beiden", sagte unser Vater, der Selena auf dem Arm hatte. "Seli!", rief Bonnie und schaute an ihm herauf.
"Wie war die Schule?", wollte er wissen.
"Mike verschweigt mir etwas", erzählte ich frustriert und schmiss meinen Rucksack in die Ecke. "Was sollte er dir verschweigen?", fragte mein Vater und zog eine Augenbraue hoch. "Ich weiß es nicht, aber es stört mich", erwiderte ich und ließ mich aufs Sofa fallen. "Er hat dich doch lieb!", sagte Bonnie und kletterte zu mir aufs Sofa. "Spencer, mach dir nicht so viele Gedanken", meinte mein Vater und reichte mir meine andere kleine Schwester, die ich matt lächelnd entgegen nahm. Sie schlief ruhig und vorsichtig legte ich sie auf meiner Brust ab. Zufrieden schmatzte sie und drückte ihre Nase in mein Hemd. Ich lächelte glücklich und bemerkte die wohlig wärme, die sich in mir ausbreitete - meine Schwestern waren das wichtigste für mich.
"Ich mache mir bloß Sorgen um ihn", gestand ich ruhig.
"Unbegründet", sagte mein Vater schlicht," konzentrier dich auf deine Schule."
"Ich habe mal eine Frage", erwiderte ich leise," wusstest du schon immer, dass du irgendwann mal Arzt werden willst?" Er blieb stehen, da er gerade in die Küche gehen wollte und drehte sich zu mir um. "Ja, dein Opa war auch Arzt", antwortete er. "Machte es dich denn glücklich?", fragte ich weiter und schaute dabei Bonnie an, die die Linien meines Hemdes inspizierte. "Natürlich. Es macht mir Spaß!", antwortete er und schaute mich etws irritiert an.
Frustriett seufzte ich laut und schloss die Augen. Vielleicht stimmte bei mir irgendwas einfach nicht. Vielleicht war ich wirklich für rein gar nicht's zu gebrauchen.
"Spencer, aus dir wird nie etwas werden!"
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