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„Es kann doch nicht sein, dass es über Cassiels Aufenthaltsort nicht einmal den kleinsten Anhaltspunkt gibt! Es sind bereits Monate vergangen, verdammt!" Tobi knurrte wütend und ließ seine zur Faust geballte Hand auf den Tisch krachen, nur um sich nach einigen langen Sekunden schwer ausatmend auf seinem Stuhl zurückfallen zu lassen. Fixierte den Mann, der ihm gegenüber an einem der großen Fenster stand, währenddessen erneut mit seinen müden Augen.
Hektor Rutherford, ein großer, gut gebauter Mann Ende vierzig, seufzte leise und ließ seinen Blick aus grünen, stechenden Augen zu dem Jüngeren am Tisch wandern.
„Es tut mir wirklich leid, Tobias, aber diejenigen, die dafür verantwortlich sind, haben ganze Arbeit geleistet. Der Kleine ist wie vom Erdboden verschwunden. Er könnte mittlerweile sonst wo sein. Vier Monate sind immerhin eine lange Zeit! Du bist dir absolut sicher, dass er nie jemandem gegenüber erwähnt hat, was er ist?"
Tobi schüttelte verneinend den Kopf und sein Gesichtsausdruck wandelte sich von wütend zu traurig. „Nein. Er hat sich ja nicht einmal mir anvertraut, Hektor. Er hütet dieses Geheimnis wie kein anderes, glaub mir!"
Die Augen der Älteren fingen an, missbilligend zu funkeln. Nach einigen Augenblicken, in denen eine angespannte Stille zwischen ihnen geherrscht hatte, wandte er sich erneut ab und betrachtete die Landschaft außerhalb des Gebäudes, am Rand der Kleinstadt Colorados. „Du hättest ihn einfach nicht allein lassen sollen! Dann wäre das alles erst gar nicht passiert." Die Stimme des Mannes war gelassen. Doch man konnte trotzdem deutlich heraushören, wie sehr es ihn ärgerte, was geschehen ist.
Tobi seufzte genervt und ließ seinen Kopf in den Nacken fallen. „Jetzt fang bloß nicht schon wieder mit der gleichen Predigt an! Ich war besoffen und glaub mir, ich mache mir selber genug Vorwürfe, da brauche ich mir deine nicht auch noch zigmal anzuhören! Davon finden wir ihn auch nicht schneller!
Könnte es nicht sein, dass er doch nur ...", der Jüngere malte, währenddessen er seine Überlegungen laut aussprach, Anführungszeichen in die Luft, „... von stinknormalen kriminellen Menschen entführt wurde?! Vielleicht sollten wir uns eher darauf konzentrieren?!"
Hektor schüttelte seufzend den Kopf. „Glaub mir, Tobi, wenn er in den Fängen krimineller Menschen wäre, hätten wir ihn mittlerweile gefunden. Schließlich sucht ein beachtlicher Teil der Organisation nach ihm und wir haben genug Leute, die sich in genau diesem Milieu bewegen und auf dem Laufenden sind. Ein Junge mit Cassiels Aussehen hätte sich schnell herumgesprochen.
Wo hingegen keiner von uns Zutritt hat, sind die Etablissements der Mystischen. Der Kleine wird mit großer Wahrscheinlichkeit in einem dieser Gebäude gefangen gehalten. Oder er wurde schon verkauft.
Wenn dies bereits geschehen ist, wird es leider nur noch schwerer, ihn zu finden, so ungern ich das zugebe." Hektor atmete tief durch und wandte sich erneut dem Schwarzhaarigen zu. „Das Gute ist nur, dass er für jeden, egal, in wessen widerlichen Händen er sich gerade befindet, wertvoll ist.
Was Cassiel wiederum vor dem Tod und lebensbedrohlichen Verletzungen bewahrt. Und uns somit die nötige Zeit verschafft, die wir brauchen, um ihn zu finden!"
Der ältere Mann fuhr sich durch seine dichten, dunkelbraunen Haare. „Ich habe keine Lust darauf, dass Leyna als Racheengel wiederkehrt und mir die Hölle heißmacht, wenn ihrem geliebten Jungen etwas passiert!"
„Man hätte ihm von Anfang an die Wahrheit sagen müssen! Vielleicht hätte er dann nicht so auf seine Unabhängigkeit und Freiheit bestanden." Tobi schnaubte und verschränkte die Arme vor seiner Brust.
„Es ist jetzt, wie es ist -." Rutherford ließ seine Hand in die Tasche seiner Anzughose gleiten, griff nach seinem Smartphone und meinte, an Tobi gewandt, bevor er anfing, eine ganz bestimmte Nummer zu wählen. „Wichtig ist jetzt nur, dass wir ihn so schnell wie möglich wiederfinden.
Die Ausgeburten der Hölle dürfen es nicht schaffen, ein so reines Wesen in den Tod zu treiben.
Es braucht nicht noch einen weiteren Engel in der Hölle!"
***
„Es gehen bereits die ersten Anfragen von einigen unserer Geschäftspartner ein, ob du nicht Interesse daran hast, mit deinem Pet zur nächsten Veranstaltung zu kommen.
Sie würden ihn nur zu gerne mit eigenen Augen sehen und dir möglichst zeitnah das Angebot zur Paarung mit einem ihrer Pets unterbreiten, damit ihnen kein anderer zuvorkommt."
Cassiel hob langsam seine gefühlten Zentner schweren Augenlider unter höchster Anstrengung und blinzelte ein paar Mal. Es dauerte ein wenig, bis er im Hier und Jetzt ankam. Verdammt, wie lange hatte er denn bitte geschlafen?
Er lauschte den Worten, die leise, wie durch Watte, an sein Ohr drangen, und dafür sorgten, dass ein plötzlich aufkommendes Angstgefühl seinen Körper zum Erzittern brachte. Nachdem sein Gehirn ihre Bedeutung realisierte.
Paarung! Sie wollten, dass er irgendjemanden unter Zwang fickte und schwängerte - oder er wurde doch dazu gezwungen, seinen Arsch hinzuhalten ... und ... und - hatte Aaran nicht gesagt, dass er nicht -!
Ein erneuter Schauer jagte durch seinen jungen Körper und sorgte dafür, dass er die Decke, welche um seinen nackten Körper gewickelt war, eisern festklammerte und langsam bis zu seiner Nasenspitze hochzog. Eine einzelne Träne hatte sich bereits aus einem seiner Augenwinkel gelöst. Als er das genervte Schnauben hörte, welches er zweifellos seinem Master zuordnen konnte.
„Ich möchte, dass du auf keine dieser Mails oder Anrufe antwortest - hast du mich verstanden, Sasori! Wenn es die Psyche und die Gesundheit meines Pets zulässt, werde ich dem Club einen Besuch abstatten. Doch nicht vorher."
Cassiel konnte das schmunzelnde Gesicht seines Masters bei diesen Worten regelrecht vor seinem inneren Auge sehen.
„Allerdings nicht, um für Cassiel einen Paarungspartner zu wählen. Sondern ihnen einfach nur unter die Nase zu reiben, dass er mir gehört und dass sich der Kleine an diese Art der Zurschaustellung gewöhnt."
Dem jungen Hybriden fiel ein gewaltiger Stein vom Herzen. Was vermutlich durch seine erneut veränderte und hörbar ruhigere Atmung und seinem verlangsamten Herzschlag deutlich wurde. Denn die nächsten Worte, die an Cassiels Ohren drangen, ließen ihn nach nur wenigen Sekunden zu dem Schluss kommen, dass der Vampir wusste, dass er wach war. „Wie du hörst, Sasori, ist unser Gespräch nicht mehr vertraulich - lass uns allein!"
Das erneute Verrücken eines Stuhls war zu hören, nur kurz nachdem sich die Tür zu Aarans privatem Raum auf und wieder geschlossen hatte.
Der Herzschlag des jungen Engels beschleunigte sich abermals, was ein leises, belustigtes Glucksen seitens des GEN1 zur Folge hatte. „Kein Grund zur Panik, mein kleiner Engel!"
Cas zwang seinen, nur nach außen hin ruhigen, Körper in eine sitzende Position. Was einige, sehr lange Sekunden in Anspruch nahm und wagte es nicht, seinen Master anzusehen. Welcher sich in der Zwischenzeit in dem Sessel, der immer noch neben dem Bett stand, niederließ und ihn mit vor Belustigung funkelnden Augen musterte. Sondern verfolgte mit wachsender Faszination das Spiel seiner Finger mit der Zudecke.
Aaran lächelte leicht und ließ seinen Körper entspannt in dem Sessel zurücksinken, um seinem Kleinen ein Gefühl von Sicherheit zu geben. „Sieh mich an, Cassiel!" Nur widerwillig löste der Hybrid den Blick von seinen durchaus interessanten Fingern und richtete ihn mit wachsender Furcht, welche sich in seinen Augen widerspiegeln musste, auf den um einiges älteren Mann neben dem Bett.
„Es ist alles in Ordnung, kleiner Engel! Wie fühlst du dich?"
Der Platinblonde lächelte zaghaft, kaum sichtbar, und schenkte seinem Master einen unsicheren Blick. „Ausgeruht, Herr. Ich habe schon lange nicht mehr so wundervoll und durchgehend geschlafen."
Schlagartig weiteten sich die Augen des Hybriden enorm und richteten sich abrupt auf den Vampir, was Aaran zum Schmunzeln brachte. „Wie lange habe ich überhaupt geschlafen?"
„Du scheinst es nötig gehabt zu haben. Du hast fast den gesamten Flug über geschlafen und nicht einmal das Landen und erneute Starten nach dem Auftanken hat dich gestört!
Mein Pilot dürfte in circa einer halben Stunde durch sein Mikrofon verkünden, dass wir uns auf dem Landeanflug befinden."
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