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Cassiel seufzte genießend und schloss für einen Moment die Augen, als das angenehm warme Wasser auf seinen immer noch etwas angespannten Körper traf.
Die kleinen Tropfen trommelten unaufhaltsam auf seine Haut und liefen in mal größeren und mal kleineren Rinnsalen an ihm hinunter.
Dieses Gefühl tat so unbeschreiblich gut, entspannte seine Muskeln und spülte die Anspannung gleich mit weg. Zumindest ließ es ihn sich fast augenblicklich besser und vor allem sauberer fühlen. Am liebsten würde er einfach hier stehen bleiben.
Cas ließ seinen Kopf nach vorne fallen, sog die feuchte, warme Luft durch seine leicht geöffneten Lippen tief in seine Lunge und ließ sie wenig später wieder langsam durch seine Nase entweichen.
Doch das ging nicht. Er hatte Glück, überhaupt allein warm duschen zu dürfen, da sollte er auch auf seinen Besitzer hören und ihn nicht zu lange warten lassen.
Also schnappte er sich, nach einem erneuten leichten Seufzer, der jedoch mit dem wohligen zuvor nichts zu tun hatte, das Männershampoo, welches in einem kleinen, in der Wand eingelassenen Regal stand. Drückte sich etwas davon auf seine Handfläche, verrieb es kurz und fing dann an, sich seine Haare einzushampoonieren. Das gleiche machte er kurze Zeit später mit dem Duschgel, mit welchem er sich seinen Körper großzügig einseifte, und dann anschließend alles rückstandslos abwusch.
Ein paar Momente lang genoss er einfach nur diese wohlige Wärme. Trat dann aus der erstaunlich geräumigen Dusche und trocknete sich mit einem der großen, flauschigen, weißen Handtücher, welches er zuvor bereitgelegt hatte, ab. Wobei er, bei seinem Hals angekommen, ein leises, schmerzhaftes Zischen nicht vermeiden konnte. Egal, wie vorsichtig er über die geschundene Haut tupfte.
Scheiß Billighalsband. Er hoffte, dass sein Master ihm dieses Drecksding nicht wieder anlegte. Ein Mitspracherecht hatte er da zwar mit Sicherheit nicht - aber hoffen durfte man ja.
Nachdem er trocken war, legte er das Handtuch wieder ordentlich zusammengelegt auf eines der an die Wand gehängten Schränkchen. Und ließ seine Augen anschließend suchend umherschweifen, bis sie Sekunden später an einer kleinen, unscheinbaren Schublade hängenblieben.
Diese zog er auch sogleich auf und fing an, zufrieden zu grinsen, während er den Föhn aus ebendieser Schublade holte, einsteckte und anfing, seine platinblonden Haare trocken zu föhnen.
Im Anschluss räumte er das Gerät wieder auf, um ja keine Unordnung zu hinterlassen, und machte sich auf die Suche nach einer Zahnbürste.
*
Etwa 20 Minuten, nachdem er das kleine Bad betreten hatte, trat Cassiel wieder, wie Gott ihn schuf und mit wild klopfendem Herzen, in das angrenzende private Schlafzimmer seines Besitzers.
Er hatte zwar kurz mit dem Gedanken gespielt, sich eines der Handtücher um seine Hüfte zu wickeln, diesen jedoch sofort wieder fallen gelassen.
Der Mann hatte nichts von Kleidung erwähnt, als er ihn in sein Badezimmer geschickt hatte, und das Risiko, ihn doch noch zu verärgern, wollte er auf keinen Fall eingehen.
Der schwarzhaarige GEN1 saß immer noch in ein und demselben Sessel. Arbeitete konzentriert an seinem Laptop, welchen er sich in der Zwischenzeit geholt hatte, und beendete in dieser Sekunde ein Gespräch mit einem seiner Geschäftspartner, als er im Augenwinkel bemerkte, wie der Jüngere langsam aus dem Bad und auf ihn zukam.
Ein Mundwinkel des Mannes zuckte nach oben, als er sah, wie sich die Wangen des kleinen Blonden erneut rosa färbten, und dieser versuchte, ihm nicht direkt in die Augen zu sehen.
Mit einer einzigen, schnellen Bewegung klappte Aaran den Laptop zu. Legte sein Smartphone daneben und erhob sich mit der fließenden Bewegung eines Raubtieres, was den Hybriden dazu brachte, vor Schreck leicht zusammenzuzucken.
Ein weiteres Mal stand der Kleine mitten im Raum wie bestellt und nicht abgeholt und beobachtete jede seiner Bewegungen mit diesen bezaubernden Augen. Was den Älteren jedoch nicht im Geringsten störte. Ganz im Gegenteil, es gefiel ihm durchaus, wie aufmerksam sein Pet war.
Mit geschmeidigen Bewegungen, die vor Selbstbewusstsein, Dominanz und Überlegenheit nur so strotzten, lief er auf ein Schränkchen zu, welches an der gegenüberliegenden Wand stand. Zog, dort angekommen, die Schublade auf und kramte kurz darin herum. Bis er wenig später gefunden hatte, wonach er suchte, und wandte sich dann an seinen kleinen Engel. „Ist alles in Ordnung, Cassiel?"
Der Jüngere lächelte schüchtern und nickte leicht. „Ja, Herr. Danke - danke, dass ich duschen durfte, das hat wirklich gutgetan."
Woraufhin Aaran kaum sichtbar nickte und mit einer Hand in Richtung des Bettes zeigte, ohne ein weiteres Wort darauf zu sagen.
„Setz dich auf das Bett und dreh mir deinen Rücken zu, ich will ihn eincremen. Wenn du möchtest, darfst du dich auch bedecken."
Zufrieden beobachtete der Japaner, wie sein Pet sich umdrehte und auf das 1,60 Meter breite Bett zuging. Dort angekommen, ließ dieser sich dann, ohne zu murren, darauf nieder, nachdem er die Bettdecke zurückgeschlagen hatte, nur um sie sofort um seine Hüfte zu wickeln, was den GEN1 dazu veranlasste, leise vor Belustigung zu glucksen.
Während dies geschah, trug der Yakuza einen der Sessel zum Bett, stellte ihn daneben ab und ließ sich dann auf der Bettkante nieder, um besser an den Rücken seines kleinen Engels zu kommen. Welchen er auch sogleich mit einer Salbe zur Schmerzlinderung vorsichtig eincremte, nachdem er sie, durch das Verreiben in seinen Handflächen, etwas erwärmt hatte. „Gut. Das sollte helfen. Nun dreh dich um!"
Cassiel tat, wie von ihm verlangt, und beobachtete den Älteren dabei, wie dieser die eine Tube wieder verschloss, zur Seite legte und eine zweite in die Hand nahm. Den Deckel abschraubte, sich einen großzügigen Klecks auf die Finger drückte und ihn danach wieder direkt ansah. „- eine Wund- und Heilsalbe."
Cassiels Augen weiteten sich leicht überrascht. Doch bevor er etwas sagen konnte, sprach sein Besitzer schon weiter. „Leg deinen Kopf in den Nacken!"
Auch diesem Befehl kam der Hybrid ohne zu zögern nach.
Vorsichtig verteilte Aaran die Salbe auf Cassiels Hals. „So ist es brav und jetzt leg dein Kinn auf deine Brust!"
Nachdem der komplette Hals überall eingecremt war, griff Aaran zu einer leichten Binde und wickelte sie um den schlanken Hals des Jüngeren, damit die Salbe auch dort blieb, wo sie gebraucht wurde.
Danach verschwand er, ohne ein weiteres Wort, im angrenzenden Bad, um sich die Hände zu waschen. Und kehrte dann mit einem gefüllten Glas Mineralwasser, welches er zuvor noch eingeschenkt hatte, zum Bett zurück.
Stellte das Gefäß auf einem der Nachtkästchen ab und ließ sich dann in dem bereitstehenden Sessel nieder.
Mit einer fließenden Bewegung schlug er erneut das eine Bein über das andere und lehnte sich entspannt zurück, ohne den Blick dabei von seinem Pet abzuwenden.
„Ich habe ja gesagt, dass ich dir erlaube, mir nach dem Duschen Fragen zu stellen -" Aaran schmunzelte leicht. „Was möchtest du wissen?"
Cassiel schluckte und sah auf seine mit dem Seidenstoff der Zudecke spielenden Finger, während er in seinen eigenen Gedanken versank. Die Frage, ob er irgendwann wieder frei sein würde, brauchte er erst gar nicht stellen.
Die letzten vier Monate hatten gereicht, um ihm deutlich zu machen, wie tief er in der Scheiße steckte und dass es keinen Ausweg mehr gab.
Es machte wirklich keinen Sinn, sich über irgendwelche ‚was wäre gewesen, wenn -Fragen' den Kopf zu zerbrechen. Um seine Freiheit zu betteln oder weiter in der Vergangenheit zu leben und sich dadurch nur noch mehr fertig zu machen.
Er war schlau genug, um zu wissen, dass er es jetzt selbst in der Hand hatte, wie gut beziehungsweise schlecht es ihm in Zukunft erging.
Was nicht bedeutete, dass er nicht an seine Freunde dachte oder an sein bisheriges Leben. Doch er machte sich keine Illusionen darüber, dass es irgendwann wieder so sein würde, wie es einmal war.
Cassiel kaute nachdenklich auf seiner Unterlippe herum. Aus diesem Grund sollte er besser Fragen stellen, dessen Antworten für sein neues Leben interessant waren.
*
Es herrschte eine nicht unangenehme Stille im Raum, bis Cas nach einigen langen Minuten den Kopf wieder von seinen Fingern löste und mit leiser, gefasster Stimme die erste Frage stellte. „Wie ist Ihr Name, Herr?"
Der Ältere verzog seine Mundwinkel zu einem sanften Lächeln. „Aaran Igarashi."
Der junge Engel senkte lächelnd seinen Blick erneut auf seine mit der Decke spielenden Finger und murmelte kaum hörbar. „Aaran. Ein wirklich schöner Name." Dann hob er wieder seinen Kopf und ließ ihn leicht zur Seite fallen. „Wie soll ich Euch ansprechen?"
„So wie du es bereits tust Cassiel, mit Herr oder Master." Dann zuckte ein Mundwinkel nach oben und die Augen des Älteren strahlten plötzlich etwas aus, was der Kleinere nicht wirklich deuten konnte. „Und unter gewissen Umständen, wenn wir allein sind, darfst du mich auch bei meinem Namen nennen."
Es dauerte nicht lange, bis wieder einmal eine zarte Röte die Wangen des Hybriden zierte und seine Augen sich leicht weiteten. Woraufhin Aaran sein Pet nur amüsiert mit funkelnden Augen ansah.
Cassiel zog einmal kurz seine Nase kraus und räusperte sich leise. „Was seid Ihr?"
Der Schwarzhaarige schmunzelte und hob eine Augenbraue. „Definiere deine Frage genauer!"
„Was für ein Wesen seid Ihr?" Der Blonde biss sich wieder nervös auf die Unterlippe.
Bis zu dem Zeitpunkt seiner Entführung hatte er überhaupt keine Ahnung, welche Wesen alles unter den Menschen lebten. War sich sogar sicher, immer noch nicht einmal ansatzweise Bescheid zu wissen.
Schließlich hatte sich in den letzten vier Monaten niemand die Mühe gemacht, ihm alles genau zu erklären. Sondern ihm immer nur wieder kleine Brocken hingeworfen.
„Ich bin ein Vampir!" Aaran konnte nicht anders, als bei dem Anblick der plötzlich tellergroßen Augen und den leicht aufgeblähten Backen kurz aufzulachen.
„A-aber wie - also - ich - ich meine -", stammelte Cassiel etwas geschockt und aus Aarans Lachen wurde ein amüsiertes Glucksen.
„Darüber werden wir uns ein anderes Mal unterhalten. In ein paar Stunden, wenn du ein wenig geschlafen hast, vielleicht. Oder in einigen Tagen. Doch jetzt wäre nicht der richtige Zeitpunkt dafür, da sich die Fragen zu meinem Wesen nicht so schnell und einfach beantworten lassen."
Cassiel nickte verstehend und überlegte erneut einen Moment. „Okay. Warum begleiten Euch so viele Männer und woher habt Ihr so viel Geld, ... ich meine - warum habt Ihr bereitwillig so viel für mich gezahlt?"
Der GEN1 schmunzelte erneut. „Sagt dir der Begriff ‚Oyabun' etwas?"
Der junge Engel überlegte einen Moment lang und schüttelte dann verneinend den Kopf.
„Und der Begriff Yakuza?"
Nun weiteten sich die Augen des Blonden. „So nennt man die japanische Mafia."
Der Vampir nickte bestätigend. „Das ist richtig. Ein Oyabun oder Kumichō ist die patriarchalische Führungsfigur in einem Yakuza-Netzwerk. Vereinfacht gesagt, der Boss eines Clans und ich bin so ein Oyabun, Cassiel.
Was deine Frage bezüglich des Geldes beantwortet. Durch meine Arbeit verfüge ich über genug finanzielle Mittel, um mir keine Sorgen machen zu müssen, und ich hatte nicht vor, dich einem anderen zu überlassen! Wenn es nötig gewesen wäre, hätte ich durchaus noch mehr Geld ausgegeben." Aaran lächelte sachte und beobachtete jede Reaktion seines Pets genau.
Dieser schluckte erneut, als ihm etwas in den Sinn kam. „Dann fliegen wir nach Japan, oder?"
Der Vampir nickte bestätigend. „Unser Ziel ist Shinjuku, Tokyo. Wir werden noch etwa zehn Stunden in der Luft sein und einmal zwischenlanden, um aufzutanken. So, und jetzt solltest du schlafen. Es ist schon spät. Wenn du Durst hast -", damit zeigte der GEN1 auf das Wasserglas, welches immer noch unberührt auf dem Nachtkästchen stand. „Darfst du, ohne zu fragen, trinken und wenn sonst etwas ist, möchte ich, dass du es mir umgehend sagst." Der Schwarzhaarige wartete noch das bestätigende Nicken seines neuen Eigentums ab und stand dann auf. Nur um sich wieder auf dem anderen Sessel hinter seinem Laptop niederzulassen, nachdem er das Licht gedimmt hatte.
„Gute Nacht, Herr." Cassiel lächelte. Sah noch einmal zu seinem neuen Besitzer, der ihm daraufhin ein sanftes Lächeln schenkte, und kuschelte sich dann seit vier Monaten das erste Mal wieder zwischen weiche Kissen und Laken. Sein Kopf hatte kaum das Kissen berührt, als er auch schon ins Land der Träume abdriftete.
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