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„Ravyn."
Ein großgewachsener Mann, umgeben von Bodyguards, trat leicht lächelnd auf den anderen zu. Welcher sich genau in diesem Moment von seinem Sessel, der zu einer Sitzgruppe gehörte, erhob, ihm begrüßend die Hand reichte und dabei ebenfalls lächelte.
„Ist dir keine andere Location eingefallen?!"
Ravyn Ise, ein ebenfalls großgewachsener, blonder Vampir und Boss des Gerlari-Syndikats, schmunzelte bei diesen herzlichen Worten zur Begrüßung und ließ sich wieder auf seinen Platz sinken. „Auch schön, dich zu sehen, Igarashi-sama. Wie lange ist es her? Zehn Jahre, ... fünfzehn?"
Der Neuankömmling wies seine Männer mit einer knappen, wortlosen Geste an, sich etwas abseits zu stellen, und ließ sich dann gegenüber Ravyn mit nachdenklicher Miene in einen der freien Sessel sinken. „So in etwa dürfte das durchaus hinkommen - ja."
Aaran Igarashi überschlug mit einer fließenden Bewegung seine Beine. Der Mann war, wie sein Gegenüber, ein Vampir. Knappe zwei Meter groß. Muskulös gebaut. Mit stufig geschnittenen dunkelbraunen, fast schwarzen Haaren, von denen ihm ein paar Strähnen ins Gesicht hingen. Die blau-silbernen, durchdringenden Augen passten perfekt zu der geraden Nase und den schmalen, sinnlichen Lippen, die sich in einem männlichen, dennoch nicht zu kantigen Gesicht befanden, welches nicht einmal den Ansatz eines Bartes zeigte.
Außerdem sah er keinen Tag älter aus als fünfunddreißig und das würde, wie bei allen seiner Rasse, auch den Rest seines unsterblichen Lebens so bleiben.
Zudem umgab ihn diese eine bestimmte, einschüchternde Aura, die mit der eines geborenen Anführers oder Alphas zu vergleichen war. Und jedem nur zu deutlich signalisierte, mit was sie es zu tun hatten.
Sie ließ in allen Wesen, die selbst keine solche Ausstrahlung besaßen, unweigerlich das Gefühl aufkommen, dass man besser daran tat, sich diesen Mann nicht zum Feind zu machen.
Und dabei war es vollkommen egal, welcher Spezies man angehörte.
Aaran Igarashi war einer der letzten lebenden GEN1.
Ein Vampir der ersten Generation und somit einer der ältesten seiner Art überhaupt.
Ein geborener Anführer, ein Herrscher, was ihm sein Leben als Geschäftsmann und Oyabun nicht gerade erschwerte. Im Gegenteil. Und das trotz der Tatsache, dass er, obwohl seine Mutter aus Japan stammte, nicht im entferntesten wie ein Japaner oder jemand mit asiatischer Abstammung aussah.
*
„Möchtest du dir etwa ein Pet zulegen?" Der Japaner schmunzelte leicht und kramte seine Zigarettenschachtel aus der Tasche seiner Anzugjacke. Nur um sich im Anschluss eine seiner heißgeliebten Sobranie Black Russian anzuzünden.
„Ich ... mir ... ein Pet ..." Der blonde GEN2 lehnte sich grinsend zurück und trank einen Schluck aus seinem Whiskyglas.
„Nein. Allerdings suche ich immer noch nach einem Geburtstagsgeschenk für meinen Bruder. Eventuell - wer weiß, was der Abend noch so bringt.
Mir sind diese Clubs einfach lieber, keine Menschen, vor denen man sich verbergen muss. Die Pets der Gäste sind nett anzusehen und allgemein ist es angenehmer, als den Abend in einem Separee irgendeines Restaurants zu verbringen, um etwas zu plaudern.
Was führt einen einflussreichen Japaner wie dich nach Atlanta? Ich habe meinen Sekretär dreimal gefragt, ob er sich nicht doch mit dem Namen vertan hat, schließlich war meine letzte Info, dass du Asien jahrzehntelang nicht verlassen hast."
Der Schwarzhaarige gluckste dunkel, winkte eine Bedienstete zu ihrer Sitzgruppe, um sich ebenfalls ein Glas Whisky zu bestellen, und antwortete, nachdem die Dame wieder gegangen war. „Ich war geschäftlich in Tallahassee."
„Shay Nox?" Der Blonde runzelte die Stirn und beobachtete den Älteren aufmerksam.
„Wenn ja - würde ich an deiner Stelle erst einmal keinem einzigen Vertrag zustimmen, oder was immer du vorhattest!"
Der blauäugige Oyabun zog eine Augenbraue Richtung Haaransatz. „Und mit welcher Begründung?!"
„Der räudige Köter mischt sich seit geraumer Zeit in meine Geschäfte ein und scheint die Warnungen, welche ich ihm, so freundlich wie ich bin, auch noch zukommen lasse, nicht wirklich ernst zu nehmen.
Vielleicht gibt ja sein Sohn einen etwas intelligenteren Alpha ab. Es wird an ihm liegen, wie das Ganze demnächst ausgeht, denn eine weitere Warnung meinerseits wird es nicht geben!"
Aaran nickte verstehend. Trank einen großzügigen Schluck aus dem bis zur Hälfte gefüllten Kristallglas, welches die Angestellte in der Zwischenzeit gebracht hatte, und ließ seinen Blick langsam durch den Raum schweifen.
Sein alter Freund hatte recht. Ein langweiliges, abgeschottetes Separee konnte hiermit nicht mithalten. Dieser Ort hier hatte etwas ganz Eigenes. Mit seinen im ganzen Raum verteilten Sitzgruppen, welche aus halbrunden Sofas, Sessel und Glastischen bestanden. Der großen Bühne im vorderen Teil des Raumes und den drei runden Plattformen. Welche sich in größeren Abständen zwischen den Sitzgruppen befanden und von einer hohen Glasscheibe umgeben waren.
Es gab einer Person wie ihm das Gefühl der Überlegenheit.
Nicht, dass er sich seiner Wirkung auf andere nicht bewusst war, doch diese Clubs pushten dieses Gefühl eines jeden Oberhauptes noch einmal zusätzlich. Dabei war es egal, ob man sich an der Spitze der Macht befand oder nur so tat.
Was wohl mitunter daran lag, dass nur ausgewählte Persönlichkeiten überhaupt Zutritt hatten. Und natürlich an den Sklaven. Haustiere oder Pets, wie sie hauptsächlich genannt wurden, welche sich brav an der Seite ihrer Besitzer aufhielten. Oder von diesen auf den Plattformen zur Schau gestellt wurden.
Nur knapp bekleidet, wenn überhaupt, mit Manschetten und Halsbändern, an denen meist eine Leine befestigt war.
Man konnte das alles hier durchaus mit einem noblen BDSM-Club vergleichen. Mit einem gewaltigen Unterschied - die Pets hier gaben nicht nur den unterwürfigen Submissiven vor. Sie waren die rechtmäßigen Sklaven, das Eigentum ihrer Master. Die mit ihnen machen konnten, was immer sie wollten.
Sie wurden von diesen meist auf solchen Auktionsabenden, wie heute einer war, erstanden. Nur um dann gewöhnlich als Statussymbol den anderen präsentiert und vorgeführt zu werden. Oder natürlich, um seine eigenen perversen Gelüste zu befriedigen. Schließlich interessierte es niemanden, was mit den Sklaven geschah.
Aarans Blick wanderte von den zur Schau gestellten Pets auf einer der Plattformen zur Bühne. Auf der in diesem Moment der nächste Nekohybrid vom Auktionator angepriesen und an den Meistbietenden versteigert wurde.
Soweit er wusste, arbeiteten die Inhaber solcher Clubs meist mit Organisationen zusammen, welche die Ware liefern konnten. Sei es durch penibel geplante Entführungen ansehnlicher Wesen aller Art oder die eigene Zucht.
Der Yakuza wurde aus seinen Gedanken gerissen, als der Auktionator die Lautstärke seines Mikrofons etwas nach oben drehte. Somit die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zog, indem er zweimal gegen den Mikrofonkopf klopfte.
Was bei ihm allerdings nur kurz funktionierte, denn nur wenige Sekunden später waren seine blauen Augen starr auf das schönste Wesen geheftet, welches er in der langen Zeit seines Lebens zu Gesicht bekommen hatte. Und welches nun grob an einer Leine auf die Bühne gezerrt wurde.
*
Obwohl Cas versuchte, sich zu beruhigen, zitterte er am ganzen, nur leicht bekleideten Körper.
Es war also so weit!
Nun würde man ihn an irgendein reiches Monster verkaufen wie Vieh.
Warum nur konnte er nicht einfach tot umkippen?!
Wie die anderen vor ihm ließ sich auch Cassiel, im vorderen Teil der Bühne angekommen, langsam auf die Knie sinken, während der Typ, der seine Leine hielt, direkt hinter ihm stehen blieb. Richtete seinen Blick aus glanzlosen, goldenen Augen auf den Boden vor sich.
Sich versuchen, dagegen zu wehren und aufzubegehren, würde nichts bringen.
So konnte er zumindest sicher sein, nicht noch einmal bestraft zu werden und einen hoffentlich positiven ersten Eindruck zu hinterlassen. Sein Körper schmerzte so schon genug, ... von seinem Rücken ganz zu schweigen.
Nur am Rande bekam er mit, wie der Auktionator anfing, in sein Mikrofon zu sprechen.
Hoffentlich war es bald vorbei!
„Meine verehrten Gäste, nun kommen wir zum Höhepunkt des heutigen Abends ..." Der Mann legte eine kurze Pause ein und ließ seinen Blick durch die Halle wandern, um die verschiedensten Wesen noch ein wenig länger auf die Folter zu spannen. „Der nächste Sklave, welcher zur Versteigerung steht, ist ein Hybrid, der vor vier Monaten den Weg zu uns gefunden hat und seitdem auf den heutigen Abend vorbereitet wurde. Und nein, meine verehrten Damen und Herren, Ihr Gefühl täuscht sie nicht - es ist mir eine besondere Freude, Ihnen heute Abend tatsächlich einen Mensch-Engel-Mix zum Kauf anbieten zu dürfen!"
Der Auktionator hielt erneut mit seiner lauten, begeisterten Rede über das Mikrofon inne, um seine Worte wirken zu lassen.
In der luxuriös eingerichteten Halle war es mittlerweile mucksmäuschenstill.
Alle Blicke waren gespannt und ungläubig auf die Bühne gerichtet, was dem Dämon, welcher die Auktion leitete, ein leises Glucksen entlockte. „Ahhh - nun kann ich mir wohl sicher sein, auch bei dem letzten Gast das Interesse geweckt zu haben.
Ich brauche mit Sicherheit nicht erwähnen, wie einzigartig dieses Pet ist und wie viele Möglichkeiten es in naher Zukunft noch für Sie geben wird, einen Engel sein Eigen nennen zu können.
Der Name des Pets, falls für den einen oder anderen relevant, lautet Cassiel. Der Hybrid ist vor kurzem 18 Jahre alt geworden, gebrandmarkt und unberührt, um seinen Wert nicht zu schmälern.
Da dieses Pet einen Engel in sich trägt, eignet er sich außerdem hervorragend zur Zucht, da er in der Lage ist, Nachwuchs zu zeugen oder selbst auszutragen, obwohl er männlich ist. Was seinen Wert nur in die Höhe schnellen lässt. Vom Wesen her ist er eher ruhig, was dem Engelanteil zugeschrieben werden kann, dennoch wird sein zukünftiger Master einiges an Zeit in seine Erziehung stecken müssen."
Erneut herrschte Stille, bis plötzlich diese Frage in den Raum geworfen wurde. „Besitzt der Hybrid Flügel?"
Aarans Kopf drehte sich kurz in die Richtung, aus welcher die Frage kam, nur um sich wenige Momente später wieder dem Pet auf der Bühne zuzuwenden.
Sein Körper verspannte sich augenblicklich, als er sah, wie an der Leine des Kleinen gezerrt wurde und diesem stumme Tränen über die Wangen liefen. Die Worte ‚nun breite sie schon aus - hast du nicht gehört?!', waren bis zu ihm deutlich zu hören. Doch der Blonde dachte anscheinend gar nicht daran, dem Auktionator diesen Gefallen zu tun, weshalb sich dieser nach kurzer Zeit mit wütender Miene wieder an das Publikum wandte.
„Wie bereits erwähnt wurde, bedarf es noch einer besseren Erziehung. Aber um Ihre durchaus berechtigte Frage zu beantworten, ja, das Pet besitzt weiße Engelsflügel, welche er in seinen Rücken einziehen kann, um sie zu verbergen."
„Das wäre doch mal ein hübsches Geburtstagsgeschenk. Aber ich befürchte, den Preis werde ich nicht bezahlen wollen. Auch wenn der Gedanke an eine eigene Zucht schon verlockend ist." Ravyn sah schmunzelnd zu Aaran, welcher sich nach Ise's Aussage nur erneut eine Zigarette anzündete und seinen Blick wieder auf den jungen blonden Hybriden richtete, ihn musterte, ohne das Gesagte des anderen überhaupt zu kommentieren.
Die Emotionen standen dem Engel deutlich in sein hübsches Gesicht geschrieben und das Zittern war nicht zu übersehen. Auch wenn der Junge es durch seinen gesenkten Blick versuchte zu verbergen.
Aaran sog den Rauch tief in seine Lungen, als im nächsten Moment die Stimme des Dämons erneut durch die Halle hallte.
„Das Startgebot für dieses exklusive Exemplar liegt bei 300 000 Dollar ...
500 000
800 000
1 Millionen
.......
.......
„600 Millionen!"
Stille. Aaran Igarashi lächelte kaum sichtbar. Drückte seine Zigarette im bereitstehenden Aschenbecher aus.
Wartete geduldig, mit einem zufriedenen Ausdruck im Gesicht, ob es wirklich jemand wagte, mehr zu bieten und ihn damit herauszufordern.
Doch nichts geschah.
Man hätte eine Stecknadel auf dem Boden aufkommen hören können.
Es dauerte einen Moment, bis die Stimme des Auktionators erneut ertönte. Denn anscheinend hatte es diesem, ebenso wie allen anderen, die Sprache verschlagen.
„600 Millionen zum Ersten ... 600 Millionen zum Zweiten ... 600 Millionen zum Dritten -
Verkauft!"
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