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Ein kaltes Gefühl erfasste Li. Als würde eine eisige Hand sein Herz festhalten und sein Blut in seinen Adern gefrieren. Unterdessen seine Augen den Wölfen folgten, die sich nur wenige Augenblicke, nachdem sein Gefährte im Gang zu den Toiletten verschwunden war, ebenfalls erhoben hatten. In dieselbe Richtung liefen und aus seinem Blickfeld verschwanden.
Ein dunkles Knurren rollte seinen Hals nach oben. Kaum zu hören. Jegliche Wärme wich aus seinen starr dreinblickenden Augen. Er erkannte einen Wolfswandler auf hundert Meter Entfernung. Und dass diese Gruppe Lugaru gemeinsam in dieselbe Richtung verschwanden, in der sein kleiner Jäger davongelaufen war ...
Es bedeutete nichts Gutes!
In einem Vorgang leerte Livian sein Glas. Stellte es ab und erhob sich im Anschluss mit einer fließenden Bewegung. Wenn sie seinem jungen Gefährten nur ein Haar krümmten-! Da ließ man diesen ohne Einwände oder Begleitpersonen losmarschieren, um ihn nicht einzuengen und seinen guten Willen zu zeigen - und dann das!
„Sollen wir hinterher?!“
Lis‘ Augen richteten sich auf Mian, der in diesem Augenblick um die Sitzgelegenheit herumkam. „Nein. Das werde ich selbst. Ich möchte, dass ihr den Gang blockiert. Die Gäste sollen die anderen Örtlichkeiten aufsuchen. Außerdem möchte ich wissen, mit wem die Gestaltwandler hier sind!“
Li wartete lediglich das bestätigende Nicken seines Sekretärs und Freundes ab, dann lief er mit zügigen Schritten los. Unterdessen Mian mit Handzeichen Befehle an seine Leute weitergab und Anweisungen raunte.
Doch kaum, dass er den mit einem abgedunkelten Licht erhellten Korridor betreten hatte, konnte er ein erneutes dunkles Knurren nicht zurückhalten. Welches sich seinen Weg aus seinem, nur einen Spalt weit geöffneten Mund bahnte. Etwas, das er nicht einmal versuchte zu verhindern, als sein Gehirn in einem Bruchteil von Sekunden das Gesehene verarbeitet hatte.
Wie es aussah, hatte er recht-. Selbstverständlich hatte er das! Doch das machte es nicht besser!
Seine Augen trafen auf die seines Gefährten. Hielten sich fest. Keiner von ihnen schien in der Lage zu sein, seinen Blick abzuwenden-. Er wollte es auf jeden Fall nicht. Viel zu gerne sah er seinem jungen Jäger in diese bezaubernden grauen Seen, in welchen sich die unterschiedlichsten Emotionen widerspiegelten und wie ein Sturm tobten.
Ohne Zeit zu vergeuden, lief er auf den großgewachsenen Mann vor ihm zu, der glatt die Frechheit besaß, sich ihm bedrohlich knurrend in den Weg zu stellen.
Räudiger Köter!
Kaum, dass dieser einen weiteren Schritt auf ihn zugemacht hatte, schlossen sich seine Finger um dessen Kehle. Als hätte dieser ihm etwas entgegenzusetzen! Die anderen drei schienen da deutlich mehr funktionstüchtige Gehirnzellen zu besitzen.
Den von der Wand bröckelnden Putz und den massigen Körper, der dies verursachte, ignorierend, setzte er seinen Weg weiter fort. Dieser jämmerliche Haufen war es nicht wert, sich die Finger schmutzig zu machen. Zumal es aussah, als gehe es seinem Kleinen gut. Zudem wusste er nicht, wie Derya darauf reagierte, wenn er hier und jetzt seinem Ärger freien Lauf ließ und den Kötern das Fell über die Ohren zog.
Und wenn er ehrlich war, lauschte er eh viel lieber dem deutlich zu schnell schlagenden Herzen seiner bezaubernden Seele. Allein dessen unversehrter Anblick reichte aus, um sein inneres Monster sich beruhigen zu lassen. Seine Wut flaute ab und verpuffte restlos, als er unerwartet die hauchzarte Berührung an seiner Brust wahrnahm. Das war also die Macht einer Seele.
Normalerweise war sein Wesen nicht so schnell unter Kontrolle zu bringen. Ganz abgesehen davon, dass er sich einen Dreck darum scherte, ob er jemandem Angst einjagte oder was derjenige über ihn dachte.
Doch in der Gegenwart seines kleinen Jägers konnte er gar nicht anders, als sich genau darüber Gedanken zu machen. Und kam schnell zu dem Schluss, dass er nie Angst oder Grauen in diesen fesselnden Augen seines Kleinen sehen wollte. Schon gar nicht durch etwas verursacht, das er getan hatte.
Sein inneres Wesen war von jetzt auf gleich vollkommen zahm. Schnurrte regelrecht vor Zufriedenheit. Die anderen Lugaru waren vergessen. Sie waren keine Bedrohung. Ihre Angst konnte er quasi bis hierher riechen. Seine innere Stimme sagte ihm, dass die Wandler sie nicht angreifen würden. Und er hatte recht. Mal wieder.
Denn nur wenige Augenblicke später sah er im Augenwinkel, wie sie, dicht an der Wand entlang, hinter ihm vorbeirannten. Ihren Kumpel auf die Beine zogen und das Weite suchten. Was ihn nicht weiter interessierte, da sie direkt in Mians‘ Arme rannten, der sich um sie kümmern würde.
Augenblicklich galt seine volle Aufmerksamkeit erneut seinem Gefährten, der, im Gegensatz zu den anderen, nicht den Anschein machte, als würde er gleich das Weite suchen. Das kalte Gefühl wich schlagartig angenehmer Wärme, die sich bis in seine Augen ausbreitete.
*
Fasziniert und vollkommen unfähig, sich zu bewegen, stand er da und verfolgte mit großen Augen, wie sich Livians Hand um die Kehle des Mannes festigte.
Nur Sekunden, bevor dieser einige Meter entfernt in der Wand einschlug, ohne dass es den Anschein machte, als hätte es Li große Anstrengungen gekostet.
Derya stieß die Luft durch die Nase mit einem kleinen, kräftigen Stoß aus. Schluckte und schielte zu den anderen Typen im Hintergrund. Welche in eben diesem Augenblick mit geschockten Gesichtsausdrücken eingeschüchtert zurücktraten.
Er würde nicht leugnen, dass ihm ein Stein vom Herzen fiel, weil die Wut nicht ihm galt. Froh, dass er nicht der Auslöser war. Sie stand dem Dämon nur zu deutlich in sein charmantes Gesicht geschrieben.
Wild klopfte sein Herz in seiner Brust. Pumpte hektisch das rote Lebenselixier durch seine Adern. Derweil die Luft um sie herum so schwer wurde, dass es sich anfühlte, als würde er sich in einem beengten Raum aufhalten. Allerdings wusste er nicht so recht, warum das so war, und das auch nur einen Moment lang, dann kehrte die Erleichterung zurück. Und mit diesem Empfinden auch die Gedanken. Die nicht dazu beitrugen, dass sich sein Puls wieder normalisierte. Im Gegenteil.
Zentimeter um Zentimeter hob sich sein Kinn und damit seine Augen. Die nur wenig später auf den intensiven Blick des Mannes strafen, der ihm durch und durch ging. Der Dämon hatte sich unablässig auf ihn zubewegt. Und nun standen sie sich so nahe, dass Derya nicht umhinkam, den berauschenden, ganz eigenen Duft nach Zimt und Vanille zusammen mit einer rauchigen Note tief einzuatmen.
Er brauchte lediglich die Hand zu heben, dann könnte er sie problemlos auf die definierte Brust des Dämons legen. Die in dem chinesischen, enganliegenden Gewand so ausgezeichnet zur Geltung kam. Ein Wunsch, ein so heftiges Verlangen, dem er nicht länger widerstehen konnte. Er musste-.
Ohne den Blick abzuwenden, hob Derya seinen Arm. Gab diesem enormen inneren Drang nach und legte seine Handfläche auf die Brust des Dämons. Ließ sie wenige Zentimeter nach unten rutschen. Fühlte den weichen Stoff unter seinen Fingern und die Wärme, die von dem anbetungswürdigen Körper vor ihm ausging.
Derya konnte fühlen, wie sein Herz stolperte, als Li langsam seinen Arm hob. Die Handfläche sanft an seine Wange legte und mit dem Daumenballen noch zärtlicher über seine Haut strich.
Er hatte andere immer belächelt, wenn sie von Schmetterlingen in ihrem Bauch schwafelten. Doch - verdammt, irgendetwas war da in seinem Magen definitiv los. Und sein gesamter Körper kribbelte vor Aufregung.
„Ist es das, was ich denke?“
Deryas Stimme war nur ein heißeres, raues Flüstern, derweil sie sich ununterbrochen in die Augen sahen.
Wodurch er sich einbildete, dass die Augen des Älteren noch eine Spur weicher wurden. Ein zärtlicher Blick, der bis auf den Grund seiner Seele reichte. Was womöglich auch mit dem nun sanften, auffälligen Lächeln des Dämons zusammenhängen konnte.
„Ja-.“
Ein einzelnes, ebenso leise gerauntes Wort, welches eine so gewaltige Auswirkung hatte, dass Deryas Puls sich abermals beschleunigte.
„Der Grund, warum ... warum du mich mit zu dir genommen hast? Wieso ich nicht in einem modrigen Keller sitze! Weshalb - du jede meiner Fragen ohne Zögern beantwortest-!“, Derya schluckte.
Seine Worte waren lediglich ein leises Hauchen. „Du wusstest es - von Anfang an, ... nicht wahr?!“, sein Herz schlug ihm bis zum Hals.
Livians Schweigen. Die freudig funkelnden Augen und das eine Spur breiter werdende Lächeln waren Derya Antwort genug. „- Der Grund, weshalb ich so fühle!“ … Das fehlende Puzzleteil.
Abermals schien die Zeit stehen zu bleiben. Ihre Umgebung verblasste. Löste sich auf, als sich Livians Lippen langsam den seinen näherten. Wenige Zentimeter, bevor sie jedoch aufeinandertrafen, stoppten. Eine stumme Frage. Er gab ihm damit die Möglichkeit, ihn aufzuhalten.
Die Schmetterlinge, oder was auch immer, in Deryas Bauch flatterten vor Glück. Dann vergrub er seine Finger der anderen Hand in den schwarzen, seidigen Haaren des Dämons und überbrückte die letzte Distanz.
Woraufhin ein Schauer seinen Körper erbeben ließ, als ihre Lippen das erste Mal aufeinandertrafen. Was ihm ein sinnliches Keuchen entlockte. Zur selben Zeit, wie sich Livians freier Arm um seinen Körper legte und ihn näher an den seinen zog.
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