97. Kapitel
~Federicos Sicht~
Zwei Worte fielen mir spontan ein, als ich Luna sah: verzweifelt und verletzt
Ich saß mit Ludmila, Gaston und Nina in einer Lounge. Ich wollte mich vom Tanzen ein wenig ausruhen und nippte an meinem Daiquiri. Ludmila hatte zu viel getrunken, weswegen ihr schlecht war. Sie lag mit dem Kopf auf meinem Schoß und schien zwischendurch sogar kurz vorm einschlafen zu sein. Ich versuchte mich um sie zu kümmern indem ich sie öfters fragte, ob sie an die frische Luft wollte und ihr Wasser reichte. Ludmila war dabei auszunüchtern, was sie allerdings nicht daran hinderte betrunken Blödsinn zu reden, was lustig, aber auch ziemlich süß war.
Als wir gerade in einem Gespräch mit Nina und Gaston waren, kam Luna auf einmal zu uns gerannt. Sie erklomm die Stufen von der Tanzfläche zu dem Bereich mit den Sofas und Tischen und kam schwer atmend vor uns zum Stehen. „Habt ihr Matteo gesehen?", rief sie panisch. Ich richtete mich gerader auf und sogar Ludmila nahm ihren Kopf von meinem Schoß und setzte sich. Lunas Zustand war beunruhigend. Sie war blass um die Nase und wenn ich mich nicht irrte, strich sie sich gerade eine Träne aus dem Augenwinkel.
„Was ist los, Luna?", fragte ich.
„Ich weiß es nicht, er musste weg und ist nicht mehr zurückgekommen und ich find ihn nirgends..."
Ich tauschte einen Blick mit Ludmila aus und als wir beide aufstehen wollten, legte ich meine Hände auf ihre Schultern und drückte sie wieder auf das Sofa.
„Ich mach das schon." Ludmila war noch nicht sicher auf den Beinen. Ich teilte Gaston mit einem Blick mit, dass er ein Auge auf sie haben sollte und ging dann mit Luna. Beruhigend eine Hand auf ihren Rücken gelegt, führte ich sie zu einer etwas menschenärmeren Ecke des Clubs.
„Was ist passiert? Hattet ihr Streit?", fragte ich sanft. Luna strich sich durch die Haare und seufzte laut. „Ja.. nein, ich weiß es nicht. Matteos Vater hat angerufen und wollte mit ihm reden, weshalb Matteo gegangen ist. Er kam ewig nicht wieder, worauf ich ihn angerufen habe." Ich nickte, Luna nahm derweil einen Atemzug.
„Am Telefon war er so komisch und...und abweisend. Echt jetzt Fede, das war ganz untypisch für ihn."
Ich stutzte. Das klang gar nicht nach Fede. Normalerweise würde er sich nie etwas von seinem Vater einreden lassen. Schon gar nicht wenn es um Luna ging.
„Was genau hat er denn gesagt?", fragte ich nach. „Irgendwas davon, dass es vorbei ist und dass wir vorbei sind. Als ich genauer nachgefragt hab, hat er nur geantwortet, dass ich es lassen soll. Er klang so kalt..."
Ich legte beruhigend meine Hände auf Lunas Schultern. „Hör mir zu, gibt es irgendeinen Anhaltspunkt wo er sein könnte? Irgendwelche Hintergrundgeräusche oder so?"
Sie seufzte: „Da gab es einige. Stimmen und laute Musik... und.. Fede ich will dich nicht beunruhigen, aber Matteo klang so als sei er ganz schön betrunken."
Ich seufzte. Nicht schon wieder. Ich wollte hier nicht den Moralapostel spielen, da ich in solchen Sachen auch kein unbeschriebenes Blatt war. Natürlich trank man mal etwas, aber Matteos Verhalten zeigte jedes Mal ein und dasselbe Muster. Etwas in seinem Leben ging schief, entwickelte sich nicht so wie er es gerne hätte, doch antstatt nachzudenken und nach Lösungen zu suchen, verpasst er sich mit Alkohol eine Dröhnung, die von all seinen Sorgen ablenken sollte.
Wenn sowas einmal passierte war es auch gar kein Problem, allerdings war er auch schon betrunken zum Training gekommen. Und hatte sich mit mir gestritten, als ich ihm davon abriet. Außerdem, war seine erste Lösung als ich wegen Ludmila am Ende war in einen Club zu gehen um uns abzulenken.
Wir mussten ihn finden, bevor noch irgendwas passierte. Ich dachte angestrengt nach, wohin würde ich gehen, wäre ich mein Bruder?
„Stimmen und laute Songs, klingt als wäre er in einem Club, oder einer Bar. Vielleicht sogar zuhause mit lauter Musik.", überlegte ich.
Luna strich sich die Haare aus dem Gesicht und sah mich besorgt an. So voller Gedanken, wirkte ihr Gesicht fast hilflos, sodass man sie beschützen wollte, wie eine kleine Schwester. „Wir müssen ihn finden. Ich mach mir sorgen.", seufzte Luna.
„Ich auch."
„Was ist mit Matteo?", stieß Gaston zu uns
„Wir können ihn nirgendwo finden. Er hat sich mit seinem Vater getroffen und seitdem ist er nicht wieder gekommen.", erklärte ich.
„Ich hab ihn angerufen und da wirkte er... nicht ok. Echt Gaston, ich glaub das ist was ernstes.", meinte Luna.
Matteos bester Freund nickte mit versteinerter Miene. „Was denkt ihr wo er sein könnte?"
Luna und ich teilten ihm unsere Vermutungen mit. Ich atmete tief durch um einen Plan zu machen. „Ok. Gaston hast du heute schon was getrunken?", fragte ich.
„Nur alkoholfrei, ich muss fahren."
„Gut. Wie wär's wenn du und Luna ein paar Clubs abgeht in denen er sich gern aufhält, während ich zu ihm nach Hause und zu mir fahre?", schlug ich vor. Luna und Gaston nickten.
„Ich geh nur schnell zu Nina und klär das mit ihr ab."
„Kein Problem ich muss auch noch zu Ludmila.", antwortete ich. Wir gingen alle drei nochmal nach oben zur Lounge wo die Luna und Ludmila waren. Jedoch waren sie nicht allein, sondern mit Ambar, Violetta und Simon zusammen.
„Wir müssen nochmal kurz weg. Geht um Matteo.", erklärte Gaston. Die anderen blickten uns überrascht an und nickten dann. „Oh ok.", meinte Ludmila. Ich teilte ihr mit einem Blick mit, dass sie ihre Fragen später stellen sollte. Die anderen merkten ebenfalls, dass wir ziemlich in Eile waren und hielten sich zurück. Obwohl man Ambar und Ludmila ansah, dass sie vor Neugierde platzten.
„Ist nur was wegen der Familie.", schob ich hinterher, damit keiner nachfragte. „Ludmila, soll ich dir Geld für ein Taxi geben, oder dich noch nachhause begleiten?", fragte ich. Da ich ja eh zuhause vorbeischauen würde.
„Nein, nein wir bleiben noch ein bisschen. Violetta hat León angerufen, der kommt später vorbei und fährt uns dann mit ihrem Wagen nach Hause." Eigentlich war geplant dass Violetta fuhr, aber anscheinend hatte León ihr angeboten sie auf dem Weg nach Hause mit zunehmen. Er war wegen der Arbeit noch spät im Tonstudio, welches ganz in der Nähe lag.
„Ah ok passt. Dann sehen wir uns zuhause."
„Nina, soll ich dich schnell noch heimfahren?", fragte Gaston derweil, jedoch bot Simon Nina an sie heimzufahren, da er Ambar und eigentlich auch Luna mitnahm und nichts getrunken hatte. Nachdem das alles geklärt war verabschiedeten wir uns von allen mit einer Umarmung.
Am Parkplatz trennten wir uns. Während Luna und Gaston mit dem Auto davonfuhren, machte ich mich zu Fuß auf den Weg in die Innenstadt zum Penthouse, dass ich mit Ludmila bewohnte. Mit dem Aufzug fuhr ich in den höchsten Stock und schloss die Tür auf.
Ich lief durch die Wohnung und stockte.
Matteos Schlüssel lag auf dem Wohnzimmertisch.
Er war hier.
Da im Gästezimmer niemand war, lief ich nach draußen auf die Terrasse zum Pool und erkannte ihn aus der Weite. Matteo saß auf einem der weißen Ledersofas. Erleichtert atmete ich auf und ging zu meinem Bruder. Das was ich sah, verursachte allerdings dass sich mir der Magen umdrehte.
Matteo sah völlig fertig aus.
Seine Augen waren rot und mit dunklen Ringen geziert. Die Haare hingen ihm glanzlos und unordentlich in die Stirn. Doch am meisten Sorgen machte mir die Glasflasche in seinen Händen.
„Schön dich zu sehen Bruder.", lallte Matteo, bei meinem Anblick.
„Auch schön dich zu sehen...", erwiderte ich skeptisch. „Was ist passiert? Ich weiß von dem Anruf mit Luna."
Matteos Blick schwiff in die Ferne. „Ach Luna... das werd ich vermissen.."
Er wollte noch einen Schluck aus der Flasche trinken doch ich griff seinen Arm und senkte ihn wieder.
„Ach so du willst auch was...", murmelte Matteo und reichte mir die Flasche. Ich nahm sie ihm aus der Hand und stellte sie auf den Tisch. Es war Vodka. Wegen genau so einer Flasche hatten Matteo und ich damals unseren ersten großen Streit.
„Matteo was ist passiert? Was meinst du mit ‚das werd ich vermissen'? Du redest ja fast so als hättest du vor Schluss zu machen..."
Matteo schnaubte. „Es ist auch vorbei. Aber nicht wegen mir. Als könnte ich je ohne sie leben... Mein Vater hat es geschafft mir das Wichtigste auch noch irgendwie zu nehmen. Die einzige Sache, die mich je so glücklich machen konnte."
Langsam verstand ich gar nichts mehr. „Aber wieso? Was hat er getan, Matteo?" Ich konnte es mir nicht vorstellen, dass er es irgendwie geschafft hatte Matteo davon zu überzeugen sich zu trennen. Dafür war die Beziehung von Luna und Matteo doch viel zu stark.
„Dafür gibt es bestimmt eine Lösung. Du und Luna, ihr beide findet immer einen Weg.", sagte ich eindringlich.
Er schnaubte: „Wieso? Wir sind beide Normalsterbliche, auch der König stößt mal an seine Grenzen..."
Sein Blick schweifte wieder ab, zu den Dächern von Buenos Aires, die wie tausende Lichter in der Ferne glänzten.
Ich legte meine Hand auf seine Schulter und übte einen leichten Druck aus. „Weil ihr zusammen gehört."
Matteo lachte gehässig auf und schlug meine Hand weg. „Und wer sagt, dass das irgendetwas ändert? Du, Bruderherz? Du kannst sowas leicht sagen, wie du dahinlebst in deiner Traumwelt, mit deiner Karriere als Star und deiner perfekten Beziehung."
Verwundert sah ich meinen Bruder an. So kannte ich Matteo gar nicht. So...zynisch, den Blick so voller Abscheu.
Es schockierte mich und gleichzeitig machte es mich so unheimlich wütend. Weil er so redete als hätte ich ein leichtes Leben. Als wäre für mich immer alles einfach und als wäre ich der Typ, dem immer alles zugeflogen war. Aber wir wussten beide, dass es nicht so ist.
„Alles was ich erreicht habe, hab ich mir erarbeitet. Du weißt genau, dass auch in meinem Leben nicht immer alles so rosig ist wie es scheint. Und wie viele Probleme ich und Ludmila hatten, wie oft wir uns gestritten haben und wie oft wir füreinander kämpfen mussten. Du weißt genau, dass das nicht stimmt."
Matteo sagte nichts mehr, sondern nahm nur die Flasche vom Tisch. „Matteo lass es..", meinte ich.
„Was ist jetzt dein Problem?", stöhnte er, „lass mich doch für eine Nacht mit deinen Predigten in Ruhe."
„Weißt du was, du nervst. Dein Verhalten nervt mich. Wenn etwas schief läuft trinkst du hemmungslos und zwar fast jedes Mal und du nimmst keine Rücksicht auf die Leute die sich Sorgen machen. Luna kommt fast um vor Gedanken, weil du einfach weggegangen bist. Oh und ich weiß von dem einem Mal als du betrunken zum Training gekommen bist."
„Na und? Du bist weder meine Mutter noch mein Vater, also hör auf dich so zu benehmen."
„Ja, aber ich bin dein Bruder und das was deiner Familie im Moment am nächsten kommst. Und jetzt gib mir die verdammte Flasche." Ich versuchte ihm die Flasche aus der Hand zu nehmen, allerdings hielt Matteo sie mit beiden Händen fest. Ich spürte wie das Gesöff überschwappte und mir auf die Hände lief.
Dadurch wurde meine Finger rutschig, sodass ich die Flasche loslassen musste. Matteo stand auf, und lief los. Er war eindeutig unsicher auf den Beinen und stolperte fast. Im Haus konnte ich ihn aufhalten und hielt den Betrunkenen fest. „Lass es.", stöhnte er und wand sich in meinem Griff. Wir rangten eine Weile, bis er sich auf einmal mit voller Wucht umdrehte und mich von sich stieß, wobei er nach vorne, gegen mich stolperte.
Durch den plötzlich kommenden festen Stoß, konnte ich mich nicht mehr halten und fiel nach hinten. Mit der Hand versuchte mich irgendwo festzuhalten, schrammt dabei allerdings nur an die Kante des Wohnzimmertisches aus Glas. Ich schlug auf dem Boden auf und mein Kopf wurde erst gegen die Kante unseres Sofas und dann auf den Boden geschlagen. Als ich benommen die Augen wieder öffnete vernahm ich einen starken Kopfschmerz und sah, dass meine Hand blutete.
Matteo stand wie versteinert vor mir und sah schockiert zu mir herunter. „Oh mein Gott, das wollte ich echt nicht.. ich-"
Ich weiß nicht ob es die starken Schmerzen, oder die unbändige Wut auf meinen Bruder war, jedoch führte eines, wenn nicht sogar beide dieser Dinge dazu, dass ich etwas sagte, was niemals hätte ausgesprochen werden sollen.
Meine Stimme klang kalt, als ich meinem Bruder entgegenstieß: „Du hast echt ein Problem. Lass mich einfach in Ruhe."
Schon in der Sekunde als ich es aussprach bereute ich es, doch Matteo war schon weg. Ich hatte echt Scheiße gebaut. Was fiel mir nur ein so etwas zu sagen? Zu meinem eigenen Bruder. Ich musste ihm hinterher bevor etwas schlimmes passiert.
Mühsam rappelte ich mich auf und stürmte aus dem Appartment die Treppe hinunter. Der Aufzug war ja belegt.
In der Lobby erwischte ich ihn. Er war schon fast draußen. Vor der Tür rief ich nach ihm. „Matteo! Bleib stehen, so war das doch nicht gemeint."
„Lass mich. Du hast recht, ich sollte dich und euch alle einfach in Ruhe lassen." Er lief zum Bürgersteig und hielt sich ein Taxi.
„Bleib hier bitte."
Matteo drehte sich allerdings nicht mal um, sondern öffnete nur die Tür und stieg ins Taxi. „Wo willst du hin?", rief ich.
„Irgendwohin wo ich allein sein kann.", war das letzte was mein Bruder antwortete bevor er die Tür des Wagens zuschlug und sich das Taxi in den geschäftigen Straßenverkehr von Buenos Aires einreihte.
Und den guten Vodka hatte er natürlich mitgenommen.
Super.
Heyy☺️
Hab spontan nochmal in der Nacht das ganze Kapitel fertiggebracht. Eigentlich wollte ich auch noch die kommenden Ereignisse in dieses Kapitel packen, allerdings hab ich unterschätzt wie viele Seiten der Streit von Fede und Matteo ausfüllen würde.
Das Kapitel war etwas krasser, nicht wahr?
Werden Fede und Matteo sich versöhnen?
Wohin geht Matteo jetzt?
Und die Frage, die wir uns alle stellen: Was hat Matteos Vater getan?
Keep Reading 😇
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro