65. Kapitel
~Lunas Sicht~
Ich weiß nicht wie lange ich dort noch in der Dunkelheit stand, mit meinem Gesicht in Matteos Brust vergraben. Mein zu schnell schlagendes Herz pochte gegen meinen Brustkorb und drohte gleich rauszuspringen.
Meine physische Verfassung war mehr als schlecht. Mein ganzer Körper zitterte und mir schossen unkontrolliert Tränen in die Augen.
Matteo hielt mich fest und strich mir sanft über meinen Rücken und Hinterkopf. Seine Arme schirmten mich von der Realität ab und hüllten mich stattdessen in angenehme Wärme und Geborgenheit.
Er war mein Zufluchtsort, mein Zuhause.
Währenddessen murmelte er beruhigende Worte, die ich kaum verstand. Ich hatte jegliches Zeitgefühl verloren, während ich von seinen Armen umschlossen wurde, doch irgendwann konnte ich meine Atmung besser kontrollieren und mein Schluchzen wurde leiser.
Langsam wagte ich es den Kopf zu heben und blickte in ein paar rehbrauner Augen. Diese Augen verbargen soviel Emotionen dahinter. Man konnte seine unbändige Wut sehen, die Besorgnis, Liebe und Angst.
Matteo sah mich voller Gefühl an und strich ganz zart über meine Wange. "Ab jetzt wird alles gut, Luna.", sagte er leise und lehnte seine Stirn an meine. Ich schloss die Augen und versuchte seinen Worten Glauben zu schenken.
Ich wollte so sehr daran glauben, dass es stimmte.
Heute morgen hätte ich das auch noch gekonnt, aber jetzt? Jetzt wo ich um ein Haar dem Schicksal entkommen war von Mr Hanson vergewaltigt zu werden?
Ich wusste nicht, ob ich das noch konnte.
Nach einer Zeit wandte ich den Blick von Matteo und drehte mich um. Er lockerte seinen Griff, hielt mich aber immer noch im Arm.
Simon kam auf mich zu und berührt sanft meinen Oberarm. "Du brauchst jetzt keine Angst mehr haben Luna."
Ich nickte, doch es hatte keine Bedeutung.
Die nächsten Momente bekam ich nicht bewusst mit, es rauschte alles nur an mir vorbei. Als wäre ich nicht mehr in meinem Körper, sondern würde einfach nur zusehen.
Die Realität drang erst wieder zu mir, als ich Matteos Stimme hörte. "Er ist weg."
Ich blickte an die Wand, wo Mr Hanson zuvor gesessen hatte. Er hatte sich wirklich aus dem Staub gemacht.
Matteo war sehr wütend, doch ich fühlte nichts. Nur Erleichterung, dass er weg war und Angst, dass er wiederkam.
"Können wir... können wir bitte gehen? Ich will hier weg.", brachte ich hervor. Noch länger hielt ich es in dieser dunklen Gasse nicht aus, ich wurde noch verrückt von den Erinnerungen die auf mich eindrangen. Irgendwann verschlingen sie mich noch.
Matteo nickte und legte seinen Arm um mich während wir gingen. Seitdem er mich umarmte hatte, war er mir keinen Moment von der Seite gewichen. Als hätte er Angst, dass ich zerbrach, wenn er mich losließ.
Ich konnte auch nicht versprechen, dass das nicht der Fall war. Vielleicht wären meine Beine ohne seinen Griff schon längst eingeknickt. Mir fiel erst jetzt wieder bewusst auf wie sehr sie zitterten und dass mir immer noch Tränen über die Wangen liefen.
Matteo hielt mich oben, es war mehr als würde er mich stützen. Als wir aus der Gasse raus waren, kam Nina uns entgegengelaufen.
"Oh mein Gott. Luna, was ist passiert?", kam es von ihr. Der Schrecken stand ihr ins Gesicht geschrieben. Ich war überfordert, nicht bereit über das ganze zu reden, sodass ich einfach stillblieb. Es war in diesem Moment, als wäre mein ganzes Gehirn lahmgelegt, sodass ich keinen richtigen Gedanken fassen konnte.
"Nicht jetzt.", sagte Simon leise und meine beste Freundin schien zu verstehen. Sie richtete sich auf und nickte langsam, obwohl man ihr die Verzweiflung ansehen konnte.
"Wie auch immer, wir gehen. Luna, du kannst erstmal mit zu mir kommen. Meine Eltern sind ausgegangen. Also, wenn das okey für dich ist.", meinte Matteo leise und ich nickte. Wenn ich eins nicht wollte, dann von ihm weg.
"Scheiße meine Tasche ist noch im Roller!", rief ich auf einmal, "Ich kann so nicht dort hin zurück." Kurz überlegte ich die Sachen einfach dort zulassen, doch der Inhalt war zu wichtig. Darin waren mein Handy, Geld und... Matteos Kette. Ich hatte sie vor dem Auftritt abgelegt, da sie nicht zum Kleid passte und in der Tasche verstaut.
"Kein Problem ich hol sie.", meinte Nina sofort.
"Im Backstagebreich auf dem Sofa.", rief ich ihr hinterher und ein paar Minuten später kam sie tatsächlich damit zurück. Nina war ein Schatz und stellte mir keine weiteren Fragen. In der Zwischenzeit hatte Matteo seinen Chauffeur gerufen, der uns abholte.
Matteo setzte sich zu mir auf die Rückbank und wir saßen schweigend beieinander. Die ganze Fahrt blickt ich nur ins Leere und wunderte mich nicht mal darüber, was der Fahrer jetzt von mir denken musste.
Der Weg zu Matteos Haus kam mir quälend lang vor und ich war so froh als wir es endlich erreichten. Ich fühlte mich Elend und wollte einfach nur in seinen Armen liegen und weinen. Das klang paradox, aber ich konnte mir etwas anderes nicht vorstellen. Nur er konnte mich jetzt beruhigen.
Draußen hatte Regen eingesetzt sodass wir die Schritte vom Auto zum Haus liefen. Matteo sperrte auf und ließ zuerst mich hinein bevor er eintrat.
"Komm mit nach oben, ich geb dir Klamotten von mir.", meinte er.
"Matteo... ist es okey wenn... Ich würde gern duschen."stammelte ich.
Er nickte sofort. " Natürlich, du weißt wo das Bad ist, ich leg dir Klamotten hin."
In der Dusche war ich das erste Mal wieder richtig alleine. Ich lehnte mich an die Fliesen und ließ das warme Wasser auf mich herabprasseln. Mit den Tropfen wurden auch die Tränen von meinem Gesicht gespült.
Wenn ich alleine war, schienen die Gedanken lauter.
Ich duschte so lange, bis ich mich nicht mehr ganz so dreckig fühlte. Danach stieg ich aus der Dusche und vermied es in den Spiegel zu sehen, aus Angst davor was mir entgegenblicken könnte.
Matteo hatte mir Klamotten von ihm gebracht. Ich trug jetzt einen dunkelgrauen Pulli von ihm, der so lang war, dass ich ihn als Kleid benutzen konnte. Mein Gesicht fühlte sich nach dem Weinen gereizt und geschwollen an, aber vor allem war ich erschöpft und wollte einfach nur schlafen. Schlafen und dadurch alles vergessen.
Ich zog Matteos Kette aus meiner Tasche und betrachtete sie nachdenklich in meinen Händen. Er hatte sie mir letztes Jahr geschenkt, kurz bevor wir zur Premiere von Ellas Film aufgebrochen waren.
Das war eine unserer glücklichsten Zeiten.
Ich führte die Kette zu meinem Hals und verriegelte den Verschluss. Matteo hatte gesagt ich solle sie tragen. Sie würde mich beschützen.
Ich fühlte mich besser, wenn ich etwas von ihm an mir trug.
Als ich wieder aus dem Badezimmer kam, sah ich Matteo in seinem Zimmer. Er stand vor dem Fenster und hatte den Blick gesenkt.
Mir fiel gleich auf, dass etwas an ihm anders war als sonst. Seine Haltung war viel ...zerbrechlicher, er sah geschwächt aus.
"Hey.", hauchte ich, als ich im Türrahmen stand. Durch das Panorama Fenster erkannte ich, dass es draußen regnete. Immer wieder konnte man die Tropfen an das Glas prasseln hören.
Wortlos ging ich zu Matteos Bett und setzte mich an die Kante.
"Ist... ist alles in Ordnung Matteo.", fragte ich vorsichtig, nachdem er keinen Ton von sich gab.
"Luna.", er schüttelte den Kopf," bitte frag mich das nicht." Seine Stimme zitterte kaum merklich."Was jetzt zählt ist, dass es dir gut geht."
Ich seufzte: "Matteo. Können wir bitte nicht darüber reden?"
Matteo wandte den Blick vom Fenster und kam auf mich zu. " Du musst nicht darüber reden, wenn du nicht willst."
"Leg dich doch zu mir.", meinte ich und versuchte die Lippen zu einem aufmunternden Lächeln zu verziehen. Ich könnte seine Nähe jetzt wirklich gut gebrauchen. Jede Faser meines Herzens verlangte danach seine Arme um mich zu spüren.
Oder einfach nur seine Hand in meiner.
Matteo seufzte tief: "Luna, ich kann das nicht mehr. Meine Zeit ist abgelaufen."
Fassungslos sah ich ihn an. Verstand ich das richtig? "Matteo ich... ich brauche dich.", zwang ich mich zu sagen, meine Stimme zitterte dabei.
"Das ist der springende Punkt. Luna, du verdienst etwas besseres.", er wandte den Blick von mir ab. Man merkte wie schwer ihm das fallen musste. Meine Augen füllten sich wieder mit Tränen.
Das konnte nicht sein Ernst sein. Das würde Matteo doch nie sagen.
"Matteo, sag sowas nicht.", hauchte ich und blickte ihn flehend.
Er schüttelte seinen Kopf und ging zu mir . "Verstehst du nicht? Du verdienst jemanden, der dich richtig beschützt. Der nicht so reagiert wie ich. Ich hab dich gleich so dumm angefahren, als ich mitgekriegt habe was mit Mr Hanson geschehen ist. Ich hab dich allein gelassen, als du mich am meisten gebraucht hast. Du verdienst jemanden, der dich einfach schweigend in den Arm genommen hätte und für dich da gewesen wäre. Jemand der nicht einfach betrunken zum Training gekommen wäre und dich fürs Lügen bestraft hätte, obwohl er selber genau das gleiche getan hat. Jemand wie Federico oder Simon, die beiden wären richtig mit dir umgegangen." Das mit anzuhören zerriss mir fast das Herz. Wie konnte er so etwas denken?
Matteo ging vor mir auf die Knie sodass wir uns in die Augen sehen konnte.
"Du glaubst nicht wie gern ich einfach nur aufstehen und dich küssen würde, Luna. Aber das darf ich nicht, weil ich bei dir einfach nicht egoistisch sein kann."
Seine Worte hallten durch meinen Kopf. Ich wusste nie, dass ich Matteo soweit bringen konnte, dass er an sich selbst zweifelte. Er löste aber auch die widersprüchlichsten und tiefsten Gefühle in mir aus.
"Matteo ich brauche dich. Dich, den Snob. Den Jungen, den ich liebe. Du bist der einzige, der mich so glücklich machen kann, bitte geh nicht. Ich glaube.... du bist der einzige der mein kaputtes Herz wieder zusammen flicken kann.", schluchzte ich.
Matteo hatte den Blick gesenkt und als er ihn wieder hob stockte mir eine Sekunde der Atem. In Matteos Blick lag soviel Tiefe und Schmerz, dass es mir die Sprache verschlug. Ich sah Tränen in seinen Augen glitzern.
Langsam nahm ich sein Gesicht in meine Hände und strich sanft über seine Wangen. Eine Träne lief über sein Gesicht und sammelte sich in meiner Handfläche.
Das war das erste Mal, dass ich Matteo weinen sah.
"Ich wollte dich doch einfach nur vor all dem beschützen. Was mich so wütend gemacht, war dass ich es nicht geschafft habe dich vor ihm zu bewahren. Ich war wütend auf mich selbst und habe alles an dir ausgelassen. Das zeigt wieder einmal, dass ich so eine wunderschöne, mutige und starke Frau wie dich nicht verdiene. Ich wollte doch immer dein Retter sein, Luna, dich beschützen."
Mittlerweile liefen uns beide Tränen über die Wange. Ich konnte es nicht aushalten Matteo weinen zu sehen. Das war zu viel für mich.
"Wie kannst du sowas sagen?", rief ich aufgebracht," du hast mich gerettet, Matteo. Ohne dich wäre ich wahrscheinlich immer noch in dieser schmutzigen Seitengasse. Wie kannst du auch nur eine Sekunde behaupten, dass du mich nicht verdienst! Erinnerst du dich noch? Du hast mich schon damals immer gerettet, du stärkst mir den Rücken. Und ich werde unsere Liebe nicht aufs Spiel stellen, nur weil du denkst zu wissen was gut für mich ist."
Matteo senkte den Kopf und ich spürte das Gewicht in meinen Händen. Er wirkte so schwach, dass es mir Angst machte.
"Ich will dich beschützen und nicht verletzten. Aber ich habe dich so oft verletzt Luna. Es ist schon so viel kaputtgegangen."
"Am meisten verletzt es mich, wenn du nicht da bist. In England musste ich die ganze Zeit an dich denken, ich kann nicht ohne dich. Und es mag sein, dass wir beide ein bisschen kaputt sind. Aber wir flicken uns schon wieder irgendwie zusammen. Gemeinsam."
Er hob den Kopf und sah mich an. In seinem Blick lag so unendlich viel Tiefe.
"Und jetzt steh auf und küss mich endlich.", fügte ich hinzu. Eine Weile herrschte Blickkontakt zwischen uns, was wie eine neue Art des Wortaustauschs war. Man sah den inneren Koflikt hinter seinen Pupillen und die Willensstärke in meinen. Wir führten eine Art stumme Diskussion.
Auf einmal spürte ich wie Matteo den Kopf aus meinen Händen nahm und sich aufrichtete. Zwei Arme schlangen sich um meine Taille und ich wurde mit ihm nach oben gezogen. Sobald ich aufgestanden war, spürte ich seine Lippen auf meinen und fragte mich wie zur Hölle ich es solange ohne das ausgehalten hatte.
Ich vergrub die Hände in Matteos Haaren und versuchte ihn daran noch näher zu ziehen. Von seinen Armen umschlingt zu werden gab mir ein Gefühl der Geborgenheit und gleichzeitig ließ es mein Herz bis zum Hals schlagen.
Wir küssten uns lange und innig, während uns immer noch Tränen über die Wangen liefen. Allein mit diesem Kuss nahm Matteo mir soviel Leid ab.
Als wir uns atemlos voneinander lösten griff ich nach seinen Händen und wir verkreuzten unsere Finger miteinander. Ich schloss die Augen und lehnte meine Stirn an seine.
Jetzt war ich mir sicher, es würde alles gut werden.
Jetzt, wo wir zusammen waren.
Heyyy❤
Ich hoffe ihr versteht jetzt, was ich mit Bittersüß gemeint habe.
Ich bin jetzt schon so gespannt zu sehen wie der Teil bei euch angekommen ist.
Ich wollte euch mit der Lutteo Versöhnung kein Kapitel länger warten lassen, deshalb bin ich echt froh, dass es jetzt fertig ist.
Keep Reading 😇
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