141. Kapitel
Federicos Sicht
Zuhause angekommen ging Ludmila erst einmal duschen. Ich trank etwas und schaute auf mein Handy um zu sehen, ob sich etwas verändert hatte. Wieder nichts.
Diese Nacht hinterließ ein seltsames Gefühl. Es war vier Uhr morgens und wir waren seit Stunden wach. Es war wie Jetlag zu haben, nein, eher so als hätte man gar kein Zeitgefühl mehr. Die Realität war aus den Angeln gehoben. Auch wenn in weniger als drei Stunden in ganz Buenos Aires der Alltag auf ein Neues begann, schien es als würden wir uns in einer anderen Hemisphäre bewegen. Isoliert von allem anderen, fast so als würde man den Rest der Stadt völlig vergessen.
Ludmila kam in einer grauen Jogginghose und einem einfach Langarmshirt zurück. "Du kannst jetzt ins Bad.", sagte sie leise, während sie zu mir in die Küche stieß und mich grübelnd vor meinem Handy auffand. Sie seufzte und legte ihre Hand sanft auf meine Wange um meinen Kopf vom Handy wegzudrehen und mich tröstend anzusehen. "Sie schafft es ganz sicher.", murmelte sie so überzeugt wie sie eben konnte. Ich zuckte nur antriebslos mit den Mundwinkeln. Ludmila lehnte sich zu mir hoch und gab mir liebevoll einen Kuss auf die Wange, bevor sie mich ins Bad schickte.
Es war gut gewesen nach Hause zu kommen. Ich war angespannt und obwohl ich es nicht zugeben wollte, ich hätte die starke Fassade nicht länger aufrecht erhalten können. Es war besser wenn Matteo nichts von meiner Unruhe mitbekam. Mein Bruder war wie eine tickende Zeitbombe, es könnte jederzeit eintreten, dass die Belastung zu viel für ihn wurde.
Ich zog mir ebenfalls nur etwas bequemes an und kämmte meine Haare ein wenig. Nervös sah ich in den Spiegel. Der Schlafmangel war deutlich zu merken. Nachdem ich fertig war, ging ich ins Schlafzimmer und ein paar Sachen zusammen zu packen, bevor wir wieder ins Krankenhaus fuhren. Außerdem sagte ich alle Termine von mir, sowohl Ludmila ab. Als ich wieder ins Wohnzimmer kam, bot sich mir ein Bild dass mich zum Lächeln brachte. Ludmila lag auf dem Sofa, die Augen geschlossen und schien zu schlafen.
In dem Moment wusste ich, dass sie die Frau war, die ich heiraten wollte. Diese Situation zeigte, wie unbeständig alles war und wie schnell die Dinge kaputt gehen konnten. Und wie wenig Zeit man eigentlich hatte. Am liebsten hätte ich ihr hier und jetzt sofort einen Antrag gemacht und für einen kurzen Moment spielte ich auch mit dem Gedanken, doch ich wusste, dass es nicht der richtige Zeitpunkt war. Um halb fünf, auch noch in dieser schrecklichen, die von ganz anderen Gedanken belastet wurde. Ohne eine Möglichkeit den Anlass zu feiern, Erinnerungsbilder zu machen, es unbelastet unseren Freunden und Familien zu erzählen. Und außerdem ging es in dieser Nacht nicht um uns.
Nein, ich wollte dass der Tag an dem ich ihr einen Antrag machte ausschließlich von positiven Gefühlen erfüllt war.
Alse nahm ich eine Wolldecke, legte sie auf sie. Ich selbst nahm neben ihr Platz und schlang den Arm um ihre Taille. Eigentlich wollte ich nur kurz meine Augen ausruhen, doch dann war ich unkontrolliert eingeschlafen. Jedoch wachte ich bereits eine halbe Stunde später wieder auf und blickte mich panisch um. Ludmila setzte sich gerade auf und nahm schlaftrunken ihr Handy. Plötzlich sprang sie auf und blickte mich erschrocken an.
"Die Ärzte wollen mit den Angehörigen sprechen. Wir müssen sofort los."
Alfredos Sicht
Nachdem ich untersucht wurde, meinten die Ärzte dass sie mich zu Beobachtung gerne noch ein paar Tage hier behalten würden. Außerdem würde ich über das Schicksal von meiner Tochter und meiner Enkelin aufgeklärt.
Ein Welle von Erleichterung erfasste mich, als ich erfuhr, dass Ambar verschont blieb. Ich war ein Mann der gelebt hatte. Bisher dachte ich immer, in meinem Leben hätte ich alles gesehen, gehört und erlebt. Doch so eine Nacht war mir noch nie untergekommen.
Ich musste mir eingestehen, dass ich eine Schuld trug, die schwer wieder von meinen Schultern zu heben war. Immer wieder fragte ich mich, wie unsere Familie so hatte werden können. Ich war viel auf Reisen gewesen, oft nicht da und immer beschäftigt mit der Arbeit, doch ich hatte meine Töchter geliebt. Und Lily...Lily war immer so beschäftigt und lebensfroh, dass ich mir nie wirklich Sorgen darum machte, dass ich so viel verreist war. Immer wenn wir telefonierten erzählte sie mir von Freunden, Erlebnissen, der Schule.... später von Reisen und Veranstaltung . Sie war immer dabei ein neues Hobby für sich zu entdecken, eine Party zu planen oder zu arbeiten. Sie schien immer auf dem Sprung zu sein und später hatte sie dann Bernie, diesen wundervollen Ehemann, der sie in allem unterstützte.
Sharon war schon immer etwas eigen gewesen, doch ich sah in ihr, dass sie ehrgeizig und klug war. Sie lernte mehr als jeder andere für die Schule und schien immer zu arbeiten. Dass sie nie eine längere Beziehung hatte, fiel mir als Vater schon auf, doch ich tat es ab, da sie so unabhängig war und keinen Mann zu brauchen schien.
Ich hatte mir nie große Sorgen um meine Töchter gemacht und vielleicht war das mein größter Fehler.
Erst als meine Enkelin Sol geboren wurde und ich zunehmend älter wurde, find ich an mich zur Ruhe zu setzen und immer öfter zuhause zu sein. Mit der Zeit begann es mir aufzufallen, dass irgendetwas...falsch schien. Lily und Bernie waren überglücklich und mitten im Leben, doch manchmal erschien die Stimmung in dem großen Anwesen einfach merkwürdig. Angespannt, so als ginge etwas hinter uns vor sich, von dem ich nichts wusste. Ich bemerkte die Blicke, die Sharon Bernie zuwarf und wie boshaft sie Lily manchmal ansah, wenn sie mit Bernie oder Sol redete. So als wäre sie neidisch auf ihre Schwester, doch ich nahm die ganze Sache nie ernst. Wahrscheinlich hatten sie nur Streit und es würde sich alles von allein wieder klären.
Und Sol...ich war überglücklich wegen ihr. Als ich erfuhr, dass meine Tochter in den Wehen lag, war ich sofort aus meiner Geschäftsreise in Japan in den nächsten Flieger nach Buenos Aires gestiegen. Meine Enkelin...ich liebte sie vom ersten Augenblick an. Sobald ich ihr in die Augen sah, wusste ich dass ich es besser machen wollte. Ich wollte nach Hause, zu meinen Töchtern und meiner Familie.
Und dann verlor ich sie. In der Nacht des Brandes wurde ich aufgeweckt von einer weinend Sharon und von zwei Feuerwehrmännern nach draußen geführt. Ich konnte mich heute noch daran erinnern wie ich immer wieder nach Sol schrie und danach fragte wo sie war. Ich war erschüttert, als erfuhr dass ihr Körper niemals gefunden wurde und noch mehr war ich am Boden als Lily und Bernie tot aufgefunden wurden. Als das Haus wieder erbaut wurde, ließ ich Sonnenornamente an jeder Stelle der Eingangshalle zieren. Diese sollte Sol gewidmet sein, dass in diesem Haus trotz allem immer ihr Zuhause sein würde.
Es war eine Tragödie. Doch all die Jahre hatte ich Sol nie aufgegeben. Ich hatte immer gespürt, dass sie noch dort draußen war. Und dann kam Luna in dieses Haus... die mir gleich so bekannt vorgekommen war. Ihr lockiges Haar und das Lächeln war als hätte ich eine Schablone meiner geliebten Enkelin vor mir. Wir hatten eine Verbindung von Anfang an, irgendwo hatte ich es immer gewusst.
Nach meinem Zusammenbruch, als Luna zu mir kam, wurde es mir das erste Mal klar, dass ich meine Enkelin vor mir hatte. Doch als Sharon in das Zimmer kam verschwamm dieses Bild und unter all den Schmerzmitteln konnte ich bald nicht mehr unterscheiden, ob ich diesen Moment vielleicht nur geträumt hatte.
Und jetzt war ich dabei, meine Enkelin ein zweites Mal zu verlieren, auch wenn ich sie gerade erst gefunden hatte. Ich hätte für meine Familie da sein müssen, dann wäre es nicht so weit gekommen. Hätte ich bemerkt, was für Probleme Sharon gehabt hatte und wäre ich an dem Abend des Feuers früher bei Lily gewesen oder früher von dem Brand aufgewacht....vielleicht hätte ich es verhindern können.
Ich hatte viele Fehler gemacht, doch von all jenen war dies mein größter.
Matteos Sicht
So hatte ich immer gemeint, müsste sich die Hölle anfühlen. Einfach nur zu warten, nichts tun zu können, während eine geliebte Person in der Hand des Schicksals schwebte.
Ludmila und Fede kamen schnellst möglich zurück, als bekannt wurde, dass die Ärzte mit uns reden wollten und hatten essen für uns mitgebracht. Frühstück von Mc Donalds war vielleicht nicht das gesündeste, doch die meisten von uns hatten seit langer Zeit nichts gegessen oder bekamen nichts runter, so wie ich.
Nachdem wir alle am Gang standen, auch Lunas Eltern, die schrecklich blass und abgekämpft aussahen, sprachen die Ärzte endlich zu uns.
„Es tut uns leid dass zu sagen, aber der Zustand von beiden der Patienten hat sich nicht verbessert."
Mein Herz blieb bei dieser Nachricht stehen. Und was hieß das jetzt? Ich konnte förmlich spüren wie es mir hochkam und meine Atmung sich beschleunigte.
„Aber auch nicht verschlechtert. Wir schaffen es die beiden am Leben zu halten, aber wissen nicht ob sie stark genug sein werden das alleine zu schaffen. Also halten wir es an diesem Zeitpunkt für richtig eine begrenzte Anzahl an Menschen, einzeln zu der Person zu lassen, allerdings nicht mehr als der Stück und jeweils nur ein paar Minuten, die Patienten brauchen äußerste Ruhe. Sie...so leid es mir tut, es könnte der Fall eintreten dass sie sich in den nächsten Stunden von der Person verabschieden müssen."
Jeder von uns blickte bestürzt drein. Das war etwas was wir erstmal verdauen mussten. Es war von vorne herein klar, dass Aflredo und danach Ambar zu Sharon und Monica, sowie Miguel zu Luna gehen würden.
Die Zeit während Lunas Eltern bei ihr waren kam mir ewig lang vor. „Ich finde Matteo sollte als dritte Person zu ihr gehen.", meinte Fede leise und alle anderen stimmten zu.
Ich sah zu Alfredo und dieser nickte, also stimmte ich zu, obwohl ich für diesen Moment nicht bereit war. Ich konnte mich doch nicht von Luna verabschieden wenn ich....noch nicht bereit. Ich wusste doch nicht einmal ob sie es schaffen würde und an den Fall zu denken dass sie es nicht tat machte mich kaputt.
Als Lunas Eltern aus dem Zimmer kamen und ich schwerfällig aufstand um zur Tür zu gehen wurde mir schlecht. Ich hatte nie soviel Angst davor gehabt in einen Raum zu gehen. Doch darüber blieb mir nicht viel Zeit, als ich die Klinke herunter drückte und möglicherweise ein paar meiner letzten Minuten mit der Liebe meines Lebens begannen.
Hallöchen^^
Es geht natürlich super dramatisch weiter. Kann sein dass es an manchen Stellen zu viel Tragik bekommt aber es ist einfach so interessant mal etwas komplett anderes und ja, auch realitätsfernes zu schreiben.
Ich bin mega zufrieden dass ich dieses Kapitel so schnell fertig gekriegt habe und obwohl ich es komplett in einem Tag geschrieben habe sogar ein gutes Gefühl dabei habe.
Freue mich wie immer auf euer Feedback und es würde mich auch sehr interessieren, was ihr in den nächsten Kapiteln so sehen wollt.
Keep Reading😇
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