134. Kapitel
Lunas Sicht
Ich zuckte vor Schreck zusammen als Sharons erboste Stimme durch den Raum hallte. Mein Herzschlag blieb fast stehen, als ich begriff was das alles bedeutete und wie viel diese Enthüllung mit sich brachte.
Sharon, die eiskalte und emotionslose Sharon war eine meiner letzten lebenden Verwandten. Meine Tante. Ich war ihre Nichte, die den gesetzlichen Anspruch auf all ihr Vermögen hatte. Mir wurde fast schwindelig von all den Gedanken die sich überschlugen. Diese Villa, das ganze Geld, der Ruhm, der Prunk und das Gold...all das war das Werk meiner Eltern...meiner verstorbenen Eltern, die ich niemals kennenlernen werde.
Sharon kam mit schnellen, harten Schritten und einer bösen Miene, gefolgt von Rey in den Salon. Sie sah gar nicht erfreut aus, als sie uns dort alle so stehen sah. Mir wurde eiskalt ums Herz, als mir einfiel was Ambar gesagt hatte. Dass Sharon kein Interesse daran hatte, ihre Nichte kennenzulernen, sondern diese so weit wie möglich von sich fern halten wollte. Dass das einzige woran Sharon sich unergiebig fest krallte ihr Geld war. Ambar hatte mich davor gewarnt, dass ihre...unsere Tante unberechenbar war, wenn ihre Milliarden in Gefahr waren.
Auf einmal bekam ich Angst was sie mir antun würde, jetzt wo alle wussten wer ich war.
Alfredo legte eine Hand auf meinen Rücken, was mich ein wenig beruhigte und meinte mit herzlicher Stimme: "Meine Tochter, wir haben etwas zu feiern. Meine verlorene Enkelin ist nach all den Jahren endlich in unsere Familie zurückgekehrt." Er lächelte mich an und ich erkannte immer noch Tränen in seinen Augen, was mich selbst so rührte dass ich lächeln musste. Als ich jedoch wieder zu Sharon blickte, rutschte mir das Herz in die Hose. Ich rückte ängstlich zu Alfredo und warf meinen Eltern einen beunruhigten Blick zu.
Alfredo schien gar nicht zu bemerken wie angespannt die Stimmung. Wir alle wussten, dass Sharon auf keinen Fall mit uns feiern würde. Die Stille, welche in der Luft lag, war fast unerträglich, während Sharon uns wie paralysiert ansah. Ich fragte mich ob sie die ganze Zeit bereits gewusst hatte, das ich es war. in meiner Erinnerung sah ich wieder die mondförmigen Abdrücke vor mir, welche ihre Fingernägel hinterlassen hatten, nachdem sie mich aus Alfredos Zimmer gezerrt hatte. Hatte sie es damals gewusst? Irgendetwas in mir sagte ja...Die aggressive Art wie sie mich aus dem Zimmer gezerrt hatte, nachdem mein Großvater mich das erste Mal Sol genannt hatte war nicht normal gewesen.
"Wovon redest du, Vater?", fragte sie laut und mit einem spöttischen Unterton. "Deine Enkelin ist tot, du musst endlich lernen es zu akzeptieren."
Alfredo schüttelte den Kopf: "Nein Sharon, du siehst das ganz falsch. Meine Enkelin steht hier vor mir."
Sharon schnaubte und blickte ihn ungläubig an, doch etwas an ihr ließ mich stutzen. Sie wirkte ein bisschen zu...abgeklärt. Nicht überrascht, man könnte fast sagen...ertappt. Sie ließ ein Schnauben los, das fast schon aggressiv klang. "Du meinst doch wohl nicht etwa sie?", Sharon lachte auf eine verstörende Art und Weise, die mir Angst machte, "Vater, es tut mir leid aber du hast wirklich den Verstand verloren. Komm zu dir! Ich weiß nicht wer dir diesen Unfug eingeredet hat, aber das glaubst du doch nicht mal selber. Oder denken sie etwa dass das wahr ist?" Sie sah meine Eltern mit ihrem strafenden Blick an, welche sich beide merklich unwohl fühlten.
"Ich weiß, dass es verrückt klingt aber...Sharon es ist wahr.", sprach Alfredo mit einem Lächeln zu seiner Tochter, "alles passt, die Daten, die Jahre...ich kann es fühlen. Irgendwo wusste ich es die ganze Zeit, dass Luna und ich irgendwie zusammen gehören."
"Seit deinem Anfall kannst du wirklich nicht mehr klar denken. Merkst du nicht, dass man dich hier hinters Licht führen will? Du kannst doch nicht einfach alles glauben, was dir irgendjemand sagt, nur weil es vielleicht ein paar Überschneidungen gibt. Ja gut, die kleine Valente ist adoptiert, aber weißt du wie viele siebzehnjährige Waisenkinder mit braunen Locken es da draußen gibt, die dir vielleicht sympathisch sind?" Spöttisch schüttelte sie den Kopf. "Du musst das Schicksal akzeptier anstatt einer irrwitzigen Hoffnung hinterher zu jagen und hier mitten in der Nacht diese lächerliche Versammlung in meinem Haus abzuhalten."
Man erkannte den Ärger in ihrer Stimme und ich fühlte mich unsagbar unwohl. Alles begann mich zu überfordern und ich hatte Angst was jetzt mit mir passieren würde. Das ungute Gefühl dass ich schon den ganzen Tag hatte kam zurück und begann mich fast panisch zu machen. Es war fast wie eine Vorahnung, dass mir etwas schlimmes passieren würde. Hilfesuchend verfolgte ich den Blick meines Großvaters, welcher immer noch nicht zu bemerken schien was für eine Angst mir Sharon einjagte. "Doch es ist wahr. Sieh doch, es ist dasselbe Amulett. Das Medaillon, das wir für unsere Sol haben anfertigen lassen, weißt du? Die Gravur, das Gold, die Sonne und der Mond...Sharon das ist es. Ich würde dieses Medaillon unter Tausenden erkennen."
Sharons Miene versteinerte sich. "Du bist naiv, Vater. Es tut mir leid, dass du nach all den Jahren nicht abschließen konntest, aber...merkst du nicht, dass man dich hier versucht zu betrügen. Bist du so töricht?" Ich wich zurück, doch Sharon trat einen Schritt näher an mich. Sie wirkte immer wütender und ich wusste nicht, wie man die Situation noch davon abhalten sollte zu eskalieren. Sogar Rey sah so aus, als wäre ihm das ganze nicht mehr geheuer, dabei hatte ihn noch nie etwas aus der Fassung gebracht.
"Du musst mir glauben, meine Tochter.", redete Alfredo weiter auf sie ein, "das Leid und das ganze Hoffen ist beendet. Jetzt beginnt ein neues Kapitel für uns Bensons, nichts wird uns in Zukunft mehr trennen können."
Und das war er. Der Moment in dem die Dinge aus dem Ruder liefen. Der Moment in dem Sharon sich nicht mehr beherrschen konnte.
Sie stieß einen gellenden Schrei aus und trat nach vorne. "Meine Güte wie kannst du das nicht sehen?!", brüllte sie. "Diese....diese geldgierigen Monster wollen dich nur von vorne bis hinten betrügen? Merkst du nicht wie abartig sie sind!"
Sharon sah mich und meine Eltern mit solch einem Hass an, dass sich mir die Haare aufstellten. Außer Kontrolle stieß sie nach vorne und ich war mir sicher, hätte Rey sie nicht gepackt und zurückgehalten, wäre sie auf uns losgegangen. "Sie geldgierigen machtbesessenen Kröten! Verschwinden sie sofort aus meinem Haus und aus dieser Stadt! Ich hab ihnen Arbeit gegeben und sogar ihrer verzogenen Tochter ermöglicht auf eine anständige Schule zu gehen und was tun sie? Sie gaukeln meinem Vater mit fadenscheinigen Beweisen und einem nachgemachten Amulett vor, dass ihr Gör zu unserer Familie gehört! Sie sind alle sofort entlassen. Ich will, dass sie noch heute Nacht ihre Koffer packen und sich von meiner Familie fernhalten. Schämen sie sich nicht dafür einen alten, schwachen Mann zu manipulieren! Verschwinden sie sie Lügner und Goldgräber!"
Ihr schrilles und vor Wut fast schon blindes Gebrüll drang mir bis ins Mark sodass ich angsterfüllt einen Schritt weg von Sharon trat. Ich hatte solche Angst was sie uns jetzt antun würde. Was würde jetzt mit mir passieren? Alfredo sah nicht so aus als würde er nachgeben und Sharon genauso wenig. Müssten wir ausziehen? Oder wurden zurück nach Cancun geschickt? Sharon war eine unheimlich mächtige Frau, keiner wusste so genau welche Hebel sie drücken konnte um uns aus dem Weg zu schaffen.
"Und das allerschlimmste ist, dass sie den geistigen Zustand meines Vaters schamlos ausnutzen nur um ihn bis aufs letzte auszunehmen und uns alles Geld zu nehmen, bis nichts mehr bleibt. Menschen wie sie sollten sich schämen, sie alle gehören in die Hölle. Rey, ruf die Leute aus der psychiatrischen Abteilung damit sie meinen Vater noch heute holen kommen. Ich sehe es nicht ein, dass er sich noch weiterhin von diesen Goldgräbern manipulieren lässt."
"Was? Nein, Sharon. Mir geht es gut, ich habe kein psychisches Problem und ich will auch nicht in eine psychiatrische Anstalt. Im Gegenteil ich sehe das erste mal seit einer Ewigkeit wieder klar. Nach meinem Anfall, habe ich das erste Mal tief in mir begriffen, dass Luna meine Enkelin ist, nachdem ich sie sah. Doch danach hast du mir so viele Beruhigungsmittel und Schmerztabletten eingeflößt, bis ich gar nichts mehr voneinander unterscheiden konnte. Du hast mich mit Absicht krank und verwirrt gehalten, bis ich mir nicht mehr sicher war was real und was nicht." Entsetzt sah ich Sharon an. Das würde erklären warum sie mich nach Alfredos Anfall so brutal aus dem Zimmer geschliffen hatte und wieso er mich danach niemals darauf ansprach. Sie hatte ihm einfach Medikamente gegeben, damit sie ihn ruhig stellen konnte.
Ich hatte noch nie ein sonderlich gutes Gefühl bei Sharon, doch dass sie so grausam sein konnte...
"Alfredo mach dich nicht lächerlich, warum sollte ich das denn tun? Es wird das beste für dich sein, wenn du erstmal nicht mehr hier wohnst. Allein dass du darauf kommst, dass ich solche Dinge tun könnte beweist, dass du dich dringend ausruhen musst. Das was du mir alles an den Kopf wirfst ist ja nicht zu fassen."
Es war fast schon bizarr zu sehen, wie Sharon trotzdem immer weiter versuchte Alfredo zu manipulieren. Sie klammerte sich so sehr an ihren Lügen fest, dass es nahezu traurig war. Nina und meine Eltern blickten hilflos umher, weder Alfredo noch ich hatten eine Ahnung was wir jetzt noch tun sollten. Wenn Rey die Leute von dieser psychiatrischen Einrichtung anrief und diese Alfredo wirklich holen kamen dann war es vorbei, das wusste ich ganz genau. Ohne Alfredo waren wir verloren. Er war der einzige Benson der uns glaubte und wäre er weg, dann hätten wir niemanden.
Doch ich vergaß vollkommen, dass ich eine nicht unwesentliche Person bisher aus der Gleichung ausgelassen hatte. Und so merkte ich gar nicht wie noch jemand, im großen Stil, die imposante Wendeltreppe herunterschritt, bis Ambars klare Stimme von oben zu uns drang.
"Und was wenn doch? Was wenn Sharon schon seit Monaten gewusst hat, wer Sol Benson ist? Oder wieso habe ich sonst vor wenigen Minuten diesen DNA Test in deinem Zimmer gefunden, Tante?"
***
Matteos Sicht
Schlaflos sah ich auf die leuchtende Skyline der Stadt herunter. Ich saß in meinem Wohnzimmer und wurde schon seitdem ich Luna nach Hause gefahren hatte von wirren Gedanken getrieben.
Die neue Wohnung erschien mir an dem Abend so leer. Es war ein Segen, dass meine Mütter mich hier wohnen ließen, doch an manchen Tagen erschien es mir so irreal, dass ich mit gerade achtzehn wirklich alleine wohnte.
Diese Nacht machte mir aber ein anderes Gefühl Probleme. Seitdem ich Luna bei mir zuhause abgesetzt hatte, hatte ich selbst Bedenken. Es war als hätte sie mich mit ihren Vorahnungen angesteckt. Vorhin hatte ich noch gedacht, sie hätte einfach nur so ein schlechtes Gefühl, doch jetzt war ich mir dem nicht mehr so sicher.
Bei jedem anderen hätte ich geglaubt, die Person mache sich nur etwas vor, doch ich wusste, wie sensibel Luna manchmal für solche Vorahnungen war. Wenn Luna ein schlechtes Bauchgefühl hatte, dann konnte es gut sein, dass die Sache in der Regel auch eintraf.
Unser letztes Gespräch im Auto war ziemlich emotional geworden und...ich hatte irgendwie Angst um sie. Vielleicht nicht wirklich Angst, sondern eher Sorge. So wie heute benahm sie sich sonst nur selten. Was wenn sie recht hatte und diese Nacht wirklich noch etwas schlimmes passieren würde?
Mein Kopf sagte mir, dass ich mich nicht verrückt machen lassen sollte, aber mein Gefühl zog mich förmlich zu Luna. Hätte ich sie doch dazu überredet hier zu schlafen oder wäre wenigstens noch zu ihr mitgekommen. Es ging ihr nicht gut, ich hätte bei ihr bleiben sollen. Aber vielleicht machte ich mich auch einfach nur verrückt und Luna lag in Wirklichkeit seelenruhig schlafend in ihrem Bett.
Unsicher blickte ich auf mein Handy. Einen Versuch war es wert. Wenn ich ihre Stimme hörte, könnte ich danach bestimmt schlafen gehen. Ich ging ihre Nummer und wartete mit einen dumpfen Gefühl im Magen darauf dass das Klingeln endete und ich die freudige Stimme meiner Freundin hörte. Doch nichts dergleichen geschah. Nicht nach dem ersten, nach dem zweiten und auch nicht nach dem fünften Klingeln. Seufzend beendete ich den Anruf, als die Mailbox ranging.
Das musste gar nichts heißen. Sie schlief bestimmt schon.
Ich zwang mich förmlich dazu ins Bett zu gehen, obwohl ich bereits ahnte, dass mir eine schlaflose Nacht bevorstand.
________________________________________________________________________________
Heyyy
Endlich habe ich mal wieder ein neues Kapitel für euch :)
Das Finale wird auch jeden Fall dramatisch das kann ich euch sagen. Ich hoffe es gefällt euch. Hat einer von euch eine Ahnung was jetzt noch geschehen wird?
Und was Ambar tun wird? Schlägt sie sich auf die Seite von Luna und Alfredo oder wechselt sie doch noch zu Sharon?
Und was bedeutet das unheimliche Gefühl, welches jetzt nicht nur Luna sondern auch Matteo spürt?
Ich freu mich so auf die nächsten Kapitel und auf euer Feedback.
Keep Reading😇
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro