119. Kapitel
~Lunas Sicht~
Matteo und ich saßen noch eine Weile am Strand und redeten. Wir sprachen nicht über schwierige Themen wie Familie, Uni oder Geld sondern vermieden diese absichtlich. Stattdessen witzelten wir zusammen herum, sprachen über fröhliche Dinge wie Cancun, das Skaten oder Partys. Die Zeit verging so schnell während wir redeten und es fühlte sich so leicht an, dass ich sie vollkommen vergaß. Und komischerweise waren wir uns sogar verbundener in dem Moment, als wenn wir über tiefgründige Dinge reden würden.
Der restliche Vormittag war mit dem Skatetraining verplant. Der Wettbewerb war schon übermorgen also probten wir nochmal lange. Nachher gingen wir wie geplant zu einer Aussichtsplattform am Meer um dort Videos für die Website zu drehen. Da Jasmin und Nina sich zusammen getan hatten um unsere Social Media auf Vordermann zu bringen hatte das Roller Team jetzt auch einen Instagram, Twitter und Snapchat Account. Nicht zu vergessen dass wir auch alle auf unseren Privaten Accounts posteten.
Der nächste Tag war verplant mit Training- wir würden uns die Bahn ansehen- Fotoshootings und Interviews.
Doch glücklicherweise hatten wir den heutigen Nachmittag frei. Ich machte mich mit Nina auf um zusammen die Stadt zu erkunden. Ich wollte ihr all meine Lieblingsplätze zeigen und danach, ja danach wollten wir tatsächlich zum Waisenhaus. Mir war ein bisschen klamm in der Brust, doch ich wollte nicht zu viel darüber nachdenken.
Nach dem Training hatte ich ein lockeres Sommerkleid angezogen, wie ich sie im Sommer liebte. Es war weiß, schulterfrei und hatte ein blaues Blumenmuster.
Nina hatte auch ein Kleid angezogen, allerdings in schwarz mit einem weißen Kragen. Ich musste Lächeln, als ich sah wie figurbetont der war da Nina sonst so kritisch mit ihrer Figur war, obwohl sie wirklich hübsch war. Es machte mich einfach glücklich zu sehen, dass sich das wohl verbessert hatte.
Wir gingen zuerst zu meiner Lieblingseisidiele und ich bestellte zwei Eisbecher für uns, die zuckersüß aussahen. Hier gab's einfach die hübschesten Kreationen.
„Warte, noch nicht hier ich zeig dir einen besonderen Ort.", meinte ich und zog Nina an der Hand hinterher. Diese lachte und ließ sich von mir den Weg zeigen. „In Ordnung, Chef.", lachte sie und staunte als wir angekommen waren. Andächtig sah sie auf den makellosen Strandabschnitt vor uns. Dies war ein Ort an dem ich in meiner Jugend sehr oft war. Vor uns lag eine kleine Bucht, mit weißem Sand und kristallblauen Wellen, die weiß schäumende Gischt an Land trugen. Und das beste, eine Schaukel, die an einer der Palmen befestigt war und ruhig im Wind schwang.
Es sah so unberührt aus wie aus einem Film, mein kleines Stück perfekte Welt, dass ich hatte an das ich immer kommen konnte, wenn ich nachdenken oder wie als Kind, einfach nur schaukeln wollte. Nina murmelte andächtig: "Das ist wunderschön." "Ich weiß.", nickte ich stürmisch, "und du hast das Privileg diesen wunderschönen Ort mit mir zu sehen. Ich hab sonst niemanden mit mir hier her gebracht." Ich grinste ihr zu und wir zogen unsere Schuhe aus um barfuß im Sand zu gehen.
Nachdem wir unsere Füße ins Wasser gehalten hatten setzten wir uns auf die Schaukel, die sich ganz sanft bewegte und aßen unser Eis. "Oh mein Gott, das ist wirklich das beste Eis.", schwärmte Nina während wir auf das Meer sahen. "Ich weiß, die einzigen die damit noch mithalten können sind die Italiener.", gab ich von mir, "als wir bei Matteos Mutter zu Besuch waren hab ich echt jeden Tag Eis gegessen. Ich konnte nicht genug davon bekommen."
"Ohh genau so ging es mir mit dem Gebäck in London. Elyas musste mir und Gaston wirklich jeden Tag Scones mitbringen.", lachte Nina und wir reden eine Weile über Reiseerfahrungen, bis wir mit dem Eis fertig waren und tatsächlich ein bisschen schaukeln.
"Als ich ein Kind war hat mein Vater mir immer erzählt, dass ich nur hoch genug schaukeln muss, damit ich die Wolken berühren kann. Ich hab immer gefragt, ob es nachts dann möglich ist nach dem Mond und den Sternen zu greifen und er sagte ja. Und seitdem hab ich mir immer vorgestellt mich nachts rauszuschleichen um hier so hoch zu schaukeln, dass ich den Mond und die Sterne über dem Meer greifen kann.", erzählte ich in meinen Gedanken versunken. Bei dieser Erinnerung musste ich lächeln. Ich war schon immer ein fantasievolles Kind gewesen.
"Süß. Ich hab immer versucht höher zu schaukeln, doch wenn ich ganz oben war hab ich auf einmal Panik bekommen. Ich erinnere mich noch genau an das Gefühl wenn mein Herz sich auf einmal zusammengezogen hat.", meinte Nina und ich konnte mir vorstellen, dass sie als Kind schon eher ängstlich gewesen war, "ich hab mich immer vor allem Angst gehabt und der einzige der mich manchmal dazu überreden konnte über meinen Schatten zu springen war mein Vater."
"Ich hab mich nie vor irgendwas gefürchtet, sondern wollte immer nur alles ausprobieren. Ich glaub ich hab Simon ganz schön auf Trapp gehalten.", meinte ich amüsiert in meinen Erinnerungen versunken, wie ich ich ihn einmal am Steg einfach mitsamt seinen Klamotten ins Wasser gestoßen hatte. Der war vielleicht sauer.
"Du warst ein anstrengendes Kind.", grinste Nina und ich rief: "Hey!", bevor ich sie leicht am Fuß trat. Nina kicherte und beteuerte nur die Wahrheit zu sagen.
"Wieso hast du eigentlich mich mit hierhin genommen und nicht Matteo, oder Simon?", fragte Nina irgendwann als wir uns wieder von unserer Kabbelei beruhigt hatten. "Ich weiß nicht.", meinte ich nachdenklich, "irgendwie war das etwas was ich mit meiner besten Freundin machen wollte und keinem anderen."
Nina legte ihren Kopf auf meine Schulter und wir sahen auf die Wellen hinaus, während ich mir wünschte für immer am Meer bleiben zu können.
****
Nina und ich waren noch eine Weile am Strand und hatten viele Fotos bei der Schaukel gemacht, von denen wir einen Teil posteten. Es hatte total Spaß gemacht, bis wir dann aufgebrochen war und ich fast vergessen hatte was heute auch noch anstand.
Es war ein merkwürdiges Gefühl die Mauern wieder zu sehen. Ich wusste instinktiv, dass ich hier schon mal gewesen war, als ich vor den Toren des Waisenhauses stand. Das Gefühl war so alt wie ich selbst und erfasste mich bis ins Mark. Instinktiv fasste ich mir an mein Amulett und fuhr die Konturen der in den Mond eingefassten Glitzersteine nach, während ich die hohen Mauern ehrfürchtig anstarrte.
Nina legte mir eine Hand auf die Schulter und sah mich aufmunternd an. „Gehen wir rein.", sagte ich leise zu ihr und betätigte die Klingel. Der Öffner summte und ließ uns herein. Ich kam in eine große Eingangshalle und staunte. Ich konnte nicht glauben, dass ich als Kind hier war. Das Waisenhaus war ein Ort von dem ich so oft geträumt hatte und jetzt war ich wirklich da.
„Oh entschuldigen sie.", wandte ich mich an eine Frau, „Ähm mein Name ist Luna Valente, ich habe doch vorher angerufen, weil ich mir jemandem hier reden wollte." Die Frau schien ein paar Minuten zu überlegen und nickte dann. „Ah, jetzt weiß ich. Folgen sie mir bitte ins Büro von Señiora Parez, die kennt sich besser damit aus als ich." Ich nickte und wir folgten ihr durch die Hallen.
Wir liefen durch einen Gang wo uns ein dunkelhaariges keines Mädchen mit locken entgegen lief. Ich schätzte sie auf ungefähr sieben Jahr, als sie auf einmal bei mir halt machte und mich bewundernd ansah. „Du hast so Haare wie ich.", sagte sie langsam und ich nickte lächelnd. Wir hatten beide lange, braune Locken. „Wirst du jetzt meine neue Familie?", fragte die kleine mit großen Augen und mir wurde das Herz schwer. Dieses Mädchen mit den hoffnungsvollen Augen hätte ich sein können.
Ich kniete mich zu ihr herunter und meinte mit einem traurigen Lächeln. „Nein, ich bin selbst noch nicht erwachsen.", ich strich ihr eine Locke hinters Ohr, „aber ich bin mir ganz sicher, dass du eine wundervolle Familie finden wirst." Sie sah mich nachdenklich an und nickte. Ich lächelte ein letztes Mal, bevor ich wieder aufstand und ging. Nina und ich folgten der Frau in ein Büro, wo uns eine ältere, hochgewachsene Dame die Hand schüttelte. Sie trug ihr ergrautes Haar und hatte ganz viele Lachfalten.
„Sie müssen Señiora Valente sein?", nahm sie an und ich nickte: „Die bin ich, das ist Nina Simonetti, eine Freundin." Wir setzte uns hin und sie fixierte mich mit einem freundlichen Blick. „Du bist hier, weil du ein paar Informationen zu deiner Zeit hier willst, richtig?"
„Richtig", wiederholte ich, „ich war vor vierzehn Jahren für ein paar Wochen hier und ich wollte sie fragen, ob sie vielleicht Informationen zu meiner leiblichen Familie, oder den Leuten die mich hier abgegeben haben hätten."
Die Frau überlegte und kramte aus ihrem Schreibtisch ein paar Akten hervor. „Ich kann ihnen den Tag ihrer Ankunft und der Abreise nennen. Sie wurden von Monica und Miguel Valente adoptiert?" Ich nickte. „Wer sie abgegeben hat kann ich ihnen bedauerlicherweise nicht sagen. Ich selbst habe sie damals vor den Toren gefunden, allerdings war niemand bei ihnen. Wenn man gefragt hat, wer sie abgegeben hat haben sie immer nur den Namen "Roberto" gesagt. Sie waren sehr sehr still und aufgewühlt, unser Psychologe konnte nur darauf schließen dass sie irgendein.. nun ja Trauma hinter sich haben könnten." Ich schluckte. Trauma?
"Ich..", ich überlegte einen Moment lang ob ich das tun sollte und entschied mich dazu, "ich habe ganz oft Träume von Feuern und ein.. na ja sehr lähmende Angst davor." Ich musste automatisch an ein Erlebnis denken, dass mir komischerweise im Kopf geblieben war. Simons elfter Geburtstag. Ich war damals zehn und wir hatten im Garten gefeiert und Wunderkerzen angezündet. Als eine der Kerzen vom Wind erfasst wurde und heller aufgeleuchtet hatte als die anderen, hatte ich mich schrecklich erschrocken und fast einen Panikanfall bekommen, den ich mir heute noch nicht ganz erklären konnte. Ich hatte eine irrationale, lähmende, schon fast ursprüngliche Angst vor Feuer , die tief in meinem Inneren zu stecken schien. "Denken sie das könnte etwas damit zu tun haben?"
Die Frau überlegte: "Hm, das ist durchaus möglich. Aber in Cancun waren zu der Zeit keine größen Brände oder Tragödien an die ich mich erinnern könnte. Aber es wäre zumindest einen Versuch wert."
"Okey..", ich versuchte es mit einem anderen Ansatz, "können sie mir dann vielleicht etwas dazu sagen?" Ich griff an meinen Nacken und enthakte mein Medaillon um es vor Seniora Parez auf den Tisch zu legen. "Mir wurde gesagt, dass ich das hier um den Hals hatte, als ich hier abgegeben wurde."
Die Frau sah mich mit einem Ausdruck an, als würde ihr ein Licht aufgehen. "Da gäbe es tatsächlich etwas", sie stand plötzlich auf und begann in ihrem Schreibtisch zu wühlen, bis sie einen kleinen goldenen Gegenstand in der Hand hielt. "Das hier hat man einige Monate nach ihrer Abreise in ihrem Zimmer gefunden. Erkennen sie das wieder? Es sieht sehr wertvoll aus, sodass ich es vorerst behalten habe und dann irgendwann vergaß."
Ich nahm den Gegenstand in meine Hand und erkannte dass eine kleine goldene Sonne war. Zuerst konnte ich damit nichts anfangen, doch dann kamen mir plötzlich Violettas Worte in den Sinn. Dass sie glaubte, dass das nicht das ganze Medaillon war. Es gab zwei Haken in der Innenseite des Mondes. Es musste einen zweiten Teil geben. Meine Augen weiteten sich und ich sah die Sonne an. Zwei Haken, oben und unten. Ich musste es einfach versuchen. Es passte. Die Sonne passte wie angegossen in den Mond. Die beiden Teile bildeten ein vollkommenes ganzes, Sonne und Mond, als wären sie nie getrennt gewesen. Wie gebannt starrte ich das neue Amulett an, dass schon so alt war wie ich selbst.
"Es gehört wohl wirklich zu dem Amulett.", stellte die Frau fest, "da ist es wohl doch gut, dass ich es all die Jahre aufbewahrt. Na ja, möglicherweise stimmt es was man sagt. Was zusammengehört kommt auch wieder zusammen."
***
Die Luft draußen kam mir ungewohnt warm vor als wir nach draußen traten. Ich war immer noch geplättet von allem was mir erzählt wurde. Nina verstaute während dem Gehen ihr Notizbuch, in dem sie ein paar Informationen aufgeschrieben hatte in ihrer Tasche und meinte: "Der Spur mit dem Feuer sollten wir auf jeden Fall nachgehen. Vielleicht einfach online nach Bränden in Cancun oder Mexiko um diese Zeit suchen. Aber wenn du die Träume hattest, waren sie immer in der Villa oder?" Ich nickte. "Merkwürdig. Wahrscheinlich projizierst du einfach deine jetzige Umgebung auf deine Träume um so dein Kindheitstrauma zu verarbeiten. Oh, das ist Gaston." Sie kramte nach ihrem vibrierenden Handy. Ich wusste, dass sie und Gaston sich danach treffen wollten um gemeinsam zu fotographieren, wie sie es immer im Urlaub taten.
"Geh ruhig zu ihm.", meinte ich lächelnd, "Du hast heute schon so viel für mich getan." "Sicher, dass ich dich so allein lassen kann.", fragte sie besorgt und ich nickte: "Na klar. Ich wollte mich eh noch mit Matteo treffen."
"Na gut." Wir umarmten uns zum Abschied und ich rief mich mit Matteo zusammen um auszumachen wo wir uns trafen. Wir gingen spazieren und ich erzählte ihm alles und zeigte ihm die Sonne. Wir setzten uns am Ende auf eine Mauer und ich redetete auch von dem kleinen Mädchen. "Weißt du, ich hatte wirklich unendlich viel Glück, dass meine Eltern mich adoptiert haben. Stell dir vor es wären nicht sie gewesen, dann wäre womöglich alles anders gekommen. Irgendwie macht mir das manchmal Angst.", gab ich zu.
"Ich bin mir sicher deine Eltern sind auch sehr froh dich zu haben. Genau wie ich. Diese Dinge passieren aus Gründen." Matteo strich ein Haar aus meinem Gesicht und küsste mich und es tat gut nicht reden zu müssen, obwohl ich zugeben muss nur halb bei der Sache zu sein, weil mir zu viel anderes im Kopf herumspukte.
Am Ende des Abends gingen wir noch mit den anderen in ein Restaurant und obwohl das mexikanische Essen köstlich war und der Ausblick auf die Sterne die über dem dunklen Meer glitzerten bezaubernd bekam ich die Sonne nicht aus dem Kopf.
Heyy🧡
Ich hoffe das neue Kapitel gefällt euch. Es ist etwas länger und ich hoffe das ist eine gute Entschuldigung dafür dass ich in letzter Zeit so wenig schaffe.
Ich will ehrlich zu euch sein, mir geht es weder psychisch noch körperlich gut in letzter Zeit, obwohl denke, dass ich so langsame über den Berg sein müsste.
In diesem Kapitel wird die Freundschaft von Nina und Luna mehr beleuchtet, wie findet ihr das und was würdet ihr euch noch für diese oder andere Freundschaften in den kommenden Kapiteln wünschen? :)
Keep Reading😇
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