110. Kapitel
~Lunas Sicht~
Es fühlte sich an als würde man mir die Luft abschnüren.
Die letzte Nacht hatte ich einen Albtraum. Ich hatte geträumt, dass ich nicht atmen konnte. Die Ursache wusste ich nicht, doch irgendetwas blockierte meine Atemwege. Doch eines wusste ich ganz sicher: das ich panische Angst hatte. Als ich ganz sicher war zu ersticken schreckte ich nach Luft schnappend dem Schlaf.
So fühlte ich mich jetzt auch wieder. Als bekäme ich keine Luft mehr. Dieses Gefühl, wenn sich die Schlinge immer wieder zu zog.
Ich saß vorne in dem mächtigen Gerichtssaal neben Ninas Mutter, meiner Anwältin. Sie war ganz professionell, verhielt sich optimistisch. Laut ihr, hatten wir gute Chancen den Fall zu gewinnen.
Ich wollte nur hier raus. Die weiße Bluse in der ich steckte fühlte sich auf einmal an als würde sie mich einschnüren. Auf der anderen Seite saß Mr Hanson, dessen Blick ich jetzt vermieden hatte. Meine Eltern saßen in einer der vorderen Reihen, mit ihnen Alfredo.
Nina, Simon und Matteo waren in einem anderen Raum, da sie als Zeugen aussagen würden.
Die Verhandlung fing an und ehrlich gesagt, bekam ich von den ersten paar Sätzen kaum etwas mit. Ana sprach für mich und diskutierte mit dem Rechtsanwalt von Mr Hanson. Es war erschreckend ihn wieder zu sehen. Er sah nicht gut aus. Augenringe und ein verbitterter Blick ließen ihn auf mich wie einen Verrückten wirken. Vielleicht erschien mir das aber auch nur so weil ihn als diesen wahnhaften, schrecklichen Menschen kennen gelernt hatte.
Wie viel einfach anders abgelaufen wäre, wäre ich nur in einem anderen Biokurs. Eine Sache, die so banal erschien, aber einen riesigen Einfluss auf mein Leben gehabt hätte.
Ana stieß mich auf einmal in die Seite. Erschrocken sah ich auf. Ich hatte den Faden verloren. Der Richter war gerade dabei sich an Mr Hanson zu wenden, dessen Aussage jetzt dran war. Seine Stimme verursachte eine Gänsehaut auf meiner Haut
„Ich weiß nicht was sich dieses Mädchen einbildet. Nur weil ich sie vielleicht einmal angesehen habe bedeutet, dass doch nicht dass ich sie sexual belästigt habe! Diese Aasgeier wollen doch nur Geld aus der Sache machen, ich habe damit nichts zu tun.", rief er enttarnt. Er log. Ich konnte es nicht fassen, dass er es einfach so abstritt. Es hätte mir von vornherein klar sein sollen, und doch konnte ein Teil von mir, bei dieser Dreistigkeit nur schockiert sein.
„Mr Hanson, bitte bleiben sie sachlich. Was spielte sich an besagtem Tag ab, als sie Señiorita Valente angeblich in der Schule gegen ihren Willen berührt haben?"
„Ich sage ihnen allen mal was da stattgefunden hat: Nichts. Nichts hat da ‚stattgefunden'. Señiorita Valente bat mich ein Papier in das Schließfach einer Kollegin zu legen und das habe ich auch getan. Besagte ‚Vergewaltigung' fand nie statt."
Als nächstes wurde er nach der Nacht vorm Roller gefragt. „Dasselbe. Nichts. Ich war zuhause. Ich sage doch, dass Señiorita Valente nur irgendwelche Behauptungen aufstellt."
„Kann jemand bestätigen, dass sie zuhause waren?"
„Nein, ich war allein. Ich war aber da. Sie ist ein hinterhältiges Mädchen das Geld aus der Sache schlafen will, glauben sie mir doch."
„Das stimmt aber nicht mit den Zeugenberichten überein.", warf Ana sofort ein. Sie redete mit dem Richter woraufhin die Zeugen schließlich verhört wurden.
Die erste war Nina. In ihrer weiß Bluse und dem schwarzen Rock sah sie so förmlich aus, als sie sich vorne auf den Stuhl setzte. Die Schultern gestreckt und den Kopf erhoben. Nina kam mir heute auf einmal gar nicht mehr schüchtern vor. Sie strahlte etwas kämpferisches aus.
„Sie sind die beste Freundin des Opfers, nicht wahr?", wurde sie gefragt. Nina nickte: „Genau. Luna und ich stehen uns sehr nahe wodurch ich auch einiges mitbekommen habe."
„Es hieß sie haben ein Gespräch zwischen Señiorita Valente und dem Angeklagten in der Schule mitangehört. Worum ging es?"
„Me Hanson hatte Luna in der Pause zu sich gerufen. Er war unser Biologie Lehrer, weshalb ich mir nicht viel dabei gedacht haben. Ich hab vor dem Raum auf sie gewartet und mitangehört wie Mr Hanson Luna gedroht hat. Er meinte, dass ihr doch sowieso keiner glauben würde, obwohl er die Belästigung ihr gegenüber zugegeben hat. Luna war völlig verängstig und aufgewühlt. Aber ja, er hat ihr gedroht und wirkte dabei nicht als sei er zum Spaßen aufgelegt."
„Wann hat Señiorita Valente mit ihnen darüber gesprochen?"
„Nach diesem Gespräch. Sie kam völlig aufgelöst aus dem Raum und ist auf die Toilette gestürmt wohin ich ihr gefolgt bin. Sie hat mir daraufhin alles erzählt.", gab Nina ganz sachlich und überzeugt von sich. Währenddessen blickte sie eiskalt zu Mr Hanson. Es wirkte fast tough.
„Sie waren auch diejenige, die die Schulleitung informiert hat?"
„Ja. Ich konnte Lunas Zustand nicht mehr ertragen und entschied, dass es das beste war den Direktor aufzusuchen."
„Wie hat dieser reagiert?"
„Er war sehr verständnisvoll und hat uns angehört, und auch sofort Lunas Eltern in die Schule gerufen."
„Und was hatten sie in der Nacht in der Mr Hanson Señiorita Valente ein zweites Mal nahe gekommen ist beobachtet?"
„Simon Alvarez und Matteo Balsano war früher bei Luna aber ich bin später zu ihnen gekommen und hab Lunas Tasche aus dem Jam&Roller geholt. Sie war völlig fertig."
„Gut, das ist alles. Danke für ihre Aussage." Nina strich ihren Rock glatt und warf mir einen letzten aufmunternden Blick zu bevor sie aus dem Raum ging. Als nächstes wurde Simon aufgerufen. Auch sein Blick ging als erstes zu mir als er das Zimmer betrat. Er trug ein leichtes Lächeln und es wirkte als wollte er mir mit seinem Blick so etwas wie ‚ganz schöne Scheiße, oder?" sagen.
„Wann haben sie zum ersten Mal von der Tat erfahren?"
„Des gab einen Zusammenbruch als Luna in meiner Wohnung war. Danach hat sie mir alles erzählt. Ich lebe dort mit zwei Freunden zusammen. Nico Sanchez und Pedro Arias, die beiden können bestätigen wie schlecht es ihr ging." Es war unschön an diesen Moment zurückdenken zu müssen. Mich erfüllte immer ein beklemmendes Gefühl wenn ich an diese Zeit zurück dachte.
„Sie sind also der beste Freund von Señiorita Valente. Und sie haben den Angeklagten in jener Nacht von ihr weggezerrt?"
„Ja, mit der Hilfe von Matteo Balsano. Wir hatten schon so ein Gefühl das etwas war. Ich kann es nicht richtig beschreiben, aber wir haben beide gespürt dass irgendetwas ekliges vor ging, das es ihr nicht gut geht."
„Wieso wart ihr alle an diesem Abend im Jam&Roller?"
„Wir sind oft dort, fast schon jeden Nachmittag. An diesem Abend war dort ein Open Music, das ist eine regelmäßige Veranstaltung im Roller, wo man auftreten und singen kann."
„Was ist passiert nachdem sie Señiorita Valente gefunden haben?"
„Wir haben versucht sie zu beruhigen, danach kam Nina Simonetti zu uns und hat ihre Sachen aus dem Jam&Roller geholt. Luna ist anschließend mit zu Matteo."
Nach ein paar weiteren Fragen konnte er auch gehen und der letzte Zeuge wurde aufgerufen. Matteo. Er kam herein und unsere verhängnisvollen Blicke verhakten sich. Matteo wirkte nicht tough wie Nina, auch nicht unterstützend wie Simon. Er war wütend und das zeigte er auch. Mit verbissenen Blick setzte er sich.
Matteo trug einen grauen Anzug und einen schwarzen Rollkragenpullover. Die Hände hatte er zu Fäusten geballt, während seine eiskalte Blick auf Mr Hanson zielten. Könnten Blicke töten, wäre er sofort tot umgefallen.
Ich schluckte. Matteo so zu sehen war selbst für mich furchteinflößend. Ich hoffte einfach, dass er keine Scheiße baute.
Zuerst wurden ihm, wie den anderen ein paar Fragen über den Ablauf der Nacht gestellt. Ich sah ihm an, dass er sich beherrschen musste, doch Matteo blieb noch einigermaßen ruhig. „Stimmt die Aussage, dass sie Señiorita Valente zusammen mit einem Freund namens Simòn Alvarez von dem Angeklagten weggezogen haben?"
„Ja. Wir sind nach dem Open Music eigentlich alle was trinken gegangen, nur Luna fehlte. Da wir uns langsam Sorgen gemacht hatten und beide ein verspürten haben wir sie gesucht. Und schließlich gefunden, in dieser dreckigen Gasse mit diesem Perversen auf sich.", die letzten Wort stieß er dem Richter geradezu entgegen.
„Was ist danach passiert?"
„Wir haben ihn von ihr weggezerrt, doch leider hat sich der Feigling davongemacht, bevor wir irgendetwas tun konnten." Ich erinnerte an den Moment, wo Matteo Mr Hanson am Kragen gepackt und gegen die Wand geschmettert hatte. Ich habe ihn noch sie so gesehen wie da. Es war beängstigend und ich bekam immer noch Gänsehaut wenn ich daran dachte. Er war rasend gewesen.
„Danach haben wir erstmal versucht Luna zu beruhigen, woraufhin ich meinen Chauffeur angerufen habe und Luna mit zu mir gekommen ist."
„Was sagen sie zu diesen Vorwürfen Mr Hanson. Haben sie einen Beleg, dass sie zu dieser Zeit an einem anderen Ort waren?", wurde gefragt.
Entrüstet rief Mr Hanson: „Hören sie sich doch nur an wie der spricht! „Mein Chauffeur hat uns abgeholt!" Das sind doch nur ein paar reiche Privatschüler die sich einen Scherz erlauben. Die Lügen doch alle wie gedruckt!"
Mir stand der Mund offen, bei dieser Beleidigung.
Matteo war rasend vor Wut. Jetzt war die Grenze überschritten, das wusste ich. „Sie haben meine Freundin fast vergewaltig! Und sie wagen es hier zu lügen und mir Dinge zu unterstellen!? Eure Ehren, ich kann nicht glauben, dass unser Rechtssystem Leute wie diesen Mann hier noch frei rumlaufen lässt."
„Er ist doch nur ein Diplomaten, dem langweilig ist. Das ist lächerlich.", rief Mr Hanson zurück. Ich wusste gar nicht wo ich hinsehen sollte. Wenn Matteo aufstehen könnte, dann hätte er Mr Hanson schon eigenhändig getötet.
„Beruhigen sie sich bitte", rief der Richter. „Euer Ehren", fing Matteo noch einmal an, wurde jedoch mit einem: „Alle beide!" abgewürgt.
Das war mal eine Szene gerade.
Die Befragung wurde fortgesetzt. „Hatte Señiorita Valente irgendwelche sichtbaren Verletzung nach dem Angriff?"
„Ja, sie hatte sehr viele blaue Flecken und war völlig verstört.", meinte Matteo mit Nachdruck.
„Señiorita Valente, können sie mir bitte beantworten, warum sie nicht schon früher die Polizei gerufen oder Klage eingereicht haben?", wandte sich Mr Hansons Anwalt an mich. Überrascht legte ich mir eine Antwort zusammen und brauchte dafür etwas länger, wodurch mich die meisten erwartungsvoll ansahen.
„Ich schätze, ich hatte einfach Angst. Ich wollte es nur vergessen und nicht noch mal hochkommen lassen. Doch nach dem zweiten Vorfall vorm Roller war das nicht mehr möglich.", antwortete ich schulterzuckend. Ich sah auf meine Hände und wartete ab bis eine neue Frage gestellt wurde. Die Anwälte diskutierten eine Weile hin und her, es wurde sogar versucht ein Deal auszuhandeln, doch Mr Hanson zeigte sich in nichts kooperativ.
Wie konnte man nur so dreist sein? Das er Matteo auch noch auf offener Bühne richtig beleidigte.
Am Ende wurde ich noch einmal gebeten, den ganzen Verlauf und die Tat zusammenzufassen.
„Mr Hanson hat mich schon immer anders behandelt.", begann ich, „es begann mit komischen Blicken, Berührungen und Augenkontakt. Bis zu dem einen Tag in der Schule, als ich in der Tat etwas bei ihm abgeben wollte. Doch anstatt es wie er behauptet hatte einfach zu tun hat..."
Ich schluckte schwer. Vor so vielen Menschen darüber zu reden erschien mir so.. unpassend. Wo es dich so etwas intimes, privates und grausames war. „Hat er mich an der Taille gepackt und angefangen meinen Hals zu küssen. Ich hab geschrien... doch niemand hat mich gehört und er hat einfach nicht aufgehört. Schließlich konnte ich dann doch entkommen und bin weggerannt. Die nächsten Tag war ich nicht in der Schule, doch als ich schließlich wiederkam hat er mir gedroht, wie Nina mit anhören musste. Nachdem ihm von der Schulleitung gekündigt wurde, hat er mir vor dem Roller aufgelauert."
Ich atmete rasselnd ein. „Das war das aller schlimmste. Er hat mich in eine dunkle Seitengasse gezerrt und mich dort gegen die Wand gedrückt, sodass ich nicht atmen konnte. Wieder hat er meinen Hals geküsst und mich zwischen ihm und der kalten Mauer gefangen gehalten. Ich konnte mich nicht wehren, während er auf mir war... Ich hatte solch ein Glück, dass Matteo und Simon mich gerettet haben." Am Ende war meine Stimme kaum mehr als ein Hauchen, doch man schien mich trotzdem zu verstehen. Es wurden noch ein paar Worte gesagt, bevor schließlich eine Pause eingelegt wurden, damit ein Urteil gefällt werden konnte. Wie geplättet saß ich immer noch an dem Tisch. Ana stand auf nahm ihre Tasche und schenkte mir ein zaghaftes Lachen. „Du hast dich gut geschlagen. Wir haben es bald geschaffen."
Ich seufzte und erhob mich ebenfalls. Wir liegen auf den Gang. „Ich gehe kurz auf die Toilette und stoße nachher zu euch.", sagte ich Ana, die zu Nina lief. Matteo und Simon sah ich gerade nirgends. Ich wollte nur einen kurzen Moment für mich haben.
Sie nickte und ich schlug den recht Gang ein. Eigentlich musste ich gar nicht auf die Toilette, doch ich wollte kurz allein sein. Zum Glück war ich die einzige. Rasch schloss ich die Tür und sah mein Abbild in dem breiten Spiegel an. Ich sah blass und erschöpft aus. Doch vereinzelt waren wieder rote Flecken im Gesicht, was mich noch kränker wirken ließ. Ich war einfach froh, wenn ich nach Hause kam und mich hinlegen konnte. Das Ganze war doch ziemlich anstrengend.
Mir war während der Verhandlung mehrmals schwindlig geworden, zum Glück saß ich.
Nachdem ich eine Weile nachgedacht und meine Haare halbwegs in Ordnung gebracht hatte, wurde ich aus den Gedanken geschreckt als auf einmal die Tür knallte. Ich schreckte hoch und schrie auf. Ich musste in falschen Film sein. Das konnte mir doch jetzt nicht passieren. Nicht schon wieder.
„Gehen sie hier sofort raus!! Was machen sie hier, verdammt!", kreischtet ich und sprang zurück. Ich versuchte sofort alle möglichen Fluchtwege zu überdenken, dich es gab nur die eine Tür. Und sie verriegelte Mr Hanson gerade. Und er wirkte nicht sehr erfreut.
„Du weißt genau, wieso ich hier bin."
Voller Panik stieg ich ein paar Schritte zurück, Hauptsache weg von ihm. Meine Gedanken überschlugen sich, während meine Schritte plötzlich abrupt dadurch gestoppt wurden, dass ich gegen die kalte Wand stieß. Hinter mir nur steriler Beton, vor mir Mr Hanson der unausweichlich auf mich zukam.
Ich war genau so wie er mich immer haben wollte. Hilflos und gefangen.
Heyy
Sorry, dass das Kapitel heute so spät kam, aber ich bin froh überhaupt noch eins hochladen haben zu können. Hatte heute einfach so viel zu tun. Ich hab zwar erst seit gestern wieder Schule aber es ist trotzdem solo viel.
Na ja egal, hauptsache ich hab dich noch was hochladen können. Nach dem nächsten Kapitel haben wir diese Gerichtsverhandlung dann endlich hinter uns.
Was denkt ihr wird Mr Hanson mit Luna tun? Ich hab übrigens einen kleinen Hinweis darauf eingebaut, was er machen wird, bin gespannt ob irgendjemand den kriegt :)
Und gibt es diesmal noch eine Rettung für sie?
Sieht aus als würde es eng werden, ich hoffe, dass das nächste Kapitel bald fertig wird. Freue mich auf euer Feedback.
Keep Reading😇
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