04 - as it really is
wie es wirklich ist
Wie es aussieht, gehört mein kleiner Mock zu denen von besonderem Interesse. Das sind diejenigen, die es zu einer zweiten Einladung schaffen und wofür ich eigentlich gestern ins Come Inn gefahren bin. Das Flackern des Lichtes war kein Zufall und keine Störung, sondern eine Nachricht von meinem Bruder. Es hat mir beim ersten Mal gesagt, dass er im Raum hinter dem Spiegel steht und mir die Sicherheit gewährt, die man für das von mir bevorzugte Spiel benötigt. Ohne seinen Schutz hätte ich mich niemals mit einem Fremden, wie nett er auch sein mag, auf diese Weise eingelassen.
Und das zweite Flackern genau in dem Moment, als ich eine Wiederholung ablehnte? Das war eine eindeutige Botschaft an mich, die ich weitergegeben habe und die scheinbar auf Interesse gestoßen ist.
Zach arbeitet bereits an unserem Frühstück und ich geselle mich wie gewohnt dazu, helfe ihm, da wo ich kann und nicht im Weg stehe. Letzteres passiert so gut wie fast wenig, denn wir sind ein eingespieltes Team, wie ein altes Ehepaar, vermutlich sogar besser. Schließlich haben wir unser ganzes Leben miteinander verbracht. Wir haben auch nicht vor, jemals etwas daran zu ändern. Warum sollten wir auch? Unser Leben ist perfekt und hat alles, was wir brauchen. Einen Partner dem man blind vertrauen kann und der einen auch ohne Worte versteht. Unsere Gemeinsamkeiten gehen Hand in Hand und unsere Unterschiedlichkeiten greifen perfekt ineinander über und ergänzen sich. Und für den Sex haben wir unsere eigene, ganz spezielle Lösung.
"Er hat dir gefallen!", erkläre ich das Offensichtliche, um meine eigentliche Frage einzuleiten. "Soll ich ihn später für dich holen?"
Es gibt eine kurze Liste von Männern, an denen Zach eigenes Interesse bekundet. Sein Sexualtrieb ist ungefähr so groß wie sein Wunsch nach Gesellschaft, also minimal. Er hat seine eigene Methode, diesen zu befriedigen, mit seiner Fantasie und seiner rechten Hand. Oder ist es die linke?
"Ich muss ihn noch prüfen", keine Ablehnung, aber auch noch kein Ja. Seit der Geschichte mit Otis, sind wir vorsichtiger geworden. Wir machen immer einen kleinen Background Check, bevor wir jemanden ein zweites Mal einladen. Nicht, dass unsere Recherchen sehr weit reichen oder in die Tiefe gehen, doch nachdem Otis durchgedreht ist, kamen wir rückblickend zu der Erkenntnis, dass es durchaus Anzeichen im Netz für seine labile Persönlichkeit gab. Heute sind wir schlauer und schauen zumindest mal nach ersten Warnzeichen im World Wide Web.
Dass Otis damals Zachs Interesse weckte, verwundert mich bis heute. Okay, er sah verdammt gut aus, trat sehr selbstbewusst auf und wusste seinen Schwengel zu schwingen, um es mal so auszudrücken. Allerdings war er beim Sex absolut Vanilla und seine arogante Art machte es mir eher schwerer als leicht, meine Phantasie dort einzusetzen wo er für mich versagte. Doggy-Style war okay, aber mir zu befehlen, das Gitter loszulassen und mich selbst anzufassen? Ganz falsch.
Ich schaue gerne nach denen, die größer und stärker sind als ich, in der Hoffnung, einen kleinen Alpha in ihnen vorzufinden. Ich suche mir außerdem die netten unter ihnen heraus, denn ich will wirklich nur ein klein wenig Dominanz und keinen Mega-Dom im Bett haben. Und Zach ist damit fein, er mag die Vorstellung, dominiert zu werden, ebenso wie ich. Allerdings nur als Vorstellung und nicht in der Realität. Während er hinter dem Spiegel steht, um alles zu beobachten und einzugreifen falls notwendig, behält er jede Handlung meiner Spielpartner genau im Auge, ebenso wie meine Reaktionen darauf. Eine versteckte Tür ermöglicht es ihm, sekundenschnell einzugreifen, wenn etwas nicht stimmt. Für ihn entsteht dabei eine Art Erinnerung, die er später in seinem Zimmer wieder aufrufen und durchleben kann - dann allerdings mit sich selbst in der Hauptrolle.
Um sich auf Sex mit jemand anderem einzulassen, sind seine Bedürfnisse noch etwas spezieller als meine, überlappen sich aber leicht. Er sucht ebenfalls jemanden, der stark ist, selbstbewusst auftritt und sich ein wenig gegen die Führung eines anderen wehrt. Nur ein wenig, fürwahr, denn für Sex mit Zach muss sich sein Partner am Ende ergeben und sich vor allem von ihm toppen lassen. Dabei geht es Zach weniger um Dominanz und mehr um den Reiz des Sieges über den scheinbar Stärkeren.
Die Männer, die ich aufgable, egal ob sie Alpha-Tendenzen haben oder lediglich selbstbewusste Vanillas sind, haben alle das Potential, auf Zachs Interesse zu stoßen. Sie müssen dafür nur eine gewisse Stärke und eigenen Willen zeigen, aber auch eine Schwachstelle aufweisen, die er gegen sie verwenden kann. Es würde mich auch nicht wundern, wenn ein weiteres Auswahlkriterium meines Bruders darin besteht, ihnen zeigen zu wollen, was sie beim nächsten Mal besser machen könnten. Doch wie ich bereits sagte, Wiederholungen sind nicht mein Stil. Für mich gibt es kein nächstes Mal, nicht mit den guten und ganz sicher nicht mit den mittelmäßigen Sexpartnern wie Otis.
Wenn ich genauer darüber nachdenke, dann könnte da sein Interesse an Otis gelegen haben. Der Mann konnte wirklich gut mit seinem Schwanz umgehen, aber seinen herrischen Worten fehlte es an Substanz, seiner Dominanz an Überzeugungskraft und sein Stolz war eine Schwäche, den zu brechen einen gewissen Reiz auf Zach ausgeübt haben könnte.
Nicht immer finde ich den Mini-Master meiner Träume und das ist auch okay. Komplett Vanilla ist auch nicht verkehrt und mehr als ein Lückenfüller. Vor allem, wenn der Mann weiß was er tut und es mir gut besorgt. Um ehrlich zu sein hatte ich schon Vanilla-Sex, der besser war als andere Kinky Erfahrungen mit möchtegern Doms. Otis konnte mich mit seinem Schwanz befriedigen, aber meine Phantasien konnte ich mit ihm nicht ausleben und Zachs Urteil zu ihm war auch nicht berauschend. "Ganz nett aber zu willig!"
Einer wie mein kleiner Mock kommt jedoch selten daher. Er zeigte eindeutig dominante Tendenzen, trotzdem hat Zach etwas in ihm gesehen. Mocks Reaktion auf meine Warnung vor einem Erlebnis der anderen Art hat gezeigt: Mein Bruder hat - wie so oft - nicht falsch gelegen. Ein Switch? So nennt man sie, glaub' ich. Ich kenne mich da nicht so aus. Meine Erfahrungen mit Sadomaso beschränken sich auf ein paar Handfesseln und etwas Spanking mit der flachen Hand. Es ist mehr die Vorstellung, ausgeliefert zu sein, die mir einheizt. Nichts, für das man ein Safeword braucht. Ein einfaches "Stopp" reicht aus. Oder anders gesagt, für einen SM-Club bin ich eindeutig selbst zu Vanilla. In jedem Fall hat dieser Mann eine spannende Komponente, die Zach reizt.
"So schnell, wie er sich auf den Deal mit dem Namen eingelassen hat? Da steckt was drin für mich. Danke übrigens dafür."
Ich umarme Zach kurz und drücke ihn brüderlich.
"Ehrlich gesagt tue ich das nicht nur für dich. Wir haben so oft untereinander getauscht, dass es mich beim Sex stört, egal welcher Namen benutzt wird."
"Süßer war doch auch ganz nett", schmunzelt Zach und ich schubse ihn empört von mir. Wir lachen beide.
"Soll ich losfahren und ihn holen?" Sein Blick fällt auf den Kühlschrank und meiner folgt ihm.
"Oder wir rufen ihn an", überlegt er laut.
"Wer, wir?"
"Na du!"
Wieder lachen wir und ich greife nach meinem Handy und der Visitenkarte.
Zunächst plaudere ich etwas mit Mock und horche noch einmal, ob er meine Warnung verstanden und ernst genommen hat. Er gesteht mir, dass er seine Dominanz nicht leicht, aber am Ende gerne abgibt.
"Wenn dein Bruder im Führen so stark ist, wie du in der Hingabe, dann wird es eine weitere perfekte Nacht", jubelt er.
Zeit ihm klar zu machen, dass es mir total egal ist, wen er glaubt später vor sich zu haben, aber er lacht nur leise und macht ein akzeptierendes Geräusch. Er ist sich sicher und ich lasse ihm sein Vergnügen, denn er wird es ja tatsächlich mit meinem Bruder zu tun bekommen. Einen eindeutigen Beweis, oder eine Bestätigung von mir, wird er trotzdem nicht erhalten.
Als ich ihm später die Tür öffne, winkt er mir fröhlich mit dem Autoschlüssel zu und grinst mich breit an. Dass er nicht versucht, mich zu küssen oder zu umarmen, macht ihn um so mehr zu einem geeigneten Kandidaten. Niemand hat Lust darauf, das Otis-Drama zu wiederholen, auch der kleine Mock nicht, wie er mir mit ernstem Gesicht versichert.
"Keine Namen, kein Date, keine Verpflichtungen und wenn ihr mich später wieder gehen lasst, verschwinde ich aus diesem Haus und morgen sogar aus diesem Städtchen und aus eurem Leben. Versprochen!"
Oh ja, ich mag ihn. Und unser Dorf ist tatsächlich zu einem, wenn auch winzigen, Städtchen herangewachsen, seit die Geschichte vom verschwundenen Zwilling viral ging. Ich denke, er hat auch begriffen, dass die Zweideutigkeit daher einen sehr wichtigen Hintergrund hat, an dem das Wohlergehen aller Einwohner hängt - mehr oder weniger.
Die Übergabe an Zach findet wie immer fließend und vollkommen unbemerkt statt. Ich bringe Mock zum Spielzimmer, aber es ist Zach, der hinter ihm hineingeht und die Tür schließt. Es gibt eine winzige Möglichkeit für Mock, den Austausch zu bemerken. Im Spiegel könnte er sehen, dass Zach das Zimmer von der anderen Seite des Ganges betritt, als er selbst. Aber selbst dann hat er uns nicht gleichzeitig zu sehen bekommen, was der Grund ist, warum auch er sich am Ende nicht sicher sein kann, ob er uns beiden begegnet ist, oder nur einem von uns in verschiedenen Rollen. Zumal mein Bruder den Beginn unseres Dates vom Vorabend und mein Verhalten an der Tür sicher perfekt kopiert. Da bin ich mir sicher, auch wenn ich es nicht sehen kann. Zachs Lieblingsgeschichte von uns ist die einer gespaltenen Persönlichkeit.
Normalerweise ist es nicht notwendig, dass ich Zachs Erlebnis mit den Männern beobachte. Da er sich nicht in eine abhängige Lage mit ihnen begibt, ist es unwahrscheinlich, dass er meine Hilfe benötigt. Sollte sich die Auswahl als Fehler erweisen, kann er den Kerl auch eigenhändig vor die Tür setzen. Selbst wenn der kleine Mock alles andere als klein ist, sind wir nicht wehrlos, solange wir nicht mit ihm in einen engen Raum (wie zum Beispiel ein Auto) gequetscht sind oder uns von ihm fesseln lassen.
Zugegebenermaßen habe ich auch deutlich mehr Schwierigkeiten dabei, Zach bei seinem Spiel zuzusehen. Nicht nur, weil sich mein Bruder dabei in einer Position befindet, in der ich bei aller Liebe nicht sein will, sondern mehr noch, weil ich meinen Mini-Alpha nicht als Omega sehen möchte. Dennoch bin ich im Falle von Mock nicht nur vorsichtig, sondern auch neugierig. Kurz lasse ich die Lampe aufflackern, als ich mich hinter den Spiegel stelle, gespannt darauf, was Zach in ihm gesehen hat.
Tatsächlich enttäuscht er meinen Bruder nicht. Ein kleiner Machtkampf aus Blicken und Worten spielt sich ab. Ich genieße ihn, solange er anhält und meine Erinnerung an den Master der letzten Nacht verstärkt. Als er schließlich einknickt, nach einem Kick meines Bruders in die Kniekehlen, und unten bleibt, mit wilden Blicken direkt in die Augen von Zach, weiß ich, es ist Zeit für mich zu gehen. Ein weiterer Knopfdruck, um Zach wissen zu lassen, dass er jetzt allein mit Mock ist, dann mache ich mich auf den Weg in mein Zimmer.
Otis war von Anfang an ein starker Verfechter der Zwillingsthese und fest davon überzeugt, dass wir als Team arbeiten. Er hat auch den Spiegel erkannt, aber nicht seinen Zweck und warf uns deshalb Scheinheiligkeit vor. Wie können wir vehement ablehnen, gemeinsam Sex zu haben, wenn wir uns dennoch, wenn auch versteckt, einen Mann teilen in dem einer den anderen beim Sex beobachtet und sich daran ergötzt? Aber so ist das nicht. Er hat mir nie geglaubt, dass ich ihn nicht mit Zach beobachtet habe. Otis wollte uns unbedingt gleichzeitig treffen und mit uns beiden Sex haben. Seine Wunschvorstellung nennt sich Spitroast, mit ihm in der Mitte und von beiden Seiten mit unseren Schwänzen gefüllt. Das ist auf so viele Arten falsch, dass es mich noch heute schaudern lässt, wenn ich nur daran denke.
Zugegeben, die Allgemeinheit würde wohl eher etwas verstört darauf reagieren, dass wir uns gegenseitig beim Sex beobachten, doch wir tun das zu unserem Schutz, nicht für unseren Lustgewinn. Weder dem Wächter noch dem Spieler geht deshalb einer dabei ab. Natürlich haben wir den Vorteil, dass wir uns so ähnlich sehen. So kann ich mir einreden, die Geschehnisse in einem Spiegel zu sehen, und nicht durch ihn hindurch. Und wenn Zach später seine Phantasie mit seiner Hand und einem Dildo auslebt, dann spiele ich dabei nicht die geringste Rolle.
Dazu kommt auch, dass ich nicht gerne toppe und keiner von uns gleichzeitig Sex mit demselben Mann haben will. Never ever. Otis Traum passte daher nicht im Geringsten zu uns.
Natürlich spielt auch das Bedürfnis, unser Geheimnis zu wahren und die Geschichte am Leben zu erhalten, eine wichtige Rolle. Diesen Vorwurf konnten wir schwerlich entkräften, denn davon hängt schließlich nicht nur unser Wohlergehen ab, sondern das aller Einwohner unseres Dorfes. Auch deshalb kommt ein Dreier für uns niemals in Frage. Aber das ist für uns eher nebensächlich.
Das Schwierigste am Austausch mit anderen Menschen ist immer, dass sie ihre eigenen Werte auf alles anwenden, dem sie begegnen. Sie verstehen nicht, dass es uns gut geht, dass wir das Leben genauso freiwillig gewählt haben und damit vollkommen zufrieden sind. Ich bin selig mit meiner Rolle als Aushängeschild und existierender Zwilling und Zach ist glücklich damit, zurückgezogen zu leben und der verschwundene Zwilling zu sein. Wir wollen es nicht anders und wir sind nicht daran interessiert, was die Gesellschaft als normal bezeichnet. Zwei Brüder, die zusammenleben, sind auch eine Form von Normalität und niemand versteht den anderen so, wie der eigene Bruder. Da ist kein Platz für eine andere Person. Und auch kein Bedarf.
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