50:
Eclipse
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Der Geruch nach verbranntem Popkorn lag nach wie vor in der Luft.
Wir waren vor dem Fernseher eingeschlafen. Einem müden Werwolf ohne bedeutende Erfahrungen in der Zubereitung von Popkorn kam auch die Supernase erst zur Hilfe, wenn es bereits zu spät war.
Heute war ein beschissener Tag, dabei hatte er so gut angefangen. Nach sechs Wochen wurde am Nachmittag endlich mein Gips entfernt. Meine Hand fühlte sich seltsam an. Trotz einer gründlichen Dusche hatte ich das Jod noch nicht vollständig abwaschen können. Meine Haut sah orange aus. Die Muskeln waren durch die wochenlange Nicht-Nutzung verkümmert. Es würde noch dauern ehe ich meine Griffkraft zurück bekäme. Nach wie vor, vermutlich aus einer Macht der Gewohnheit heraus, kam ich nicht umher meinen Arm in einer Schohnhaltung zu belassen. Mein ehemals verbundenes Handgelenk sah selbst im Vergleich zu meinem gesunden unglaublich mickrig aus. Ich hatte vorgehabt zu surfen, sobald es das Wetter und die Wellen erlauben würden. Embry hatte mir versprochen mich zu begleiten. Darauf hatte ich mich seit über einem Monat gefreut, doch jetzt sah ich wenig Hoffnung in nächster Zeit in Wasser zu können. Schwimmen wäre vielleicht drinnen, doch zum surfen bräuchte ich Kraft in beiden Händen und Armen.
Ich wäre so gerne auf den Wellen geritten. Nach dem Cullen Theater hätte mir die Abwechslung gut getan.
Auch nach Wochen hatte Charlie den Hausarrest, den er Bella am Tag ihrer Rückkehr auferlegt hatte, nicht aufgehoben. Mir wäre es vollkommen gleichgültig gewesen, wenn es nicht bedeuten würde, dass Edward Tag täglich in ihrem Zimmer herumlungerte. Ich hätte es fast nicht bemerkt, doch das Bild hatte sich zusammengesetzt nachdem Quil sich eines Abends zu mir geschlichen hatte. Er hatte ihn gerochen. Edward musste bereits vor seinem spektakulären Abgang über Nacht im Zimmer meiner Schwester campiert haben. So verrückt es klang, doch ich konnte seine Anwesenheit spüren. Früher hatte ich dieses Gefühl als Nachwirkung meiner Albträume abgestempelt. Die Jungs hatten mit meinem 'Supersinn' allem Anschein nach richtig gelegen. War einer der Cullens in der Nähe stellten sich meine Nackenhaare auf und ein eiskalter Schauer lief mir über den Rücken. Der Gedanke, dass er nur ein Zimmer weiter war hinderte mich am schlafen. Ich war unfähig mich in meinem eigenem Zuhause zu entspannen, doch das spielte für unsere liebe Prinzessin keine Rolle. Jeder andere normale Teenager schaffte es doch auch zumindest über Nacht, während er schlief, von seinem Highschool Schwarm getrennt zu sein. Warum nicht meine Schwester? Ich war bei Derek nicht im Ansatz so anhänglich gewesen.
Es war nicht nur das. Mein größtes Problem war, dass ich Edward schlicht und einfach nicht leiden konnte. Bereits zuvor war ich nicht sein größter Fan gewesen. Das schlechte Gefühl das ich bei ihm hatte hinderte mich daran ihn zu mögen. Nachdem sein Verschwinden Bella in eine Depression gestürzt hatte war er vollkommen bei mir unten durch. Immerhin war ich mit meinem Groll nicht allein. Das gesamte Rudel, sowie mein Dad teilten meinen Eindruck. Unsere Verbrüderung war nicht unbedingt fair, doch das war es auch nicht keinen Schlaf mehr im eigenem Bett zu finden.
Wüsste Charlie von den nächtlichen Besuchen würde er ihren Freund hochkant rauswerfen, doch wie sollte ich ihm erklären, dass er durch das Fenster kam? Selbst wenn er nachsehen würde war ich mir sicher er würde ihn nicht zu Gesicht bekommen. Vampire waren blitzschnell.
Andererseits war ich froh nicht selbst kontrolliert zu werden. Ansonsten hätte ich mich nicht selbst Nachts rausschleichen können. Seit ihr Freund zurückgekehrt war verstießen beide Swanmädchen gegen die Regeln. Ohne miteinander zu sprechen hatten Bella und ich eine stumme Übereinkunft getroffen. Keine verrät die Andere. Ihr war inzwischen klar wie viel ich wusste. Sie mochte sich in der Nähe ihres eisigen Blutsaugers sicher und geborgen fühlen. Vermutlich dachte sie sogar er würde sie beschützen. Für mich galt das nicht. Wenn ich mich auf jemanden verlassen sollte, dann wählte ich meine Freunde. Inzwischen war ich praktisch bei den Blacks eingezogen. Billy verpfiff mich nicht bei meinem Vater, obwohl es ihm schwer fiel, da er wusste was die Konsequenzen wären. Dad würde es mir verbieten. Dann wäre ich mit einem Vampir im Haus gefangen. Dieser Gedanke missfiel ihm ebenso wie mir. Wir versuchten oft Dad aus dem Haus und ins Reservat zu bekommen. Den Cullens war es nicht erlaubt diesen Boden zu betreten, aber ihn hin und wieder auf ein Bierchen einzuladen funktionierte nicht auf die Dauer.
In der Schule und in den Minuten in denen der idiotische Blutsager im ersten Stock wartete, bevor mein persönlicher Werwolfexpress ankam, um mich abzuholen hatte ich es mir zur Mission gemacht Edward Cullens Leben so unangenehm wie nur irgendwie möglich werden zu lassen. Von Jake wusste ich von seiner Fähigkeit Gedanken zu lesen. Es hätte für ihn nicht schlechter laufen können. Wenn er hörte wie sehr ich ihn verabscheute kam mir das gerade recht. Gedanklich sang ich jeden Ohrwurm, die nervigsten Lieder, die ich mir ausmalen konnte und dachte an anstößige Filmszenen, sobald ich seine Anwesenheit bemerkte. Mein Zimmer war von Kleidungsstücken gepflastert, wobei ich mit Absicht hin und wieder einige davon im Haus verteilte. Ich hatte bereits die Kleiderschränke der Jungs ausgeräumt. Die Wölfe fanden den Geruch der Vampire abartig. Diese Abneigung ging in beide Richtungen. Tiere pinkelten, um ihr Revier zu makieren. Ich verteilte nach Werwolf riechende Kleidung. Wenn ich Edward schon nicht draußen halten konnte würde ich seinen Aufenthalt so unangenehm wie möglich gestalten.
Im Reservat fühlte ich mich nicht nur sicher, in Jake hatte ich auch einen Leidensgenossen gefunden. Wir beide konnten nicht fassen, welche Entscheidung Bella vorhatte für ihr Leben zu treffen und wir beide litten mit gebrochenen Herzen vor uns hin.
Meine Schwester, die Person über die ich mich seit Monaten aufregte, aber dennoch nicht aufhören konnte lieb zu haben, wollte ihr menschliches Leben beenden. Ihre Wortwahl bei diesem Gespräch war ganz und gar miserabel gewesen, da ich schon angenommen hatte sie wollte sich erneut von der nächsten Klippe stürzen. Die Wahrheit war allerdings in meinen Augen nicht viel besser. Sie wollte aus freien Stücken ihr Leben aufgeben, alle Chancen, die sie hatte, um unsterblich zu werden. Immerhin hatte sie zuerst mit mir gesprochen, bevor sie es jemand anderem erzählt hatte. Die Luft zwischen uns war nach wie vor dick gewesen, jedoch hatte ich angenommen dieser Zustand würde sich wieder legen. Pustekuchen. Gerade waren wir auf dem Weg einer langsamen Annährung, als sie mit dieser Schnappsidee um die Ecke kam. Meine Versuche sie zur Vernunft zu bringen perlten wie Wassertropfen an einer Glasscherbe an ihr ab. Wieso ging es ihr nicht in den Kopf, dass ihre Entscheidung ein absoluter Wahnsinn war? Wie wollte sie nach einer Beziehung, die mit Unterbrechung ein paar Monate ging, eine Entscheidung für die Ewigkeit treffen? Sie war achtzehn Jahre alt verdammt. Was, wenn sie in zehn, oder vielleicht auch zwanzig Jahren Kinder wollte? Diese Zeitspanne mochte uns jetzt lang vorkommen, doch sie wäre schneller vorbei als gedacht. Wir würden erwachsen werden, uns verändern... Nun ja, ich würde es. Wieso wollte sie diese Chance vertun? Dads Leben, mein Leben wären nur ein Wimpernschlag für sie.
Als ich nicht mehr weiter wusste, nach einer Nacht voller Grübeleien, hatte ich Jake geweckt. Ich hätte ihn vorwarnen sollen worum es ging, als ich ihn bat mit Bella zu sprechen. Ich hätte ihn darauf vorbereiteten sollen, aber ich hatte es nicht getan. Ich hatte ihr die Chance geben wollen es ihm so begreiflich machen zu wollen wie sie es für richtig hielt. Es war ein Fehler gewesen anzunehmen ihr würde es gelingen den Schock zu mildern. Auch wenn sie es sich dessen nicht bewusst war war ich mir sicher, dass sie Jake tief in ihrem Inneren, hinter der Besessenheit von Edward, auf ihre Weise liebte. Das er hoffnungslos in sie verliebt war war unbestritten. Vielleicht hatte ich deswegen angenommen er könnte sie umstimmen. Wenn sie es nicht für sich, oder für mich tun würde, so meine Annahme, dann unter Umständen für Jake. Ich dachte sie würde erkennen, dass sie eine Wahl hatte. Mein Plan war nicht aufgegangen.
Er mied Bella, versuchte sich von ihr abzukapseln. Ich fühlte mich schuldig. Fast zeitgleich im April erfuhr ich von den Newtons, dass ihr Sohn Derek zurück nach San Francisco gefahren war. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte ich gedacht die Trennung halbwegs verdaut zu haben, doch seine Rückkehr an die Uni warf mich in ein tiefes Loch. Obwohl wir bereits wochenlang fast keinen Kontakt mehr pflegten fühlte ich mich auf einen Schlag unglaublich einsam. Ihn in der Nähe zu haben hatte weh getan, doch zu wissen wie weit er nun weg war war schlimmer. Er machte mit seinem Leben weiter. Vermutlich umgab er sich mit all seinen Collegefreunden und genoss sein Leben in vollen Zügen ohne an mich zu denken.
Somit befanden wir beide uns an einem Tiefpunkt und suhlten uns gemeinsam im Selbstmitleid. Da wir praktisch zusammen wohnten war es leicht herumzugammeln als gäbe es kein Morgen. Jake war mit der Einzige, den ich zurzeit ertrug. Meine Freunde aus Forks versuchten mich aufzuheitern, allerdings war mir nicht nach ihrer Gesellschaft zur Mute. Quil war übermäßig gut gelaunt. Sein Tatendrang ging mir allmählich auf die Nerven. Embry versuchte zumindest ein wenig Empathie zu zeigen, dennoch war mir die einvernehmliche Stille, die zwischen Jacob und mir herrschte, während wir uns Filme und Serien ansahen am liebsten. Wir versuchten nicht uns aufzumuntern, sondern durchlebten die schlechte Laune Seite an Seite. Er motzte, ich beschwerte mich und dann war es gut. Bella hatte oft versucht mir Zettel für Jake mitzugeben. Ich hatte nur einen widerwillig entgegengenommen. Der Brief hatte ihm mehr geschadet, als geholfen. Danach hatte ich mich geweigert und darauf bestanden ihr erst wieder zu helfen mit Jake in Kontakt zu treten, wenn er mich darum bitten würde.
Naserümpfend pickte ich die essbaren Popkörner aus der Schüssel. Über die Hälfte hatten wir verloren, dennoch hatte mein Hunger Überhand genommen. Mein Versuch meine schlechte Laune im wahrsten Sinne des Wortes in mich rein zu fressen war eine unsgesunde Art der Trauenbewältigung. Das war mir durchaus bewusst, dennoch war es eines der wenigen Dinge, die ich wirklich tun wollte. Für vieles hatte mir die Motivation gefehlt. Mit der Aussicht zu surfen hatte ich mich noch zusammengerissen, doch heute hatte ich einen Rückschlag. Jakes Kopf lag auf meinem Schoß, während er ein Popkorn nach dem Anderen in die Luft warf und mit dem Mund auffing. Das er die Verbrannteren abbekam, da ich die vergleichsweise Guten aß, schien ihn nicht im Geringsten zu stören.
Das Fernsehprogramm dudelte vor sich hin, wovon ich allerdings nur die Hälfte mitbekam. Ich hing meinen eigenen Gedanken nach, betrachtete meine mir nun so fremd vorkommende Hand.
Kein Surfen.
Kein Motorrad fahren.
Ich war vollkommen nutzlos.
"Denkst du es tut weh? Die Verwandlung in einen Vampir meine ich.", murmelte ich gedankenverloren.
Mir gefiel es nicht, aber einer der Gründe weswegen mich meine ehemals gebrochene Hand derart störte war der, dass sie mich daran erinnerte wie schwach ich als Mensch war. Im Vergleich zu Vampiren und Werwölfen war ich nicht stärker als ein Zahnstocher. Ein Vampir zu sein, eingefroren in der Zeit bis in alle Ewigkeit und dazu verdammt die Jahrhunderte zu durchleben, Menschen wieder und wieder sterben zu sehen, während man von dem Verlangen nach Blut getrieben wird kam mir vor wie ein fürchterlicher Albtraum. Andererseits waren sie stark. Die Cullens töteten keine Menschen und doch hatten sie die Macht ihre Familie zu beschützen. Darum beneidete ich sie, ob ich wollte, oder nicht.
Bella hatte mir nicht von den 'Volturi', wie Jacob sie genannt hatte, erzählen wollen. Sie hatte sich geweigert und behauptet ich dürfte nichts von ihnen wissen. Sie war ebenso ein Mensch wie ich. Was gab ihr das Recht sich über mich zu stellen? Was machte sie besonders? Ihre Entscheidung nicht mehr länger sterblich sein zu wollen?
Sie hatte nicht nur sich, sondern auch ihre geliebten Blutsauger in eine unmögliche Lage gebracht. Würde einer von ihnen sie beißen würden sie den Vertrag mit den Quileute brechen. Sie wären Freiwild. Man würde sie bis zum Letzten jagen. Wäre Bella eine von ihnen dürften sie sie nicht verschonen. Vielleicht konnten sie es schaffen, wenn sie fliehen würden. Weit, weit weg. Ich würde sie nie wieder sehen. Dad und Mom würde es das Herz brechen.
Wenn allerdings mehr hinter den Volturi steckte... Wenn ich annehmen würde sie dürfte mir tatsächlich nichts erzählen, dann würden sie mit Sicherheit nicht zulassen, dass Bella mit ihrem jetzigen Wissen ein Mensch blieb. Sie würde entweder eine von ihnen werden, oder ihre Geheimnisse mit ins Grab nehmen müssen.
Jedes Szenario endete damit sie für immer zu verlieren.
Ein wütendes Knurren ertönte.
Ich hatte gegen eine unausgesprochene Regel verstoßen. Bella zu erwähnen war ein No Go, ebenso alles was mit ihr, oder den Blutsaugern zu tun hatte.
"Was? Willst du jetzt auch zu einem dieser Fiecher werden?", fauchte er genervt.
Ich verdrehte die Augen.
Stück für Stück bis ich von einem Stück Popkorn ab.
"Vor einigen Jahren sind wir mit Mom und Phil Fahrrad gefahren. Bella und ich sind einen Hügel hinuntergerast.", bei dieser Erinnerung lächelte ich in mich hinein, jedoch verging mir das Lachen schnell. "Wir waren blitzschnell. Damals kam es mir vor, als würden wir fliegen. Allerdings fuhr Bella über einen großen Stein und flog vom Fahrrad. Ich war zu schnell. Um nicht in sie reinzufahren habe ich versucht zu bremsen. Lange Rede kurzer Sinn. Ich bin im Graben gelandet. Meine Knie waren aufgeschürft. Die Schrammen haben unglaublich gebrannt, doch ich habe mich aufgerappelt und bin zu Bella gerannt. Sie lag einfach auf der Straße und hat sich nicht bewegt. Für einen Moment dachte ich sie wäre... Sie wäre... ", ich musste nicht weiter sprechen. Zum ersten Mal seit April entdeckte ich eine Sanftheit in Jakes Augen, während ich von Bella sprach. "Als ich mich neben sie gekniet habe hat sie gewimmert. Sie... Sie erträgt Schmerzen nicht. Ich weiß wir verstehen uns momentan nicht, aber... aber ich will nicht das sie leidet."
Jake sah zu mir auf. Seine tiefbraunen Augen glitzerten verräterisch im flackernden Licht vom Fernseher.
"Das will ich auch nicht.", wisperte er mit heiserer, tiefer Stimme.
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Ein neues Monat und ENDLICH ein neues Kapitel.
Ganz zufrieden bin ich nicht, aber es wurde Zeit für neuen Lesestoff und ich hoffe trotzdem, dass es eine gute Einleitung für den dritten Teil geworden ist.
Wie versprochen kommt mit diesem Kapitel auch ein neues Cover designt von LittleMizZzSunshine.
Über Inspirationen, Votes und Feedback freue ich mich wie immer unglaublich!
Bis zum nächsten Kapitel mit unseren Lieblingswölfen;)
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