41:
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Allmählich legte sich der Druck, der auf meiner Brust gelegen hatte. Ich fühlte mich schwer wie Beton, doch abgesehen von der ungeheuerlichen Trägheit ging es mir gut. Quil hatte meinen Stuhl neben sich gezogen. Seitdem ich mich gesetzt hatte hatte ich mich keinen Millimeter gerührt. Meine Augenlider kamen mir bleiernd vor. Kämpfend stellte ich mich gegen den Drang sie zufallen zu lassen. Noch nie in meinem Leben hatten mein Verstand und mein Körper gleichzeitig solch unterschiedliche Programme gespielt. Es war beinah als wäre ich auf Drogen und hätte irgendein unglaublich hochdosiertes Schlafmittel intus. Währenddessen arbeitete mein Gehirn auf Hochtouren. Ich war noch dabei das alles zu verarbeiten. Ich war sogar zu müde, um meine Schwester weiterhin wütend anzustarren. Sie war die dafür benötigte Anstrengung nicht wert. Urplötzlich erschien eine Hand vor meinem Gesicht. Kurz zuckte ich zusammen. Vor meiner Nase schwebte ein gefülltes Glas. Embry hielt mir auffordernd das Wasser hin. Als ich es annahm schenkte ich ihm ein schüchternes Lächeln. Embry. Noch so eine ungeklärte Sache. Während meiner minutenlangen Denkphase war mir klargeworden, dass noch längst nicht alles geklärt war. Ich wusste nicht wie ich jetzt zu Jake, oder Embry stand und meiner Schwester würde ich am liebsten den Kopf abreißen, doch das wäre in meinem momentanen Zustand und vor Zeugen kaum möglich. Darum schluckte ich den brennenden Zorn hinunter.
Ich konzentrierte mich auf wichtigere Dinge. Meine Kleidung klebte wie eine zweite Haut an mir. Ohne Quil, der wie eine lebendige Heizung war, hätte ich gezittert wie Espenlaub. Ich war hungrig wie ein Löwe, doch konnte ich mich nicht überwinden mich zu strecken und die wenigen Zentimeter zum Tisch mit dem Essen zu überbrücken. Vermutlich würde ich sowieso keinen Bissen runterkriegen, denn mein Magen rebellierte wie er es sonst nur in Stresssituationen wie vor schweren Prüfungen tat. Das hier setzte in mir wohl ein vergleichbares Stresslevel frei. Doch so absurd ich das alles fand ich hatte nicht vor mein Versprechen zu brechen. Ich würde alles tun, um Quil zu schützen und nicht nur ihn.
Ich konnte so wütend und enttäuscht sein wie ich wollte, doch Jake und Embry bedeuteten mir noch immer viel ob ich es nun wollte, oder nicht. Niemals würde ich zulassen, dass irgendjemand von ihnen verletzt werden würde.
In einem Zug leerte ich das Glas. Gierig stürzte ich die Substanz runter, die daraufhin meine staubtrockene Kehle hinunterran. Wohlig seufzte ich auf. Keine Sekunde später war mein Glas wieder voll. Embry hatte es ohne das ich hätte fragen müssen aufgefüllt.
"Du solltest aus den nassen Sachen raus!", bemerkte Bella.
Die gespielte Fürsorge in ihrer Stimme löste in mir den Drang aus mit den Augen zu rollen. Weniger schickliche Erwiederungen lagen mir auf der Zuge. Stattdessen schossen lediglich zornige Blitze aus meinen Augen. Ihr Glück, dass Blicke nicht töten konnten.
"Wir haben hier Ersatzkleidung, da bei den Verwandlungen oftmals etwas zerreißt.", bemerkte Embry und machte sich direkt geschäftig auf den Weg.
"Nein!", hielt ich ihn zurück, den Blick weiterhin auf mein wertes Schwesterherz geheftet. War es irrational? Ja. Aber würde ich mir lieber den Allerwertesten abfrieren bevor ich tun würde was sie mir sagte? Oh, zur Hölle ja!
Nun verdrehte Bella tatsächlich die Augen. Allein für diese Geste hätte ich ihr am liebsten ihre perfekten Haare ausgerissen. Sie hatte kein Recht dazu! Sie war hier diejenige, die mich von vorne bis hinten angelogen und mir Elementares verschwiegen hatte!
"Jetzt sei nicht störrisch, Adi! Zieh dich um! Charlie wird sicherlich nicht begeistert sein, wenn du morgen mit einer Erkältung im Bett liegst."
"Ich bin dir doch scheiß egal! Nur weil du deine Unschuldsmiene vor deinem 'Schatzilein' aufrecht erhalten willst, damit er nicht merkt wie unglaublich selbstsüchtig du bist musst du uns nicht vorspielen dir würde irgendetwas an mir liegen! Ich kann nicht fassen wie ich so lange dermaßen blind sein konnte! Seit wir hierher gezogen sind war dir doch jeder egal bis auf dich selbst und den Cullens!"
Ich sah wie ein Muskel in ihrem Gesicht zuckte. Ich hatte einen Nerv getroffen. Brodelnde Lava schoss durch jede Vene, ein nicht zu kontrollierendes Lauffeuer in meinem Inneren.
"Um Edward hast du dich gesorgt. Edward war scheinbar dein ganzes Leben.", ich sagte mit Absicht seinen Namen so oft ich konnte. In diesem Moment wollte ich ihr wehtun. Sie sollte selbst erleben wie es sich anfühlte, wenn man erkennen musste, dass sich ein Mensch von dem man gedacht hätte man könnte ihm bedingungslos vertrauen gegen einen wandt. "Du kanntest Edward wie lange? Ein halbes Jahr? Und als es dir beschissen ging nachdem er dich hat fallen lassen und das Weite gesucht hat hast du beschlossen, dass es jedem um dich herum genauso beschissen gehen soll wie dir! Weißt du was du uns damit angetan hast? Hast du auch nur einmal daran gedacht? Natürlich nicht! Denn du bist egoistisch, Bella! Du bist ein durch und durch selbstbezogener Mensch. Und das Schlimmste daran ist, dass wir alle nach deiner Pfeife tanzen. Du bist die Protagonistin deiner eigenen Geschichte. Die Welt dreht sich nur um dich. Doch soll ich dir mal was sagen? Dem ist nicht so! Du bist nicht die Sonne um die alle Planeten zu kreisen haben! Du bist- du bist kein Atomkern und wir keine negativ geladenen Elektronen, die sich auf Kreisbahnen um dich herum bewegen! Du kannst dir nicht einfach von anderen Menschen nehmen was du willst! Du kannst nicht einfach Jake benutzen, damit du dich besser fühlst! Aber genau das tust du! Du nimmst dir was du willst, weil du es kannst und jeder alles tut um es dir recht zu machen, ohne dabei Rücksicht auf Andere zu nehmen!", all diese Worte hatten sich über Monate hinweg in mir angestaut. Ich hatte nichteinmal gemerkt, dass ich sie mit mir herumgeschleppt hatte. Meine Sicht verschwamm. Dieses Brennen ließ nicht nach. Ich krallte meine Fingernägel in meine Unterarme.
"Ich war IMMER für dich da! Ich habe mich IMMER für DICH zurückgenommen, da es mir wichtiger war, dass du glücklich bist. Und dir ist das überhaupt nicht klar. Oder ist es das und du hälst es für selbstverständlich? ICH BIN DEINE SCHWESTER VERDAMMT! ICH BIN DEINE SCHWESTER UND DU HAST ES NICHTEINMAL GESCHAFFT MIR DIE WAHRHEIT ÜBER MEINE FREUNDE ZU ERZÄHLEN! DU WUSSTEST WIE SEHR ICH DADRUNTER GELITTEN HABE UND DU HAST NICHTS GESAGT! DAS WÄRE DER MOMENT GEWESEN AN DEM DU FÜR MICH HÄTTEST DA SEIN MÜSSEN!"
Mein Brüllen hallte mir in den Ohren. Erbärmliche Schlurzer schüttelten meinen Körper. Ich wankte. Ich konnte mich nicht erinnern, wann ich aufgesprungen war. Rotz lief aus meiner Nase. Mit meinem Handrücken wischte ich ihn weg. Ich war eine hässliche Weinerin. Mir war es egal, ob Sam sie zu dem selben Versprechen wie mich gedrängt hätte. Selbst Quil hatte einen Weg gefunden mir zu helfen. Wäre ich an ihrer Stelle gewesen hätte ich für sie Himmel und Hölle in Bewegung gesetzt. Mein Herz schmerzte. Es zog sich zusammen wie ich es nie für möglich gehalten hatte. Das war Herzschmerz.
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Die Stille, die auf meinen Ausbruch folgte, lag über uns wie ein eisiger Nebel. Selbst Paul und Jared verharrten in ihren Bewegungen, ihr Essen Zentimeter vor ihren offenen Mündern. Wenn ich es nicht besser wüsste hätte ich gedacht die Zeit wäre eingefroren. Ganz im Gegensatz dazu hob und senkte sich mein Brustkorb in einem hektischen Rhythmus. Mein Atem klang in meinen Ohren laut wie Kanonenschüsse. So unglaublich, unglaublich laut. Bellas Miene war regungslos. Ich wollte, dass sie reagiert! Sie sollte mich anschreien, sich verteidigen, weinen, mir eine Ohrfeige verpassen, irgendetwas. Alles wäre besser als weiterhin in diesem Moment verzuhängen. Die restlichen Anwesenden begannen zwischen meiner Schwester und mir hin und her zusehen, als warteten auch sie auf eine Reaktion. Emotionlos kamen die Worte über ihre Lippen.
"Ich gehe besser nach Hause. Könntest du mich fahren?"
Die Frage richtete sie an Jake, ohne ihn anzusehen.
Ich kannte diesen Ausdruck. Sie hatte ihn monatelang draufgehabt. Es war als würde sie wieder zurück in ihr katatonisches Stadium fallen. Hinter ihren dunklen Augen sah ich wie ein Licht erlosch.
Jake sah zwischen uns hin und her. Mit einem enschuldigenden Blick willigte er ein. Ohne ein weiteres Wort begab sich Bella in den Flur, der zur Haustür führte.
Der Stich traf mich unerwartet. Ein Gefühl von Verrat entbrannte in mir.
"Du willst jetzt einfach weglaufen? Hast du mir gar nichts zu sagen?", heulte ich erbärmlich.
Sie drehte sich nicht einmal um.
"Weil du weißt, dass ich recht habe, oder?", verächtlich schnaufte ich auf. "An deiner Stelle würde ich auch weglaufen. Das kannst du ja am aller besten!"
Die Tür fiel hinter ihr leise ins Schloss.
Wie ein kleines Stücken Elend stand ich im Raum. Alle Augen lagen auf mir. Sie hatte mich alleine im Zentrum der Aufmerksamkeit zurückgelassen. Jetzt war ich die Böse. Weinend hastete ich in den Garten. Lediglich mit einem gemurmelten 'Es tut mir leid' entschuldigte ich mich.
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Ein kurzes Kapitel. Ursprünglich wollte ich hier noch weiterschreiben, aber da ich zurzeit länger brauche dachte ich ein kurzes Kapitel ist an dieser Stelle besser als keines.
Es passiert ja schon einiges.
Wie denkt ihr soll es zwischen den beiden Schwestern weitergehen? Wer von ihnen ist im Recht?
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