18:
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Ich löste mich von ihm und fuhr mit meinen Händen über meine Augen. Schniefend unternahm ich einen Versuch durch die Nase zu atmen, doch versagte. In meinen Jackentaschen suchte ich nach einem Taschentuch. Schließlich wurde ich fündig.
Kräftig schnaubte ich bis ich endlich wieder frei atmen konnte. Während ich tief Luft holte hoben sich meine Schultern.
"Fühlst du dich ein wenig besser?", fragte Embry vorsichtig.
"Ich fühle mich elendig.", antworte ich Wahrheitsgemäß.
Mein Magen war nach wie vor verknotet, mir war schlecht, mein Herz blutete und hinter meinen Schläfen pochte ein unerbittlicher Schmerz im Rhythmus meines Herzschlags.
"Das ist so dämlich! So bin ich nicht! Ich-Ich bin nicht dieses dämliche Mädchen, dass einem Typen hinterherweint, den sie nicht haben kann! Das ist armseelig!", brachte ich im nächsten Atemzug hervor und raufte mir die nassen Haare.
"Du bist nicht dämlich! Ganz sicher nicht! Keiner von euch beiden kann etwas dafür wie ihr fühlt."
Das war typisch Embry. Er würde nie wollen, dass sich einer von uns schlecht, oder schuldigt fühlt. Natürlich nahm er auch Jake in Schutz und leider musste ich zugeben, dass er recht hatte. Ich konnte Jake nicht dazu bringen mich zu lieben. Ebenso wenig konnte Jake etwas dafür nicht so für mich zu empfinden wie ich für ihn empfand. Vermutlich wusste er es nicht einmal. Er konnte mich nicht auf diese Weise sehen. Für ihn war alles perfekt. Das Mädchen seiner Träume schien sich endlich für ihn zu interessieren und verbrachte so gut wie jede freie Minute mit ihm. Ich war nicht dieses Mädchen.
Ich schniefte erneut. Flüchtig fuhr ich mir über die Augen. Was das bewirken sollte wusste ich nicht. Mit meiner vom Regen nassen Hand könnte ich kaum meine Wangen trocknen. Ein eisiger Windstoß ließ mich schlottern.
"Ich weiß. Es ist nur... Ich wusste es. Ich habe von Anfang an gesehen wie er sie ansieht, aber irgendwie... wahrscheinlich dachte ich es könnte sich ändern. Ich dachte ich könnte eine Chance bekommen.", kopfschüttelnd schloss ich die Augen.
Was hatte ich mir nur gedacht?
"Glaub mir, wenn Jake es sich hätte aussuchen können hätte er sich in dich verliebt.", versicherte mir Embry.
"Naja, da er es sich nicht aussuchen kann ist das nicht wirklich ein Trost, aber ich weiß deinen Versuch mich aufzumuntern zu schätzen."
"Tut mir leid... ", er schob seine Hände in die Hosentaschen. Nachdenklich blickte er zu Boden. "Zwar bin ich nicht Cassy, aber ich denke wir sollten dich erstmal auf andere Gedanken bringen."
"Das ist wirklich nett gemeint, aber ich habe gerade wirklich keine Lust unter Menschen zu gehen, oder irgendetwas zu unternehmen."
Ein Schmunzeln trat auf Embrys Gesicht.
"Ich dachte eher an Frustessen und Actionfilme. Wir bringen dich so weit weg von jeglicher Romantik wie es nur irgendwie geht. Abgesehen davon wird es dir nicht besser gehen, wenn du morgen aufwachst und die Grippe hast, weil du durchnässt durch die Gegend spaziert bist."
Seine Argumente waren einleuchtend. Er streckte mir die Hand entgegen. Zögerlich beäugte ich sie, während ich über seine Worte nachdachte. Langsam begriff ich, dass nicht allein sein wollte. Ich wollte nicht auf mich gestellt sein. Auch wenn ich es zuvor nicht bewusst wahrgenommen, nicht realisiert hatte, fühlte ich mich ein kleines bisschen weniger verloren seit Embry da war. Ich ergriff seine Hand und rang mir sogar ein mickriges, trauriges Lächeln ab.
Er zog mich hinter sich durch den Wald.
Inzwischen frohr ich unglaublich. Ich machte mir ein wenig Sorgen da ich vereinzelte Teile meines Körpers, wie zum Beispiel meine Oberschenkel, nicht mehr spüren konnte. Es war ein sonderbares Gefühl, als wären Bestandteile einfach nicht mehr da, obwohl ich sie sah. Durchgefrohren erreichten wir das Haus der Calls. Embry öffnete mir die Tür und ich trat ein. Sofort umfing mich die warme Luft. Ein wohliger Schauer lief meine Wirbelsäule entlang.
"Du, junge Dame, gehst am Besten als erstes duschen! Ich suche dir in der Zeit etwas trockenes zum anziehen heraus."
Embry schon mich die Treppen hinauf in das Badezimmer. Ich protestierte nicht. Mir war schweinekalt. Ich hatte ein Déjà-vu. Wurde es zu meinem Ding bei Anderen zu Duschen nachdem ich mir am Strand eine Unterkühlung eingefangen hatte? Ich schnappte mir die erstbesten Handtücher, die ich sah, ein großes und ein kleines für meine Haare, legte sie auf dem geschlossenen Toilettendeckel ab, schlüpfte aus meiner klitschnassen Kleidung und hüpfte unter die Dusche.
Kaum hatte ich das Wasser abgestellt klopfte es an der Badezimmertür. Ich schlang das große, weiße Handtuch um mich und wickelte das Zweite wie ein Turban um meinen Kopf.
"Herrein!", rief ich, während ich aus der Duschkabiene stieg.
Dampfwaben umwaberten mich. Ich musste daran denken das Fenster zu öffnen nachdem auch Embry geduscht hatte, ansonsten würde hier alles anfangen zu schimmeln.
Schüchtern umherblickend betrat Embry den Raum, auf seinen Armen ein Stapel Klamotten. Er sah überall hin nur nicht zu mir. Sein Blick glitt über meinen Kopf hinweg.
"Hier! Die sind von mir. Mir sind sie zu klein, aber du müstest reinpassen."
Dankend nahm ich sie entgegen.
"Willst du gleich duschen? Dann gehe ich in dein Zimmer. Ich bräuchte nur eine Bürste und einen Föhn, wenn das ginge."
"Kla-Klar. Die sind beide im Schrank unter dem Spühlbecken."
Embry schob sich vorsichtig an mir vorbei und holte Beides hervor. Ich sah wie er rot wurde. Ein amüsiertes Lächeln, gegen das ich nicht ankam, schlich sich auf mein Gesicht.
"Stell dir einfach vor das Handtuch wäre ein Kleid, bedeckt genauso viel.", riet ich ihm.
Mein Ratschlag resultiere jedoch nur darin, dass die Röte in seinem Gesicht sich intensivierte. Er trat einen Schritt zurück, richtete seinen Blick zur Seite und verlagerte dabei sein Gewicht von einem Fuß auf den Anderen.
"Ähm, ich geh mich dann mal umziehen.", ließ ich ihn wissen.
Schon während ich sprach ging ich bereits rückwärts, wobei ich ihm zuvor noch schnell seine Bürste und den Föhn aus der Hand genommen hatte. Ich presste den Kleiderhaufen an meine Brust, um alles auf ein Mal transportieren zu können.
In Embrys Zimmer angekommen schloss ich die Tür hinter mir. Vorsichtshalber schloss ich hinter mir ab. Embry würde nicht zum spannen hereinplatzen, aber ich würde ihm durchaus zutrauen etwas vergessen zu haben und ohne böswillige Absicht hereinzuplatzen während ich mich umzog.
Zunächst griff ich nach dem Pullover, den er mir gegeben hatte. Er hatte mir sogar zusätzlich noch ein T-Shirt dazugelegt, doch da mir nach wie vor die Kälte noch ein wenig in den Knochen steckte entschied ich mich für die kuscheligere Variante. Das Oberteil bekam ich sogar trotz des Handtuchturbans problemlos über meinen Kopf gezogen. Der weite Pullover endete kurz oberhalb der Hälfte meines Oberschenkels. Wann war ihm dieses Riesenteil zu klein geworden und wie würde ich in Sachen aussehen, die ihm zur Zeit noch passten? Ich schlüpfte in die lange, schwarze Trainingshose. Auch sie war mir bei weitem zu groß. Dachte Embry ich sei ein Halbriese? Entweder das oder er war wirklich schlecht darin Größen abzuschätzen, wenn er der Meinung gewesen war es würde mir gut passen. Ich fand den Gedanken witzig. Indem ich den Saum an den Beinen mehrfach hochkrempelte, den Bund so sehr zusammenzurrte wie es nur ging und sie zusätzlich mit einer Schleife mit Doppelknoten befestigte machte ich sie halbwegs tragbar. Auch wenn ich vermutlich aussah wie ein Schlumpf fühlte ich mich pudelwohl. Ich schloss die Tür wieder auf, ehe ich mich meinen Haaren widmete.
Irgendwann, ich war noch immer damit beschäftigt meine Haare trocken zu bekommen, kam Embry zurück. Er trug kein Oberteil nur eine Jogginghose. Meine Güte, wann hatte er dermaßen an Muskeln zugelegt? Wieso war mir diese Veränderung nicht aufgefallen? Ich hatte lediglich bemerkt wie sehr er in die Höhe geschossen war. Das seine Schultern breiter geworden waren hatte ich diesem Umstand zugeschrieben.
"Tut mir leid, ich habe mein T-Shirt hier vergessen.", entschuldigte er sich.
Er steuerte auf sein Bett zu und griff nach dem dunkelgrünen Stück Stoff, der dort lag. In einer fließenden Bewegung zog er es sich über.
"Kein Problem. Es ist dein Zimmer.", meinte ich mit zuckenden Schultern über den Föhnlärm hinweg.
Ich stellte ihn ab, obwohl meine Haare an einigen Stellen noch immer feucht waren.
"Trainierst du?", sprach die die Frage aus, die sich mir eben gestellt hatte. Abwartend legte ich den Kopf schief.
"Nein, wieso? Wie kommst du darauf?"
Er klang ahnungslos.
"Na hör mal, du Muskelprotz! Als wir im Herbst das letzte Mal surfen waren saßst du noch nicht so aus!"
Ich wedelte mit meiner Hand vor seinem Körper in der Luft herum. Er zuckte lediglich mit den Schultern.
"Pubertät schätze ich."
"Dann hast du wirklich fantastische Gene.", schnaufte ich. Das konnte doch nicht nur eine Auswirkung der Pubertät sein, oder? Dafür wirkten seine Muskeln viel zu ausgeprägt.
"Kann ja nicht jeder so klein bleiben.", konterte er frech.
Mir fiel fast die Kinnlade herunter. Ich griff neben mich und warf den Antistressball, der auf seinem Schreibtisch in Griffweite lag, auf ihn. Lachend wehrte er ihn ab.
"So soll man den Stress damit aber nicht abbauen!"
Ich streckte ihm die Zunge raus. Er spiegelte meine Geste, dann verschwand er aus der Tür. Ich hörte ihn noch "Bin gleich wieder da", rufen. Sein Lachen klang im Flur nach.
Dümmlich lächelte ich vor mich hin, doch das verging ganz schnell, als meine Gedanken wieder abdrifteten. Für einen kurzen Augenblick hatte Embry es tatsächlich geschafft mich von meinem Schmerz abzulenken, doch nun kam er zurück. Zwar war er nicht mehr dermaßen überwältigend, dafür war ich zu erschöpft, doch es tat dennoch weh daran zu denken was Bella und Jake wohl im Moment machten. Vermutlich hatten sie ihren Spaß. Warum tat ich mir das an? Weswegen folterte ich mich selbst indem ich an sie dachte?
Zu meinem Glück kam in dem Moment Embry zurück. In seinen Händen hielt er eine Papschüssel.
"Sind das-?", fragte ich als ich meinte den Inhalt identifizieren zu können.
"Es ist kein Apfelkuchen, aber ich denke das tut es auch."
Begeistert griff ich nach dem Christstollenkonfekt und stopfte mir eines der puderbedeckten Weihnachtsgebäckstückchen in den Mund. Die wunderbare, zart-buttrige Note breitete sich auf meiner Zunge aus. Genüsslich schloss ich die Augen.
"Oh Gott! So lecker!", schwärmte ich.
Nachdem ich drei Stück verspeist hatte leckte ich mir genussvoll den Puderzucker von den Fingern.
"Wieso hast du die überhaupt? Du hasst Rosinen.", erkundigte ich mich.
In Christstollen waren immer Rosinen drinnen und die konnte Embry nicht ausstehen. Ich wüsste nicht welche anderen Lebensmittel er dermaßen verachtete, wie er es bei Rosinen tat.
"Stimmt, aber du und-", er verstummte und sah mich alamiert an.
"Jake.", ich seufzte. "Du kannst seinen Namen ruhig sagen. Ich breche schon nicht zusammen. Jake und ich lieben dieses Gebäck zu Weihnachten."
"Ja. Sorry, ich wollte dich damit eigentlich aufmuntern und nicht wieder runterziehen."
Bedröppelt sah er zu Boden. Sein Ausdruck hatte etwas von einem traurigen Welpen. Es war irgendwie süß wie er versuchte dafür zu sorgen, dass ich mich besser fühlte.
"Schon gut. Es geht mir schon besser und das nur dank dir."
Ich setzte mich im Schneidersitz auf den Schreibtischstuhl.
"Weißt du was? Ich verdiene etwas Besseres! Diese unerwiederte Verliebtheit ist nicht genug. Ich werde nicht meine Liebe und mein Leben damit vergolden um etwas hinterherzutrauen, dass... dass es niemals wirklich gab. Ich will Jake nicht als Freund verlieren und da er sich niemals in mich verlieben wird... werde ich das Richtige tun. Ich werde mir selbst befehlen loszulassen. Wir werden weiterhin Freunde sein, nur Freunde."
Ich hatte gesehen was Herzschmerz anrichten konnte nachdem Edward Bella verlassen hatte. Auf keinen Fall wollte ich so enden.
Mein Verstand wusste, dass das was ich beschlossen hatte definitiv das war was ich tun sollte, das Richtige, aber der Herzschmerz meldete sich dennoch. Ich ertrug ihn. So würde es wohl von nun an laufen. Ich würde den Schmerz ertragen und wenn die Zeit gekommen war würde es anfangen weniger weh zu tun. Ich und mein Herz würden das durchstehen. Irgendwie.
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