13:
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Auf dem Weg nach Hause dämmerte es bereits. Das Abendrot schaffte es kaum durch die Wolkendecke gesehen zu werden. Selbst wenn die Farbenpracht besser zu sehen gewesen wäre hätte sie mich im Moment nicht weniger interessieren können. Nach dem Anruf war ich sofort aufgesprungen. Ich musste zu meinem Dad! Ich-Ich musste meine Schwester finden! Niemand hatte versucht mich aufzuhalten. Im Gegenteil, meine Freunde begleiteten mich. Quil bot an uns zu fahren. Wir liefen zu seinem Haus zu seinem Auto. Neben Quil, der fuhr, saß ich auf dem Beifahrersitz. Nervös friemelte ich an meinem Armband herum, während ich zeitgleich auf meiner Unterlippe herumkaute. Die Bäume zogen an uns vorbei. Embry und Jake saßen auf dem Rücksitz. Ich konnte ihre Blicke in meinem Rücken spüren. Eine Hand legte sich auf meine Schulter.
"Wir finden sie!", versprach mir Embry.
Er klang zuversichtlich. Wie konnte er so sicher sein?
Ich machte mir Sorgen. Soweit ich wusste wollte Bella sich nach ihrer Schicht im Newtons mit Edward treffen, doch das war alles was ich wusste. Wusste er nicht wo sie war? Waren sie beide verschwunden? Vielleicht waren sie nur auf einem Ausflug! Oder... könnten sie miteinander durchgebrannt sein? All das wäre okay für mich. Mit diesen Optionen konnte ich leben, denn sie bedeuteten, dass es ihr gut ginge. Oh Gott, hoffentlich ging es ihr gut!
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Dad stürmte auf mich zu als ich nach Hause kam. Er schloss mich fest in seine Arme, sodass ich kaum noch Luft bekam. Flach atmend stand ich da, ließ es zu. Dad klammerte sich an mich als sei ich sein Rettungsanker. Ich konnte spüren wie er zitterte. Als er mich schließlich los ließ fuhr er sich mit einer Hand übers Gesicht. An seinen geröteten Augen konnte ich erkennen, dass er geweint hatte. Ich rang mich zu einem Lächeln durch. Dad brauchte mich jetzt. Ich musste für ihn stark sein. Um unser Haus war eine Menschentraube versammelt. Einige Gesichter kannte ich, einige kamen mir bekannt vor und wieder andere meinte ich noch nie gesehen zu haben. In der Menge erkannte ich einige meiner Freunde und Mitschüler. Lola, Lydia, Jason, Kathrine, Ruby, sowie Mike, Eric, Jessica und Angela kamen auf mich zu sobald Dad zu Harry Clearwater gegangen war, um mit ihm die letzte Lagebesprechung abzuhalten. Inzwischen hatten sich Suchtrupps gebildet. Mit den zwölf Leuten um mich herum waren wir bei weitem die größte Gruppe. Wir beschlossen uns aufzuteilen. Die Nacht war dabei hereinzubrechen. Das Tagesicht war beinah vollkommen versiegt. Kathrine und Jason schlossen sich Lola und Lydia. Bellas Freundesgruppe tat sich zusammen und ich ging mit Jake, Embry und Quil. Charlie hatte mitbekommen, dass ich mit nach Bella suchen wollte. Zunächst war er davon alles andere als begeistert. Offenbar war es sein Plan gewesen mich als Telefonfrau im Haus zu lassen, doch nach einer hitzigen Diskussion gab er schließlich nach. Die Jungs mussten ihm versprechen auf mich aufzupassen. Trotzallem konnte ich nicht anders als die Augen zu verdrehen. Natürlich machte er sich um Bella sorgen und wollte sich nicht auch noch Sorgen um seine zweite Tochter machen müssen, allerdings fand ich ihn dennoch oft überfürsorglich. Doch die Jungs versprachen es ihm. Zu viert, bewaffnet mit Taschenlampen und wärmenden Jacken, betraten wir das Waldstück hinterm Haus in welchem wir suchen sollten.
Der Neumond stand hoch am Himmel. Ohne unsere Lampen wäre es stockduster. Die Baumkronen schirmten das spärliche Mondlicht ab und verhindern so, dass es den Boden erreichte. Drei Mal war ich bereits gestolpert. Als ich erneut an einer Wurzel hängen blieb hätte ich die nasse Erde geküsst, wenn Quil mich nicht aufgefangen hätte. Für einen Moment krallte ich mich an seiner Jacke fest ehe ich sicher war wieder sicher zu stehen.
"Danke!", keuchte ich.
Ich war noch immer ein wenig erschrocken, allerdings wusste ich auch das wir weiter mussten. Um zu vermeiden wirklich noch hinzufallen blieb ich möglichst nah bei mindestens einem der Jungs. Ich musste zugeben ohne meine Begleiter würde ich bei dieser Dunkelheit im Wald Angst haben. Ich war froh sie bei mir zu haben, sie an meiner Seite zu wissen. Wie musste es Bella gehen? War sie wirklich alleine hier im Wald? Hatte sie Angst? Es war eiskalt. Vorhin hatte es zu allem Überfluss auch noch geregnet. Sie würde frieren. Mit der Taschenlampe leuchtete ich die Umgebung aus. Der Lichtkegel wanderte über Baumstämme und Büsche.
Wir riefen ihren Namen. Die Temperatur schien mit jeder Minute die wir suchten weiter zu sinken. Es war Mitte September. Trotz Mütze und einer gefütterten Regenjacke war mir kalt. Langsam aber sicher spürte ich meine Zehen nicht mehr. Meine Finger waren schon seit einer Weile kalt wie Eis. Desto länger ich die Taschenlampe umklammerte desto weniger Gefühl hatte ich in den Fingern. Nicht nur mir schien es so zu gehen. Auch Quil und Jake frohren. Des öfteren rieben sie ihre Hände aneinander, oder vergruben die freie Hand in den Taschen. Einzig und allein Embry war scheinbar imun gegen die Kälte. Von uns allen war er am dünnsten gekleidet, doch es schien ihn nicht weiter zu stören.
Neben unseren schallten noch weitere Stimmen durch die Dunkelheit. Hin und wieder blitzte das Licht von den Laternen der Anderen, die bei der Rastersuche im Quadrat neben uns liefen, im Dickicht auf.
Nachdem wir bereits seit Stunden den Wald durchkämmt hatten blieb Quil plötzlich stehen.
"Wir sollten zurück gehen!", schlug er plötzlich vor.
Ungläubig starrte ich ihn an.
"Das kann nicht dein Ernst sein! Meine Schwester ist irgendwo hier draußen und du willst, dass wir gehen?!"
"Sie ist nicht hier! Wir sind bestimmt schon über eine Meile in die selbe Richtung gegangen und haben keine Spur von ihr gefunden. Das hier ist das Ende unseres Quadrats. Wir haben hier schon alles abgesucht."
"Dann-Dann müssen wir woanders suchen!"
Jake legte mir eine Hand auf die Schulter.
"Das werden wir auch, aber es bringt nichts einfach auf gut Glück loszulaufen. Wir gehen jetzt zurück zum Haus und suchen uns ein neues Quadrat im Raster, welches noch kein Team durchkämmt hat. Wir finden sie, Adi! Das verspreche ich dir!"
Ich biss mir auf die Lippe, während aufsteigende Tränen meine Sicht trübten.
"Woher willst du das wissen?"
Meine Stimme brach. Die Sorge übermannte mich. Ein Schlurzen entwich meiner Kehle.
"Sie ist hier, oder? Wir-Wir suchen am richtigen Ort, stimmt's?"
Die Kraft verließ mich ganz unerwartet. Ich fühlte mich mit einem Mal unglaublich schwach und hilflos. Jake nahm mich in den Arm. Dieser typische Duft der ihn immer umfing hüllte mich ein. Selbst durch die Jacke hindurch spürte ich seine Körperwärme. Für einen Moment war die Welt für mich in Ordnung. Ich fühlte mich sicher, als würde seine Zuversicht auf mich abfärben. Dennoch konnte ich nicht verhindern weinen zu müssen. Meine klammen Finger krallten sich in Jakes Jacke.
"Adi... Alles wird gut... Psshh... Wir finden sie... Du hast gesehen wie Viele nach ihr Suchen. Weißt du... in LaPush leben die besten Fährtenleser. Wir finden sie."
"Ich habe Angst... ", gestand ich wimmernd.
Ich hatte Angst. Ich hatte Angst Bella nicht zu finden. Ich hatte Angst sie in einem grauenvollen Zustand zu finden. Ich hatte einfach nur Angst. Sich so machtlos zu fühlen war ein fürchterliches Gefühl. Alles was ich tun konnte war weiter zu gehen, weiter zu suchen und zu beten. Für gewöhnlich war ich nicht besonders gläubig, doch im Moment hoffte ich, dass es einen Gott gab der sie beschützen würde.
"Ich weiß... Glaub mir, ich möchte sie auch finden. Alles wird gut! Du wirst sehen. Du bist nicht allein, okay? Alles wird in Ordnung kommen.", murmelte er. Ich spürte die Vibration seiner Stimme durch seine Brust.
Nach einem letzten Schniefen nickte ich. Mit beiden Händen fuhr ich mir übers Gesicht. Erst jetzt bemerkte ich, dass Embry und Quil uns beobachtet hatten. Sie wechselten von einem Bein aufs andere, wobei sie peinlich berührt wirkten. Tief atmete ich ein und ebenso vollständig wieder aus. Die kalte Luft strömte in meine Lungen. Ich musste mich beruhigen.
"Komm! Gehen wir!"
Jake hielt mir seine Hand entgegen und schenkte mir ein leichtes Lächeln. Ich ergriff sie. Seine Hand war kaum wärmer als meine, dennoch hatte diese Berührung etwas Tröstliches. Mein bester Freund war mein Rettungsanker, sowie ich einer für Dad hatte sein wollen. Auf dem Rückweg blieb ich an Jacobs Seite. Auch wenn es nicht erfolgsversprechend war leutete ich weiter mit dem Leuchtkegel meiner Lampe über den Boden, doch wie schon zuvor gab es keine Spur von meiner Schwester.
Wir waren in unmittelbarer Nähe des Hauses, umfangen von einem lauten Stimmengewirr, als eine dröhnende Männerstimme rief er habe sie gefunden. Das Stimmengewirr verstummte, um sich gleich darauf noch heftiger zu erheben. Mehrere Menschen sammelten sich um einem Mann, dessen Silluette ich nur von Weitem erkennen konnte. Für einen Moment blieb ich wie erstarrt stehen. Sie wurde gefunden? Jemand hatte sie gefunden? Den Rest der Welt blendete ich aus. Selbst das laute, undeutliche Gemurmel rückte in den Hintergrund. Ich ließ Jakes Hand los. Mit einem Tunnelblick, der nur auf diesen Mann gerichtet war den alle umringten, trat ich einige wacklige Schritte nach vorne. Als ich sah wie ihr ziemlicher Körper kraftlos in seinen Armen lag machten sich meine Beine selbstständig. Schneller als ich es mir selbst zugetraut hätte rannte ich über den matchigen Untergrund auf sie zu.
"Bella!", meine Stimme klang mindestens zwei Oktaven zu hoch, war jedoch gleichzeitig rau und brach am Ende ihres Namens.
Bei ihr angekommen traute ich mich nicht ganz sie zu berühren. Sie war so blass, blasser als sonst. Ihr Gesicht wirkte ausdruckslos. Alles in allem sah sie ungemein zerbrechlich aus. Zaghaft umschloss ich ihre Hand mit meinen.
Wir waren noch nicht ganz aus dem Wald raus. Sie war bitterkalt. Sie war unterkühlt. Ihre Kleidung war durchnässt. Sofort zog ich meine Jacke aus und legte sie wie eine Decke über sie. Die Kälte ließ mich frösteln. Meine Mütze setzte ich ab und gab sie ihr. Ihre Lippen waren bereits blau.
"Alles-...Alles gut, Bella! Alles ist gut! Du bist jetzt Zuhause! Du bist Zuhause!", flüsterte ich ihr zu.
Ich strich ihr die nassen Haarsträhnen aus dem Gesicht, während ich weiter ihre Hand hielt und sie ganz sanft drückte. Vorsichtig rieb ich meine Hände zusammen, umschloss wieder ihre und hauchte meinen warmen Atem auf sie im Versuch sie zu wärmen.
"Adi... ", ihre Worte waren nicht mehr als ein Hauch.
"Ja! Ja, ich bin's! Ich bin hier!"
Erneut traten mir Tränen in die Augen, nur dieses Mal waren es Tränen der Freude, Tränen der Erleichterung.
"Er ist weg... Er ist weg... Er ist weg... ", wiederholte sie immer wieder kraftlos.
"Was? Wer ist weg, Bella? Edward? Hat er dich im Wald alleine gelassen? Hat er dir wehgetan?"
"Ich glaube nicht das sie verletzt ist, aber diesen Satz wiederholt sie immer wieder.", sagte plötzlich eine tiefe Stimme.
Ich zuckte zusammen. Beinah hätte ich den Mann, der Bella trug vergessen. Als ich schließlich zu ihm aufblickte blinzelte ich überrascht.
"Sam?!", kam mir überrascht über die Lippen.
"Sie sollte schnell ins Warme und von einem Arzt untersucht werden."
Kurz schüttelte ich den Kopf und fing mich wieder. Sam hatte recht. Sie brauchte einen Arzt. Die Fragen konnten geklärt werden, sobald sie wieder auf den Beinen wäre. Ich ließ Bellas Hand nicht los, während Sam sie zum Haus trug. Dad kam uns entgegen. Der Ausdruck auf seinem Gesicht war herzzerreißend. Die Sorge, die sich in seinen Augen spiegelte tat mir in der Seele weh, doch gleichzeitig erkannte ich in ihnen die Erleichterung sie gefunden zu haben.
"Bella, Schatz, wie geht es dir?", seine Stimme war von Sorge verzerrt.
"Charlie?", fragte sie leise. Sie klang wie ein kleines, verängstigtes Kind.
"Ich bin hier, Kleines!"
Dad übernahm seine Tochter aus Sams Armen. Anders als er schwankte er unter ihrem Gewicht. Auch Sam entging Charlies Anstrengung nicht.
"Vielleicht ist es besser, wenn ich sie trage.", schlug er deswegen vor, doch Dad lehnte ab.
Ein wenig außer Atem torkelte er die Treppen zur Veranda unseres Hauses hinauf.
"Jetzt sind wir gleich zu Hause, Schatz!", murmelte er. Ich verstand ihn nur, da ich direkt hinter ihm ging.
Sam hielt uns die Tür auf. Dankbar lächelte ich ihn an. Dad schaffte es Bella bis zum Sofa zu tragen, wo er sie ablegte. Ich sprintete sofort die Treppe hinauf, um ihr Decken und trockene Kleidung zu holen. Aus ihrem Zimmer schnappte ich mir ihre Schlafsachen und danach so viele Decken wie ich tragen konnte aus dem Schrank oben an der Treppe. Der Deckenberg überragte mich, doch bevor ich Gefahr laufen konnte die Treppen runterzupurzeln wurde er mir abgenommen. Vor mir standen Sam und Jared, den ich auch noch vom Tag am Strand kannte. Sam lächelte mir aufmunternd entgegen.
"Wir nehmen die schon. Geh du zu deiner Schwester und deinem Vater! Du solltest bei ihnen sein."
"Danke!", kurz nickte ich den Beiden zu, bevor ich nach unten verschwand.
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