12:
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Am nächsten Tag hatte ich wieder eine Schicht im Newtons. Zur Abwechslung arbeiteten Bella und ich in der selben Schicht, weswegen wir gemeinsam zur Schule und nach dem Unterricht zum Laden fuhren. Auf der Fahrt zum Sportgeschäft bemerkte ich, dass irgendetwas nicht stimmte. Sie wirkte besorgt. Etwas bedrückte sie. Ich wollte sie fragen was sie beschäftigte, ob ich ihr helfen könnte, doch ich vermutete es hätte etwas mit Edward zu tun. Nachdem ich bereits in den Pick up eingestiegen war hatte ich gesehen wie sie sich unterhalten hatten. Dabei hatte Edwards Körperhaltung verschlossener als sonst gewirkt. Er hatte Bella nicht einmal in die Augen gesehen. War gestern vielleicht doch etwas vorgefallen? War sie vielleicht nicht in den Couchtisch 'gefallen', wie sie es so schön bezeichnet hatte? Lag ich mit meinen Vermutungen richtig, oder war ich Edward gegenüber zu unrecht misstrauisch? Er war höflich, ein wenig verschlossen und zurückhaltend, aber freundlich. Was hatte ich gegen ihn? Wieso vermutete ich bei ihm immer das Schlechteste? War es wegen diesem Gefühl tief in meiner Brust, welches ich einfach nicht los wurde?
Bella stieg aus ehe ich die Entscheidung treffen konnte, ob ich mich nun bei ihr erkundigen sollte über was sie nachdachte. Seufzent folgte ich ihr. Heute Abend, heute Abend würde ich nachhorchen.
Im Laden wurden wir von Mike gegrüßt. Während er Bella in ein kurzes Gespräch verwickelte, von dem sie nicht unbedingt begeistert zu sein schien, machte ich mich auf den Weg zum Personalraum, um meine Sachen abzustellen und keine fünf Minuten später fand ich mich dabei wieder die Regale neu einzuräumen.
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Die Arbeit zog sich hin. Kaum eine Menschenseele verirrte sich in das Geschäft weswegen ich an der Kasse saß und meine Hausaufgaben erledigte. Bella sagte keinen Ton, stattdessen starrte sie nur gedankenverloren vor sich hin. Mike versuchte hin und wieder sich mit ihr zu unterhalten, doch sie reagierte nicht wirklich auf seine Worte. Irgendwie tat er mir leid. Er mochte sie ganz offensichtlich, doch gegen ihren Edward hatte er keine Chance.
Dem Verlangen die Augen zu verdrehen konnte ich nur mit Mühe widerstehen, als wir in unsere Straße einbogen und Edwards silberner Wagen vor unserem Haus parkte. Ich fühlte mich schuldig, dass ich so empfand. Bella sprang aus dem Wagen und war an der Haustür noch bevor ich überhaupt ausgestiegen war. Schnell ging sie ins Haus und rief nach Dad und Edward, wobei sie Dad tatsächlich Dad nannte. Wann war das bitte passiert?
Mit meinem Rucksack über der Schulter trat ich einige Sekunden nach ihr in den Flur. Als ich eintrat vernahm ich die unverkennbare Titelmusik einer Sportsendung, welche aus dem Wohnzimmer schallte.
"Wir sind hier!", rief Charlie.
Während Bella ihre Regenjacke auszog und sie aufhing schlüpfte ich lediglich aus meinem Schuhen. Heute trug ich einen dicken Wollpullover, weswegen ich keine Jacke mitgenommen hatte. Als ich um die Ecke gebogen war stand Bella fast noch im Türahmen. Edward saß im Sessel, Dad auf dem Sofa. Beide starrten wie hypnotisiert auf den Bildschirm des Fernsehers
"Hallo ihr Beiden!", begrüßte uns unser Vater. "Wir haben gerade kalte Pizza gegessen. Ich glaube, es steht noch was auf dem Tisch."
Angeekelt verzog ich das Gesicht.
Kalte Pizza fand ich widerlich. Allgemein war ich der Meinung man sollte Lebensmittel die gebacken, oder gekocht wurden auch warm essen. Gebäck bildete dabei eine Ausnahme, doch Essen wie Aufläufe, Pizzen, Nudeln sollten doch nicht kalt gegessen werden, oder? Und wenn man Pizza aufwärmte wurde der Boden weich und labberig. Das bedeutete für mich ich würde mir selbst etwas anderes zum Abendessen machen. Gerade wollte ich schon in die Küche, als ich bemerkte wie Bella ihren Freund erwartungsvoll ansah, doch dieser ihr auf ihren auffordernden Blick hin nur versprach gleich nachzukommen. Für einen Moment blieb Bella stehen und starrte ihn geschockt an. Stimmt, sonst behandelte er Bella wie sein ein und alles, hütete sie wie seinen Augapfel, zumindest insofern ich es mitbekam. Sie stob hinter mir her in die Küche, wo sie sich auf einen Stuhl setzte. Sie zog die Knie ans Kinn und schlang die Arme um ihre Beine. Sie rang um ihre Fassung. Es tat mir in der Seele weh sie so zu sehen. Besorgt setzte ich mich neben sie und strich ihr beruhigend über den Rücken. Hatte sie abgenommen? Sie zuckte zusammen.
"Was ist los, Bella? Mhmm? Du kannst immer mit mir reden. Das weißt du, oder?"
Sie schenkte mir ein schmales Lächeln, doch nickte schließlich.
"Ich weiß. Danke. Aber... ich würde gerne kurz alleine sein. Ich-Ich muss eim wenig nachdenken."
"Über Edward?", mutmaßte ich.
Ein erneutes Nicken.
Verstohlen blickte sie in Richtung Wohnzimmer, als wollte sie sichergehen, dass uns niemand belauschte.
"Kommt er dir... -Kommt er dir irgendwie verändert vor?", wisperte sie so leise, dass ich sie beinah nicht verstanden hätte.
Obwohl niemand im Flur stand folgte ich ihrem Blick.
"Nun ja, er-er wirkt heute ein wenig distanziert. Ist etwas zwischen euch vorgefallen?"
"Nein... Allerdings... "
Sie verstummte, doch ich blieb ruhig, unterbrach sie nicht.
"Er machte sich gestern Vorwürfe, dass ich mich verletzt habe. Ich dachte das Thema wäre gegessen, aber... "
Mehr sagte sie nicht.
Ich griff nach ihrer Hand. Ihre Haut war kalt, nicht so kalt wie Edwards, dennoch deutlich kühler als meine. Vorsichtig drückte ich sie.
"Hatte er denn etwas damit zu tun?", traute ich mich zu fragen.
Mit ihren großen Rehaugen sah mich meine Schwester an.
"Nein! Natürlich nicht! Er-Edward würde mir niemals wehtun!", entgegnete sie bestimmt.
So überzeugt wie sie klang konnte ich nicht anders als ihr zu glauben. Mit einem zaghaften Lächeln drückte ich ihre Hand.
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Ich war nach oben in mein Zimmer gegangen nachdem ich mir ein Müsli gemacht hatte. Gerade als ich mit einem neuen Buch, welches mir Lola empfohlen hatte, angefangen hatte kam plötzlich Bella in mein Zimmer. Fragend hob ich den Kopf. Mit ihrer neuen Kamera, die sie gestern von Mom und Dad bekommen hatte, stand sie im Türrahmen.
"Hey, was gibt's?"
Ich legte das Buch aufgeschlagen auf meinen Schoß.
Zögerlich hielt sie die Kamera hoch.
"Darf ich ein Foto von dir machen?", eine kurze Pause entstand, doch dann begann sie weiterzusprechen. "Mom würde sicherlich wollen, dass ich ihr Geschenk benutze und da dachte ich ich fange so bald wie möglich damit an. Dann kann ich ihr demnächst ein paar Bilder per Post schicken."
Mit den Schultern zuckend stimmte ich zu. Sie hielt sich die Linse vors Gesicht. So gut ich konnte strahlte ich in die Linse. Das Blitzlicht blendete mich für einen Moment. Vor meinen Augen tanzten Lichtflecken.
Bella wollte noch weitere Fotos machen. Spontan begleitete ich sie nach unten, um als Kamerafrau behilflich sein zu können. Ich machte ein Bild von ihr und Edward, sowieso von den Beiden und Dad. Mom würde sich sicherlich über die Fotos freuen.
~°~
Am nächsten Tag war Bella immernoch auf ihrem Fototrip. Bisher war ich immer diejenige von uns, die Erinnerungen festhalten wollte. Sie hatte nie viel davon gehalten. Obwohl ich nicht wusste woher der Sinneswandel kam gefiel mir ihr plötzliches Interesse an der Fotografie. Auf meine Nachfrage hin hatte sie sogar zugestimmt am Wochenende mit mir an den Strand zu fahren, um dort ein paar Fotos zu machen. Ich freute mich darauf Zeit alleine mit meiner Schwester zu verbringen.
Während Bella am heutigen Nachmittag wieder arbeiten musste hatte ich frei. Nach der Schule fuhr ich auf meinem Motorrad zu Embry. Jake und Quil mussten noch irgendein Projekt für die Schule fertigstellen, weswegen sie erst später konnten. Bis dahin entschieden wir surfen zu gehen. Ich war darin eine Niete, doch mein Ehrgeiz war enorm. Ich wollte das hinbekommen, jedoch musste ich aufgrunddessen auch hinnehmen bis ich es lernte vom Brett gespühlt zu werden. Da es bereits September war waren die Wellen eiskalt, doch durch den Neoprenanzug war es auszuhalten. Embry hatte scheinbar unglaublichen Spaß daran mich scheitern zu sehen zumindest lachte er sich jedes Mal kaputt, wenn ich einen Abgang machte. Zu seiner Verteidigung musste ich gestehen dabei wirklich alles andere als elegant ausgesehen zu haben und zudem half er mir immer wieder zurück auf das Brett zu kommen.
Nach einer Ewigkeit verließen wir das Wasser. Inzwischen waren wir beide durchgefroren. Nachdem ich im Gästebadezimmer der Calls geduscht hatte tranken wir einen heißen Kakao. Embrys Mutter hatte gebacken. Die ofenwarmen Kekse schmeckten himmlisch. Kaum hatte ich in den ersten Keks gebissen klingelte es an der Haustür. Quil und Jake schienen einen Radar dafür zu besitzen zu wissen wann es bei einem von uns Essen gab.
Keine fünfzehn Minuten später war kein Gebäckstück mehr übrig. Zu viert saßen wir in Embrys Zimmer, quatschten, alberten rum und wechselten uns bei den Videospielen mit den zwei Kontrollern ab. Die Zeit schien wie immer langsamer zu vergehen, wenn wir zusammen waren. Lachend kugelte ich mich fast vom Bett, als plötzlich Tiffany mit einem sorgenvollen Gesichtsausdruck in das Zimmer kam und mir den Hörer des Telefons übergab. Meine gute Laune war mit einem Schlag verflogen. Ängstlich sah ich von Embrys Mom zu Embry, zu Quil, zu Jake, zurück zu Embrys Mom und wieder zurück zu Jake. Mit zittrigen Händen nahm ich den Hörer entgegen.
"Dein Vater.", klärte Ms. Call mich auf.
"Dad?",fragte ich mit bebender Stimme.
Tiffanys Miene nach zu urteilen konnte es keine guten Nachrichten sein.
"Adriana, du musst nach Hause kommen." Ein Seufzen am anderen Ende der Leitung. Ich konnte ihn nicht sehen, doch ich konnte mir bildlich vorstellen, wie er sich mit einer Hand durch seine wenigen, braunen Locken fuhr. "Bella... Sie ist-sie ist nicht nach Hause gekommen. Ich- Wir können sie nicht finden. Sie ist einfach verschwunden."
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