06:
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Mir war kalt, zumindest um den Kopf herum. Mein Körper war noch mollig warm eingepackt. Meine Nasenspitze fühlte sich an, als wäre sie mir abgefroren. Murrend fuhr ich mir mit den geballten Fäusten über die Augen und gähnte. Nachdem ich mich gestreckt hatte, wobei einige meiner Knochen knackten, wandte ich mich aus dem engen Schlafsack heraus. Die Kälte überrollte mich wie eine Welle eisigen Meerwassers. Meine Körpertemperatur war durch den Schlafsack recht hoch, sodass die Differenz zu der Umgebungstemperatur umso größer war. Ich stand auf, bedacht darauf weder Devery, noch Lola, oder Lydia, mit denen ich mir ein Zelt teilte, aufzuwecken, während ich mich umzog. Meine Kleidung war klamm auf meiner Haut und roch, genauso wie ich vermutlich, nach Rauch.
Schnell brüstete ich noch meine Haare durch und zog meine Schuhe an, sobald ich das Zelt verließ. Zu meiner Überraschung war schon jemand vor mir wach, obwohl es laut meinem Handy gerade einmal Viertel nach neun war.
"Jake, du bist wach?", meine Müdigkeit war nicht zu überhören.
Für gewöhnlich war ich eine Langschläferin. An meinen freien Tagen wachte ich üblicherweise nicht vor 10 Uhr auf, doch die Kälte hatte mich geweckt. Jake strahlte mir hingegen scheinbar hellwach mit seinem üblichen breiten Lächeln entgegen.
"Oh, guten Morgen, Prinzessin! Gut geschlafen?"
"Ja-ja, danke. Ist nur ein wenig kühl hier oben. Wie ist es mit dir? Wachst du immer so früh auf?"
Ich konnte nicht verhindern, dass mein Herz einen kleinen Hüpfer machte, als er mich Prinzessin nannte. Ich bemühte mich mir nichts anmerken zu lassen und meine Stimmlage unter Kontrolle zu behalten.
Ich zog die Jacke enger um mich und verschränkte die Arme vor der Brust.
"Früh wäre 6 Uhr morgens", lachte er. "Aber ja, für gewöhnlich stehe ich recht früh auf. Hast du vielleicht Hunger?"
"Klar. Was gibt es denn?"
Er hielt Haferflocken hoch.
"Welcher gute Morgen beginnt ohne gekochten Haferschleim?"
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Unser Timing für den Campingausflug hätte nicht besser sein können. Nur zwei Tage später wurde eine Empfehlung der Polizei ausgesprochen, welche empfahl nach 22 Uhr nicht mehr das Haus zu verlassen. In den Wald zu gehen wurde ebenfalls untersagt. Diese Maßnahmen wurden aufgrund sich häufender Todesfälle ins Leben gerufen. Charlie bestand natürlich darauf, dass Bella und ich uns an sämtliche Vorschriften hielten und ihm auch immer Bescheid gaben wohin wir wollten. Nun verließ ich das Haus nur noch mit Pfefferspray bewaffnet, wobei ich nicht wusste inwiefern mir dieses bei einem Tierangriff helfen würde. Im Reservat schienen die Regeln lockerer zu sein. Hier machten sich die Leute offenbar weniger Sorgen, um die Todesfälle. Inzwischen war es für Charlie sogar in Ordnung, wenn ich an Wochenenden bei den Blacks übernachtete, da es ihm lieber war, als wenn ich Nachts durch die Gegend fahren würde. Dies bewies wie ernst die Lage war. Abgesehen davon hatte Bella andauernd das Auto. Dies ging soweit, dass ich inzwischen Motorrad fuhr. Jake hatte mir günstig eines besorgt und es für mich wieder in Stand gesetzt. Den Führerschein, Charlie hatte darauf bestanden, dass ich einen machen musste, hatte ich an nur einem Tag auf einem Parkplatz in Port Angeles, der nächst größeren Stadt, absolviert. Dadurch, dass Jacob mir das Fahren zuvor bereits beigebracht hatte musste ich lediglich die theorische und praktische Prüfung bestehen, was ich auch mit Bravour tat.
Da wir uns jetzt nicht einmal mehr ein Transportmittel teilten kam es mir vor, als würde ich Bella noch seltener zu Gesicht bekommen. Allerdings sollte ihr seltsames Verhalten bald einen Sinn ergeben. Nach einem Nachmittag mit Devery und Hamish in Port Angeles kam ich ziemlich spät nach Hause. Ich schloss die Haustür auf und hörte noch wie Hamish seinen Wagen aus unserer Ausfahrt fuhr.
Bella und Charlie saßen schweigend am Esstisch und stocherten in dem Auflauf von gestern herum. Es schien eine recht angespannte Stimmung zwischen ihnen zu herrschen, die ich nicht ganz einordnen konnte. Als ich den Raum betrat warf Dad mir einen hilfesuchenden Blick zu mit dem ich jedoch nichts anfangen konnte. Vorsichtig ließ ich meine braune Umhängetasche auf den Boden gleiten.
"Hallo? Was ist hier los?"
"Bella hat große Neuigkeiten zu verkünden.", erklärte Dad, wobei ihm anzuhören wie wenig begeistert er von Bellas 'großen Neuigkeiten' war.
Er legte seine Gabel beiseite. Abwartend sah ich meine Schwester an, die nicht einmal den Blick von ihrem Teller erhob.
"Ähm... also, große Neuigkeiten würde ich es jetzt nicht nennen... ich hab jetzt einen Freund. Das ist schon alles."
Verwirrt hob ich eine Augenbraue.
"Einen Freund?... Einen festen Freund? Wie kam es dazu? Wer ist es?"
"Edward. Edward Cullen. Er...-ähm- er geht auf unsere Schule... in meinen Jahrgang."
Jetzt verstand ich die Welt nicht mehr.
"Ich weiß wer Edward Cullen ist, aber... SEIT WANN?! Was hast du mit ihm zu tun? Ich wusste nicht einmal, dass ihr befreundet seid!"
Unsicher sah Bella überall hin nur nicht in meine, oder Dads Augen.
"Seit... seit er mir auf dem Parkplatz geholfen hat stehen wir in Kontakt."
"In Kontakt stehen? Klingt wirklich sehr romantisch."
"Adriana! Bitte...", ihre Stimme verlor an Kraft. Sie verheimlichte mir etwas. Keine von uns war sonderlich gut im Lügen. War wohl eine der Eigenschaften die in der Familie lagen. Da kamen wir zwei ganz nach Charlie. Wir alle legten viel Wert darauf unsere Gedanken zu schützen, doch da wir nicht gut im lügen waren versuchten wir entweder unangenehme Themen und Fragen zu umgehen, oder schwiegen.
Augen rollend entließ ich die Luft aus meinen Lungen.
"Okay, okay... ihr seid also ein Paar. Stellst du ihn uns auch offiziell vor?"
"Ja. Morgen. Morgen lerne ich seine Familie kennen. Er holt mich ab."
"Ach, also seine Familie bekommt ein ganzes Essen, um dich kennenzulernen und wir ein flüchtiges Hallo an der Tür?"
"Hast du irgendein Problem mit ihm? Du-Du kennst Edward nicht und dennoch bist du so-so passiv aggressiv."
"Du hast recht! Ich kenne ihn nicht! Und du vermutlich auch kaum! Bella... ich hab dich lieb. Du bist meine Schwester, darum sage ich dir... ich habe kein gutes Gefühl bei ihm. Ich will doch nur das Beste für dich!"
Bella sprang auf. Sie wirkte wütend.
"Und Edward ist das Beste! Er-Er ist das Beste für mich!"
So hatte ich sie noch nie gesehen. Ich war gelinde gesagt geschockt. Krampfhaft biss ich den Kiefer zusammen und schluckte so manch bissige Erwiderung herunter. Jetzt musste ich wohl die Vernünftigere sein.
"Schon gut, schon gut!", kapitulierend hob ich die Hände. "Aber trotzdem, pass auf dich auf!"
Bevor sie noch etwas sagen konnte sprach ich weiter.
"Und lad ihn zu einem Essen zu uns ein! Er könnte nächsten Samstag kommen, dann ist wieder unser gemeinsames Essen mit Jake und Billy.", schlug ich vor.
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Am Abend des nächsten Tages klingelte es pünktlich zum vereinbarten Zeitpunkt an der Haustür. Zu Bellas bedauern, die sich noch in ihrem Zimmer fertig machte, während ich sie beriet, war Charlie schneller an der Tür als sie. Er bedachte Bellas Freund mit einem prüfenden Blick. Es wunderte mich, dass er nicht seine Polizeiuniform inklusive Dienstwaffe trug.
Ich kam hinter Bella die Treppe hinunter. Sie ging langsam auf ihren Freund zu, zögerlich. Ich wusste nicht, ob man dies auf die erste-Dates-Phase schieben konnte, oder ob es mein seltsames Bauchgefühl in Bezug auf diesen Jungen bestätigte. Wie von selbst glitten meine Hände an mein Lederarmband während ich ihn musterte. Eines musste ich ihm lassen, er war überdurchschnittlich gut aussehend. Sämtliche Männermodels, die mir im Moment einfielen würden neben ihm verblassen. Seine Haut war blass und absolut makellos. Ich wüsste gerne welche Hautpflegeprodukte er und seine gesamte Familie verwendeten. Da sie biologisch nicht verwandt waren konnte diese perfekte Haut keine genetische Veranlagung sein. Seine Haare waren von einem seltenen Bronzeton, die sich nur in wenigen Nuancen von seinen bernsteinfarbenden Augen unterschied. Er hatte eine gerade Nase und Lippen, die die perfekte Mischung aus schmal und voll zu sein schienen. Sie verzogen sich zu einem schiefen Grinsen, als er Bella erblickte. Ebenso wie sein Stiefvater, sowie seine Geschwister konnte man ihn nur als schön bezeichnen. Trotzdessen fühlte ich mich in seiner Gegenwart unwohl. Meine innere Stimme schrie mich an ich solle ihm die Tür vor der Nase zuschlagen, doch ich unterdrückte dieses Verlangen, welches ich mir nicht erklären konnte.
Ich stellte mich neben meinen Vater, der ebenso wenig begeistert zu sein schien wie ich. Ich freute mich, dass Bella jemanden gefunden hatte, nur nicht, dass es ausgerechnet dieser Typ sein musste, der bei mir alle Alarmglocken zum schellen brachte. Als er sich uns vorstellte reichte er uns nacheinander die Hand, welche kalt wie Eis war. Draußen war es kühl, aber seine Haut fühlte sich eher an, als würde er an Hypothermie leiden. Mit gerunzelten Brauen sah ich ihn an, während ich seine Hand festhielt.
"Geht es dir gut? Du bist eiskalt."
"Ja, alles in Ordnung. Es besteht kein Grund zur Sorge. Meine Haut ist meistens ein wenig kälter. Das liegt an einem angeborenen Eisenmangel."
Eisenmangel? Veräppeln konnte ich mich alleine. Als ich jünger war waren meine Eisenwerte oft viel zu niedrig, jedoch war ich nie so kalt gewesen. Ich schweifte ab. Ohne es zu wollen wanderten meine Gedanken zu den Kalten Wesen aus der Quileute Legende.
'Ihre Haut war so kalt wie Eis.'
Als hätte Edward meine Gedanken gelesen sah er mir plötzlich direkt in die Augen. Sein Blick war so durchdringend, dass ich dachte er könnte direkt in mich hinein sehen. Es war unheimlich. Ich entzog meine Hand seinem lockeren Griff und trat zurück. Er starrte mich noch immer an. Sein Blick war intensiv. Auch wenn es albern war versuchte ich eine Mauer um meine Gedanken zu errichten. Stein für Stein stellte ich mir vor wie sie wuchs und ihn aussperrte.
'RAUS AUS MEINEM KOPF!!!', zischte ich mental.
Zu meiner eigenen Überraschung meinte ich ihn kurz zusammenzucken zu sehen. Er hatte doch nicht wirklich-...? Nein... Nein! Das konnte nicht sein. Das war absolut unmöglich!
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Nachdem Bella und ihre Begleitung gegangen waren setzte ich mich gemeinsam mit Charlie vor den Fernseher. Ich machte einige meiner noch ausstehenden Hausaufgaben. Von Basketball, ein Spiel lief gerade auf dem Sportsender, den mein Vater eingeschaltet hatte, verstand ich sowieso nicht viel. Zwar kannte ich die Regeln, jedoch konnte ich nicht verstehen, wie es einen unterhalten konnte stundenlang den Spielern dabei zuzusehen wie sie von einer Seite der Halle zur anderen liefen und einen Ball in einen Korb zu werfen versuchten. Keiner von uns verlor ein Wort über Edward. Wir waren zu seiner stummen Übereinkunft gekommen, dass wir noch nicht von ihm überzeugt waren, ihn aber Bella zuliebe tolerieren würden. Die Erlösung kam, als das Telefon klingelte. Cassy war am anderen Ende der Leitung.
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