04:
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"Das Meer!"
Begeistert rannte ich über den Strand bis zu der Stelle an der die Brandung auf den Sand traf. Das Meerwasser umspielte meine Füße, während ich gierig die Luft einsog. Ein salziger Geschmack blieb in meinem Mund zurück. Es war fantastisch. Weiter hinten brachen sich hohe Wellen auf denen ich sogar eine Gruppe von Surfern erkannte. Ich war so beschäftigt damit jedes Detail dieses Anblicks in mich aufzusaugen, dass ich fast gar nicht bemerkte, wie sich Jake, mit in den Taschen vergrabenen Händen, neben mich stellte. Schließlich deutete ich auf die Surfer.
"Surfst du?"
"Nein, aber einer meiner Freunde. Sein Name ist Embry. Ich weiß nicht, ob du dich an ihn erinnerst."
"Embry Call?"
"Ja, genau der.", er wirkte sichtlich überrascht.
"Natürlich erinnere ich mich an ihn. Bei einem meiner letzten Besuche haben wir zusammen mit ihm und Quil Fangen im Wald gespielt. Dabei sind wir ineinander gerannt. Mein Kopf tat danach eine halbe Stunde höllisch weh und ich denke ihm ging es auch nicht besser.", ich lächelte bei dieser absurden Erinnerung. "Ich finde es schön, dass ihr noch befreundet seid."
"Darüber bin ich auch sehr froh. Sie sind meine besten Freunde. Was ist mit dir? Du hattest auch eine beste Freundin, Cassy, richtig?"
"Wir sind noch immer befreundet, allerdings wird das mit der Entfernung von nun an schwieriger."
Eine Welle der Traurigkeit überrollte mich. An meiner alten Schule war ich recht beliebt gewesen, die Leute mochten mich, doch das war nur oberflächlich. Cassy war meine einzige, wahre Freundin. Ich vermisste sie. Ohne sie fehlte einfach ein wichtiger Teil in meinem Leben.
"Ich vermisse sie. Heute in der Schule hat sie mir bisher am meisten gefehlt."
"Kann ich nachvollziehen. Aber du bist fantastisch, Adi! Du wirst auch an deiner neuen Schule Freunde finden und abgesehen davon hast du noch mich."
Dankbar lächelte ich ihn an.
"Danke, Jake."
Spielerisch stupste ich ihn mit dem Ellbogen an.
"Schade, dass wir nicht auf die selbe Schule gehen. Das würde alles leichter machen."
"Dann musst du auf die Schule im Reservat kommen, denn ich gehe nicht zu den Bleichgesichtern!", scherzte er.
"Bleichgesichter?", ich tat so, als wäre ich empört. "Ganz schön frech, Mister Black."
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Die Tage vergingen unglaublich schnell. Im Nu wurden aus ihnen Monate. Ich skypte, oder telefonierte mindestens einmal pro Woche mit Cassy. In der Schule verbrachte ich am meisten Zeit mit Hamish und Lydia. Hamish stellte mir seine beste Freundin Devery vor, die mit ihm in einen Jahrgang ging. Am Anfang wirkte sie ein wenig aggressiv und aufbrausend, doch nachdem wir miteinander warm geworden waren hatte ich sie ebenso wie Hamish in mein Herz geschlossen. Devery war unglaublich intelligent, schlagfertig und wortgewandt. Sie hatte starke feministische Überzeugungen. Am meisten wusste ich es allerdings zu schätzen wie gut man mit ihr reden konnte. Sie wurde so etwas wie meine, etwas-schnippischere-Cassy-Version hier in Forks. Wenn ich nicht Zuhause war, etwas mit meiner Familie, Hamish, Lydia, oder Devery unternahm verbrachte ich den Großteil meiner Zeit mit Jacob, Quil und Embry. Auch Jakes Freunde hatten mich mit offenen Armen in ihre Gruppe aufgenommen. Ich war gerne in LaPush.
Dad hatte Bella und mir einen Job bei Newtons besorgt. Es war der einzige Laden für Camping und Wanderausrüstung in der Stadt. Zwar hatte ich zunächst keine Ahnung davon, doch nachdem ich eingearbeitet wurde kam ich ziemlich gut zurecht. Abgesehen davon half es mir mein Taschengeld aufzubessern.
Mein Zimmer war inzwischen ganz nach meinen Wünschen eingerichtet. Ich hatte mich schließlich für ein türkisblau für die Wand entschieden, damit sie die selbe Farbe wie das Meer hätte. Ansonsten hielt ich es schlicht, die Holzmöbel hatte ich drinnen gelassen. Ich hatte eine Lichterkette angebracht an die ich mit kleinen Holzklammern Fotos angebracht hatte. Ich hatte Bilder von Cassy und mir, Mom, Dad, Phil, Bella, Hamish, Lydia, Devery, Jacob, Quil, Embry, Jason, Kathrine, Ruby, Jason und Lola, sowie von meinen Großeltern aufgehängt. Lydia und Lola waren inzwischen ein Paar. Ich hatte mir sogar mein Lieblingsbild von den Beiden, welches ich gemacht hatte dazugeklemmt. Neben den Fotos von meinen Freunden und meiner Familie gab es noch die ein, oder andere Naturaufnahme.
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Es war Samstag. Einmal pro Monat an einem Samstag kamen Billy und Jacob zum Abendessen vorbei. Heute war einer dieser Tage. Ich mochte diese kleine Tradition, die wir in den letzten Monaten entwickelt hatten. Während Bella, Jacob und ich in der Küche alles vorbereiteten sahen sich Billy und Charlie ein Spiel an. Anfangs war es geplant gewesen, dass wir uns mit dem Kochen abwechseln würden, doch nachdem Dad bei seinem ersten und letzten Versuch das Essen nicht nur hat anbrennen lassen, sondern dabei fast die Küche abgefackelt hätte hielten wir es für keine so gute Idee mehr ihn das machen zu lassen. Von da an war er für den Abwasch zuständig.
Bella und ich kochten, während Jacob meist die Schnippelarbeit übernahm. Ich fand es süß, dass er darauf bestand uns zu helfen. Im Laufe der Zeit hatte mich allerdings das Gefühl beschlichen, dass er dies tat, um näher bei Bella zu sein. Bei dem Gedanken zog sich mein Herz ein klein wenig zusammen. Der Stich in mein Herz war schmerzhaft. Es war albern, erbärmlich.
Ich konnte verstehen weswegen er sie mochte. Immerhin redeten wir hier von Isabella Swan. Meine Schwester war großartig. Sie war verantwortungsbewusst, aufopferungsvoll, fast selbstloser als es gut für sie war, gutherzig, mitfühlend und fürsorglich. Meiner Meinung nach sorgte ihre gelegentliche Unbeholfenheit und Tollpatschigkeit nur dafür, dass man sie vor allem Übel dieser Welt beschützen wollte. Sie und Jacob wären perfekt füreinander. Jacob war... bodenständig, freundlich, gutherzig, kommunikativ, ihm lag das Wohl seiner Freunde am Herzen, aber er konnte auch unglaublich kindisch und witzig sein. Er würde Bella gut tun.
Obwohl ich das alles wusste konnte ich die Traurigkeit und den Neid nicht abschütteln.
Sie wären so perfekt füreinander...
Sie beide waren perfekt.
Ich war nicht so. Ich war weit von Perfektion entfernt.
Ich war nicht hässlich, aber an mir war nichts Besonders. Es gab nichts, dass den Menschen an mir besonders im Gedächtnis bleiben würde.
Meine Haare, die mir bis zur Mitte meines Rückens gingen, waren weder hell-, noch dunkelbraun. Sie waren irgendetwas dazwischen und besaßen einen nicht unerheblichen Rotstich. Meine Haut war blass, aber nicht so makellos wie die von Bella. Ich war weder pummelig noch schlank. Durchschnittlich mit der Tendenz zum dünn sein. Ich hatte recht auffällige, buschige Augenbrauen, die ich jedoch nach all den Jahren gekonnt zupfte. Meine Schwester war wenige Zentimeter größer als ich. Diese wenigen Zentimeter waren wohl von der Länge meiner Beine abgezogen worden. Des Öfteren fiel es mir schwer mit ihnen Schritt zu halten. Jeder positiven Eigenschaft folgte eine negative. Ich hatte ein hübsches Lächeln mit guten, geraden, weißen Zähnen, aber dafür waren meine Wangenknochen nicht gerade auffallend in meinem ovalen Gesicht, ganz anders als bei meiner Schwester. Alles in allem konnte man sehen, dass sie das gewisse Etwas hatte das mir fehlte.
Gedankenverloren rührte ich in der Soße für die Spaghetti, bis Bella mich bat das Besteck auf den Tisch zu legen. Jacob trug die Getränke, während Bella ein Auge auf die Nudeln hatte, die jede Minute fertig sein müssten.
"Billy! Dad! Das Essen ist gleich fertig! Setzt euch bitte an den Tisch!", rief ich ins Wohnzimmer.
Ich hörte ein lautes Grölen aus ihrer Richtung. Vermutlich war ein Tor gefallen, oder jemand hatte einen Korb geworden. Ich wusste nicht welches Sportspektakel sie sich heute ansahen. Jacob warf mir einen Blick zu während er schmunzelnt in Richtung Wohnzimmer nickte. Wir brachen in ein leises Gelächter aus, wieso wusste ich gar nicht so genau. Es lag einfach am Augenblick. Gackernd begaben wir uns zurück in die Küche.
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Der Abend verlief ruhig. Wir ließen ihn damit ausklingen, dass wir uns einen Film ansahen. Charlie saß auf seinem Sessel neben den wir Billys Rollstuhl plaziert hatten. Ich teilte mir mit Bella und Jake das alte Sofa. In eine Decke eingewickelt hatte ich mich mit angewinkelten Beinen in die linke Ecke verkrümelt. Meine Augen klebten förmlich am Bildschirm.
Es war bereits kurz vor Mitternacht, als unsere Gäste aufbrechen wollten. Aufgrund der fortgeschrittenen Uhrzeit boten wir ihnen an bei uns zu übernachten. Sie nahmen das Angebot dankend an. Da wir Billy nicht ins Obergeschoss bekommen würden entschieden wir, dass er auf dem Sofa schlafen würde. Für ihn war das okay. Das einzige Problem was damit für Charlie auftrat war es, dass Jacob in meinem Zimmer übernachten würde, da ich dort eine Klappcouch hatte. Ich wusste nicht wo das Problem lag. Von mir aus hätte ich auch mein Bett mit Jacob geteilt. Es wäre problemlos groß genug für uns beide. Die Coach war schließlich die beste Option für alle, wobei Charlie es zwischenzeitlich doch tatsächlich erwogen hatte mich dazu zu zwingen bei Bella zu übernachten, damit ich auch ja nicht alleine mit einem Jungen in einem Zimmer wäre. Die Tür musste offen bleiben. Das war die Bedingung. Dennoch schien es meinem Vater zu widerstreben unsere Vereinbarung einzuhalten nachdem er zugestimmt hatte. Was erwartete er denn bitte? Die Tür stand offen. Er war nur eine Tür weiter und Jacobs Vater schlief unter uns im Wohnzimmer. Abgesehen davon sprachen wir hier von Jacob! Er war der anständigste Kerl von allen! Selbst wenn wir zusammen wären, oder er mich auch nur auf diese Weise sehen würde bestände keine Gefahr, dass er irgendetwas versuchen würde. Charlie lieh ihnen Schlafanzüge und gab ihnen unbenutze Zahnbürsten.
Während Jake sich im Bad umzog wechselte ich schnell in meinem Zimmer meine Kleidung. Meine lange, karierte Schlafanzughose, nicht unbedingt sexy, aber eben unheimlich bequem, ebenso wie mein T-Shirt. Es hatte einfach einen weichen, angenehmen Stoff. Jacob war mein bester Freund. Bei ihm konnte ich ich selbst sein. Ich bräuchte keinen schicken, sexy Pyjama.
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