02:
~○~
Am Montagmorgen, zwei Tage nachdem ich mit Charlie einkaufen war, lotste er Bella und mich nach draußen vor das Haus. In der Einfahrt neben dem Polizeiwagen stand ein alter, roter Pick up. Am Straßenrand parkte ein weiterer, mir unbekannter Wagen aus dem ein junger, breitschultriger Mann mit langen Haaren einen weiteren Mann im Rollstuhl hinaussrollte. Erst als er aufblickte und ich diese vertrauten Gesichtszüge sah fiel bei mir der Groschen.
"Jacob!", begeistert stürmte ich auf meinen besten Freund aus Kindertagen zu.
Ich war nur wenige Monate älter als Jake, weswegen wir zwei öfter etwas miteinander unternommen hatten. Bella hatte auch das ein, oder andere Mal mit uns gespielt. Beinahe hätte ich ihn nicht erkannt. Er war gewachsen und natürlich erwachsener geworden. Der Schwarzhaarige öffnete grinsend seine Arme, sodass ich in sie hineinlaufen konnte. Er schloss mich in eine innige, kräftige Umarmung.
"Schön dich zu sehen, Adi!", lachte er an meinem Ohr.
Nachdem er mich eine Runde herumgewirbelt hatte, setzte er mich ab und hielt mich auf einer Armlänge Abstand.
"Wow, du hast dich kein bisschen verändert!", behauptete er.
Als Antwort lächelte ich kopfschüttelnd. Ich hatte mich sehr wohl verändert.
"Du siehst hingegen vollkommen anders aus! Ich hätte dich fast nicht erkannt."
"Tja, was soll ich sagen?"
Wie Bekloppte grinsten wir uns an, bis sein Blick auf Bella fiel, die alleine mit verschränkten Armen neben dem Pick up stand. Er löste sich von mir und ging auf sie zu. Er schloss auch sie in eine herzliche Umarmung, wobei ich meiner Schwester ansehen konnte wie unangenehm berührt sie war. Sie hatte keine Ahnung mehr wer Jake war. Ich wandte mich an Jacobs Vater, Billy.
Auch ihm schenkte ich eine kurze Umarmung.
"Es freut mich dich wiederzusehen, Billy! Es ist eine Ewigkeit her."
"Eine viel zu lange Zeit! Schön, dass du zurück bist, Adriana! Unglaublich wie erwachsen und wunderschön du geworden bist. Dein Vater kann stolz sein!"
"Immerhin einem fällt es auf!", scherzte ich.
Dad schenkte uns, Bella und mir, den roten Pick up, den Jacob für uns wieder auf Vordermann gebracht hatte. Begeistert war ich meinem Vater um den Hals gefallen. Ich hatte noch nie ein Auto besessen, nicht einmal teilweise. Mit sechzehn hatte ich meinen Führerschein gemacht, doch dieser hatte mir bisher nicht sonderlich viel gebracht. Ich freute mich auf die neue Freiheit, die ich ich nun in Forks hätte. Vielleicht könnte ich Bella überreden an den Strand zu fahren.
~○~
Es war soweit. Nach dem aufregenden Morgen stand unser erster Schultag an der neuen Schule an. Ich war nervös. Meine Handflächen waren verschwitzt und ich konnte nicht damit aufhören an meinem Lederarmband rumzufummeln. Ich strich immer wieder den Saum meines weißen Oberteils glatt, obwohl es mit Sicherheit nichts brachte. Bella hatte darauf bestanden zu fahren. Vermutlich war dies die richtige Entscheidung. Sie war definitiv die bessere Fahrerin. Da ich so selten fuhr war ich hinterm Steuer noch recht unsicher.
Wir bogen auf den Schulparkplatz ein und suchten uns einen freien Parkplatz. Der Himmel war wolkenverzogen. An dieses Wetter würde ich mich erst noch gewöhnen müssen.
Auf dem Weg zum Schulgebäude kam es mir so vor, als würden wir von allen Seiten angestarrt werden. Auch wenn ich mich unter den Blicken von all diesen Fremden unwohl fühlte versuchte ich mir nichts anmerken zu lassen. Ich hielt mein Kinn oben, die Schultern nach hinten und drückte die Brust raus, während Bella neben mir in ihrer Kaputzenjacke zu verschwinden versuchte. Auf dem Weg zum Sekretariat kam uns ein aufgedrehter Junge mit einer Kamera entgegen, der sogleich ein Foto von uns schoss. Das Blitzlicht blendete mich. Einige Wimpernschläge lang sah ich Lichtflecken vor meinen hazelnussbraunen Augen. Der junge Asiate stellte sich als Eric Yorkie, von der Schülerzeitung vor. Auch wenn er ein netter Kerl zu sein schien war ich ein wenig überrumpelt. Auf Bellas Protest hin stimmte er immerhin zu das Bild nirgendwo zu veröffentlichen.
~○~
Mein erster Schultag verlief... bescheiden... freundlich gesagt. Noch nie in meinem ganzen Leben hatte ich mich so einsam gefühlt wie in den Momenten in denen ich durch die unbekannten Flure schlich und die neugierigen Blicke meiner Mitschüler aushalten musste. Trotz allem gab ich mein Bestes um Haltung zu bewahren. Ich stand nicht gerne im Mittelpunkt, doch ich hatte Übung darin meine Unsicherheiten zu verbergen. Immer wenn ich sie aufsteigen spürte dachte ich daran was meine Mom mir seit ich klein war gepredigt hatte, früher, vor jedem Auftritt sei es vom Chor, Ballet, oder der Theater AG.
'Sie können nicht deine Gedanken lesen, mein Schatz. Deine Gedanken gehören ganz dir. Es wie ein Spiel. Lass sie sehen was du sie sehen lassen möchtest!'
Auch wenn es vermutlich nicht so gemeint war hielt ich mich bis heute an diesen Rat, denn sie hatte Recht. Die Menschen sahen nur was ich von mir preisgab. Solange ich lächeln und so tun würde, als würden mir ihre stechenden, mich verfolgenden Blicke nichts ausmachen würden sie auch von nichts anderem ausgehen. Wann immer mich jemand ansprach setzte ich mein freundlichstes Lächeln auf und beantwortete geduldig die immer gleichen Fragen.
"Woher kommst du?"
"Wieso wohnst du jetzt in Forks?"
"Wieso kommst du erst mitten im Schuljahr an unsere Schule?"
"Du kommst aus Arizona? Ist es da nicht super sonnig? Solltest du dann nicht gebräunter sein?"
"Was machst du in deiner Freizeit?"
"Hast du vielleicht Lust mit mir auszugehen?"
Zugegeben die Frage nach einem Date kam unerwartet und auch nur einmal vor. Ihr Name war Lydia und auch wenn sie sehr nett zu sein schien und ich in meinen sechzehn Jahren noch keine feste Beziehung, nicht einmal eine ernsthafte Verliebtheit vorzuweisen hatte, war ich mir zu soliden 99% sicher nicht auf Frauen zu stehen. Aber ich sah ihre Einladung als Kompliment. Lydia war wunderhübsch, für eine junge Frau vermutlich auch sehr attraktiv mit wallenden Haaren, ozeanblauen Augen und perfekten Zähnen. Sie lud mich sogar trotz der Absage ein in der Pause bei ihr in der Cafeteria zu sitzen. Ich erklärte ihr, dass ich meine Schwester fragen wolle, ob dies für sie in Ordnung sei und fragte ob sie, Lydia, damit einverstanden wäre auch Bella mit an ihren Tisch aufzunehmen. Mit ihrem glockenhellen Lachen stimmte sie zu, als sei dies selbstverständlich.
So kam es, dass ich mit einem Tablett in der Hand, auf dem sich neben einem Apfel und einem Pudding eine undefinierbare Masse befand, die als Lasagne deklariert wurde, in der Cafeteria stand und sie mit den Augen nach meiner älteren Schwester absuchte. Schließlich entdeckte ich sie an einem Tisch zusammen mit Eric von heute morgen und drei weiteren Teenagern, die vermutlich in ihrem Jahrgang waren. Ein kleiner Stich machte sich in meinem Herzen bemerkbar. Wir hatten geplant zusammen essen zu wollen, doch wie es aussah hatte sie bereits Anschluss gefunden. Ohne mich. Sie lachten und schienen sich prächtig zu amüsieren, als sei es nie anders gewesen. Sie alle hatten sich Bella zu gewandt. Natürlich. Jeder liebte Bella. Sie war einer dieser Menschen, die man nicht nicht mögen konnte. Ein wenig beneiden vielleicht, das schon.
Da ich meine braunen Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden trug fielen sie mir nicht ins Gesicht, als ich für einen kurzen Moment mit einem traurigen Lächeln zu Boden sah. Als ich mich wieder gefangen hatte änderte ich mein Ziel. Mit entschlossenen Schritten lief ich auf den Tisch zu an dem ich Lydias dunkelblonde Mähne ausgemacht hatte, um mich selbst die Illusion glauben zu machen ich sei nicht so verloren wie ich mir vorkam. Mit einem breiten Grinsen, welches mir im Gesicht weh tat und einer betont fröhlichen Stimmlage setzte ich mich an den vollen Tisch auf einen der letzten freien Plätze. Mit mir waren wir zu siebt. Lydia saß mir gegenüber. Links neben mir pickte ein blasser, braunhaariger Junge mit Stachelfrisur in seinem Essen herum, neben ihm saß ein hübsches Mädchen mit mokkafarbender Haut, die sich mit einem weiteren Mädchen unterhielt. Diese hatte kurze, feuerrote Haare und war übersät mit Sommersprossen. Rechts von mir saß ein Mädchen, mit dem sich Lydia wohl vor meiner Ankunft unterhalten hatte. Sie schenkte mir ein warmes Lächeln, während sie ihr Brillengestell zurecht rückte. Ihre braunen Locken standen ihr wirr vom Kopf ab. Zwischen ihr und Lydia saß ein Junge, der rein optisch älter zu sein schien als wir, vielleicht zwei Jahre. Sein Kopf war gesenkt, da er in dem Buch in seinen Händen versunken zu sein schien, doch auch so erkannte ich eine starke Ähnlichkeit zu Lydia. Seine kurzen Haare hatten die gleiche Farbe, ihre Gesichtszüge waren auffallend ähnlich und als er schließlich aufblickte durchbohrten mich die gleichen, ozeanblauen Augen. Rechts neben seiner Nase, leicht versetzt trug er zwei recht auffällige Muttermale.
"Schön das du bei uns sitzt!", meinte Lydia strahlend. "Wo ist deine Schwester?"
Ich zwang mich mein Lächeln aufrecht zu erhalten und winkte ab.
"Ach, sie sitzt bei ein paar Mitschülern aus ihrem Jahrgang."
"Schade. Ich hätte sie gerne kennengelernt.", kurz schürzte sie die Lippen, doch dieser Ausdruck wurde kurz darauf von ihren nach oben zuckenden Mundwinkeln abgelöst. "Wie dem auch sein! Ich stell dir erstmal alle vor!"
"Das sind Jason, Kathrine, Ruby, Lola und das hier ist mein Bruder Hamish."
Jason, der Typ mit den Stachelhaaren, Kathrine, das Mädchen mit der mochafarbenden Haut und dem seidigen, schwarzen Haaren, Ruby, die mit den roten Haaren, das war leicht, Lola, das Mädchen mit der Brille und den Locken und schließlich Hamish, der dem Lydia so ähnlich sah. Kein Wunder, wenn sie Geschwister waren. Obwohl... ich fand nicht, dass Bella und ich uns allzu ähnlich sahen. Sie kam mehr nach Charlie, während ich Renée in vielerlei Hinsicht ähnelte. Unser beider Haaren waren braun, doch war ihres dunkel, fast schwarz. Meines hatte dagegen einen weit aus helleren Ton. Allerdings besaßen wir beide einen recht dominanten Rotstich in unseren Haaren. Bella hatte dunkelbraune Rehaugen. Meine Augen waren haselnussbraun. Ich war knappe fünf Zentimeter kleiner und besonders meine Arme trugen das ein, oder andere Muttermal. Was wir uns beide teilten war die Blässe unserer Haut, sowie unsere kleinen Stupsnasen. Da wir uns auch charakterlich in vielerlei Hinsicht ähnelten verstanden wir uns meist gut. Kleinere Streitereien waren unter Geschwistern ganz normal und am Ende des Tages war Bella der Mensch, dem ich am nähsten stand und umgekehrt.
"Es freut mich euch kennenzulernen."
"Also, Adriana, richtig? Du kommst aus Arizona, richtig? Wieso bist du dann bitteschön in dieses deprimierende Kaff hier gezogen?", kam es auch sogleich von Jason. Das Mädchen neben ihm, Kathrine, schlug im leicht, aber bestimmt gegen den Arm. Meine Intuition sagte mir, dass sie mit Sicherheit seine Freundin war.
"Ich werde nicht so gerne Adriana genannt. Nicht einmal meine Eltern nennen mich so, es sei denn ich habe etwas angestellt. Adi, Ari, Adri... Ihr könnt euch etwas aussuchen. Nur nicht Adriana!"
Er und seine Freundin tauschen verwunderte Blicke, doch schließlich zuckte er lediglich mit den Schultern.
"Dann halt Adri! Also Adri, was machst du hier?"
Ich stocherte ein Stück Lasagne auf meine Gabel, um ihn nicht die ganze Zeit über ansehen zu müssen.
"Mein Stiefvater ist Baseballspieler und hat einen neuen Job bekommen für den er und meine Mom umziehen mussten. Da wir nicht unbedingt auf Reisen gehen wollten und natürlich zur Schule müssen wurde beschlossen, dass wir bis zu unserem Abschluss bei unserem Vater leben werden. Tja und unser Vater wohnt nun einmal hier. Das ist schon die ganze Geschichte."
"Swan... Wie Sheriff Swan?", riet er und traf damit direkt in Schwarze. Bestätigend nickte ich, wobei ich einen ersten Bissen von dem Kantinenessen nahm. Es schmeckte besser als es aussah.
"Sie ist sicherlich die ganze Fragerrei satt, Jason! Das ist mehr als verständlich. Es muss schon nervtötend genug sein den ganzen Tag über angegafft zu werden wie Frischfleisch.", schaltete sich plötzlich eine andere Stimme ein.
Es war Hamish, der seine Lektüre, 'Das Bild des Dorian Gray', beiseite gelegt hatte und mir zuzwinkerte. Ich meinte sogar ein leichtes Lächeln um seinen rechten Mundwinkel herum zu erkennen. Dankbar erwiederte ich das Lächeln, als plötzlich die Atmosphäre in der Cafeteria umschlug. Ein seltsames Gefühl machte sich in mir breit. Meine Nackenhaare stellten sich auf, eine Gänsehaut breitete sich aus, mein Herz begann schneller zu schlagen und mir wurde flau im Magen, obwohl ich zuvor einen großen Appetit gehabt hatte. Es war beinah so als würden sich veraltete Fluchtinstinkte bei mir melden und mich dazu auffordern sofort aus dem Raum zu stürmen. Mit krausgezogener Nase legte ich die Gabel weg. Wie alle anderen an meinem Tisch schielte ich unauffällig zu den Neuankömmlingen, die sich alle zusammen an einen freien Platz an der Fensterfront setzten. Sie waren alle samt wunderschön, atemberaubend schön, keine Frage, doch alles an ihrer Ausstrahlung wirkte einschüchternd auf mich. Den Anderen an meinem Tisch schien es anders zu gehen. Die Mädchen begannen sofort im Flüsterton zu schwärmen, selbst Kathrine, woraufhin Jason betont beiläufig besitzergreifend einen Arm um ihre Schultern legte. Hamish und ich tauschen einen amüsierten Blick.
"Wer sind sie?", wisperte ich. Verschwörerisch beugte sich Lydia vor.
"Das sind die Cullens. Sie sind die Adoptivkinder von Carlisle und Esme Cullen. Sie wohnen allerdings nicht nur zusammen.", sie wackelte mit ihren Augenbrauen. "Siehst du die Blonde? Das ist Rosalie. Sie ist mit Emmett zusammen, dem Breitschultrigen, der einen Arm um sie gelegt hat und das hinter ihnen sind Alice und Jasper. Sie sind ebenfalls ein Paar. Dann bleibt da noch Edward, der einzige Single im Bunde. Er ist der begehrteste Typ dieser Schule. Jede, wirklich Jede, würde ihren rechten Arm abgeben, um mit ihm auszugehen."
"Du auch?"
Sie lachte.
"Seine Schwestern wären mehr mein Typ, aber auch ich kann nicht bestreiten, dass er heiß ist."
Möglichst unauffällig sah ich zu diesen viel zu perfekten Menschen rüber.
"Ehrlich gesagt finde ich sie eher... angsteinflößend.", gestand ich mit einem seltsam, flauen Gefühl im Magen.
~○~
Bạn đang đọc truyện trên: Truyen247.Pro