1 n e : She needs some Milk!
Es gibt nicht viele Orte, an denen ich ohne Tumblr auskommen muss. Wirklich, ich kann sie eigentlich an meinen Fingern abzählen.
Da wäre zum einen der Esstisch zuhause, an dem stricktes Elektronikverbot gilt, seitdem ich bei meinen Großeltern lebe. Ich kann es verstehen, irgendwie. Sie sind ihr ganzes Leben ohne große technische Revolutionen aufgewachsen. Bestimmt müssen sie sich erdrückt von all den neuen Dingen fühlen.
Zwei andere Orte, an die ich Tumblr nicht mitnehmen darf, sind das Schwimmbad, in das ich mich einmal in der Woche reinzwingen muss, und im Musikunterricht, den ich ebenfalls besuche. Da sich die Zeit, die ich dort verbringen muss, allerdings sehr beschränkt, komme ich auch dort ohne meinen Ratgeber aus.
Der vierte Ort, ist der, der mein Leben für immer geändert hat. Eine ziemlich unspektakuläre Straße in den Wäldern oben.
Und der letzte, und wohl nervenaufreibendste Ort; die Schule. Hier herrscht nämlich stricktes Handyverbot. Für meinen Geschmack etwas übertrieben. Zwar kommt es vor, dass Schüler unter ihrem Tisch ein paar Nachrichten schreiben, jedoch habe ich das Gefühl die Lehrer hier haben einen besonderen Röntgenblick, der es ihnen nahezu immer erlaubt, solch ein Ding zu orten und einzukassieren.
Da ich keine Lust habe meine heilige, portable Welt an meine Lehrer auszuhändigen, bleibt mein Handy vormittags immer ausgeschaltet in meinem Rucksack. Außerdem, so nebenbei erwähnt, sind mir Hände nicht immer geheuer.
"Wenn ich ehrlich bin, dann denke ich nicht, dass das, was Sie gerade erzählt haben, auch nur im Entferntesten einen Sinn ergibt", höre ich Jonny auf einmal von seinem Platz rufen. Ein genervter Blick zu ihm versichert mir, dass er wieder einmal sein siegessicheres, provozierendes Grinsen im Gesicht trägt, das ich ihm am liebsten wegpolieren würde. Der Handschlag, den er einen Moment später auch schon von einem seiner Kumpel bekommt, macht ihn in seinen Augen um einiges cooler.
Und das ist er irgendwie auch. Wenn ich durch die Gänge laufen würde und eine Umfrage mache, würde sicherlich beinahe jeder zustimmen, dass er wohl der coolste Junge dieser Stufe, wenn nicht dieser Schule ist.
Es ist schon fast lächerlich, wie er gefühlt von allen vergöttert und angehimmelt wird. Dabei ist das Einzige, das er gut kann, mit dämlichen Sprüchen um sich werfen, die sowieso nur auf die Kosten anderer Leute gehen. Ich durfte es schon am eigenen Leib erfahren.
Jonny, mit seinem gestylten Haar und den viel zu engen Jeans, die er sich zusätzlich noch mit seinem Gürtel enger um die Hüfte schnallt, ist also der große Hauptgewinn dieser Schule.
Und es sieht danach aus, als würde sich das auch erst nach seinem Abgang am Ende dieses Schuljahres ändern.
"Und was gibt Ihnen die Annahme dazu, Herr Monroe?", erwidert meine Englischlehrerin unbeeindruckt, eigentlich schon sichtlich genervt, als sie sich etwas mit ihrem Kuli notiert. Ihr Ausdruck spiegelt wohl das wieder, was ich über diesen Jungen denke: eine lebende Ausgeburt der Hölle.
Deswegen beschließe ich nicht länger zuzuhören. Stattdessen blicke ich aus dem Fenster, das mir eine weiße Welt offenbart. Es schneit schon seit Tagen, und dass obwohl es erst Anfang November ist. Es ist noch ein gutes Stück bis Weihnachten und trotzdem habe ich letzten Samstag, als ich mit meinen Großeltern zusammen in der Mall war, schon das erste Weihnachtsgebäck und die ersten Lichterketten mit kleinen Schneemännern gesehen. Ich mag den Winter nicht, aber sonst liebt ihn jeder.
Verträumt blicke ich den Schneeflocken dabei zu, wie sie sich einen Weg nach unten durch die Luft bahnen. Das kleine Flöckchen, das auf dem Fenstersims auf der anderen Seite des Fensters, durch das ich blicke, landet, sieht schön aus. Schön und zerbrechlich.
"Charly?", werde ich gewaltsam aus meinen Träumereien geholt. So plötzlich, dass ich zusammenzucke und meinen Stift fallen lasse, mit dem ich, ohne es zu merken, kleine Kreise auf mein Blatt gekritzelt habe. Eine blöde Eigenschaft, die ich mir angewöhnt habe.
"Ja?", frage ich peinlich berührt und lasse den Stift auf dem Boden liegen. Die kleinen Kichereien von meinen Mitschülern beschließe ich zu ignorieren. Selbst den Dummen Kommentar von Jonny schlucke ich herunter ohne darauf zu reagieren.
"Bist du noch anwesend?", fragt mich Mrs. Hill und blickt mich direkt an.
"Ähm ja", stimme ich zu, obwohl ich weiß, dass ich aufgeschmissen sein werde, wenn sie mich noch eine Sache fragt.
"Augen nach Vorne", erwidert sie aber nur und schreibt etwas auf ihr Papier.
Seufzend nicke ich und hebe meinen Stift vom Boden auf.
Zwar ist Mrs. Hill wohl die Einzige auf meiner Seite, wenn es darum geht Jonny für einen Idioten zu halten, aber das liegt vermutlich nur an der Tatsache, dass sie denkt jeder sei ein Idiot. Sie ist eigen und stur und hasst jeden von Anfang an. Aber sie ist eine gute Lehrerin, die einem eine Menge beibringen kann.
Ich mag ihren Unterricht. Es ist das einzige Fach, bei dem ich mich auch wirklich anstrengen muss, um gute Noten zu erhalten. Da die meisten Lehrer vom Unfall meiner Eltern Wind bekommen haben, habe ich das Gefühl ich werde oft anders behandelt. Erhalte Bonusse, die ich nicht verdient habe und bessere Noten aus Mitleid. Bei Mrs. Hill kann ich vergeblich nach Mitleid suchen. Sie kam erst nach dem Unfall an die Schule - und behandelt mich wie jeden anderen. Manchmal auch zu meinem Nachteil.
Nach Ende der Stunde - und somit auch Ende des Schultages - streife ich als eine der Letzten durch die Gänge. Nach meinem wöchentlichen Besuch der Schach AG, die ich nur besuche um meine Ruhe zu haben und eine Stunde für mich zu sein, trete auch ich den Nachhauseweg an. Da draußen mehr Schnee liegt, als sonst im November habe ich mein Fahrrad zuhause gelassen und bin stattdessen gelaufen. Es ist ein ganzes Stück, aber manchmal brauche ich besonders morgens vor der Schule etwas Zeit zum Nachdenken.
Hallo Charleen,
Kann's u bitter bitter un eine Packen Milch kaufen?
Die erste Nachricht, die ich bekomme nachdem ich mein Handy angeschalten habe, stammt von meiner Oma. Seitdem mein Opa ihr zu ihrem Geburtstag vor gut zwei Monaten ein neues Handy geschenkt hat, das sie eigentlich überhaupt nicht braucht, schreibt sie mir ständig und ständig falsch.
Ich kann es ihr nicht übel nehmen. Selbst mich nervt die Autokorrektur noch.
Da der Supermarkt sowieso auf meinem Weg liegt, mache ich einen kleinen Zwischenstopp und atme erleichtert aus, als ich den warmen Laden betrete. Im Vergleich zu draußen scheint es hier drinnen wie in einer Sauna. Eine gute Sauna. Vielleicht tauen meine Finger ja endlich wieder auf.
Mit Kopfhörern in den Ohren, die meine Lieblingslieder von den Beatles und Oasis wiedergeben, schlendere ich durch die Regale auf der Suche nach den gewünschten Sachen. Komischerweise stehen sie nicht am gewohnten Platz. Verdutzt starre ich statt Milch nun Hundefutter an, das meine Oma garantiert nicht gebrauchen kann.
„Ähm", mache ich verunsichert und blicke mich nach einem Verkäufer um, der mir eventuell weiterhelfen kann. Es dauert Minuten, bis ich einen großen Jungen ausmache, der die Kleidung des Ladens trägt.
„Hey, kannst du mir vielleicht weiterhelfen?", spreche ich ihn an und nehme einen Kopfhörer aus den Ohren. „Ich suche Milch, aber da steht nur Hundefutter und das würde schrecklich in dem Kuchen schmecken, den meine Oma vermutlich backen will. Also nicht, dass ich es schon einmal probiert habe, aber-"
„Charly?", werde ich lachend unterbrochen und staune nicht schlecht, als ich den Jungen erkenne, der in meine Stufe geht.
„Alec?", stottere ich überrascht und merke, wie mir das Sprechen auf einmal total schwer fällt. Denn auf einmal überfallen mich tausende Gedanken und Erinnerungen an den Jungen, den ich schon so lange im Stillen bewundere.
Lass dir jetzt einfach nicht anmerken, dass du seit Jahren auf ihn stehst. Bitte Charly! Vermassele das nicht!
Schwerfällig bringe ich ein Grinsen über die Lippen, das im Nachhinein betrachtet viel zu übertrieben wirken muss. Aber etwas anderes würde ich nicht hinbekommen. Auf keinen Fall.
„Was machst du denn hier?", lache ich nervös und streiche mir die Haarsträhnen hinter mein Ohr, die mir ins Gesicht hängen.
„Arbeiten. Und du?", antwortet er und lehnt sich nebenbei noch cool gegen die Ware, die er gerade in die Regale einsortieren wollte. Ich wette, wäre ich in seiner Lage, wären die Sachen schon alle umgekippt um mich zu blamieren.
„Ich brauche Milch", stottere ich heraus und versuche meine Augen auf seinem Gesicht zu halten. Selbst in diesem Oberteil, das wirklich nichts Besonderes ist, sieht er gut aus. Zu gut, um genau zu sein.
Alec ist der Junge in der Stufe, der nett und hilfsbereit ist und von jedem gemocht wird. Wenn ich wetten müsste, würde ich sogar behaupten dass Mrs Hill Alec am wenigsten von allen hasst. Er ist freundlich und witzig und immer gut drauf, hat viele Freunde und eine Menge Mädchen, die ihn mögen. Aber es zählt nicht - einzig allein Jules spielt für ihn eine Rolle. Seine Freundin, die ich alleine deswegen etwas blöd finde.
Den einzigen Nachteil den Alec hat ist die Tatsache, dass Jonny zu seinen besten Freunden gehört. Beide sind schon seit der fünften Klasse ganz dicke.
„Hast du mich verstanden?", fragt er mich schmunzelnd und stupst mich leicht an der Schulter an, damit ich aus meinen Träumereien aufwache.
„Ja klar", versichere ich ihm nickend und starre weiterhin nur blöd vor mich hin. Ich habe ihm nicht einmal zugehört.
„Also wirst du sie finden?", fragt er.
„Werde ich was finden?", frage ich.
„Die Milch?"
„Oh, oh ja. Klar", sage ich nickend und klatsche zusätzlich in die Hände. „Absolut kein Problem mehr! Danke für die Wegbeschreibung!"
Mit diesen Worten entferne ich mich rückwärts von Alec und halte weiterhin Blickkontakt, bis ich um die Ecke biegen und ungesehen davon rennen kann. Keine Ahnung wo die Milch ist - meine Oma muss wohl ohne sie auskommen.
Viel wichtiger ist für mich nur auf schnellstem Wege heimzukommen und mich in Tumblr einzuloggen. Denn ich brauche einen Rat, einen Zuhörer und einen Lästerkompanen, dem ich alles anvertrauen kann. Gerade mehr denn je.
Tumblr.
Heilige Scheiße, ich habe gerade mit Alec geredet!
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Da wäre auch schon das erste Kapitel! Einen schönen 1. Dezember an euch! ☺️
Nicht mehr lange, dann ist schon Weihnachten.
Habt ihr schon eure Geschenke besorgt? Oder hetzt ihr, wie ich auch, immer auf den letzten Drücker durch die Läden, von Stress übernommen und sichtlich mit den Nerven am Ende?
Seid ihr überhaupt schon in Weihnachtsstimmung?😁
Lasst es mich gerne wissen! Wir sehen uns morgen wieder!
Ily,
Alina zu
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