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Liam
Wir waren der Überzeugung gewesen, weiter trinken zu können. Die Quittung bekamen wir gerade einmal eine halbe Stunde später, als wir beide über Jamie's Toilettenschüssel hingen und uns fragten, wie man von drei Flaschen Bier einen derart flauen Magen bekommen konnte. Dann fiel mir ein, dass Harry uns vorgewarnt hatte. Man solle Alkohol nie mit Drogen mischen, ganz egal, worum es sich dabei handelte - ich hatte ja nicht ahnen können, wie recht er damit hatte.
Die Übelkeit unterschied sich nicht wesentlich von der während eines ordentlichen Alkoholrausches. Alles drehte sich in großen Kreisen, die das Stehen unmöglich machten.
Der einzige Unterschied war, dass weder Niall noch ich - rein theoretisch gesehen - betrunken sein konnten. Obwohl Niall das Trinken gewohnt war, und ich nur in Maßen bis gar nicht trank, glaubte ich sagen zu können, dass der Mischkonsum uns umgenietet hatte.
Da saßen wir noch keine fünf Minuten auf dem Boden der Toilette, da erbrach Niall sich zum ersten Mal. Obwohl ich gerne darauf verzichtet hätte, ließ auch mein Magen nicht lange auf sich warten und beförderte das Gift in hohem Bogen aus meinem Organismus.
Niall hatte noch etwas länger mit der Übelkeit zu kämpfen: Insgesamt verbrachten wir eine halbe Stunde auf Jamie's Toilette, während sich draußen bereits eine Schlange Studenten tummelte, die entweder dringend pinkeln oder sich übergeben mussten. Manche von ihnen hatten mit Sicherheit auch ganz andere Dinge vor, die Studenten auf Parties trieben - aber von solchen Aktionen wollte ich vorerst nichts wissen.
Ein ungeduldiges Klopfen ließ mich einen Moment lang hellhörig werden. Es war schon das zehnte innerhalb von einer einzigen Minute. „Kannst du aufstehen?", wollte ich von Niall wissen, der noch immer gekrümmt über der Toilette hing.
Obwohl ich mir sicher war, dass er seinen Kopf schütteln sollte, konnte ich mit genauso großer Sicherheit sagen, dass er das entnervte Klopfen an der Tür genauso laut gehört hatte, wie ich. Deshalb nickte er, griff nach meiner Hand und ließ sich von mir nach oben ziehen.
Ich konnte niemandem sagen, weshalb die berauschende Wirkung plötzlich aus meinem Körper verschwunden war, nachdem ich meinen Mageninhalt einmal ordentlich in die Toilette ergossen hatte - Niall hatte sich dieser Prozedur schließlich mehrmals unterziehen müssen, und man konnte nicht behaupten, dass er sich in irgendeiner Art und Weise besser fühlte oder seine Übelkeit auch nur ansatzweise gemildert schien.
Er klammerte sich an meinem Oberarm fest, zitterte am ganzen Körper und wirkte auf mich ziemlich schwach auf den Beinen. Als ich die Tür zum Badezimmer öffnete, drängte sich ein erleichtertes Stöhnen durch die Reihe, und den missbilligenden Blicken nach zu urteilen waren sie nicht sehr erfreut, zwei junge Männer eng umschlungen aus dem Badezimmer kommen zu sehen. Gott weiß, was in ihrer Vorstellung vor sich ging.
Für derartige Überlegungen fehlte mir allerdings die Zeit. Ich musste Harry finden, um mich bei ihm abzumelden; zumindest für eine gewisse Zeit. Es war offensichtlich, dass Niall nicht mehr in der Lage war, an einer Studentenparty teilzunehmen und die laute Musik zu genießen. Er brauchte frische Luft, und ich war mir sicher, dass er sich danach zumindest um ein Minimum besser fühlen würde.
Niall
Aus irgendeinem Grund schüttelte mich plötzlich eine Angst, die ich so noch nie verspürt hatte. Ich hatte das Gefühl, allein zu sein, tief traurig und von allen Menschen in meinem Umfeld verlassen. Ich fühlte mich, als hätte ich alle nur erdenklichen Personen enttäuscht, ich fühlte mich zittern und es fiel mir schwer, aufrecht stehen zu bleiben.
Liam brachte mich nach unten, in den Garten der Studentenwohnanlage, wickelte mich in eine angenehm warme Wolldecke und legte vorsichtig einen Arm um meine Schultern. Während wir an der Wand lehnten und ich beide Beine dicht an meinen Körper zog, spürte ich Liam's Lächeln auf mir.
„Das ist so peinlich", murmelte ich, „Jedes Mal, wenn deine Freunde mich sehen, bin ich auf irgendeine Art und Weise schrecklich berauscht."
Liam schüttelte energisch seinen Kopf. „Quatsch", winkte er ab, „Die hängen doch selbst alle über der Schüssel."
Ich nickte nur, schlang beide Arme um meinen frierenden Körper und spürte, wie der Rausch mich sentimental machte. Da waren plötzlich wieder Empfindungen in mir, mit denen ich mich in diesem Moment gar nicht auseinandersetzen wollte, die ich eigentlich längst in eine Ecke gedrängt und nicht mehr vorgehabt hatte, wieder herauszulassen. Empfindungen, von denen ich eigentlich nichts wissen wollte.
Liam schien meine missliche Gefühlslage zu bemerken und drückte mich ein Stück fester an sich. „Ich bin froh, dass du hier bist."
Obwohl ich mir sicher war, dass er die Wahrheit sagte, fiel es mir in diesem Moment sehr schwer, ihm zu glauben. Es war lange her, dass jemand mir liebevolle Worte ins Ohr geflüstert hatte. Und es war mindestens genauso lange her, dass jemand mich in den Arm genommen hatte.
Ich sah ihn an, war überzeugt davon, absolut schrecklich auszusehen und blickte zu Boden. Am liebsten hätte ich ihm eine Antwort gegeben, eine, die der Wahrheit entsprach. Aber meine Lippen wollten keine Worte hinauslassen, Ober- und Unterkiefer waren so fest verschlossen, wie ein Schraubstock.
So kam nur ein sehr weinerlicher Laut aus meiner Kehle, den ich gar nicht hatte kommen sehen. Ich sog Luft ein, so scharf ich konnte. Da begann Liam, mich vorsichtig hin- und her zu wiegen, die Umarmung zu vertiefen, mich zu verstehen, ohne dass ich auch nur ein Wort gesprochen hatte.
Und da war die Angst plötzlich verschwunden.
Liam
Niall beruhigte sich nur sehr langsam. Er hatte schwer geatmet, als wäre es ihm unmöglich gewesen, an Luft zu kommen. Er erinnerte an einen Menschen, der höllische Angst vor irgendetwas hatte - nur konnte ich keine Bedrohung nachvollziehen. Weder in unmittelbarer Umgebung, noch im weiteren Umkreis.
Da wurde mir klar, dass der Auslöser psychischer Natur sein musste. Äußere Einflüsse waren in diesem Moment - zumindest aus meiner Sicht - völlig harmlos.
So dauerte es eine ganze Weile, bis seine Atmung sich normalisiert und er selbst sich wieder gefangen hatte. Er fuhr sich mit beiden Händen über das hitzige Gesicht, schüttelte seinen Kopf und beugte sich zwischen seine Beine. Er begann zu würgen, erbrach sich zwei Mal und ließ sich dann erschöpft gegen meine Brust sinken.
„Du solltest aufstehen", flüsterte ich, „Oder zumindest ein paar Zentimeter weiter nach links rutschen."
Er nickte, bewegte sich aber keinen Millimeter weit. Stattdessen flatterten beide Lider einen kleinen Moment lang, dann hielt er sie geschlossen und sagte mir, dass meine Fürsorge absolut nicht selbstverständlich sei und dass er mir nie hatte zur Last fallen wollen.
Ich seufzte, musste lächeln und strich ihm das blonde Haar aus der Stirn. „Zur Last gefallen bist du mir nie."
Er antwortete nicht. Vermutlich war er zu erschöpft, um ein weiteres Mal zu reagieren, aber ich hatte das Gefühl, dass er sich besser fühlte, als zuvor. Sein Sprechfluss hatte sich beschleunigt, der Atem beruhigt. Mit geschlossenen Augen griff er nach meiner freien Hand und verschränkte seine Finger mit den Meinen.
Harry
Niall und Liam saßen bestimmt seit einer Stunde im Garten der Wohnanlage, als auch ich beschloss, der Party an dieser Stelle ein persönliches Ende zu setzen. Ich war weder betrunken, noch war ich ansatzweise so im Drogenrausch gewesen wie Niall und Liam - trotzdem fühlte ich mich auf eine angenehme Art und Weise beschwipst und fragte mich, wie es den beiden erging.
Als ich den Aufzug verließ und nach den beiden suchte, fand ich sie an einer Wand lehnend, beide schlafend, ihre Finger verschränkt und die Fransen am Rand von Niall's Decke hingen in einer Pfütze Erbrochenem.
Ich musste lächeln. Noch nie hatte ich mich so bestätigt gefühlt, was meine Einschätzung der Gefühle zweier Menschen zueinander betraf. Freunde verschränkten ihre Finger nicht miteinander, sie schliefen nicht ineinander verschlungen im Garten ein und sie schliefen auch nicht in einem Bett. Ich hatte die beiden noch nie in getrennten Betten schlafen sehen, nicht ein einziges Mal - und ich war mir noch nie in meinem bisherigen Leben so sicher gewesen, die Gefühle von zwei Menschen zueinander zu kennen, bevor sie überhaupt selbst davon wussten.
Dabei war diese Nacht noch lange nicht vorbei gewesen - und am nächsten Morgen würden sie sich früher oder später mit ihren Empfindungen auseinandersetzen müssen. Denn, und da konnte mir niemand widersprechen, Freunde schliefen nicht miteinander.
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