05. Aufklärung
♪ Living on a Prayer – Bon Jovi
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Gillian Dearing musterte mich unverhohlen, holte tief Luft und sprach: „Ich bin etwas überrascht, denn ich hätte nicht mit einem Mann gerechnet."
Na super, da lag ich mit meinem Gefühl gar nicht so falsch. Hoffentlich lehnte Miss Dearing mich nicht ab, das würde jetzt noch fehlen. Louis würde mir den Arsch aufreißen und wir erneut am Hungertuch nagen. Auch wenn ich es nicht wirklich mochte, ich brauchte diesen verdammten Job als Hochzeitsplaner.
Bange Sekunden des Wartens vergingen, der Kragen meines Hemdes wurde plötzlich eng und ich fühlte wie der Schweiß mir den Rücken hinabrann. Diese elende Hitze machte es nicht besser, warum nur hatte ich diese alberne Krawatte angezogen? Eindeutig hätte ich mich in einem ölverdreckten Overall wohler gefühlt, wie Gillian Dearing ihn trug, stattdessen stand ich hier und schwitzte mir in der texanischen Hitze einen ab.
„Gillian, du weißt, ich schwimme immer gerne gegen Klischees. Ich finde es toll, dass auch Männer sich in dieses Berufsfeld wagen", unterbrach Flora das Schweigen, gleichzeitig schenkte sie mir ein strahlendes Lächeln. „Niall wird das sicher alles ganz toll gemeinsam mit dir hinkriegen. Und sieh es mal so, er ist ein Mann und sieht einige Dinge mit anderen Augen."
Was immer Flora damit meinte, es schien ihre Nichte zu überzeugen, denn ihr Mund verzog sich ebenfalls zu einem sanften Lächeln.
„Ich wollte nicht unhöflich sein, Mr – ähm, Niall. Ich war nur so überrascht."
In diesem Moment fiel mir ein Stein vom Herzen, denn sie klang so herrlich unkompliziert. „Schon okay, Miss Dearing."
Erneut huschten ihre braunen Augen über mein Gesicht. „Gillian, bitte."
Scheinbar mochte sie Förmlichkeiten ebenso wenig wie ich, was mir sehr gelegen kam. Es würde die Zusammenarbeit bestimmt wesentlich einfacher machen. Wenn ich sie in einer Bar getroffen hätte, wäre es mir auch nicht in den Sinn gekommen, sie förmlich anzusprechen. Viel mehr hätte ich mich gefragt, ob sie denn schon Alkohol trinken dürfte, denn sie wirkte schrecklich jung.
„Eigentlich zu jung, um zu heiraten", schoss es mir durch den Kopf und in der nächsten Sekunde schüttelte ich den Gedanken wieder ab. Ich hatte kein Recht, mir darüber ein Urteil zu bilden. Schließlich dachte jeder Mensch anders und war auch anders gestrickt, was solche Dinge betraf.
Heiraten war etwas, was meiner Ansicht nach gut überlegt sein wollte und in diesem Moment interessierte es mich brennend, wie alt ihr Verlobter war und wie lange die beiden ihre Beziehung bereits führten. Es stand mir nicht zu, diesen Fragen zu stellen, das war mir bewusst, und deshalb hielt ich vorerst meine Klappe. Rauskriegen würde ich es so oder so irgendwann.
„Also, dann lass ich euch mal alleine", stahl sich Floras Stimme in meine Gedanken.
„Wollen Sie den ganzen Weg zurücklaufen?", fragte ich erstaunt, doch die blonde Frau stieß ihr glockenhelles Lachen aus, an welchem ich sie immer wieder erkennen würde.
„Natürlich, nur wer sich bewegt, bleibt fit." Nach diesen Worten verabschiedete sie sich von mir. „Auf Wiedersehen, Niall, ich bin mir sicher, wir laufen uns nochmal über den Weg." Für einen Augenblick sah ich ihr nach, doch dann sprach Gillian mich an: „Ich wasche nur schnell meine Hände, denn ich komme mir gerade wirklich vor wie ein Schwein, wenn ich neben dir stehe."
Außer einem Schmunzeln erwiderte ich nichts, aber als sie um die Ecke verschwunden war, lockerte ich den Knoten meiner Krawatte, bis die Schlinge groß genug war, um sie über den Kopf ziehen zu können. Endlich frei!
Das nächste Kleidungsstück, das ich auszog war das grüne Jackett und zusammen mit dem Schlips landete es auf Isabellas Beifahrersitz. Sorgsam schloss ich die Autotür, aus irgendeinem Grund hatte ich das Gefühl, sehr vorsichtig mit diesem, nicht mehr ganz taufrischen, Vehikel umgehen zu müssen.
Gerade als ich die Autotür geschlossen hatte, tauchte meine Kundin auf, um einen höchst erstaunten Laut von sich zu geben. Zuerst unterlag ich der Annahme, dass dies meinem am Rücken durchnässten Hemd galt, aber da täuschte ich mich gewaltig, denn ich war es nicht, den sie anschaute.
Den Blick auf Isabella geheftet, spazierte sie langsam, beinahe schon andächtig, um den weißen Wagen herum. Scheinbar übte dieses Auto eine magische Anziehungskraft auf sie aus, denn sie konnte ihre Augen nicht von ihm abwenden. Ich wollte schon fragen, was so interessant an dem alten Vehikel sei, doch dazu kam ich nicht mehr, weil Gillian plötzlich herausplatzte: „Oh mein Gott! Ein alter Borgward! Wie wunder-, wunderschön sie ist!"
Unglaublich vorsichtig legte sie ihre Finger um den Griff der Tür, sah mich an und fragte: „Darf ich mich mal reinsetzen?"
Stumm nickte ich, beobachtete die junge Frau, die plötzlich in ihrer eigenen Welt versank und mich unvorbereitet in diesen Strudel hineinzog. Es gab nur Isabella, Gillian und mich.
Während sie hinter das Steuer glitt, nahm ich wie selbstverständlich den Platz auf dem Beifahrersitz ein, nachdem ich das Jackett und die Krawatte auf die Rückbank verbannt hatte.
„Du kannst die Gangschaltung bedienen?" Es war mehr eine Feststellung, als eine Frage, mit der sie mich zum Reden aufforderte.
„Es scheint so, sonst wäre ich jetzt nicht hier."
Meine trockene Bemerkung reizte Gillian zum Lachen. Sie strich sich eine der braunen Haarsträhnen aus ihrem Gesicht und sprach: „Somit zählst du zu den besonderen Exemplaren der Gattung Mann. Ich kenne nicht viele Menschen, die mit einer Gangschaltung umzugehen wissen und ich bin neugierig, wo du das gelernt hast."
„Auf einem alten Traktor", antwortete ich schmunzelnd.
Für einen Moment breitete sich eine komfortable Stille zwischen uns aus, die es mir ermöglichte, die junge Frau aus nächster Nähe zu betrachten. Ihre langen Wimpern blieben mir ebenso wenig verborgen wie ihr leicht sonnengebräuntes Gesicht, dessen Wangen nun nicht mehr durch Ölspuren verziert waren. Obwohl sie Gesicht und Hände gesäubert hatte, roch sie noch immer ein wenig nach Öl, komischerweise störte mich das nicht.
Interessiert und gleichzeitig aufgedreht begutachtete sie Isabella von innen und mir schien es, als würde sie genau wissen, worauf sie zu achten hätte.
„Der Tacho zeigt Kilometer an, keine Meilen. Sie ist also im Originalzustand und das macht sie ungeheuer wertvoll", plapperte Gillian aufgeregt. „Und fünfzigtausend Kilometer Fahrleistung sind echt nicht viel."
„Wie viele Meilen sind das?" Stirnrunzelnd blickte ich sie an.
„Bisschen mehr als dreißigtausend. Du musst es durch 1,6 teilen", klärte sie mich auf.
Im Kopfrechnen war ich schon immer schwach gewesen, deshalb sah ich davon ab, mich selbst zu quälen und hörte lieber weiterhin Gillians Ausführungen zu. Nicht zuletzt deshalb, weil ich ihre Stimme sehr angenehm fand.
„Volllederausstattung und so gut erhalten, der Wahnsinn. Und das weiße Lenkrad, ich liebe es, dass es so dünn ist, das war damals so."
Ihre Begeisterung schien kein Ende zu nehmen und mein Verdacht, dass es sich bei ihr um eine Autonärrin handelte, erhärtete sich mit jedem Satz mehr, den sie ausstieß. „Darf ich mir den Motor mal anschauen?"
„Ähm, ja, klar." Ein wenig umständlich schälte ich mich aus dem kleinen Wagen und beobachtete Gillian, die Isabella bereits besser zu kennen schien als ich. Sie freute sich wie ein Kind, aber das war es nicht, was mich schlichtweg aus den Schuhen haute, sondern ihr enormes Fachwissen bezüglich eines Gefährtes von dessen Existenz ich bis zum heutigen Tage nicht einmal etwas ahnte.
„Ein Vierzylinder-Viertakt-Reihenmotor; wassergekühlt, hängende Ventile über Stoßstangen und Kipphebel betätigt, seitliche Nockenwelle, dreifach gelagerte Kurbelwelle. Einfach der Hammer, das alles noch einwandfrei funktioniert."
Kurz hob sie den Kopf, zeigte mir ein strahlendes Lächeln. „Das Auto ist älter als wir beide zusammen."
Mit den Händen in den Hosentaschen stand ich da, musterte sie und sprach: „Also ich bin fünfundzwanzig. Da ich nicht weiß, wie alt du bist, kann ich das nicht beurteilen."
„Was?" Gillian schaute mich an, als hätte ich nicht mehr alle Tassen im Schrank. „Du musst doch wissen, wie alt deine Isabella ist", empörte sie sich. „Es sei denn, du bist ein Volltrottel, der sich nicht für sein Auto interessiert und dem sein Geld egal ist."
Oha, bei dieser Aussage waren eine Menge Dinge nicht zutreffend, die ich sogleich richtig stellte.
„Also erstens, Isabella gehört mir nicht. Ich bekam sie von einem guten Bekannten geliehen. Zweitens, wenn es mein Auto wäre, würde ich mich selbstverständlich für sie interessieren und drittens, Geld ist mir ganz und gar nicht egal."
Ihr überraschtes und gleichzeitig zerknirschtes Gesicht zu betrachten, ließ eine diebische Freude in mir aufkommen, lag sie doch mit allem gründlich daneben.
„Oh, also, das tut mir jetzt leid, also das mit dem Volltrottel." Ihr zartes Gesicht überzog sich mit einer grenzenlosen Röte, die jeder reifen Tomate Ehre machen würde. „Isabella gehört nicht dir."
Ein Hauch von Traurigkeit schwang in ihrer Stimme mit. „Das ist sehr sehr schade, dann sie ist ein Schmuckstück. So ein tolles Auto." Tief seufzte sie auf. „Leider ging Borgward Pleite."
Unsere Augen trafen sich und just in diesem Moment sprach ich es aus: „Wo wurde Isabella produziert?"
„In Deutschland, Borgward war eine deutsche Firma."
Das erklärte auch die Maßeinheiten des Tachos und eigentlich hätte ich von selbst drauf kommen können. Während der Fahrt zu den Dearings unterlag ich der Illusion, dass der Tacho nicht richtig funktionierte, denn ich kam mir vor wie eine Schnecke und hielt mich demnach nicht an die vorgegebene Geschwindigkeit, die auf der Straße herrschte, sondern überschritt diese um mindestens fünfundzwanzig Meilen. Im Klartext hieß das, es handelte sich um Kilometer und demnach war ich nicht zu schnell gewesen.
„Ich würde sie zu gerne einmal fahren, aber da sie nicht dir gehört, kannst du mir wohl nicht die Erlaubnis dazu erteilen." Sehnsüchtig glitten Gillians Blicke erneut über das Fahrzeug, das ich nun mit ganz anderen Augen sah. Der alte Tom hatte mir da wirklich ein kostbares Spielzeug anvertraut, eines, das ich unbedingt wieder leihen wollte.
Spitzbübisch grinsend sah ich sie an. „Vielleicht kann ich ja etwas mit dem Besitzer arrangieren." Es war es auf jeden Fall wert, ihr strahlendes Gesicht wieder zu sehen, das sich gezeigt hatte, als sie hinter dem Steuer saß und nicht genug von Isabella schwärmen konnte.
Noch niemals war mir eine junge Frau begegnet, die derart leidenschaftlich über ihr Hobby sprach, denn dass alte Autos ihr Steckenpferd waren, erkannte ich an diesem Nachmittag recht schnell.
Der alte schwarze Pick-Up unter dem sie lag, als ich mit Flora eintrudelte, sagte genug. Ebenso der ölverschmierte Overall sowie die Hände mit dem nicht vorhandenen Nagellack. So wie Gillian mit ihrer Einschätzung mir gegenüber falsch lag, so lag ich auch extrem daneben. Und ehrlich gesagt machte mich das froh, denn ich fand es schön, jemandem zu begegnen, der nicht die breite Masse der Frauen repräsentierte.
Meine Kundin war wirklich einzigartig und so würde sicher auch die Planung der Hochzeit ausfallen. Nichts, woran man sich halten konnte, da nützten Louis' Notizen mit Sicherheit nur noch zum Hintern abwischen.
Und mit dieser Einschätzung sollte ich leider Recht behalten.
Inzwischen saßen wir auf einer Bank, vor der Werkstatt, jeder eine Dose Cola in der Hand und ich eröffnete die Plauderstunde.
„Also, als dein oder besser gesagt euer Hochzeitsplaner, habe ich einige wichtige Fragen an dich."
„Schieß los, so lange es nicht zu persönlich ist, beantworte ich alles." Gillian blinzelte träge in die Sonne, während ich im Geiste die ersten Fragen abrief, die man in solch einem Fall stellte.
„Hast du dir schon Gedanken über die Gästeliste und über eine Wunschlocation gemacht?"
Sie nagte an ihrer Unterlippe, gleichzeitig krempelte sie einen Ärmel des Overalls hoch, der nach unten gerutscht war. „Also die Gästeliste steht noch nicht im Einzelnen fest, aber es wird eine große Hochzeit werden."
Einige Sekunden blieb es still, dann begann Gillian erneut zu sprechen: „Und die Hochzeit wird auf keinen Fall hier auf diesem Grundstück stattfinden."
Schweißperlen bildeten sich auf meiner Stirn. Ob diese nun durch die Hitze herausgetrieben wurden, oder eher durch den Umstand, dass ich nun vor der ersten mächtigen Hürde angekommen war, ließ sich nicht so genau feststellen. In Gedanken verfluchte ich Louis und wünschte ihm einen Flug auf den Mond, selbstverständlich ohne Rückfahrkarte. In was hatte er uns beide da reingeritten?
Um meine Verlegenheit zu überspielen, räusperte ich mich, holte mein Handy hervor und tippte eine Nachricht an Louis. Anschließend wandte ich mich Gillian zu.
„Wenn ich die genaue Anzahl der Gäste kenne, kümmern wir uns um die Location. Also ist es deine Aufgabe, diese Liste so schnell wie möglich zusammen zu stellen."
Selbst erstaunt über meine Fähigkeit, die Lage erstmal geklärt zu haben, führte ich ein imaginäres Schulterklopfen bei mir aus. Somit gewann ich wertvolle Zeit.
„Ja, gut, das werde ich am Wochenende mit Milo zusammen machen", ließ Gillian sich vernehmen.
„Fein, ich würde sagen, du meldest dich dann bei mir, sobald alles unter Dach und Fach ist."
Nickend kramte sie ihr Handy aus dem Overall. „Dazu brauche ich deine Nummer."
Wir tauschten die Telefonnummern aus, bevor ich meine Cola leerte und mich verabschiedete. „Also, bis dann, Gillian. Es freut mich sehr, dass ich deine Hochzeit organisieren darf."
„Mich auch." Prompt wurde sie rot und ich grinste in Richtung Isabella. „Dann werde ich das Schmuckstück mal nach Hause bringen."
„Bitte fahr vorsichtig, sie ist ungefähr zwanzig Tausend Dollar wert", rief Gillian mir hinterher und in dieser Sekunde zog es mir fast den Boden unter den Füßen weg. Wenn diesem Auto etwas passierte, war ich pleite, das stand fest. Tom musste entweder völlig verrückt sein oder großes Vertrauen in mich haben, weil er Isabella so leichtfertig in meine Hände gab.
Beinahe wurde die Rückfahrt zu einem Desaster, denn während ich peinlichst genau darauf achtete, dass ich kein Schlagloch erwischte und auch nicht zu dicht auffuhr, rückte mir ein großer Wagen derart auf die Pelle, dass ich panisch auf dem Sitz herumrutschte.
„Komm doch noch näher, du Idiot!", knirschte ich mit zusammengebissenen Zähnen. „Wenn du Isabella ein Haar krümmst, reiße ich dir sämtliche Haare einzeln aus!"
Zum Glück hörte der Fahrer das nicht, aber ich war heilfroh, als die Ampel auf Grün schaltete und der Trottel abbog.
Ich machte drei Kreuze, als ich Isabella heil bei Tom ablieferte und er fragte mich Löcher in den Bauch. Wie sie sich fuhr, wie schnell ich gewesen sei und wie es sich angefühlt hatte.
So genau wie möglich beantwortete ich seine Fragen, dabei fiel mir auf, dass ich wirklich Spaß daran gehabt hatte, den Oldtimer zu steuern und für eine Sekunde tauchte Gillians Gesicht vor mir auf. Mit ihrer grenzenlosen Begeisterung für Isabella steckte sie mich ein wenig an.
„Beim nächsten Mal übernehme ich die Spritkosten", versprach ich dem alten Tom, der daraufhin zufrieden nickte.
Wenige Minuten später betrat ich unser kleines Apartment, wo Louis mir frisch geduscht entgegen kam. „Hey, Nialler, na wie war dein erstes Mal?", begrüßte er mich mit einem unverschämten Grinsen.
„Nicht wo schlimm, wie ich es mir vorgestellt hatte", erwiderte ich und öffnete den Kühlschrank. Die Rückfahrt hatte mich durstig gemacht. „Hast du meine Nachricht bekommen?", fragte ich und griff nach einer Dose Bier.
„Natürlich." Er wackelte mit den Augenbrauen: „Was denkst du, was ich gerade tue? Ich treffe mich gleich mit Eleanor, um sie ein bisschen auszuhorchen."
„Perfekt." Ich kippte das Bier beinahe auf ex runter, doch als ich Louis' Frage hörte, blieb mir fast der Alkohol im Hals stecken: „Wie hoch ist der Scheck, den sie ausgestellt hat?"
Mist, das hatte ich total vergessen! Ausgerechnet das Wichtigste, die Kohle, das, nach was wir lechzten und auch brauchten.
„Ähm, den gibt sie mir beim nächsten Mal."
„Was?!" Louis sah aus, als ob er mich fressen wollte und da platzte mir der Kragen.
„Hör mal, ich muss hier die Arbeit machen und du vergnügst dich gleich mit deiner Tussi! Es war mein erstes Mal und da kann es halt passieren, dass man was vergisst!"
„Aber doch nicht die Kohle! Mensch, Niall, wo hattest du denn deinen Kopf?"
„Bei Isabella."
Fassungslos starrte er mich an. „Isabella wer?"
„Das Auto, das Tom uns geliehen hat. Gillian steht drauf und hat mich ein bisschen aufgeklärt."
Das war der Moment, in dem Louis unkontrolliert losprustete. Seine Reaktionen waren wirklich manchmal unberechenbar, von daher wunderte mich das nicht. „Sie hat dich aufgeklärt, haha. Das klingt, als seist du entjungfert worden."
„Bin ich ja auch, was den Wedding Planner angeht."
Aufmerksam musterte mich mein Kumpel. „Also beim nächsten Mal denkst du bitte dran. Wir wollen ja keine Tütensuppen mehr fressen."
Als Louis zehn Minuten später geschniegelt vor mir stand, konnte ich mir einen Spruch nicht verkneifen: „Steck einen Gruß von mir rein."
„So weit sind wir noch nicht. Eleanor ist eine Frau mit Klasse, die lässt sich nicht gleich vögeln."
„Siehst du", meine ich gehässig, „das ist der Nachteil an Tinder."
„Halt die Klappe, du Milchgesicht", versuchte er mich zu ärgern, aber ich ging nicht darauf ein, sondern verschwand kurz ins Schlafzimmer, um meine Gitarre zu holen. Heute Abend wollte ich ein wenig spielen, ihr Melodien entlocken, die meine Seele erfüllten.
Nachdem Louis gegangen war, saß ich auf dem Sofa, ließ meine Finger verträumt über die Gitarre gleiten. Kein Körper war so schön wie ihrer, nichts sprach so sehr an, wie die Berührung ihrer Saiten, an denen ich vorsichtig zupfte. Einst bekam ich das Instrument zum Geburtstag geschenkt, soweit ich mich erinnern konnte, war es mein zwölfter gewesen und das gute Stück, das ich hütete wie meinen Augapfel, demnach dreizehn Jahre alt.
So wie Gillian alte Autos liebte, galt meine Lieben älteren Musikinstrumenten und ich hätte mir gerne eines geleistet, das dreißig oder mehr Jahre auf dem Buckel hatte. Vielleicht war das ein Zeichen, der Hinweis für eine gute Zusammenarbeit und dass ich als Hochzeitsplaner zu ihr passte.
Nach einer halben Stunde des Spielens wurde ich unruhig, dachte an den Scheck, den ich vergessen hatte und stand auf, um in unserer Box, in der wir das Geld bunkerten, nachzuschauen, wie viel noch drin war.
„Zwanzig Dollar für das Wochenende", murmelte ich leise, „eindeutig zu wenig."
Ohne darüber nachzudenken, schnappte ich die Gitarre, packte sie in den dazugehörigen Koffer, nahm den alten Hut und machte mich auf den Weg nach draußen. Heute wollte ich spielen, um unsere Haushaltskasse ein letztes Mal auf diese Art und Weise aufzubessern. Spätestens wenn ich den Scheck in den Händen hielt, brauchte ich das hoffentlich nicht mehr zu tun.
Langsam setzte draußen die Dämmerung ein, doch die Straßen waren noch belebt, sodass ich meinen bevorzugten Platz aufsuchte. Dabei stiegen allerlei Düfte in meine Nase; Burger, Pizza, der Geruch von Benzin und Putzmitteln. An der Baptistischen Kirche vorbei, gelangte ich in die Nähe des Washington Parks und genau an der Kreuzung davor machte ich Halt.
Sorgsam platzierte ich den Hut auf dem staubigen Gehweg, direkt vor meinen Augen, und begann zu spielen. Es dauerte nicht lange und einige Menschen versammelten sich um mich, warfen Münzen und Ein-Dollar Scheine in den Hut. Ich bedankte mich mit einem Lächeln, spielte jedoch unbeirrt weiter.
Zumindest so lange, bis ein großer Typ mit struppigem Bart vor mir stehen blieb. Seine grauen Augen schienen mich fast zu durchbohren und ich begann zu schlucken, hielt mitten im Lied inne, da er näher kam.
Seine Lippen öffneten sich und als er zu sprechen begann, wurde ich nervös.
„Ich habe dir vor einigen Tagen einen Hunderter in deinen Hut geworfen."
Scheiße! Der wollte jetzt nicht ernsthaft sein Geld zurück?
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Hallo meine Lieben, pünktlich am Wochenende ein neues Kapitel - ich hoffe, ihr hattet Spaß beim Lesen.
Das war nun das erste Treffen zwischen Gillian und Niall. Eure Gedanken dazu würden mich sehr interessieren.
Wie findet ihr es, dass Gillian so viel über alte Autos weiß?
Armer Niall. Er hat vergessen, sich den Scheck ausstellen zu lassen und nun ist noch der Typ aufgetaucht, der ihm neulich hundert Dollar in den Hut warf. Wie mag das wohl ausgehen?
Ich danke euch sehr für den Support in Form von Kommentaren und Votes. Das gibt sehr viel Auftrieb.
LG, Ambi xxx
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