25.
Wie ein Fisch auf dem Trockenen riss ich sofort meine Augen auf und sog in gierigen, kurzen Atemzügen Luft in meine Lungen. Es fühlte sich an, als wäre ich soeben einen ganzen Marathon gerannt und erst langsam kamen bruchstückhaft die Erinnerungen wieder zusammen.
Hastig riss ich mir die Oculus von meinem Gesicht und erkannte verschwommen meine Zimmerdecke über mir. Ich war zurück... aber... der Preis dafür war zu hoch und zu schrecklich..! In meiner rechten Hand spürte ich noch Tims schlaffe Finger und ich rappelte mich vom Boden hoch, auf den wir beide wohl mit dem Spielbeginn gesunken waren. Er lag regungslos neben mir, ebenfalls mit der Brille auf und seinem NerveSuit an. Timmi... Ohne mich weiter um irgendetwas anderes zu scheren, schob ich ihm das Gerät von den Augen auf die Stirn, schluchzte gequält und küsste ihn dann, so wie ich es gerne schon immer und noch Jahre länger getan hätte, wenn ich nur mutiger gewesen wäre. Lange und intensiv, während mein zartes Herz zu brechen drohte...
Und plötzlich wurde mein Druck um Tims Hand heftig erwidert. Er öffnete panisch seine Augen und schnaufte lautstark, um genügend Luft in seinen Körper pumpen zu können. E-er lebte noch! Er lebte! Oh mein Gott, es war noch nicht zu spät gewesen!
Er fixierte mich, wie ich noch wegen meinem ohnmächtigen Glückstaumel erstarrt über ihm saß, und sein Blick wurde warm und wunderbar weich wie geschmolzene Schokolade. Unbeachtet unserer empfindlichen Kleidung klammerten wir uns auf ein stilles Kommando aneinander und küssten uns emotionsgeladen. Wir hatten überlebt! Wir waren dem Spiel entkommen! Gott sei Dank!
"Ich liebe dich so sehr Stegi! Bitte lass uns nie wieder etwas anderes sein als ein Pärchen und für immer zusammen!", war das erste, was Tim nach über zehn Minuten des Weinens, der Freude und tausend weiteren Küssen zu mir sagte. Seine Stimme war ganz rau und auch mein Hals war komplett ausgetrocknet von der Intensität, mit der auch unsere echten Körper scheinbar mitgelitten hatten, aber es war dennoch unbestreitbar das schönste Liebesgeständnis aller Zeiten! "Ja-! Ja Timmi, wir bleiben zusammen! Für immer und ewig!"
Ein brummender Ton riss uns schließlich unsanft aus unserer Ganzkörperklammer. Tims Handy auf dem Schreibtisch, das er immer vergaß auf stumm zu stellen. Und bei einmal nerven blieb es nicht, stattdessen wollte es gar nicht mehr zu Surren aufhören. Trotzdem noch eng umschlungen richtete mein ab jetzt fester Freund sich ein Stück auf, bis er den Unruhestifter erreichte und entsperrte:
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Der TTT Chat lief Amok, kreuz und quer erkundigten sich unsere wie durch Zauberhand am Leben gebliebenen Mitspieler der letzten zwei Stunden nach den anderen, ob bei ihnen alles gut war und sie wieder heil aus dem Spiel gelangt waren. Zwischendurch immer wieder verwunderte Nachrichten von Bergi, Rewi und Moregame, was denn plötzlich los sei. Die Glücklichen, sie wussten nicht, welche Hölle beinahe auch noch auf sie gewartet hatte!
"Was ist mit euch eigentlich passiert? Konntet ihr uns etwa doch die ganze Zeit spektaten?", fragte ich Tim schließlich, was mir gerade am meisten unter den Nägeln brannte und sah ihn nicken. "Der Schmerz kurz davor war aber scheiße real, sag ich dir! Nochmal lasse ich mich so nicht von jemandem vollpumpen!"
Da ging es ihm wie mir. Nie wieder wollte ich auch nur einen Finger an die VR+ legen! Ein solches Erlebnis reichte mir völlig! Und noch eine Sache galt es zu klären: "Was machen wir mit den anderen? Wie können wir Rafi ab heute jemals wieder in die Augen schauen ohne daran zu denken? Oder Tobi, oder Ardy?" Darauf wusste Tim ebenso keine Antwort. Vermutlich mussten wir alle die Erlebnisse erst einmal sacken lassen und verarbeiten, bevor wir wieder unsere Kontakte zu denjenigen pflegen konnten, die heute unsere erbitterten und unnachgiebigen Feinde gewesen waren. Doch so wussten wir jetzt auch, wem wir wirklich vertrauen konnten und wer sich im Ernstfall als wahrer Freund entpuppte und wer eben nicht. Vielleicht hatte uns der Tag heute doch auch irgendwie die Augen geöffnet!
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