~14~
Leise schlüpfte ich ins Badezimmer und besah mich im Spiegel.
Ryan hatte ich in mein Zimmer verfrachtet und dann dort stehen gelassen. Dann war ich losgegangen, um eine Salbe für seine Wunden im Gesicht zu besorgen. Betrunken war er definitiv nicht. Ryan war selbstsicher und fast schon ein wenig trotzig hinter mir hergegangen und hatte sich in meinem Zimmer interessiert umgesehen. Den Grund, warum er sich also geprügelt hatte, wusste ich immer noch nicht.
Jetzt betrachtete ich meine noch leicht rot geränderten Augen und rieb mein Gesicht mit kaltem Wasser ab. Ausatmend nickte ich mir selbst zu und nahm mir dann die Salbe aus dem kleinen Schränkchen.
In meinem Zimmer angekommen, schaltete ich die große Deckenlampe ein und schritt dann mit schnellen Schritten zu Ryan, der mich aus dem Augenwinkel beobachtete. Immer noch sauer auf ihn, packte ich grob sein Kinn und ignorierte sein leicht schmerzerfülltes Zischen dabei. Ich drehte es dem Licht entgegen, um somit besser zu erkennen, wo ich die Salbe verteilen musste.
Als Ryan erkannte, was ich vorhatte, knurrte er: "Ich brauch das nicht."
Wütend funkelte ich ihn an. "Und wie du das brauchst."
Vorsichtig schmierte ich die ein wenig brennende Creme auf sein Auge, seine Wange, sein Kinn, seine Augenbraue und seine Schläfe. Ich kniff die Augen zusammen und nahm mir ein Papiertuch, um die überschüssige Creme abzuwischen, damit sie die Haut nicht zu sehr reizte.
"Du hast Erfahrung damit, oder?"
Ich ignorierte seine Frage. Ich wandte mich ab und hielt ihm ein paar Tücher hin, damit er sich die blutigen Knöchel und Hände daran abwischen konnte.
Ryan säuberte seine Hände bloß grob. Danach stand er auf und ging zu mir, denn ich hatte mich in eine Ecke meines Zimmers verkrochen, um ja viel Abstand zwischen uns zu gewinnen. Doch das interessierte ihn reichlich wenig. Stattdessen packte er sanft mein Kinn mit seiner Hand und drehte mein Gesicht zu ihm, sodass ich nun auf seine muskulöse Brust starrte, welche sich unter dem hellen Hemd spannte.
"Dein Ex-Freund. Er hat dich geschlagen."
Überrascht sah ich zu ihm auf. "Wo-woher weißt du das?", stotterte ich.
"Ich war in der Stadt, wollte dir Blumen kaufen. Dann habe ich einen Kumpel getroffen, der weggezogen war, vor ungefähr 2 Jahren. Er erzählte mir, er und sein Freund hätten mal wieder entschieden, die Stadt zu besuchen. Wir unterhielten uns ein wenig. Nach 'ner Zeit meinte er, sein Kumpel hatte wohl mal 'ne süße Freundin und irgendwann wollte er wissen, wie es wäre, sie zu schlagen. Ein Sadist, hat er gelacht und es wäre ein Geheimnis, das ich niemandem erzählen sollte." Sein Kiefer mahlte und seine Hände schoben sich zu meiner Taille, die er wie einen Rettungsanker begann, zu umklammern. "Ich hab ihn gefragt, wie besagte Freundin wohl hieße. Irgendetwas mit Ariana hat er gesagt." Ryans Blick verlor sich in meinen Augen. "Ich weiß nicht genau, was dann geschah." Ryan sah auf seine Hände an meiner Taille. "Ich glaube, ich habe einfach zugeschlagen. Immer und immer wieder. Und ich habe ihn gefragt, wo sein Kumpel gerade wäre." Ryan lachte dunkel und trocken. "Naja, gefragt eher weniger. Er begann, sich zu wehren und ich habe fester zugeschlagen. Ihn getreten. Er lag am Boden, wie ein kleines Häufchen Scheiße. Und er hat gehustet. Er hat den Namen
meiner Lieblingsbar gehustet. Raziol's. Ich hab ihn einfach dort liegen gelassen und bin hingefahren." Seine Hände ballten sich zu Fäusten und er ließ vorausschauend meine Hüfte los. Ryan drängte mich an die Wand und legte seine Fäuste beunruhigend sanft auf die Wand hinter mir. "Doch er war nicht da. Der Hurensohn war nicht da. Ich hab seinen Namen so laut geschrien, aber er war nicht da. Ist 5 Minuten vorher weggefahren. Dann bin ich rausgegangen. Hab glaub ich noch 'ne Flasche umgestoßen. Dann bin ich zu Fuß hierhergekommen. Mir war nicht nach Auto fahren. Mir war nicht danach." Mit dem letzten Satz, der in seinem Gemurmel fast unterging, schloss er seine Erzählung ab.
Er war so wütend, das wusste ich. Er war wütend, weil er es nicht gewusst hatte. Weil er es so erfahren hatte. Weil er nicht der Person Leiden zufügen konnte, die mein Leben so sehr erschwert hatte. Er war wütend, weil mich jemand verletzt hatte.
Einem plötzlich auftauchenden Instinkt folgend, legte ich meine Hände auf seine angespannten Oberarme und stemmte mich daran hoch. Dann presste ich meine Lippen auf seine.
Ryan riss überrascht seine Augen auf, reagierte dann jedoch sofort und senkte seinen Kopf meinem entgegen. Seine Hände waren auf meinem Rücken und vergruben sich in meinen Haaren. Unsere Münder spielten miteinander, es war wie ein wildes Gerangel. Ryans Zähne knabberten an meiner Unterlippe und ich öffnete meine Lippen, sodass seine Zunge den Weg zu meiner finden konnte.
Das hier war nicht der sanfte, zögerliche Kuss, den ich mir vorgestellt hatte, wenn Ryan mich das erste Mal küsste. Dieser Kuss war leidenschaftlich und wild. Wir legten beide unsere gesamte Wut hinein.
Ryan stöhnte in meinen Mund, als ich mit meiner Zungenspitze seinen Gaumen streifte. Er packte mich und hob mich hoch, presste mich gegen die Wand. Seine Hände streichelten meinen Hintern und übten Druck auf meine Oberschenkel aus.
Meine Finger vergruben sich in seinen Haaren und zogen leicht daran.
Ryan hörte nicht auf mich zu küssen, als er langsam auf mein Bett zuging und mich darauf legte. Er unterbrach unseren Kuss, um sich sein Hemd über den Kopf zu streifen. Ich nutzte diesen kleinen Moment für eine wohlverdiente Atempause. Dann senkte er sich wieder auf mich und küsste mich wieder. Seine Zunge stieß neckend gegen meine. Mit meinen Händen fuhr ich über Ryans Oberkörper, über seine Muskeln.
Ryan begann mit zitternden Händen unter meinen Pullover zu fassen und mit seinen warmen Händen meinen Bauch zu streicheln. Dann wanderten sie weiter nach oben. Er fing an mit seinen Fingerspitzen leichte Abdrücke auf meinem Dekolleté zu verteilen. Ich warf meinen Kopf in den Nacken und konnte ein Stöhnen nicht mehr zurückhalten.
Plötzlich verschwanden Ryan's Hände und er wich zurück, bis er mit den Rücken gegen meinen Schrank stieß. Schweratmend fuhr er sich durch die Haare und musste mit einem Schlucken den Blick von mir abwenden.
"Ich-Wir sollten das nicht tun. Nicht jetzt, unter diesen Umständen."
Er drehte sich um und fing meinen Blick auf. "Nicht jetzt, wenn ich es nicht rechtzeitig zu unserem Date geschafft habe und vor wenigen Stunden noch jemanden verprügelt habe. Lass es uns in dem richtigen Moment tun. Aber versteh mich nicht falsch, ich will." Lächelnd lief er wieder zu mir und legte sich dann neben mich.
Mit zitternder Unterlippe starrte ich auf seinen vollen Mund. Ryan lachte. "Morgen. Wenn du jetzt schläfst, kriegst du morgen mehr."
Zweifelnd sah ich ihn an.
Er lächelte liebevoll. "Versprochen!"
Ich schloss meine Augen und konnte dank der langsamen Bewegungen, die Ryans Hand auf meinem Arm hinterließ, auch schneller einschlafen, als erwartet.
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