SOULMATE
"Bist du dir sicher, dass wir nicht doch besser Lee-Chau Bescheid geben sollten? Er könnte uns fahren." Nuschelte ich ganz leise zu dem Thailänder, welcher sich unter einem Hut, Mundschutz und einer Brille versteckte. Sein Gesicht war tief auf sein Handy fokussiert, seine Haltung war zurücklehnend auf der blauen Sitzbank abgelassen, auf welcher auch ich Platz genommen hatte. "Nein." Zischte er etwas gereizt zurück und ich nahm ihn in meinem Augenwinkel ins Visier. Musterte sein Verhalten. Ich versteckte meine Haare unter der Kapuze meines grauen Hoodies, versuchte mein Blick so tief und dennoch neutral wie möglich zu halten, doch hatte ich das Gefühl, von den anderen Pendlern hier überwiegend auffällig gemustert zu werden. Ich holte ebenso mein Handy heraus, entsperrte es, obwohl es eigentlich keinen genauen Grund dafür gab. Einfach nur zur Ablenkung, es sollte einzig und allein meine Gedanken herunterfahren. "Ich mein ja nur, diese Situation gerade ist nicht ungefährlich für dich." Flüsterte ich erneut zu ihm hin, doch erhielt keine Beachtung. Er berührte mich mit seinem Bein, was mich wieder dazu veranlagte hinunter zu sehen. Er beugte sich unauffällig zu mir vor. "Ich hab es satt..bei mir ist alles gut und jetzt schau wieder nach vorn." Ten lehnte sich wieder zurück und wandte sein Gesicht auf andere Leute um uns herum, während er irgendwas auf seinem Display eintippte. Zwar war ich noch lange nicht sein Schoßhündchen, noch tanzte ich nach seiner Nase, doch ebenso musste ich seinen Worten vertrauen und folgen. Ich war immerhin aufgeschmissen ohne ihn. Mein herumschweifender Blick blieb an einem Mann in einer hinteren Ecke der U-Bahn hängen. Er schaute unaufhörlich zu mir hinüber, sah erschöpft aus, so als hätte er seid längerem nicht mehr geschlafen. Sein Blick hatte etwas von Ten's, als ich ihn in den ersten Augenblicken an meinem Bett sitzend sah. Er ähnelte dieser Miene schon, jedoch hatte dieser Mann noch etwas anderes in seinen Augen. Etwas beängstigendes. Etwas anwiderndes.
Ein Vibrieren meines Handys ließ mich meine Augen senken und ich lass am Display eine Nachricht meines Sitznachbarn's ab. Ich entsperrte verwirrt die Nachricht und lass. 'Du siehst ihn auch oder? Diesen zwielichtigen Typen, links von dir. Er starrt die ganze Zeit hierüber, vermeide Blickkontakt.' Ich runzelte meine Stirn und antwortete ihm schlicht mit einem einfachen 'weshalb?'. Als ich die Bewegung, der über den Bildschirm jagenden Finger des Thailänders im Augenwinkel erhaschen konnte, senkte sich automatisch mein Gesicht meinem Smartphone entgegen. 'Er schaut eindeutig dich an, tue mir einfach den Gefallen, bitte. Ich will nicht, dass dir etwas zustößt und dann auch noch wegen mir.' Stand in der darauffolgenden Nachricht von ihm, welche ich bekam. Sollte ich über seine kontrollierende und bewachende Art erfreut sein oder doch viel eher abgestoßen? Es gab genügend vor- aber auch Nachteile. Der angetrunken wirkende Mann stand plötzlich auf und quetschte sich neben mich hin. Ich sog angespannt Luft ein, weitete meine Augen, starrte nach vorn und drückte mein Rücken durch. Ein miefiger Geruch zog von dem Pendler hinüber, was ich als eine Mischung aus Alkohol, Essen und Schweiß hinaus roch. Sein Bein drückte sich immer mehr hab meins und als ich nur schon ganz leicht mein Kopf umdrehte, erkannte ich bereits sein schelmisches Lächeln. Meine linke Hand verschwand mit meinem Handy zusammen in meiner Bauchtasche, während die Rechte von meinem Bein rutschte und zu dem Stoff von Ten's Oberteil glitt. Meine Fingerspitzen berührten es und führ einen Moment durchfuhr mich ein Hauch an Erleichterung, dass er noch anwesend war. Zwar wollte ich zu ihm schauen und an ihn heranrücken, jedoch passierten die Worte, welche er mir vor dem Betreten der Bahn eingeflößt hatte, Revue. 'Wir schauen einander nicht an, wir kennen uns nicht. Das darfst du nicht vergessen, ok?' Ich hatte es nicht vergessen und schaue weiterhin starr aus dem Fenster gegenüber von mir. Zaghaft griff die Hand des Thailänders nach meiner und seine Finger legten sich auf die meiner. Er lehnte sich vor, tippte auf seinem Handy herum und ich lass die Zeilen am Display nach. Nächste Station aussteigen. Eindeutig an mich gerichtet und ich lächelte bei dem Gedanken gleich hier raus kommen zu können. Doch dann passierte es. Die Hand des Fremden Mannes legte sich auf meinen Oberschenkel und fuhr ihn langsam auf. Junge "Mädchen wie du sollten nicht allein sein." Raute er mit einer deutlich älteren Stimme zu mir und es fuhr mir kalt den Rücken hinunter. Ich war wie versteinert, konnte nichts erwidern, war wie gelähmt zu handeln. "Sie ist nicht allein." Ten stand plötzlich auf, schlug die Hand des Mann von meinem Oberschenkel und ich schaute auf. Er griff nach meinen Arm und zog mich zu sich hoch. "Und selbst wenn, würde sie sich nicht zu einem alten, stickenden, perversen Sack retten!" Erbrachte er aufgebracht, die Bahn hielt an und ich wurde von ihm aus dem Gefährt gezogen.
"Es tut mir leid, ich hätte dich dem nicht aussetzen sollen." Redete der Schwarzhaarige entschuldigend, zog mich hinter sich her, blieb stehen, schaute zum naheliegender rechten Ausgang. "Lass uns lieber hierher." Er kam zurück, wollte mich plötzlich zu dem anderen Ausgang hinziehen und als ich mich umsah erkannt ich auch schnell den Grund seines Sinneswandels. Eine Gruppe von Schülerinnen stand dort an einem Snack-Automaten. Eine Gefahr für ihn. Beim hochlaufen der Treppen rempelte ich einen Jungen an der Schulter an und ich verlor den Halt um Ten's Hand. Der Thailänder blieb einige Stufen weiter oben stehen, drehte sich zu mir um, musterte den Jungen. "Das tut mir leid." Meinte er schnell woraufhin ich beschwichtigend abwinkte. "Es ist ja nichts passiert." Lächelte ich ihm entgegen und er streckte mir seine Hand aus. "Ich bin Mike und wessen Schulter habe ich so achtlos gerammt?" Ich nahm die Hand des lächelnden Jungens an und lauschte seiner faszinierenden Wortwahl. "Ich bin Neami." Er hatte einen typischen Topfschnitt, kaum sehbare blaue Strähnchen und eine kleine Schere an seinem Hals tätowiert. "Interessantes Motiv." Lachte ich, deute auf seinen Hals hin und er senkte kurz lachend seinen Kopf. "Das ist eine lange Geschichte." Grinste er, legte seinen Kopf zur Seite und machte einen Schritt an mich heran. "Sehr interessant, dafür haben wir keine Zeit Neami." Kam es genervt von Ten, welcher nach meiner Hand greifen wollte, doch ich zog sie an mich heran. "Ich möchte die Gesichte sehr gerne hören." Zischte ich zu dem Thailänder und Mike schaute zwischen uns beiden hin und her. "Ich wusste nicht, dass ihr zusammen gehört." Er hob beschwichtigend seine Hände. "Wusste ich auch nicht." Gab ich augenrollend von mir und Ten stellte sich neben mich. "Warte mal-.." Meinte Mike plötzlich erschrocken und riss seine Augen ein Stück weit auf. Ten senkte automatisch sein Kopf und ich stand, immer nervöser werdender, zwischen den beiden. "D-Du bist doch dieser Ten, der von NCT." Ich nahm den Jungen neben mir geschockt in mein Blickfeld, abwartend was er darauf erwidern würde. "Nein, du musst dich irren." Stotterte er bitter ernst in seine Richtung, woraufhin Ten's Hand langsam nach meiner griff". Doch du bist Ten von NCT U!" Ich sah dem älteren seine Angst an und merkte sie eindeutig an dem sich verfestigenden Druck um meine Hand herum. Als ich an Mike vorbeischaute, erkannte ich die Mädchen von vorhin, wie sie tuschelnd zu uns hinübersahen. Wir mussten jetzt verschwinden oder gleich würden wir sehr tief in der Patsche sitzen. Da war ich mir mehr als nur sicher. "Mike!" Sagte ich um seine Aufmerksamkeit auf mich zu lenken. Der Asiate schaute mich an und ich war wie gelähmt. "Äh.." Stotterte ich und schaute suchend umher. "Deine Bahn!" Rief ich, er drehte sich um und ich rannte, den Thailänder hinter mir her ziehend, die Treppen hinauf. "Komm!" Meinte ich zu dem Schwarzhaarigen und er überholte mich mit Leichtigkeit.
"Haben wir ihn abgehängt?" Rief er mir zu und ich schnaubte wegen des Luftmangels auf, da wir endlich in einer Gasse zum stehen kamen. "Das hatten wir schon nach dem ersten Block." Gab ich angefressen, jedoch auch belustig von mir. Der Ältere grinste mich, mit diesem vor Schweiß glänzenden Gesicht, an, woraufhin ich nur erwidern konnte. Ich fing leicht an zu lachen und zusammen verfielen wir immer weiter im Gelächter. Als uns- oder besser gesagt ihm jedoch wieder einfiel, dass wir uns nur in einer Seitenstraße befanden und nicht allein waren, kam er auf mich zu, legte ein Arm um meine Schulter und drückte seine andere Hand auf meinen Mund. "Shh.." Lachte er gedämpfter und ich kicherte gegen seine Handfläche. "Die Leute können uns hören." Ich nahm seine Hand von meinen Lippen und hielt sie mit meiner fest. "Soll'n sie es doch, mir macht das nichts." Der Thailänder legte seinen Kopf leicht gegen meine Stirn und wir grinsten einander an. "Mir aber." Ich schaute zu ihm hinauf, fing nach seinen Worten an gespielt beleidigt zu schmollen und zog letztlich eine Grimasse. Mein Gegenüber kicherte erneut auf und ich schubste ihn von mir weg. "Die Leute können uns hören." Zitierte ich ihn von vorhin, während ich ihm meinen Rücken zudrehte, auf den Bürgersteig zurück lief und mit meiner Hand abwinkte. "Sollen sie doch!" Rief er mir hinterher, kam zu mir gerannt und sofort war seine Haltung sowie auch sein Verhalten komplett wie ausgewechselt. Zurückhaltend und neutral, hoffend nicht aufzufallen. Nicht erkannt zu werden. Ein grausamer Anblick. Er musste vorgeben, jemand anderes zu sein, nicht Chittaphon, sondern Ten. Nicht den Ten den ich kennengelernt hatte, nein, der Member von NCT.
Mein Magen fing an zu knurren und ich erinnerte mich daran, heute noch nichts gegessen zu haben. Ich drehte mein Kopf zu meinem Begleiter um und überlegte, als ich den kleinen Convenience Store auf unserm Weg betrachte. Ich war schon immer eine Person gewesen, welche einen gesunden Appetit besaß, weshalb es mich auch so verwunderte, dass ich auf meine jetzigen Maße abgehungert war. Wie hatte ich das nur geschafft? Meine Hand legte sich an den Stoff seiner Jacke und ich zog daran. Sein Kopf drehte sich zu mir. "Ich hab Hunger." Sagte ich und hielt mir den bereits schmerzenden Bauch. Ich deutete mit meinen Augen auf den anliegenden Store und schaute dann wieder zu ihm. "Und kein Geld." Fügte ich hinzu, versuchte einen bemitleidenswerten Eindruck zu machen. "Ich hatte dir gesagt, du sollst Zuhause was essen." Meinte er, doch gab schließlich augenverdrehend nach. "Aber schnell." Flüsterte er mir kurz zu, bevor wir hinein liefen. Meine Augen fuhren die ganzen Regale entlang bis ich schließlich bei den Snacks hängen blieb. "Woah..seit wann gibt es den diese Sorten?" Meinte ich, mehr zu mir selbst hin, als ich die verschiedenen KitKat Sorten erblickte. "Langsam werden es zu viele." Murmelte ich, als ich über die unübersichtliche Anzahl hinweg sah. "Geldmacherei." Nuschelte der Thailänder und ich nickte zustimmend in mich hinein. Meine Hände griffen nach einer Packung von Tomatenchips, ich drehte mich zufrieden um und Ten kam mir hinterher. Er machte einen gelangweilten Eindruck, als ich mich zu entscheiden versucht hatte, weshalb ich nicht all zu lange mit überlegen verbringen wollte. An der Kasse legte ich die Tüte hin, der Kassierer scannte den Code, nannte uns den Betrag und als Ten sein Geldbeutel zückte versteinerte er. "Bezahl." Flüsterte ich fordernd, da ich dachte, er sei im Gedanken versunken. Du darfst die nicht." Meinte er, packte nach der Tüte und entschuldigte uns beim Kassierer. "Was?" Fragte ich verwirrt als der Schwarzhaarige die Chips zurück in ihr Regal stellte. "Du hast eine Tomatenallergie Neami." Verdattert schwieg ich über diese Aussage und er drehte seinen Kopf mir entgegen. "Wir waren Anfang letzten Jahres zusammen beim Arzt, da immer wieder ein Ausschlag in deinem Gesicht und an deinen Armen, nach einnehmen von gewissen Mahlzeiten auftauchte." Der Thailänder lief musternd an dem Regal vorbei und schien es dieses Mal aufmerksam zu mustern. "Du verträgst das Histamin in diesen nicht, weshalb auch die rötlichen Stellen auftauchten." Enttäuscht nickte ich, zu deprimiert über diese Erkenntnis war ich. Klar, ich musste nun auf einige Dinge verzichten, doch das war nicht der Grund für meinen Frust. Es kam mir vor, als ob ich mich selbst nicht mehr kennen würde. Eine enttäuschende Situation. "Hier." Der Junge griff nach einer anderen Verpackung aus dem Regal und gab sie mir. Es war Studentenfutter, Nüsse, einwenig Schokolade, Rosinen, das übliche Zeug eben und ich mochte es. "Das magst du." Ich runzelte meine Stirn. "Warum bist du dir da so sicher?" Er lächelte und lief langsam mit mir zur Kasse zurück. "Ich sollte dir immer, nach meinen Proben, eine Packung mitbringen. Daher weiß ich es." Schmunzelnd senkte ich meinen Kopf und sah ihm dabei zu wie er das Produkt bezahlte.
..Fortsetzung folgt..
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